Kaum Interesse an Studie

Schon Anfang Mai mach­te deut​sche​-apo​the​ker​-zei​tung​.de auf eine Studie auf­merk­sam, die wie alle nicht die RKI-Position ver­tre­ten­den kaum Beachtung fin­det. In dem Beitrag heißt es:

'Sechs im Gesundheitswesen nicht unbe­kann­te Experten haben es sich bereits vor eini­gen Wochen zur Aufgabe gemacht, in einem Thesenpapier die epi­de­mio­lo­gi­sche Problemlage zu klä­ren und Vorschläge zur Prävention zu machen. Mit Professor Matthias Schrappe und Professor Gerd Glaeske zäh­len zwei ehe­ma­li­ge Mitglieder des Gesundheitssachverständigenrats zu die­ser Autorengruppe; zudem Hedwig François-Kettner, ehe­ma­li­ge Pflegedirektorin der Charité und bis ver­gan­ge­nes Jahr Vorsitzende des Aktionsbündnisses Patientensicherheit, Professor Holger Pfaff, ehe­ma­li­ger Vorsitzende des Expertenbeirats des Innovationsfonds, Dr. Matthias Gruhl, Arzt und Staatsrat der Hamburger Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz und Franz Knieps, Jurist und Vorsitzender des BKK-Dachverbandes…

Konkret stell­ten die Autoren in ihrem ersten Papier drei Thesen auf. Zum ersten die, dass es kei­ne hin­rei­chen­de epi­de­mio­lo­gi­sche Datenlage gebe – somit könn­ten die zur Verfügung ste­hen­den Daten auch nur ein­ge­schränkt der Absicherung weit­rei­chen­der Entscheidungen die­nen. Zum zwei­ten sei­en auch die all­ge­mei­nen Präventionsmaßnahmen (z. B. social distan­cing) theo­re­tisch schlecht abge­si­chert; ihre Wirksamkeit sei beschränkt und zudem para­dox (je wirk­sa­mer, desto grö­ßer ist die Gefahr einer „zwei­ten Welle“) und hin­sicht­lich ihrer Kollateralschäden nicht effi­zi­ent. Analog zu ande­ren Epidemien (z. B. HIV) müss­ten sie daher ergänzt und all­mäh­lich ersetzt wer­den durch Zielgruppen-ori­en­tier­te Maßnahmen, die sich auf die vier Risikogruppen hohes Alter, Multimorbidität, insti­tu­tio­nel­ler Kontakt und Zugehörigkeit zu einem loka­len Cluster bezie­hen. Zum drit­ten stell­ten die Autoren die These auf, dass die ange­wand­te all­ge­mei­ne Präventionsstrategie (par­ti­el­ler shut­down) anfangs in einer unüber­sicht­li­chen Situation das rich­ti­ge Mittel gewe­sen sein möge – sie ber­ge aber die Gefahr, die sozia­le Ungleichheit und ande­re Konflikte zu ver­stär­ken. Grundsätze und Bürgerrechte dür­fen nicht gegen Gesundheit aus­ge­spielt werden…

[Es gel­te die Erkenntnis,] dass SARS-CoV‑2/Covid-19 „eine typi­sche Infektionskrankheit dar­stellt, die bestimm­te Eigenschaften und – natür­lich – enor­me Auswirkungen auf die Gesundheit, auf die Inanspruchnahme der Gesundheitsversorgung und auf die sozia­len Systeme haben kann“. Allerdings stel­le sie kei­nen Anlass dafür dar, „in qua­si meta­phy­si­scher Überhöhung alle Regeln, alles Gemeinsame, alles Soziale in Frage zu stel­len oder sogar außer Kraft zu set­zen“, heißt es im Papier…

Um ein aus­sa­ge­kräf­ti­ges Bild zu haben, so die Autoren, müss­te die Zahl der täg­li­chen Neuinfektionen ergänzt wer­den um die Zahl der im glei­chen Zeitraum gete­ste­ten Personen. Zudem bemän­geln die Experten, dass die Zahl der asym­pto­ma­tisch Infizierten unter den Getesteten nicht aus­ge­wie­sen ist. Auch die berich­te­te Zahl der Genesenen sei irre­füh­rend, eben­so die der Sterbefälle, da der Bezug hier fehle…

Was das Kapitel der Prävention betrifft, so sind die Autoren über­zeugt, dass nun der Zeitpunkt gekom­men ist, die bis­he­ri­ge Strategie des Lockdowns grund­le­gend zu über­den­ken. Dessen posi­ti­ve Auswirkungen sei­en schwer abzu­schät­zen. Dafür gebe es uner­wünsch­te Nebeneffekte: So sei infol­ge der Umorganisation von Krankenhäusern und Praxen die Versorgung von Krankheiten zurück­ge­drängt wor­den, die nicht im Zusammenhang mit COVID-19 stan­den. Nicht zu unter­schät­zen sei­en zudem die psy­cho­so­zia­len Folgen der ein­ge­schränk­ten Freizügigkeit, die über zuneh­men­de häus­li­che Gewalt bis hin zu Erkrankungen und Tod füh­ren könnten.
Eine recht kla­re Meinung haben die Autoren zu Kindern: Sie wür­den sel­te­ner krank (Letalität nahe null) und gäben die Infektion sel­te­ner wei­ter, sodass der Öffnung von Kindergärten und Schulen „unter ent­spre­chen­der wis­sen­schaft­li­cher Begleitung nichts im Wege ste­hen soll­te“. Sie emp­feh­len daher in die­sem Bereich eine Rückkehr zu einer „mög­lichst weit­ge­hen­den Normalisierung“. Einen wich­ti­gen Schwerpunkt bei den Präventionsmaßnahmen soll­te man hin­ge­gen auf Gesundheits‑, Pflege- und Betreuungseinrichtungen legen, da sich SARS-CoV‑2 dort noso­ko­mi­al und herd­för­mig ausbreite…

Die abschlie­ßen­den Thesen befas­sen sich mit einer ange­mes­se­nen, trans­pa­ren­ten und posi­ti­ven Kommunikation von Verantwortungsträgern sowie den der­zeit stark bean­spruch­ten Grundrechten. Was letz­te­re betrifft, so erin­nern die Autoren dar­an, dass Eingriffe stets einer legi­ti­men Rechtfertigung und eines trans­pa­ren­ten Abwägungsprozesses zwi­schen kon­kur­rie­ren­den Grundrechten sowie zwi­schen Grundrechten und Schutzpflichten des Staates bedür­fen. „Je län­ger Beschränkungen andau­ern, desto stär­ker ist der Zwang zu kon­ti­nu­ier­li­cher Evaluation spe­zi­ell in Bezug auf die Beachtung der Verhältnismäßigkeit ausgeprägt“.'

(Hervorhebungen nicht im Original)

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