»Autoimmunerkrankungen steigen nach Corona-Infektion an«. So bastele ich mir eine Long-Covid-Studie

Indizien dafür, was mit der Publikation einer Studie bewirkt wer­den soll, bie­tet immer ein Blick auf Auftraggeber und Hintergrund der Forschenden. Dazu spä­ter mehr. Auf t‑online.de wird am 31.1.23 – wie stets unge­prüft – eine dpa-Nachricht ver­brei­tet, in der es heißt:

»Nach Erkenntnissen deut­scher Forscher haben Menschen nach über­stan­de­ner Covid-19-Infektion deut­lich häu­fi­ger eine Autoimmunerkrankung als ande­re. Grundlage ist eine umfang­rei­che Analyse von Krankenversicherungsdaten. "In allen Alters- und Geschlechtsgruppen tra­ten Autoimmunkrankheiten in der Zeit nach der Infektion signi­fi­kant häu­fi­ger auf", sag­te Jochen Schmitt vom Universitätsklinikum Dresden.

Ergebnisse beziehen sich nur auf Ungeimpfte

Die Ergebnisse bezie­hen sich den Forschern zufol­ge jedoch nur auf unge­impf­te Betroffene, die eine nach­ge­wie­se­ne Corona-Infektion mit dem Wildtyp des Virus hat­ten. Entsprechende Erkenntnisse über ande­re Varianten des Virus gebe es der­zeit nicht.

Der Analyse zufol­ge kamen bei Menschen mit Corona-Infektion 15,05 Diagnosen einer Autoimmunerkrankung auf 1.000 Versichertenjahre, bei Menschen ohne einer sol­chen Infektion waren es nur 10,55 Diagnosen…«

Wo ist die Studie?

Einen Link auf die Studie sucht man ver­geb­lich, fin­det aber den Hinweis, die "Ergebnisse sind noch nicht in einem Fachjournal ver­öf­fent­licht wor­den". Nun gibt es eine Mitteilung auf uni​kli​ni​kum​-dres​den​.de dazu und dort wie­der­um einen Link auf Analysen von umfang­rei­chen Krankenversicherungsdaten. Dummerweise erbringt der die Meldung "Diese Seite ist aus dem Internet bzw. ohne VPN-Verbindung nicht erreich­bar."

Ein wei­te­rer Link führt auf rki​.de zum Projekt "Postakute gesund­heit­li­che Folgen von COVID-19" (Post-COVID-19). Es wird geför­dert vom Gesundheitsministerium und hat die "Projektlaufzeit: 01.12.2021 – 31.12.2023". Somit, um ein Lieblingswort Karl Lauterbachs zu ver­wen­den, kann es sich bei der Veröffentlichung erst um einen Zwischenbericht han­deln. Das Projekt besteht aus zwei Teilen, um des­sen ersten es sich hier han­delt. Es trägt den Titel "Teilprojekt 1 „Post-COVID-19 Monitoring in Routine Health Insurance Data” (POINTED)". Projektleiter ist der genann­te Jochen Schmitt vom Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, TU Dresden. Man erfährt, daß "eine Auswertung von Routinedaten der gesetz­li­chen Krankenkassen im POINTED-Konsortium" statt­fin­de. Genaueres über das Konsortium wird nicht mit­ge­teilt, ich habe dazu nichts aus­fin­dig machen können.

Andere Ergebnisse

Recht unauf­fäl­lig wird am Ende der Mitteilung informiert:

»Bisher ist nur eine ande­re Kohortenstudie aus England als Preprint ver­öf­fent­lich wor­den. Diese weist für eine kür­ze­re Beobachtungszeit der Personen und 11 aus­ge­wähl­te Erkrankungen ein Überschussrisiko für eine neue Autoimmunerkrankung von 0,72 auf 1000 Personenjahre, statt 4,50 wie in die­ser Studie, auf.
https://​www​.medrxiv​.org/​c​o​n​t​e​n​t​/​1​0​.​1​1​0​1​/​2​0​2​2​.​1​0​.​0​6​.​2​2​2​8​0​7​7​5​v​1​.​f​ull«

Bereits hier deu­tet sich an, daß mit einer unter­schied­li­chen Auswahl an Kriterien (und womög­lich ver­schie­de­nen Aufträgen) sehr unter­schied­li­che Ergebnisse ent­ste­hen kön­nen. Die genann­te Arbeit ist eben­so wie die hier bespro­che­ne ein Preprint und wur­de am 7.10.22 veröffentlicht.

Kommen wir nun zur Arbeit von Schmitt et al. Sie trägt den Titel "Incident auto­im­mu­ne dise­a­ses in asso­cia­ti­on with a SARS-CoV‑2 infec­tion: A matched cohort stu­dy" und wur­de sehr wohl am 26.1.23 auf medrxiv​.org publi­ziert. Ich habe mir ange­wöhnt, stets zuerst auf Interessenkonflikte zu schau­en. Hier wer­den sie so benannt:

»Erklärung über kon­kur­rie­ren­de Interessen
FT, FE, AV, MS, JJ, BK, LR, CS und JS berich­ten über insti­tu­tio­nel­le Förderung für die­ses Projekt durch das Bundesministerium für Gesundheit. Unabhängig von die­ser Studie berich­tet JS über Zuschüsse für for­schungs­in­iti­ier­te Forschung vom deut­schen GBA, dem BMG, BMBF, der EU, dem Bundesland Sachsen, Novartis, Sanofi, ALK und Pfizer. Er nahm auch an Beiratssitzungen für Sanofi, Lilly und ALK teil. MB berich­tet, dass er von der DAK-Gesundheit eine Vergütung für die Datenanalyse erhal­ten hat, die in die­ser Arbeit vor­ge­stellt wird. Unabhängig von die­ser Studie berich­tet MB über Zuschüsse des deut­schen GBA, von Pfizer und Sanofi Pasteur sowie über Beratungsgebühren von Janssen-Cilag. Er war Mitglied in einem Beirat von GSK. Die ande­ren Autoren erklä­ren, dass sie kei­ne kon­kur­rie­ren­den Interessen haben.«

Nun waren an der Studie mehr als 20 Menschen betei­ligt. Ganze zwei von ihnen erhiel­ten Gelder von Pharmafirmen. Sollte das bedenk­lich sein? Entschlüsselt man das Kürzel "JS" als den Studienleiter Jochen Schmitt, muß die Frage bejaht wer­den. Der zwei­te mit Konzernen eng ver­ban­del­te Autor ist Manuel Batram, Geschäftsführer der Vandage GmbH, die ihre Tätigkeit mit "Beratung und Datenanalyse im Gesundheitswesen, ins­be­son­de­re die Erstellung von Studien und Reports" beschreibt.

Mit wel­chen Stellschrauben hat man die (gewünsch­ten?) Ergebnisse erzielt? Im Folgenden wird zitiert aus der Langfassung:

»Zusammenfassung

Zielsetzungen: Es soll­te unter­sucht wer­den, ob das Risiko, eine neue Autoimmunerkrankung zu ent­wickeln, bei Patienten mit einer frü­he­ren COVID-19-Erkrankung im Vergleich zu Personen ohne COVID-19 erhöht ist.
Methode: Es wur­de eine Kohorte aus deut­schen Routinedaten der Gesundheitsversorgung aus­ge­wählt, die 38,9 Millionen Personen umfasst. Auf der Grundlage doku­men­tier­ter Diagnosen iden­ti­fi­zier­ten wir Personen mit durch Polymerase-Kettenreaktion (PCR) bestä­tig­ter COVID-19-Infektion bis zum 31. Dezember 2020. Die Patienten wur­den im Verhältnis 1:3 mit Kontrollpatienten ohne COVID-19 ver­gli­chen. Beide Gruppen wur­den bis zum 30. Juni 2021 wei­ter­ver­folgt. Zur Analyse des Auftretens von Autoimmunerkrankungen in der post­a­ku­ten Phase wur­den die vier Quartale vor dem Indexdatum bis zum Ende der Nachbeobachtung her­an­ge­zo­gen. Die Inzidenzraten (IR) pro 1000 Personenjahre wur­den für jedes Ergebnis und jede Patientengruppe berech­net. Mit Hilfe von Poisson-Modellen wur­den die Inzidenzratenverhältnisse (IRRs) für die Entwicklung einer Autoimmunerkrankung in Abhängigkeit von einer vor­aus­ge­gan­ge­nen COVID-19-Diagnose geschätzt.
Ergebnisse: Insgesamt wur­den 641.704 Patienten mit COVID-19 ein­ge­schlos­sen. Beim Vergleich der Inzidenzraten in der COVID-19-Gruppe (IR=15,05, 95 % KI: 14,69–15,42) und der ent­spre­chen­den Kontrollgruppe (IR=10,55, 95 % KI: 10,25–10,86) stell­te sich her­aus, dass Patienten, die an COVID-19 erkrankt waren, eine um 42,63 % höhe­re Wahrscheinlichkeit hat­ten, eine Autoimmunität zu ent­wickeln. Diese Schätzung war für häu­fi­ge Autoimmunerkrankungen wie Hashimoto-Thyreoiditis, rheu­ma­to­ide Arthritis oder das Sjögren-Syndrom ähn­lich. Die höch­ste IRR wur­de für Autoimmunerkrankungen der Vaskulitis-Gruppe beob­ach­tet. Patienten mit einem schwe­re­ren Verlauf von COVID-19 hat­ten ein höhe­res Risiko für das Auftreten von Autoimmunerkrankungen.
Schlussfolgerungen: Eine SARS-CoV-2-Infektion ist mit einem erhöh­ten Risiko ver­bun­den, nach der aku­ten Phase der Infektion neu auf­tre­ten­de Autoimmunerkrankungen zu entwickeln.«

Viele Fragen

Das hört sich nach einem kla­ren Ergebnis an. Liest man wei­ter, stel­len sich vie­le Fragen:

»In der vor­lie­gen­den Analyse ver­gli­chen wir die Raten neu dia­gno­sti­zier­ter Autoimmunerkrankungen zwi­schen Personen mit und ohne doku­men­tier­te SARS-CoV-2-Infektion. Personen, die sich im Jahr 2020 mit SARS-CoV‑2 infi­ziert hat­ten, und ent­spre­chen­de Kontrollpersonen wur­den bis zum 30. Juni 2021 min­de­stens drei und höch­stens 15 Monate lang beob­ach­tet, wobei das Datum des Auftretens von COVID-19 als Indexdatum für zufäl­lig aus­ge­wähl­te Vergleichsgruppen ver­wen­det wurde…

Kohorten
Die COVID-19-Kohorte umfass­te Personen mit einer durch Polymerase-Kettenreaktion (PCR) bestä­tig­ten COVID-19-Diagnose (ICD-10 U07.1) im Jahr 2020. Zur Berechnung der Risikoexpositionszeit defi­nier­ten wir das Auftreten von COVID-19 inner­halb des Quartals als Indexdatum, indem wir das Datum eines ambu­lan­ten PCR-Tests oder das Datum der Aufnahme in ein Krankenhaus mit einer COVID-19-Diagnose ver­wen­de­ten. In den sel­te­nen Fällen, in denen kein PCR-Test mit der Versicherung abge­rech­net und kein Krankenhausaufenthalt ver­zeich­net wur­de, dien­ten ande­re doku­men­tier­te Ereignisse, wie der Beginn des Krankenstandes oder der erste Kontakt mit dem zustän­di­gen Arzt, zur Bestimmung des Indexdatums. Die Kontrollkohorte umfass­te Personen, bei denen zwi­schen dem 1. Januar 2020 und dem 30. Juni 2021 kei­ne ICD-10 U07.1 oder ICD10 U07.2 ohne doku­men­tier­te COVID-19-Diagnose gestellt wurde.«

Die mar­kier­ten Passagen las­sen eben­so Raum für Spekulationen wie die Handhabung der ICD-10-Codes. Über U07.2 infor­miert das Bundesgesundheitsministerium: "Sie sind an COVID-19 erkrankt… Ihre COVID-19-Erkrankung wur­de bis­her nicht durch eine Labor-Untersuchung bestä­tigt."

»Wir schlos­sen Personen mit einer COVID-19-Diagnose ohne Labornachweis des Virus (ICD-10-GM: U07.2) aus den COVID-19-Gruppen und den Nicht-COVID-19-Kontrollen aus, um Verzerrungen auf­grund von Fehlklassifizierungen zu redu­zie­ren. Darüber hin­aus schlos­sen wir Personen aus, die zwi­schen dem 01.01.2019 (oder Geburt) und dem 30.06.2021 (oder Tod), je nach­dem, was zuerst ein­trat, nicht kon­ti­nu­ier­lich bei der jewei­li­gen Krankenkasse gemel­det waren, da rele­van­te Ergebnisse und vor­be­stehen­de Gesundheitszustände in unse­ren Daten mög­li­cher­wei­se nicht sicht­bar sind. Für jede Person konn­ten die Vorerkrankungen für min­de­stens 12 Monate vor dem Matching-Punkt der COVID-19- und der Kontrollkohorte ermit­telt wer­den. Ausgehend vom Indexdatum, das vom COVID-19-Fall zuge­wie­sen wur­de, wur­den die gematch­ten Personen gemein­sam für maxi­mal 15 Monate ver­folgt. Dies ermög­lich­te den Vergleich zwei­er Gruppen über den­sel­ben Zeitraum, um ihr Risiko für die Entwicklung einer der vor­de­fi­nier­ten Autoimmunkrankheiten in Abhängigkeit von COVID-19 zu ver­glei­chen.«

Die Ausschlußkriterien wir­ken auf den ersten Blick kuri­os und der Matching-Punkt bleibt nebu­lös. Dafür erfährt man doch vage etwas über POINTED:

Die Daten

»Daten
Die zugrun­de­lie­gen­den Datenquellen wur­den für das Konsortium "Post-COVID-19-Monitoring in Routine-Krankenversicherungsdaten" (POINTED) [16] ein­ge­rich­tet, um die Langzeitfolgen der COVID-19-Pandemie in Deutschland zu unter­su­chen. Das POINTED-Konsortium wird vom Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV) an der TU Dresden koor­di­niert und besteht aus dem Bundesgesundheitsamt, dem Robert-Koch-Institut, Gesundheitsforschungsinstituten und den gesetz­li­chen Krankenversicherungen. Es wird teil­wei­se vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) finanziert.

Wir haben Routinedaten zur Gesundheitsversorgung von ver­schie­de­nen deut­schen gesetz­li­chen Krankenversicherungen ver­wen­det: Techniker Krankenkasse, BARMER, DAK Gesundheit, IKK clas­sic, AOK PLUS und meh­re­re Betriebskrankenkassen (InGef). Insgesamt umfas­sen die­se Daten rund 39 Millionen Personen, was fast der Hälfte der deut­schen Gesamtbevölkerung ent­spricht. Neben sozio­de­mo­gra­fi­schen Merkmalen (Alter und Geschlecht) und dem Vitalstatus (über das Sterbedatum) hat­ten wir Zugang zu umfas­sen­den Informationen über die Inanspruchnahme der Gesundheitsversorgung im ambu­lan­ten und sta­tio­nä­ren Sektor. Die Daten umfas­sen Datensätze zu Diagnosen (nach der Internationalen Statistischen Klassifikation der Krankheiten und ver­wand­ter Gesundheitsprobleme – Deutsche Modifikation, ICD-10-GM), medi­zi­ni­schen Prozeduren (nach dem Operationen- und Prozedurenschlüssel, OPS; Deutsche Modifikation der Internationalen Klassifikation der Prozeduren in der Medizin, ICPM), Informationen zu ambu­lan­ten medi­zi­ni­schen Leistungen (nach Einheitlichem Bewertungsmaßstab, EBM) und ver­ord­ne­ten Medikamenten (nach der Deutschen Anatomisch-Therapeutisch-Chemischen Klassifikation, ATC)…«

»Abgleich
Um die Unterschiede zwi­schen der COVID-19- und der Kontrollkohorte in Bezug auf Kovariaten zu mini­mie­ren, die die Beziehungen zwi­schen den Ergebnissen und der Exposition stö­ren könn­ten, haben wir ein 1:3‑Matching mit Ersetzung für COVID-19- und Nicht-COVID-19-Patienten durch­ge­führt. Für jede Person in der COVID-19-Kohorte wähl­ten wir drei Nicht-COVID-19-Personen mit iden­ti­schem Alter (in Jahren), Geschlecht und der Angabe, ob vor dem Indexdatum eine Autoimmunerkrankung vor­lag oder nicht. Wir ent­schie­den uns für ein exak­tes Matching bei die­sen Merkmalen, um eine stra­ti­fi­zier­te Analyse zu ermög­li­chen. Darüber hin­aus haben wir das Vorhandensein von Kovariaten durch ein Propensity-Score-Matching berück­sich­tigt. Die Schätzung des Propensity Score basier­te auf einer logi­sti­schen Regression, in die alle Versicherten ein­be­zo­gen wur­den. Angesichts der unter­schied­li­chen Prävalenz von Krankheiten, die als Kovariaten berück­sich­tigt wur­den, schätz­ten wir sepa­ra­te Regressionsmodelle für Kinder/Jugendliche und Erwachsene.«

In einer zitier­ten Vorstudie aus dem November 2022 hat­te man ein "Matching" im Verhältnis 1:5 vor­ge­nom­men. Warum ging man jetzt anders vor? Was war das "Indexdatum" bei nicht posi­tiv Getesteten?

Die Magie der Ausschlüsse

»Nach dem Abgleich von Personen mit COVID-19 und Kontrollen schlos­sen wir Personen aus den Abgleichsgruppen aus, die vor Beginn der Post-COVID-Phase star­ben, d. h. inner­halb des Quartals der COVID-19-Diagnose oder des fol­gen­den Quartals. Wir schlos­sen auch Personen mit COVID-19 aus, die kei­nen Matching-Partner hat­ten. Bei der Analyse spe­zi­fi­scher Gesundheitsergebnisse schlos­sen wir außer­dem Personen aus der Analyse aus, bei denen das betref­fen­de Ergebnis in zwei der vier vor­an­ge­gan­ge­nen Quartale im ambu­lan­ten Bereich oder ein­mal im sta­tio­nä­ren Bereich doku­men­tiert wur­de. Um die Ausgewogenheit der Kohorten in Bezug auf die Kovariaten auf­recht­zu­er­hal­ten, schlos­sen wir eine kom­plet­te Matching-Gruppe von COVID-19- und Kontrollfällen aus, wenn das Ergebnis bei der Person mit COVID-19 oder allen ihren gematch­ten Nicht-COVID-19-Kontrollfällen bereits vor­lag. Für die Schätzung wur­den die Daten der Personen in der Kontrollkohorte mit der umge­kehr­ten Anzahl der in der jewei­li­gen Match-Gruppe ver­blie­be­nen Personen gewich­tet (d. h. Gewichte zwi­schen 1/3 und 1), um sicher­zu­stel­len, dass die Gesamtgewichte in der Kontrollkohorte der Anzahl der Personen in der COVID-19-Kohorte ent­spre­chen.«

Und die der ausgewählten Krankheiten

»Gesundheitliche Endpunkte (out­co­mes)
Basierend auf der kli­ni­schen Erfahrung des Autorenteams defi­nier­ten wir 64 poten­zi­el­le Endpunkte aus 41 Autoimmunerkrankungen, die wäh­rend der Nachbeobachtung 3 bis 15 Monate nach der doku­men­tier­ten COVID-19-Infektion unter­sucht wur­den, z. B. das zuge­wie­se­ne Indexdatum. Die Operationalisierung die­ser Outcomes basier­te auf den sta­tio­nä­ren und ambu­lan­ten Diagnosen nach ICD-10-GM und den Leitlinien Good Practice Sekundärdatenanalyse (GPS) der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi). In 23 Fällen wur­de eine spe­zi­fi­sche­re Definition des Ergebnisses mit geeig­ne­ter Medikation gewählt. Bei Typ-I-Diabetes wur­den nur die Fälle mit einer Insulinverschreibung als gül­tig betrach­tet. Eine voll­stän­di­ge Liste der berück­sich­tig­ten Outcomes und ihrer Definitionen fin­det sich im Zusatzmaterial S1.«

Woran sich die "kli­ni­sche Erfahrung des Autorenteams" fest­macht, bleibt im Dunklen. Die im wei­te­ren Text dar­ge­stell­ten sta­ti­sti­schen Operationen wären sicher eine nähe­re Untersuchung wert. Und wei­ter wird mun­ter nach merk­wür­di­gen Kriterien gesiebt:

»Beschreibung der Studienpopulation
Im Jahr 2020 waren 38,9 Millionen Personen min­de­stens einen Tag lang bei einer der teil­neh­men­den Versicherungsgesellschaften ver­si­chert. Wir schlos­sen Personen, die im Jahr 2019 (n=2.074.654) oder zwi­schen dem 1. Januar 2020 und dem 30. Juni 2021 (n=2.051.855) nicht kon­ti­nu­ier­lich ein­ge­schrie­ben waren, Personen mit einer COVID-19-Diagnose ohne ein­deu­ti­ge Laborbestätigung (ICD-10 U07.2) (n=3.549.324) und Personen mit einer COVID-19-Diagnose in den ersten bei­den Quartalen des Jahres 2021 (n=569.410) aus den Analysen aus. Aus der ver­blei­ben­den Stichprobe wur­den 670.301 Personen mit einer COVID-19-Diagnose im Verhältnis 1:3 mit Kontrollen abge­gli­chen. Für 29 Personen mit COVID-19 (0,004 %) wur­de kein geeig­ne­ter Matching-Partner gefun­den. Nach dem Matching gab es 28.810 Personen mit COVID-19 und 20.932 Kontrollfälle, die in der Zeit zwi­schen dem (zuge­wie­se­nen) Indexdatum und dem Beginn des zwei­ten Quartals nach dem (zuge­wie­se­nen) Indexquartal star­ben. Durch den Ausschluss die­ser Fälle aus der beob­acht­ba­ren Post-COVID-19-Kohorte blie­ben wei­te­re 81.570 Kontrollen (aus 28.810 Match-Gruppen) und 55 Personen mit COVID-19 ohne Matching-Partner und muss­ten daher aus der Studie aus­ge­schlos­sen wer­den. Die end­gül­ti­ge Studienpopulation bestand aus 641.407 Personen mit COVID-19 und 1.560.357 Nicht-COVID-19-Personen, die als Kontrollen in 1.907.992 Kontrollfällen dien­ten. Die mei­sten der Personen in der COVID-19-Gruppe hat­ten drei Kontrollfälle.«

Nicht nur bei "1.560.357 Nicht-COVID-19-Personen, die als Kontrollen in 1.907.992 Kontrollfällen dien­ten", schwirrt mir der Kopf.

»Beschreibung der Population
Von den 641.407 in die COVID-19-Studie ein­be­zo­ge­nen Personen hat­ten 76.518 (11,9 %) vor COVID19 eine Autoimmunerkrankung. Von den Personen ohne vor­be­stehen­de Autoimmundiagnosen ent­wickel­ten 6.489 3 bis 15 Monate nach der SARS-CoV-2-Infektion eine erste Autoimmunerkrankung. Von den Personen mit vor­be­stehen­der Autoimmunität ent­wickel­ten 1744 eine zusätz­li­che Autoimmunerkrankung…

Inzidenz einer neu­en Autoimmunerkrankung
Die Inzidenzrate (IR) einer Autoimmunerkrankung 3 bis 15 Monate nach der SARS-CoV-2-Infektion betrug 15,05 (95%-CI 14,69- 15,42) pro 1000 Personenjahre in der COVID-19-Gruppe und 10,55 (95%-CI: 10,25–10,86) in der Kontrollgruppe bei Patienten ohne vor­he­ri­ge Autoimmunerkrankung. Daraus ergibt sich ein Überschussrisiko auf­grund einer SARS-CoV-2-Infektion von 4,50 pro 1000 Personenjahre. Die IRR für das Auftreten einer Autoimmunerkrankung betrug 1,43 (95%-CI=1,37–1,48). Darüber hin­aus tra­ten Autoimmunerkrankungen häu­fi­ger bei Personen mit COVID-19 auf, die eine vor­be­stehen­de Autoimmunerkrankung hat­ten, wäh­rend die rela­ti­ve Wahrscheinlichkeit im Vergleich zu Kontrollen mit vor­be­stehen­der Autoimmunerkrankung gerin­ger war (IR COVID-19=38,10, IRR=1,23 95%-KI=1,15–1,32)…«

Über Vorerkrankungen von nicht posi­tiv Getesteten erfährt man an die­ser Stelle nichts. Dafür gibt es wei­te­re Ausschlüsse von Störfaktoren:

»Von der Liste der Autoimmunerkrankungen wur­den nur die­je­ni­gen wei­ter unter­sucht, die min­de­stens 20 Ereignisse in der COVID-19-Gruppe auf­wie­sen. Somit wur­den 24 von 64 Ergebnissen aus der Analyse aus­ge­schlos­sen…«

Die bei der­ar­ti­gen Studien übli­che Diskussion von Limitierungen fehlt hier völ­lig. In der genann­ten Vorstudie gab es sie noch. Ebenso fin­den sich kei­ne Aussagen dar­über, wie sich der "Impfstatus" auf die beob­ach­te­te Entwicklung auswirkte.

(Hervorhebungen in blau nicht in den Originalen. Fußnoten und Hinweise auf Tabellen und Abbildungen wur­den hier weggelassen.)

14 Antworten auf „»Autoimmunerkrankungen steigen nach Corona-Infektion an«. So bastele ich mir eine Long-Covid-Studie“

  1. Professor Dr. Lothar H. Wieler wird ab 01.04.2023 Sprecher des neu­en Digital Health Clusters am Hasso-Plattner-Institut 

    "Das muss das berühm­te Drehtürprinzip sein, von dem immer alle reden. @HPI_DE
    , #SDGs. Gratuliere, @mikrowie
    . Folgerichtig – zumal Sie die letz­ten Jahre ohne­hin schon für die glei­chen Interessen gear­bei­tet haben.
    https://​hpi​.de/​p​r​e​s​s​e​m​i​t​t​e​i​l​u​n​g​e​n​/​2​0​2​3​/​p​r​o​f​-​l​o​t​h​a​r​-​h​-​w​i​e​l​e​r​-​w​i​r​d​-​s​p​r​e​c​h​e​r​-​d​e​s​-​n​e​u​e​n​-​d​i​g​i​t​a​l​-​h​e​a​l​t​h​-​c​l​u​s​t​e​r​s​-​a​m​-​h​p​i​.​h​tml "

    https://​twit​ter​.com/​a​y​a​_​v​e​l​a​z​q​u​e​z​/​s​t​a​t​u​s​/​1​6​2​0​5​3​3​2​1​4​3​7​1​7​9​4​944

    ".@mikrowie
    for­der­te im Rahmen der C‑19 Task Force des @BMI_Bund
    Schulschließungen. Dadurch war eine von @HPI_DE
    ent­wickel­te Homeschooling Software plötz­lich sehr gefragt: Die HPI Schulcloud, geför­dert durch das @BMBF_Bund
    . Public-pri­va­te partnerships "

    https://​twit​ter​.com/​a​y​a​_​v​e​l​a​z​q​u​e​z​/​s​t​a​t​u​s​/​1​6​2​0​5​3​7​8​7​0​6​3​6​4​3​7​505

  2. ein schwe­rer ver­lauf = eine a‑typische lun­gen­ent­zün­dung, eine Fibrose, Thrombosen, könn­te sel­ber eine auto­im­m­un­re­ak­ti­on sein, des­halb ist es inter­es­sant zu fra­gen, erzeugt eine infek­ti­on eine auto­im­m­un­re­ak­ti­on oder besteht eine all­er­gie als dis­po­si­ti­on für einen schwe­ren verlauf.
    die ech­te vul­nerable grup­pe wäre die durch eine auto­im­mun­erkran­kung dis­po­nier­te, und nicht alle und jeder, inso­fern wäre es auch kei­ne pan­de­mie, weil gar nicht jeder schwer krank wer­den kann.

    https://​www​.labor​jour​nal​.de/​e​d​i​t​o​r​i​a​l​s​/​2​4​7​5​.​php
    (08.04.2022)
    Radbruch » Bei Patienten, die mit ­COVID-19 auf der Intensivstation lagen, haben wir Einzelzellanalysen gemacht, um zu ver­ste­hen, war­um die­se Menschen so schwer erkrankt sind. Es zeig­te sich, dass bei die­sen Patienten das Virus offen­sicht­lich sehr schnell die Produktion des Zytokins Transforming Growth Factor beta, kurz TGFß, aus­löst, das Immunreaktionen her­un­ter­re­gu­liert. Die Betroffenen haben zwar noch chro­ni­sche Immunreaktionen, es ent­ste­hen dau­ernd neue Antikörper-pro­du­zie­ren­de Zellen. Doch die­se Antikörper sind nicht gegen das Virus gerich­tet. Wahrscheinlich sind es Autoantikörper gegen kör­per­ei­ge­ne Strukturen, das wis­sen wir nicht so genau. Durch die Induktion von TGFß greift das Virus direkt in die Immunreaktion ein. Nach die­sen ersten Untersuchungen haben wir erkannt, dass die­ses Zytokin auch Natürliche Killerzellen dar­an hin­dern kann, infi­zier­te Zellen abzu­tö­ten. Bei den schwer betrof­fe­nen Patienten hat das Virus also die humo­ra­le und die zel­lu­lä­re Abwehr aktiv behindert.

    TGFß been­det eine Immunreaktion – das hat das Virus sich fein ausgedacht.

    Radbruch » Allerdings. Obendrein hat eine TGFß-Aktivierung auch ande­re unan­ge­neh­me Folgen, die­ses Zytokin indu­ziert näm­lich Thrombosen und Fibrosen.

  3. "Die Ergebnisse bezie­hen sich den Forschern zufol­ge jedoch nur auf unge­impf­te Betroffene, die eine nach­ge­wie­se­ne Corona-Infektion mit dem Wildtyp des Virus hat­ten. Entsprechende Erkenntnisse über ande­re Varianten des Virus gebe es der­zeit nicht."

    Als der sog. Wildtyp zir­ku­lier­te, also ca. Anfang 2020, waren 100 % der Menschen unge­spritzt. Daher soll­ten die Erhebungen mit Einsetzen des Spritzwahns ab Ende Dezember 2020 begin­nen und den zeit­li­chen Verlauf bis heu­te berücksichtigen.

    1. Genau das ist mir auch auf­ge­fal­len, mit der Diskrepanz der Aussage vom "Wildtyp des Virus" und ande­rer­seits vom Zeitraum des angeb­li­chen "Studien-Projektes" , und zwar
      01.12.2021 – 31.12.2023, als das Virus längst schon zu Omikron mutiert war und 3/4der Bevölkerung geimpft.
      Außerdem läuft es ja noch die­ses gan­ze begon­ne­ne Jahr, in dem man noch viel ver­fäl­schen, ver­tu­schen und fal­schen Eindruck erwecken kann, wor­in man ja nun Erfahrungen hat.…

  4. Wohl zu oft und zu lan­ge in vir­tu­el­len Welten unter­wegs gewesen…
    Da kön­nen sich die Gehirnwindungen schon mal verknoten.
    Wenn das so wei­ter­geht, wird unse­re Zukunft mal eine Mischung aus "Surrogates", "Wall‑E" und "Idiocracy".
    Herrliche Aussichten…

  5. Vielleicht habe ich es über­le­sen. Aber wie ist man mit Teilnehmer/innen umge­gan­gen, die sich wäh­rend der Nachbeobachtungszeit bis 30. Juni 2021 imp­fen lie­ßen? Wurden die samt und son­ders aus der Analyse aus­ge­schlos­sen? Oder wie stellt man sonst sicher, dass die Studienpopulation, wie aus­ge­wie­sen, nur aus "Ungeimpften" besteht (und die Impfung als Ursache für die Autoimmunerkrankung aus­ge­schlos­sen wer­den kann)?

  6. Man kann Bakterien züch­ten. Man kann Bakterien iso­lie­ren. Man kann Bakterien auf ein Substrat set­zen und ver­meh­ren. Alldas kann man mit Viren nicht machen. Wie auch will man ein­zel­ne Moleküle isolieren!?

    Eine bestimm­te DNA oder RNA-Sequenz, die man irgend­wo erken­nen kann ist noch lan­ge kein Virus!

  7. Ich bin beein­druckt: Zum Einen von der guten Recherche und zum ande­ren von dem elen­dig ver­ba­stel­ten Wissenschaftsgeschwurbel gar­niert mit Rosinenpickerei.
    Betrachtet man z.B. die Geburtstage nur im Jahr 2023, so wird man fest­stel­len, dass ca. 55.000 Bundesbürger gar nicht exi­stie­ren. Und näch­stes Jahr sind die plötz­lich wie­der da, hei.

    Was mich aller­dings wun­dert ist, dass die "Forschergruppe" hier­zu die Daten und Codes usw. der Krankenkassen schein­bar pro­blem­los ver­ar­bei­ten und aus­wer­ten konn­te, wozu hin­ge­gen das PEI im Hinblick auf die pot. Nebenwirkungen durch "Impfungen" angeb­lich nicht in der Lage sein soll?
    Besteht denn die zumin­dest theo­re­tisch hoff­nungs­vol­le Möglichkeit, dass der Herr Schmitt als­bald die Nachfolge von Herrn Cichutek antre­ten wird?

  8. Nochwas in dem Zusammenhang: Senioreninnen, wel­che den 2. Booster ableh­nen bekom­men nun als kl. "Ersatz" eine Impfung gegen her­pes zoster (Gürtelrose) ange­dreht. Habe ich nun in drei Fällen so erlebt.

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