Die "Welt" erwärmt sich heute für die Impfpflicht auf Umwegen. In einem Artikel mit dem Titel "Impfausweise können eine Rolle beim Einlass spielen" liest man:
»Bald dürften die ersten Menschen gegen Corona geimpft werden. Damit steht die Gesellschaft vor einem moralischen Dilemma: Wie umgehen mit der Immunisierung einer Minderheit? Werden wir künftig mit dem Impfpass reisen, Fußball gucken und tanzen gehen?
Fantasieren wir uns einmal in den Juni 2021. Nachts vor einer Clubtür in einer beliebigen deutschen Stadt: „Heute leider nicht“, sagt der Türsteher zu dem Gast, der in den gerade wiedereröffneten Club gelangen wollte. „Aber du kannst rein“, sagt er hingegen zu dem Begleiter, nachdem der ein gelbes Heftchen vorgezeigt hat. Es enthält Einträge über Impfungen gegen Tetanus, Masern, Zecken – und das Coronavirus.
In wenigen Wochen werden wohl die ersten Menschen gegen das Coronavirus geimpft. Ab dann werden es täglich mehr. Damit stellt sich zwangsläufig bald die Frage, was die Geimpften dürfen und wie sie ihren neuen Status nutzen können und nutzen dürfen, um wieder ein normales Leben zu führen. Das dürfte möglich sein. Die Impfstoffentwickler gehen aktuell von einer Immunität für mindestens ein gutes Jahr aus.
Die Geimpften bilden eine Art Schicksalsgemeinschaft mit der Gruppe derer, die die Krankheit durchgestanden haben. Bis auf Ausnahmefälle wird das Risiko einer schnellen erneuten Infektion von der Wissenschaft bisher als gering erachtet. 855.000 Menschen waren Stand Donnerstag in Deutschland bereits infiziert. Die Dunkelziffer dürfte laut Studien vier- bis fünfmal höher liegen. Ein Teil von ihnen hat mittels Antikörpertests herausgefunden, Corona gehabt zu haben.
Das Heer der „Sicheren“, es besteht also bald aus Millionen Menschen. Während die ehemals Kranken (noch) keinen entsprechenden Nachweis haben – die Debatte über Immunitätsausweise führte im Frühjahr zu nichts –, werden die Geimpften selbstverständlich darüber verfügen: den Impfpass. Im Gegensatz zum Immunitätsausweis ist der Impfpass ein etablierter und akzeptierter Beleg. Wird man also demnächst mit dem Impfpass in der Tasche reisen, essen, Fußball oder Tennis gucken, ins Theater und tanzen gehen? Gut möglich.«
Es werden Sprecher von Sportveranstaltern, Kulturbetrieben und Clubs zitiert, die der Idee positiv gegenüber stehen.
»Das gilt auch für die Reisebranche. Vor Kreuzfahrten werden bereits heute Schnelltests durchgeführt. Die Lufthansa will mit Schnelltests ebenfalls ein sichereres Reisen ermöglichen. Zu dem Impfpassszenario will sich die Fluggesellschaft auf Nachfrage nicht äußern.
Viele Staaten verlangen Impfungen bei der Einreise
Allerdings ist das Reisen mit Impfnachweis ja längst gang und gäbe. Etliche Staaten verlangen etwa eine Gelbfieberimpfung bei der Einreise. Und aktuell nehmen Fluggesellschaften keine Passagiere mit, die sich nicht die für einige Staaten nötigen negativen Corona-Tests besorgt haben. Mit Verweis auf die Sicherheit wäre der Schritt, den Corona-Impfnachweis zu verlangen, ein kleiner. Zudem vermuten Reiseveranstalter, dass es Staaten geben wird, die eine Corona-Impfung voraussetzen – ähnlich wie bei Gelbfieber. Erwartet wird dies etwa für die Staaten, die bisher glimpflich durch die Pandemie kamen, etwa Vietnam, Thailand, Südkorea, Australien, Neuseeland.
Wenn der Impfpass tatsächlich vielen Menschen Privilegien verschaffen sollte, dürfte noch ein Effekt zu beobachten sein: sozialer Druck. Jene, die einer Impfung skeptisch gegenüber stehen, werden wohl abwägen, ob sie weiter warten und draußen bleiben oder lieber früher als später mit ihren Freunden wieder feiern gehen.«