Drosten warnt mal wieder

Wenn SchauspielerInnen nur einen Charakter beherr­schen, wer­den sie schnell lang­wei­lig. Das gilt auch für ande­re Medienstars. Bei bei­den kann pas­sie­ren, daß man ihnen den­noch nicht ent­ge­hen kann. Dann näm­lich, wenn sie qua­si in Endlosschleife von den Medien prä­sen­tiert wer­den. Einer davon ist der unver­meid­li­che Christian Drosten.

366.000 Einträge mel­det Google heu­te zu den Begriffen "Drosten warnt". Ein Eintrag ist ori­gi­nel­ler als der andere:

    • Drosten warnt vor Ärzten, die "irgend­ei­nen Quatsch in die Welt setzen"
    • Drosten hält Restaurantbesuche für gefährlich

    • Drosten warnt: Lockerungen in Corona-Krise wie „Tanz mit einem Tiger“
    • Drosten: Corona-Zahlen aus Italien alarmierend
    • Drosten und über 100 Ärzte war­nen vor Lügen-Pandemie
    • Drosten warnt ein­dring­lich vor zwei­ter hef­ti­ger Corona-Welle – „Mit einer Wucht …“
    • Drosten warnt vor einer zu schnel­len Öffnung der deut­schen Schulen
    • Drosten warnt vor ver­meint­li­chen Corona-Experten

Alles Überschriften der unab­hän­gi­gen Qualitätspresse. Durchgängig wird die Meinung des Virologen-Kennedy als all­ge­mein­gül­tig vermeldet.

Beispielhaft dage­gen der Umgang mit der Forderung von vier Fachgesellschaften von Kinderärzten und ande­ren Experten, Kitas und Schulen sofort zu öff­nen (s. 4 medi­zi­ni­sche Fachgesellschaften: Kitas und Schulen voll­stän­dig öff­nen!), hier beim Spiegel:

»Die Forderung ist spek­ta­ku­lär – und sie rich­tet sich gegen die kla­re Empfehlung von Christian Drosten und ande­ren Virologen: Vier medi­zi­ni­sche Fachgesellschaften haben dazu auf­ge­ru­fen, Kindergärten und Schulen trotz der Corona-Pandemie umge­hend und voll­stän­dig zu öffnen…

Kleine Gruppen? Nicht nötig

Es müss­ten kei­ne klei­nen Gruppen gebil­det wer­den. Auch müss­ten die Kinder weder Abstand wah­ren noch Masken tra­gen. "Entscheidender als die indi­vi­du­el­le Gruppengröße ist die Frage der nach­hal­ti­gen Konstanz der jewei­li­gen Gruppe und Vermeidung von Durchmischungen", heißt es in dem Papier. Demnach könn­te also durch­aus eine kom­plet­te Klasse gemein­sam unter­rich­tet wer­den, solan­ge sich die Schülerinnen und Schüler etwa in den Pausen nicht mit Kindern aus ande­ren Klassen träfen.

Zu der umstrit­te­nen Frage, wie ansteckend Kinder sei­en, schrei­ben die Autoren: "Zahlreiche Erkenntnisse spre­chen gegen ein erhöh­tes Ansteckungsrisiko durch Kinder." Verschiedene Untersuchungen und Auswertungen "erge­ben ein zuneh­mend schlüs­si­ges Bild, dass Kinder in der aktu­el­len Covid-19-Pandemie im Gegensatz zur Rolle bei der Influenza-Übertragung kei­ne her­aus­ra­gen­de Rolle in der Ausbreitungsdynamik spielen."…

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sieht den Vorschlag der Fachverbände aller­dings kri­tisch. Die Kinderärzte mein­ten es sehr gut, schrieb Lauterbach am Dienstag bei Twitter. Leider sei es aber falsch, dass Kinder eine gerin­ge Bedeutung für die Pandemie hät­ten. Sie steck­ten sich und ande­re pro Kontakt weni­ger oft an. Da sie aber so vie­le Kontakte hät­ten, sei der Gesamtanteil wahr­schein­lich hoch.«

Wenn die Reaktion der Medien nicht so gleich­för­mig wäre, könn­te mensch den­ken: Ist doch seri­ös, wenn ver­schie­de­ne Positionen dar­ge­stellt wer­den. Nur ist das Muster immer das­sel­be: Charming Drosten hat die Wissenschaft auf sei­ner Seite, alles ande­re hat dage­gen wenig Chancen.

Beim Tagesspiegel heißt es, "Gesundheitsexperten strei­ten", "Lauterbach warnt". zdf​.de: "Karl Lauterbach sieht den Vorstoß skep­tisch" und bringt die "umstrit­te­ne Frage, wie ansteckend Kinder sei­en". tages​schau​.de ver­zich­tet auf Lauterbach, weiß aber "Ver.di warnt". Die Süddeutsche Zeitung bie­tet Giffey als Mahnerin auf. Der Deutschlandfunk ver­liest heu­te eine aus­führ­li­che schrift­li­che Stellung Drostens, in der er sich beschwert, die AutorInnen des Papiers hät­ten eine Studie von ihm nicht erwähnt.

Deutschlandfunk prä­sen­tiert auch einen wei­te­ren hoch­ka­rä­ti­gen Experten für das Thema, den Chefredakteur des Informationsportals t‑online. Dieser "hält die Vorgehensweise" der Fachwissenschaftler "für unlau­ter". Seine Argumentation wird auf deutsch​land​funk​.de unter die Zwischenüberschrift "Dass sich die Balken nur so bie­gen" gepackt.

Wie gesagt: Gäbe es bei den Tausenden Berichten über die Haltung Drostens eben­falls Hinweise auf abwei­chen­de Meinungen ande­rer WissenschaftlerInnen, wäre das in Ordnung. Die Realität ist nun mal eine andere.

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