Zum Entsetzen von Jessica Hamed (s.u.) führt Tim Röhn ein unter diesem Titel veröffentlichtes Interview mit Frank Ulrich Montgomery (welt.de, 16.12.22, Bezahlschranke). Darin heißt es:
»Als Vorsitzender der Ratsversammlung des Weltärztebundes (WMA) war Frank Ulrich Montgomery in der Corona-Pandemie ein gefragter Gesprächspartner – und hielt mit seiner Pro-Lockdown- und Pro-Impfpflicht-Einstellung nicht hinter dem Berg. Wie blickt der 70-Jährige heute, im ersten weitgehend maßnahmenfreien Corona-Winter, auf seine umstrittenen Aussagen und das deutsche Krisenmanagement zurück? Darüber sprach Montgomery ausführlich mit WELT…
Frank Ulrich Montgomery: Jens Spahn hat mal gesagt: Wir werden uns viel vergeben müssen. Das ist so. Man kann nicht fehlerfrei durch so eine neue Sache kommen, und deswegen gibt es den einen oder anderen Fehler, der gemacht worden ist. Unter dem Strich sind wir in Deutschland aber gut davongekommen. Dass man mal eine Bratwurst nicht an Ungeimpfte verkaufen durfte, hat jene ja nicht gleich das Leben gekostet. Aus der damaligen Sicht waren die Entscheidungen richtig. Heute würde man sie sicher nicht noch einmal so treffen – aber hinterher ist man immer klüger.
WELT: Wenn es um die Ausgrenzung von Ungeimpften geht, wird immer wieder eine Aussage von Ihnen genannt.
Montgomery: „Die Tyrannei der Ungeimpften“.
WELT: Genau. Sie sagen, man muss vergeben. Tut Ihnen leid, dass Sie das damals so gesagt haben?
Montgomery: Nein, es tut mir gar nicht leid. Und ich glaube, es hat unheimlich viel bewirkt. Es hat einfach mal klargemacht, dass weniger als ein Drittel der Bevölkerung dem ganzen Rest der Bevölkerung dadurch, dass sie sich der Impfung verweigern, diese ganzen Masken und Kontaktbeschränkungen oktroyiert haben. Hätten wir damals mit einer Impfpflicht erreicht, alle Menschen zu impfen, wären wir sehr viel schneller über den Berg gewesen. Da muss man manchmal in der Politik etwas zuspitzen auf so eine Bemerkung. Es war eine Tyrannei, dabei bleibe ich. Es war eine Bevormundung der Mehrheit durch eine Minderheit…
… Mit Sicherheit haben wir erreicht, dass auf Grundlage dieser Debatte die Impfpflicht im medizinischen Bereich eingeführt worden ist. Das war ein großer Erfolg. Da wurden Leute geimpft, die sich nicht anders hätten überzeugen lassen.
WELT: Impfpflicht hin oder her – die Impfungen haben doch keine Infektionen nachhaltig verhindert. Die Inzidenzen in den Unikliniken waren zeitweise gigantisch hoch.
Montgomery: Das ist doch Unsinn, was Sie hier erzählen. Wir haben massiv weniger Infektionen und vor allem weniger schwere Verläufe. Und wir haben ganz klar auch gerade an den Unikliniken die Tatsache festgestellt, dass wenn sich jemand infiziert und der dann zu Hause bleiben muss, dass er geimpft sehr viel früher wieder in den Job kommen kann – das ist doch völlig klar. Und vergessen Sie nicht Long Covid und Post Covid!…
WELT: Die Analyse teile ich überhaupt nicht. Reden wir über eine andere Ihrer Aussagen. Ende 2021 hob ein Gericht in Niedersachsen 2G im Einzelhandel auf. Sie nannten die Richter spöttisch „kleine Richterlein“ und übten scharfe Kritik an dem Urteil. Auch da haben Sie Grenzen überschritten.
Montgomery: Also ich habe das inzwischen mit den Richtern selbst diskutiert. Ich war bei der Hauptversammlung des Niedersächsischen Verwaltungsrichterverbandes, und da haben wir das geklärt. Auch hier ist eine prägnante Aussage manchmal nötig…
Ich glaube, ich habe mit dazu beigetragen, dass Verwaltungsrichter sich danach sehr gut überlegt haben, was sie da in Zukunft machen.
WELT: Diese ganze 2G-Nummer – das war doch nicht Wissenschaft, sondern schlicht Politik.
Montgomery: Woher sollten wir Evidenz haben bei einer Erkrankung, die mit hoher Dramatik und hoher Rasanz seit kurzer Zeit existierte? Das ist doch absurd, wenn Sie glauben, dass Sie eine wissenschaftliche Evidenz für etwas haben können, das sich gerade erst entwickelt…
Mein Gott, ja, wir haben auch Fehler gemacht – aber insgesamt wurden die richtigen Entscheidungen getroffen…«
Man kann es aber auch so sehen: