Anarchist in Parallel-Universum

Auf direk​te​ak​ti​on​.org fin­det sich am 14.12. ein bemer­kens­wer­ter Aufsatz:

»IRRELEVANT ODER SYSTEMRELEVANT?
Zurück zur Systemkritik: Warum man gegen die Corona-Politik der Bundesrepublik sein muss.

Es ist schon ver­wun­der­lich, dass in Deutschland seit Monaten eine mili­tan­te Minderheit (die extre­me Mitte) mit den Symbolen des Rechtsextremismus für die Ziele der Regierung kämpft. Die auf den „Querdenker“-Demonstrationen so oft ange­pran­ger­ten „Eliten“ wol­len ja letzt­lich das­sel­be wie die Demonstrierenden – so wenig Einschränkungen wie mög­lich, um wei­ter aktiv zu sein – und zwar aktiv in ihrer Funktion als homo oeco­no­mic­us, durch­aus nicht als sozia­le Wesen.

Von Italien über Frankreich bis in die USA haben im Frühjahr 2020 glo­bal Arbeiter_Innen mas­si­ve Proteste ange­führt – in den USA die größ­te Streikwelle seit Jahrzehnten – um genau das Gegenteil durch­zu­set­zen. Der Lockdown oder Shutdown kommt nicht auto­ri­tär „von oben“, nein, es gab Kämpfe dafür, die Menschen zu schützen. 

Kaum ein Staat hat frei­wil­lig und ohne Zwang einen öko­no­mi­schen Shutdown in Erwägung gezo­gen, die Unternehmen sel­ber sowie­so nicht. Diese glo­ba­len Streiks und Arbeiterunruhen sind der ver­nünf­ti­ge Gegenpol zu den irra­tio­na­len Protesten von Menschen, die „Mundschutz“ mit „Schutzhaft“ verwechseln.

In Zeiten eines zwei­ten Pseudo-Lockdowns wäre es tat­säch­lich ange­mes­sen, gegen eine Regierung auf die Straße und die Barrikaden zu gehen, deren Pandemie-Politik nur ein Ziel kennt: Die Wirtschaft wei­ter­kacken und nicht abkacken zu las­sen. Bereits im Frühjahr wur­den gar nicht so wenig Stimmen aus Ökonomie, Politik und (Wirtschafts-)Wissenschaft laut, die „Menschenopfer für den Kapitalismus“ (Thomas Assheuer in Die Zeit, 21. April 2020) for­der­ten. Die Politik der Regierung Merkel unter­schei­det sich hier nur im Detail von der Politik der Regierung Trump – die dahin­ter­stecken­de Staatsräson ist genau die­sel­be: Die Kapitalmaschinerie muss wei­ter­lau­fen. Dicht gemacht wird nur, wenn die Arbeiter_Innen aktiv dicht machen – wenn sie also nicht kom­men, also strei­ken – oder wenn es eigent­lich schon zu spät ist. Diese Halbherzigkeit zugun­sten der Wirtschaft macht eine effek­ti­ve Bekämpfung der Pandemie poli­tisch unmöglich.

Der Präsident des deut­schen Lehrerverbands hat am 17. November 2020 ein zusätz­li­ches Schuljahr gefor­dert – eine durch­aus sinn­vol­le Forderung, wenn man davon aus­geht, dass Corona „nur“ noch ein Problem von viel­leicht einem hal­ben Jahrzehnt ist und nicht viel­leicht eines von meh­re­ren Jahrzehnten. Und wenn man davon aus­geht, dass es um Bildung ginge…

Was am Beispiel des Schweinesystems deut­lich wird, gilt auch ganz all­ge­mein. Nachdem uns allen in der ver­gan­ge­nen Tarifrunde im Öffentlichen Dienst von der Lügenpresse den Mainstreammedien erklärt wur­de, uns sei wäh­rend des pan­de­mi­schen Ereignisses kein Streik zumut­bar, wer­den die Pflegekräfte und Krankenhausbeschäftigten ein­fach noch ein wenig mehr über­la­stet. Was schon in den Fleischfabriken Deutschlands galt, damit die Fleischpakete noch in die Aldi-Regale pas­sen, gilt nun ver­mehrt auch dort: Arbeitsquarantäne. Soll hei­ßen: Ihr dürft eigent­lich nichts mehr, außer arbei­ten. Die Systemrelevanz ist wie­der da, wo sie hin­ge­hört: an der Frankfurter Börse, im DAX, bei den Banken und bei den Konzernen. Pflegekräfte, Einzelhandelskaufmänner und –frau­en, Sicherheitsbedienstete: alle ersetz­bar, alle kein biss­chen systemrelevant…

Die lin­ken Medien haben uni­sonso, im Sinne der strei­ken­den Arbeiter_Innen der Welt, die Regierungsgmaßnahmen im Frühjahr unter­stützt. Nicht, weil sie plötz­lich system­kon­form gewor­den wären und auf die Seite des Staats gewech­selt wären. Sondern, weil der Staat aus­nahms­wei­se das gemacht hat, was etwa Fridays For Future in Sachen Klima uner­hört immer for­dert: Er hat, zumin­dest ten­den­zi­ell, auf die Expert_Innen gehört. Dass man dem an sich zu kri­ti­sie­ren­den Staat zuge­steht, auch mal rich­tig gehan­delt zu haben, macht die­se Medien noch nicht zu Systemkonformist_Innen.

Viele (bür­ger­li­che) Leser_Innen vor allem der liber­tär-sozia­li­sti­schen Medien sahen das anders und empör­ten sich über die plötz­li­che Staatsliebe “ihrer“ Zeitungen. Sie sahen eine Bedrohung von Freiheit und demo­kra­ti­schen Rechten. Zurecht, wie sich nun her­aus­stellt, aber gar nicht in dem Sinne, wie sie es mein­ten – näm­lich, erneut, nicht durch zu vie­le Maßnahmen, son­dern durch zu wenige.

Corona ist – schon wie­der – ein Brennglas, die Lupe, die das Primat des Ökonomischen vor dem Sozialen ver­grö­ßert. Der Staat ist immer noch Agent der herr­schen­den Klasse. Und die geht über Leichen – egal ob durch Krieg, Wirtschaftskrise oder Pandemie.«

Da mag er wohl Recht haben. Warum das nun aus­nahms­wei­se beim Lockdown anders gewe­sen sein und der gar von "glo­ba­len Streiks und Arbeiterunruhen" erzwun­gen sein soll, dafür wird es nur in sei­nem Paralleluniversum eine Erklärung geben.

7 Antworten auf „Anarchist in Parallel-Universum“

  1. Oh lie­ber Gott wirf Hirn vom Himmel. Aber bit­te ganz viel davon. Das ist ja so eine Schwurbelei, dass mir beim Lesen des Textes IRRELEVANT ODER SYSTEMRELEVANT? schon ganz schwin­de­lig wur­de. Und das nach einem Tag system­re­le­van­ter Lohnarbeit in der Betreuung und Pflege von psy­chisch kran­ken Menschen. Rich kid?? In jedem Fall offen­bart sich hier in Form des Autoren von oben genann­tem Text ein zutiefst auto­ri­tä­rer Charakter.

  2. Genau.

    Erst der bis zum Erfolg durch zu zie­hen­de, die kon­zern­po­li­ti­schen Staststerroristen hand­lungs­un­fä­hig machen­de Generalstreik kann Abhilfe verschaffen.

    Die fol­tern und mor­den uns sowie­so; also macht es kei­nen Sinn auf Generalstreik zu ver­zich­ten; die Schäden durch Generalstreik wer­den gerin­ger sein als die Schäden des kon­zern­po­li­ti­schen Staatsterrorismus.

  3. Das ist zu viel…
    "Die auf den „Querdenker“-Demonstrationen so oft ange­pran­ger­ten „Eliten“ wol­len ja letzt­lich das­sel­be wie die Demonstrierenden – so wenig Einschränkungen wie mög­lich, um wei­ter aktiv zu sein"

    Woher weiß der Schreiber was "die" Demonstranten und was "die" Eliten wollen?
    Was Eliten wie Schwab, Gates und ihre Handlampen ala Merkel und Söder wol­len kann man wis­sen, wenn man denn möchte.
    Man muss ihnen nur zuhö­ren. Es geht jeden­falls nicht um Gesundheit. 

    Solch ein Geschreibsl tut ein­fach nur weh. Unterirdisch.

  4. ja klar, der Mittelstand wird rui­niert, weil die Politiker jetzt ihr Herz für das Volk ent­deckt haben und jedes ein­zel­ne Leben ret­ten wol­len. ("Jedes Leben zählt.")
    Ein schö­nes Märchen, dass sie nicht müde wer­den zu ver­kün­den. Aber dass das jemand glaubt! !!!- Dass dem nicht so ist, zeigt allein die Ignoranz gegen­über den "Kollateralschäden". Besonders in den armen Ländern wer­den Hunderttausende an den Maßnahmen ster­ben. Das inter­es­siert die Staatenlenker nicht im gering­sten, gibt ja eh zu vie­le Menschen angeblich.

  5. Wieso soll­te der Schreiber ein Anarchist sein?
    Ein Anarchist lehnt jede Form der Herrschaft ab, dazu gehö­ren auch Herrschaft von Wissenschaftlern (Technokratie) und Experten.

  6. Das ist für mich mit "lin­ker Soße" begrün­de­te Repressions-Unterstützung par excellence.

    Und sol­che Leute machen das nicht aus Dummheit und sit­zen nicht aus Zufall auf ihren Stühlen. Das kann ich nicht mehr glauben.

    In das, was sich "lin­ke Kreise" nennt sind schon seit lan­gem gezielt Personen ein­ge­drun­gen, die regl­mä­ßig die Stichwortgeber für die Zersetzung jeg­li­cher "Bewegung von unten" sind. Keine ver­druck­ste und ver­dreh­te Begründung ist denen zu schade.

    So lan­ge sich das die "lin­ken Kreise" gefal­len las­sen wird der Kapitalismus wei­ter sein Menschenmaterial fres­sen wie es ihm beliebt.

    ( Dass sol­che Lautsprecher viel­leicht ins­ge­heim auf den "Aufstand der Massen" ange­sichts immer unzu­mut­ba­rer Zustände hof­fen, macht das alles kein Stückchen besser.)

    Ob angeb­li­che Demokraten die Menschen wie unmün­di­ge Tiere behan­deln oder Kryptokonmmunisten, ist für uns im Endeffekt Jacke wie Hose. Beide miss­ach­ten Menschen. Beide sehen in Menschen nichts als Manipulationsobjekte. Beide füh­le sich erha­ben und wol­len alle ande­ren nach ihrer Pfeife tan­zen las­sen. Beide suchen ihren Nutzen in der Lüge und Heimtücke und Manipulation.

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