Verordnungen verfassungswidrig?

Man soll­te den­ken, wenn ein ehe­ma­li­ger Chef des Bundesverfassungsgerichts sich zu Corona zu Wort mel­det, kön­ne das eine gewis­se Bedeutung haben.

Hans-Jürgen Papier hat das gestern gegen­über tages​schau​.de getan. Die Reaktion dar­auf ist annä­hernd null. Das mag am Inhalt liegen:

'Die mei­sten Corona-Maßnahmen beru­hen auf Verordnungen statt auf Gesetzen. Die Parlamente blei­ben außen vor – auch bei Grundrechtseinschränkungen. Das wirft ver­fas­sungs­recht­li­che Fragen auf.

Hans-Jürgen Papier erklärt gegen­über tages​schau​.de, dass es sich "bei Rechtsverordnungen um unter­ge­setz­li­che Normen han­delt, über die ein Parlament grund­sätz­lich nicht abstim­men muss".

Die Landesregierung kann sie im Alleingang erlas­sen. Das bedeu­tet: kei­ne Anhörungen etwa von Experten und öffent­li­che Diskussionen in den bis zu drei Beratungen mit allen gewähl­ten Abgeordneten im Parlament – und zwar bevor eine sol­che Regel erlas­sen wird. Papier wei­ter: "Das Bundesverfassungsgericht hat schon vor Jahrzehnten den Wesentlichkeitsgrundsatz ent­wickelt, der den Gesetzgeber aber ver­pflich­tet, grund­le­gen­de Entscheidungen, ins­be­son­de­re im Bereich der Grundrechtsausübung, selbst zu tref­fen und sie nicht der Exekutive – also einer Regierung – zu überlassen."

Sofern eine Regelung also wesent­li­che Grundrechte beschränkt, könn­te eine Verordnung als Rechtsgrundlage nicht aus­rei­chen. Das beträ­fe streng genom­men alle 16 Verordnungen der Bundesländer zur Eindämmung der Corona-Pandemie, die seit Mitte März den Alltag der Bürger mit­prä­gen. Was am Anfang wegen der beson­de­ren Notlage noch ange­mes­sen war, wer­de – je län­ger die Maßnahmen andau­ern – immer pro­ble­ma­ti­scher, so Papier.'

Keine abge­ho­be­ne Staatsrechtsdiskussion
Sicherlich sind die Corona-Regeln durch­aus auch in den Parlamenten Thema gewe­sen, aber stets erst, wenn die Verordnung schon in der Welt war. Widersprüchlichkeiten oder Webfehler in den Verordnungen fie­len also erst auf, wenn die Bürger oder voll­zugs­pflich­ti­ge Polizisten schon an ihnen ver­zwei­felt waren. Gerade so etwas soll ein ordent­li­ches Gesetzgebungsverfahren eigent­lich verhindern.
Außerdem: "Wir konn­ten unse­re Alternativvorschläge nur über die Medien dis­ku­tie­ren", beklagt ein Oppositions-Abgeordneter aus dem Berliner Abgeordnetenhaus gegen­über tages​schau​.de. Das Berliner Landesparlament ist kei­ne Ausnahme. In Rheinland-Pfalz befürch­tet der CDU-Abgeordnete Christian Baldauf gar eine "Entmachtung der Landesparlamente".
Bund-Länder-Gespräche als Entscheidungsgremium
Der Maschinenraum der Entscheidungen auch bei den jetzt erfolg­ten Lockerungen sind wie­der die Bund-Länder-Gespräche gewe­sen, in denen die Regierungschefs und Bundeskanzlerin Merkel die­se Woche nun schon zum fünf­ten Mal zusam­men­ge­kom­men sind. Im Nachgang die­ser Runden machen sich die Landesregierungen meist hin­ter ver­schlos­se­nen Türen an deren Umsetzung. Ist das Verfahren am Anfang wegen der beson­de­ren Ausnahmesituation von vie­len Abgeordneten hin­ge­nom­men wor­den, wird es inzwi­schen nicht nur in den Landesparlamenten kritisiert.’

(Hervorhebung nicht im Original)

Bereits die von Papier Anfang Mai aus­ge­spro­che­nen Mahnungen fan­den kei­nen Widerhall bei den Entscheidern. Link u.a.

In die­ser Frage bil­den Ramelow und Söder eine wah­re "Querfront".

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