Curevac-Deal: kein Problem für die "junge Welt"

Da steckt die Bundesregierung mal eben 300 Mio. Euro in ein Unternehmen eines der reich­sten Männer die­ses Landes. Natürlich schließt sie dabei jeg­li­che Vorgaben etwa zu gesund­heit­li­chen Risiken eben­so aus wie bei der Lufthansa zu Beschäftigungssicherung und Klimazielen.

Man soll­te mei­nen, für eine Zeitung in mar­xi­sti­scher Tradition und mit zahl­rei­chen LeserInnen aus Gewerkschaften und poli­ti­schen Bewegungen sei das ein Top-Thema. Während sich in der gedruck­ten Zeitung wenig­stens auf Seite 1 ein ganz und gar unkri­ti­scher dpa-Beitrag dazu fin­det, muß man beim online-Angebot müh­sam suchen, um die­se Meldung zu finden.

Was steht dort – und was mag der Grund für die­se Haltung sein?

Seit Monaten stellt die Zeitung Corona als Menschheitsproblem dar, das rein wis­sen­schaft­lich zu lösen und nicht von Klasseninteressen bela­stet sei. Sie ver­folgt die Erzählung, wonach welt­weit gewis­sen­haf­te Regierende (mit Ausnahme von Trump, Bolsonaro und den schwe­di­schen Rot-Grünen) die Gesundheit der Menschen schüt­zen woll­ten. Gegen die­se Aufgabe, die mit Lockdowns ein­her­ge­hen müs­se, lie­fen die Kapitalisten Sturm und for­der­ten gewis­sen­los und nur auf Profit bedacht die Reanimation der Wirtschaft. Die Arbeiterklasse hin­ge­gen habe aus gesund­heit­li­chen Gründen dar­an kein Interesse, des­halb dürf­ten Lockerungen nur äußerst behut­sam und lang­sam erfolgen.

Woher die Auffassung kom­men mag, die "Arbeitnehmer" hät­ten in zähem Widerstand gegen die Corona-Leugner aus der Wirtschaft den öko­no­mi­schen Niedergang mit all sei­nen Begleiterscheinungen erkämpft, ist schwer zu enträtseln.

Schöne Unabhängigkeit

In ihrem Artikel bleibt die Zeitung bei ihrer Linie "Corona ist die Geißel, jeg­li­che Maßnahme dage­gen ist gerecht­fer­tigt". Andere Medien ord­nen die Subvention noch ein in die Altmaiersche Strategie, der BRD-Wirtschaft mit Leuchtturm-Projekten zu glo­ba­len Playern zu ver­hel­fen und damit das Land (zur Not die EU) unab­hän­gig von China und den USA zu machen. Nichts davon ist zu lesen in der jW.

Statt des­sen gibt es die x‑te Wiederholung der fake news, nach der Trump Curevac dazu bewe­gen woll­te, ihm einen Impfstoff exklu­siv zur Verfügung zu stel­len, was der red­li­che deut­sche Unternehmer Hopp aber abge­lehnt habe.

Wir sind also zum Glück nicht abhän­gig von einem Irren, der den US-Imperialismus anführt. Wie wir "unse­re" Unabhängigkeit sichern, war 2015 aus dem Wirtschaftsmagazin "brand eins" zu erfah­ren. Die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung war gera­de mit 46 Millionen Euro in das Unternehmen ein­ge­stie­gen. Damit soll­te vor­ran­gig die mRNA-Technik, die jetzt bei den Impfstoffen zum Einsatz kommt, geför­dert wer­den. Zusätzlich zahl­te die Stiftung einen zwei- bis drei­stel­li­gen Millionen-Betrag für die Entwicklungskosten.

Sie erhielt dafür die Vermarktungsrechte in sämt­li­chen Entwicklungsländern. Das bedeu­tet: Curevac muß die Arzneimittel an die Gates-Organisation zu einem gün­sti­gen Preis abge­ben, der zwar nicht unter den Herstellungskosten lie­gen wird – „Das wäre nicht nach­hal­tig“, sagt Stiftungsmanager Farnum –, aber auch nicht weit dar­über. Trotzdem ist die Vereinbarung für die Tübinger wirt­schaft­lich sehr vor­teil­haft. Denn sie dür­fen die Vakzine, deren Entwicklungskosten kom­plett die Stiftung über­nimmt, in sämt­li­chen Industrieländern zu belie­bi­gen Preisen ver­kau­fen. Das bedeu­tet für die­ses Geschäft eine über­durch­schnitt­lich hohe Gewinnmarge. Siehe dazu den Beitrag Das Finanzierungsmodell von Bill Gates am Beispiel von Dietmar Hopp (SAP).

Nun kann also eine anstän­di­ge deut­sche Konzerntochter das Geschäft machen. Die Gates-Stiftung ver­dient dabei mit – sie ist Investor, kein mil­der Spender. Das wäre im übri­gen auch so gewe­sen, wenn der Konkurrent Biontech das Rennen gemacht hät­te. Auch dar­an ist Gates betei­ligt. Siehe u.a. Wer ist Biontech?

Gates ist nicht das Problem

Dabei ist gar nicht Herr Gates das Problem. Bei die­sen Firmen sind stets Großkonzerne und Banken mit im Boot. Eine lin­ke Zeitung, gar eine, die eine mar­xi­sti­sche Tradition auf­weist, müß­te Fragen stel­len wie

    • Wollen wir wei­ter zulas­sen, daß Kosten für die Sicherstellung des Gesundheitssystems öffent­lich getra­gen wer­den, die Erlöse aber pri­va­ti­siert wer­den? Denn wir sehen hier gera­de ein­mal die Spitze des Eisbergs und haben die Milliarden an Forschungsgeldern für öffent­li­che Hochschulen noch gar nicht berück­sich­tigt, von denen regel­mä­ßig die Privatwirtschaft profitiert.
    • Wollen wir Entscheidungen dar­über, ob und wel­che Impfstoffe pro­du­ziert wer­den, dem Belieben von Investoren über­las­sen, mögen sie noch so phil­an­tro­pisch daher­kom­men? Oder soll­te dies nicht ein trans­pa­ren­ter und demo­kra­tisch kon­trol­lier­ter Prozeß sein?
    • Gibt es einen guten Grund dafür, daß welt­weit in natio­na­len Alleingängen und in aber­wit­zi­ger Konkurrenz hun­der­ter Forschungsstätten an Medikamenten geforscht wird? Denn die von der EU und der WHO ein­ge­sam­mel­ten Beträge gehen an ein Konglomerat aus demo­kra­tisch nicht legi­ti­mier­ten Organisationen, die sie wie­der­um weit­ge­hend der Privatwirtschaft zur Verfügung stel­len. Siehe dazu Einfluß von Konzernen, Banken, Hedgefonds auf "Corona-Hilfen"

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