Das paradoxe Verhältnis vieler organisierter Linke zum Lockdown läßt sich gut am Beispiel Amazon erkennen. Gestern noch machte sich etwa die junge Welt stark für die Schließung des Amazon-Werks in Winsen, weil es dort 70 infizierte Beschäftigte gebe. Heute berichtet das Blatt, daß die französischen Gewerkschaften dem Konzern eine Wiederaufnahme der Arbeit anbieten, wenn er gerichtlich festgelegte Bedingungen erfülle.
Amazon war in Frankreich verurteilt worden, wirksamere Hygienevorschriften einzuhalten. Daraufhin waren die Werke geschlossen worden. Auslöser der Erklärung der Gewerkschaften ist ein Antrag Amazons auf Staatshilfen.
"Seinen Antrag auf Staatshilfe begründete Amazon am Montag mit dem Hinweis auf die beschlossenen Finanzhilfen für Wirtschaftsbetriebe des Landes. Der Konzern, der seinen Beschäftigten bis dato den vollen Lohn weiterbezahlte, sei davon ausgegangen, dass er – »wie auch andere Unternehmen in Frankreich« – von dieser Unterstützung profitieren könne. Dies wären 84 Prozent des Nettoarbeitslohns gewesen, die Frankreich aktuell für abhängig Beschäftigte bereitstellt, deren Firmen den Betrieb im Rahmen der Gesundheitskrise einstellen oder drosseln mussten." Link
Nun ist es sicher richtig, in Frage zu stellen, ob Großkonzerne, die satte Profite einfahren, von Staats wegen alimentiert werden müssen – in Frankreich wie bei uns. Bei Amazon kommt hinzu, daß das Unternehmen die europäischen Möglichkeiten zur "Steuerersparnis" nutzt.
Die französischen Gewerkschaften zeigen, daß man nicht dem hierzulande in der Linken weit verbreiteten gedanklichen Kurzschluß verfallen muß, der besagt: Die Bedingungen in den Betrieben sind nicht so, wie sie für die Beschäftigten sein sollten, deshalb ist die Arbeit für sie nicht zumutbar.
Die Bedingungen waren auch vor Corona unmenschlich bei Amazon wie in den Krankenhäusern, Schulen etc. Das war ein Grund für Gewerkschaften wie Linke, sie anzuprangern und zu bekämpfen. Jetzt zu fordern, Betriebe, Schulen und Kitas geschlossen zu halten, bleibt unverständlich. Wie lange, etwa bis ein Impfstoff verfügbar ist? Auf welchen Wegen soll bis dahin der Kampf um eine bessere Ausstattung geführt werden, online??
Die meisten Menschen müssen, um leben zu können in einer kapitalistischen Gesellschaft, ihre Arbeitskraft verkaufen. Unter welchen Umständen dies stattfindet, ist eine Frage von Kämpfen in den Betrieben und der Gesellschaft. Dafür wieder günstigere Voraussetzungen zu schaffen, wäre für Linke sinnvoll.