Es ist gut, daß Michael Ballweg seine Positionen verdeutlicht. Es ist ehrlich, daß er dies in unmißverständlichem Kontext mit eindeutig Rechtsextremen tut.
Seine weiteren Pläne erklärt er heute in einem äußerst freundschaftlichen Interview mit Martin Lejeune. Der hatte in den letzten Tagen ebenso zugewandte Gespräche mit der "Reichstags-Stürmerin" Tamara Kirschbaum, dem Holocaust-Leugner Nikolai Nerling und den AfD-Funktionären Stefan Bauer und Andreas Wild (Links über die Fotos*).
Aufschlußreich, wenn auch nicht mehr verwunderlich, ist Ballwegs Bemühen, den "Reichstags-Sturm" aus der Wahrnehmung als rechtsextrem zu entfernen.
"Reichstags-Sturm" nicht rechtsextem?
Auf die Frage Lejeunes „Wie schätzt Du die Versammlung am Reichstag ein?“ antwortet Ballweg (ca. Minute 7:57):
»Ist ja egal, was das für ne Versammlung ist, die, die jetzt so in der Presse zirkuliert, sage ich mal, die wurde vom Innensenator, der ja unsere Demonstration, gesagt hat mit der Begründung, sie richtet sich gegen die Regierung, hat jetzt diese Demonstration am Reichstag nicht verboten… Da muß ich mich doch fragen, also, was ist jetzt die Botschaft, die der Innensenator sendet, daß er letztendlich sagt, rechtsextreme Demos sind nicht gefährlich, also die Presse definiert die ja als rechtsextrem.«
Nun kommt er etwas ins Stocken. Lejeune assistiert: „Also die öffentliche Meinung“. Ballweg: „Genau.“ Da beide der "öffentlichen Meinung" nicht trauen, wird also auch diese Benennung falsch sein. Das ergibt Sinn. Beide sprechen zu Recht an, daß es im Vorfeld eine dem Innensenator bekannte Mobilisierung von Rechtsaußen zu einem Sturm gegeben hat. Videos von der Aktion zeigen auch Personen, die klar diesen Gruppierungen zuzuordnen sind. Die Veranstaltung, aus der der "Sturm" erfolgte, war aber eine von Reichsbürgern, die auch den größten Teil der "Stürmer" stellten.
Ballweg mit Reichsbürger-Positionen
Und deren Argumentation hatte nicht nur Ballweg auf der Querdenken-Kundgebung vertreten: Abschaffung des Grundgesetzes und Ersetzung durch eine Verfassung, die sich eine Volksversammlung geben solle, für deren Kern er die gerade ablaufende Kundgebung hielt. Lejeune hatte ihn schon am 23.8. so zitiert:
»"Wir kommen, um zu bleiben. Ich habe mir 14 Tage mit eingeplant. Und wir werden natürlich die Straße des 17. Juni nicht mehr räumen … Ich habe so das Gefühl, daß sich um den 10./11.09. was tun wird!", kündigt Ballweg an.«
Letztendlich, um ein Lieblingswort von Ballweg zu benutzen, hat sich das als Großsprecherei herausgestellt. Er mußte zur Kenntnis nehmen, daß die allermeisten Menschen nach Berlin gereist waren, um gegen die "Corona-Maßnahmen" zu protestieren, aber (noch?) nicht für die Abschaffung des Grundgesetzes zu instrumentalisieren waren.
Lejeune, der in seinem Interview mit dem Holocaust-Leugner Nerling noch vom Gegenteil berichtete, formuliert:
„Ihr mobilisiert wirklich die politische Mitte, Ihr sprecht ja gar nicht die Ränder an. Die Linksextremen und Rechtsextremen fühlen sich ja gar nicht von Querdenken angesprochen.“
Ballweg erwähnt mehrfach den guten Journalismus Lejeunes und fordert auf, ihn allseits zu unterstützen. Beide strahlen gemeinsam über die „schöne Zeit“ im Camp der Querdenker.
Die vielen Menschen, die besorgt sind über Lügen und Manipulationen, die zu unsäglichen "Maßnahmen" führen, welche auf einem zutiefst undemokratischen Verordnungsweg erlassen werden, müssen sich fragen, wie sie der Vereinnahmung von Reichsbürgern entgegentreten können.
* Klick auf die Fotos führt zu den Quellen. Sie sind nicht sämtlich mehr verfügbar.
Was ist das denn jetzt für eine billige, abgenudelte Kontaktschuld-Nummer? Weil der Ballweg so ein verkappter Nazi / Rechter ist, hat er sich – nur zur Tarnung – schon vor Monaten z. B. den Nana Lifestyler als Moderator rausgesucht?
Schade; das ist das gleiche Framing, was die Massenmedien betreiben. "Mit denen spricht man nicht!" Bhakdi, Wodarg, Schiffmann, Eckert, Stuht, Hockertz, Homburg usw. – auch alles Nazis und Reichsbürger?
Das liegt nun einmal auch leider daran, dass die inner- und außerparlamentarische Linke hier (einmal mehr) vollkommen versagt, sich im vorauseilenden Gehorsam dem neoliberalen Block angeschlossen hat – und dem tendenziell "rechteren" Lager hier komplett die Opposition überlässt. Und das sage ich als (überzeugter, eher "gemäßigter") Linker, der ständig als Kommunist oder Sozialist bezeichnet wurde und wird.
Lejeune betreibt in meinen Augen derzeit gute, objektive journalistische Arbeit, die ich (als Linker) in keinster Weise als "rechts" einordnen würde. Der würde auch mit Linken reden, wenn es sie denn gäbe. Wem soll diese (sinnlose) Spalterei eigentlich nützen?
@DS-pektiven: Hier steht nicht, man darf mit Ballweg nicht sprechen. Sondern: Man muß gegen die unsinnigen und antidemokratischen Maßnahmen kämpfen. Die im Kommentar benannten Wissenschaftler werden hier überhaupt nicht erwähnt, geschweige denn "reframed". Problematisiert wird, daß die Verteidigung von Grundrechten schwerlich vorstellbar ist gemeinsam mit Holocaust-Leugnern und AfD-Funktionären.
Herr Ballweg gibt auch links-stalinistischen-Schauprozess-Journalisten im RBB Interviews. Mehr noch, er redet sogar mit denen! Ist er deswegen Pol Pot-Jünger? Die Kontaktschuld-Nummer (hier werden sogar die Kontakte des Journalisten kriminalisiert) ist echt lame.
@Salvador Romano: Das Interview mit Lejeune ist ein Gespräch zwischen Menschen, die für die gleiche Sache arbeiten. Das ist nicht vorwerfbar. Wenn Ballweg diesen befreundeten Kanal nutzt, um exklusiv ein geleaktes (ziemlich belangloses) Polizeidokument zu präsentieren und seine Pläne für die nähere Zukunft mitzuteilen, dann ist das schon ein Interview der besonderen Art, bei dem zu fragen ist: Warum dort und damit in einer Reihe mit ausgewiesenen Rechtsextremen? "Kontaktschuld" ist da ein ziemlich schwaches Argument.
Keiner will das Grundgesetz abschaffen. Eine verfassungsgebende Versammlung ist eindeutig im Grundgesetz vorgesehen und ebenfalls dass, falls diese Versammlung in einer neunen Verfassung endet, diese die essenziellen Artikel des Grundgesetzes beinhalten muss. Was Ballweg hier beabsichtigt ist ein demokratisches Brainstorming, Sammlen und Destillieren von Ideen mit einer art Abschlussbericht und Vorschlag wie so ein Prozess aussehen könnte.
Der "Corona Doks"-Autor schwebt offensichtlich in diesem unseligen Kontaktschuld-Universum… Diese "Distanzeritis" von allem und jedem ist tödlicher als jeglicher Virus. Ballweg und Lejeune zeigen, dass man auch friedlich, kooperativ und kommunikativ mit Andersdenkenden umgehen kann. Sie wagen das höchst notwendige Maß an "mehr Demokratie". "Corona-Doks" sollte besser beim "Virus" bleiben. Aufklärerische "Denke" in Fragen der gesellschaftlichen Hygiene scheint wohl nicht die Domäne von Corona-Doks zu sein. Sehr schade.…
@Jupo: Wie sollte das Virus zu trennen sein von der Diskussion um Demokratie in diesen Zeiten? Was "gesellschaftliche Hygiene" sein mag, weiß ich nicht. Und in dieser Frage trennen sich unsere Meinungen (darf ja sein und war auch der Zweck des Beitrags): Demokratie heißt für mich nicht, daß öffentliche Bekenntnisse wie "An der Ermordung von Juden sind sie selbst schuld" oder "Ausländerklatschen ist ein prima Freizeitsport" erlaubt sind. Faschismus wird vorbereitet über die Verbreitung von Ressentiments und Ausgrenzung. Dem muß eine demokratische Gesellschaft entgegentreten. Das Interview zeigt nicht, daß Ballweg und Lejeune "kooperativ und kommunikativ mit Andersdenkenden umgehen". Es zeigt eine hohe Übereinstimmung der politischen Überzeugung. Wenn Ballweg nicht stört, daß Lejeune auch kooperativ mit Holocaust-Leugnern und Reichstags-Stürmerinnen umgeht, ist das seine Entscheidung. Es trägt zur Klärung bei.
"Faschismus wird vorbereitet über die Verbreitung von Ressentiments und Ausgrenzung." Da gebe ich Dir völlig recht, AA., und das ist ja eben der Kern meiner Sorge. Corona Doks sollte sich in den eigenen Beiträgen dessen stets bewusst sein. Eine höchst dringende Orientierung gibt der neue Appell für freie Debattenräume: http://www.idw-europe.org
Irgendwie bin ich sprachlos, was in diesem Land mittlerweile los ist. Wie kann es sein, dass (vermeintlich?} gebildete Bürger wesentliche Teile unseres Grundgesetzes nicht kennen?
Und dann die abstruse Behauptung aufstellen, "jemand wolle das GG abschaffen"!
Wie kann es überhaupt so weit kommen? Ich kann mir das alles nicht mehr erklären.
Kein Wunder ist es allerdings, dass es unter diesen Umständen auf einmal überall von Nazis wimmelt …
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Art 146
Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.
Letztenendes geht es Ballweg darum etwas zu verändern. Nur freundliche Demos allein kann die Regierung aussitzen. Falls im Frühjahr harte Lockdowns kommen, weil im Gegensatz zu jetzt vielleicht wirklich Corona/Grippeviren da sind, wachen wir endgültig in einem totalitären Staat auf, mit ID2020 Überwachung, Zwangsimpfung und Wirtschaftszusammenbruch, da wird man dann nichts mehr ändern können.
Ich beobachte die Annäherung an "Rechts" auch mit Skepsis, habe aber bisher nichts Verwerfliches entdecken können.
Die Idee mit der Verfassungsgebenden Versammlung finde ich auch gut, soll ja jetzt nicht von heute auf morgen das Grundgesetz ersetzen, sondern den Bürgern erstmal ein Diskussionspodium bieten, wie unser zukünftiges Zusammenleben organisiert werden soll. Zurück zum Alten wird es nicht geben, und bis jetzt wird die "Neue Normalität" uns ja nur von der Rockefeller Foundation oder dem World economic forum diktiert.
Dass die AfD jetzt einen auf bürgerliche Opposition macht, ändert natürlich nichts daran, dass sie ein der Regierung sehr nützlicher Teil des Systems ist. Trotzdem muss Sprechen mit ihren Mitgliedern und besonders mit ihren potentiellen Wählern (ebenso wie mit den anderen Teilen der Kapitalistischen Einheitspartei Deutschlands) erlaubt sein, bzw halte ich es für notwendig. Wie sich da jetzt die etwas reißerische Überschrift des Artikels erklärt, verstehe ich nicht.
"Ballweg outet sich": Ich bin mir nicht ganz sicher, wie diese Überschrift gemeint ist. Anscheinend meint AA, dass sich Michael Ballweg durch das Interview mit Martin Lejeune als Rechter geoutet und damit disqualifiziert habe. Sollte das stimmen, hätte ich ein paar Fragen bzw. Anmerkungen:
Da ich Martin Lejeune bis vor kurzem kaum kannte, habe ich in der Wikipedia nachgeschaut. Dort lese ich zwar über Lejeunes Entfremdung vom Mainstream-Journalismus durch einige vielleicht fragwürdige oder kritisierbare Äußerungen und Aktionen, aber nichts Eindeutiges zum Thema Rechtslastigkeit. Vielmehr scheint er ein Sunnit zu sein, der sich als Sunnit den Palästinensern und dem türkischen Präsidenten Erdogan verbunden fühlt. Frage also an AA: Wissen Sie mehr über Lejeune? Hat er sich als Rechtsextremer geäußert? Oder schließen Sie lediglich aus einigen Interviews, die Lejeune mit Rechtsradikalen führte, dass auch Lejeune selbst ein Rechtsextremer oder Rechtsradikaler sein müsse? Ist also jemand, der in einem Interview Rechtsradikale zu Wort kommen lässt, ohne dass er ausdrücklich Zustimmung oder Ablehnung erkennen lässt, in Ihren Augen selbst einer? (Oder nochmal anders gefragt: Gibt es nicht auch den Effekt der schlichten Vorführung, indem ein Interviewer seinen Interviewpartner sich präsentieren lässt, wie er ist?)
Zweitens: Selbst wenn sich Lejeune als Rechtsextremer oder Rechtsradikaler geoutet haben sollte, muss dann ein Michael Ballweg, der sich von ihm interviewen lässt, ein Rechtsextremer oder Rechtsradikaler sein?
Drittens: Bedeutet „sich outen“ nicht normalerweise, dass jemand ausdrücklich sagt, was für einer er ist? Und sagt Michael Ballweg nicht ausdrücklich von sich, dass er ein Mann der Mitte ist, dem sich alle anschließen können, die seine Ziele für richtig halten? Sagt nicht auch Lejeune ebendieses über Ballweg, und dass er das für Ballwegs Stärke hält?
Viertens: Mein Eindruck von Michael Ballweg ist nicht, dass er anderen, also etwa Rechtsextremen, hinterher rennen würde, sondern dass sich umgekehrt viele Menschen Ballwegs Bewegung Querdenken anschließen. Darunter sind Rechte wie Linke. Letzteres ist mir sicher, weil ich mich als Sozialdemokrat in der Tradition von Willy Brandt, Oskar Lafontaine oder Albrecht Müller zu ihnen zähle.
Und zuletzt meine Lesart des Ballweg-Interviews: Mir schien, dass es Lejeune war, der sich darüber freute, ein Interview mit Ballweg führen zu können – vielmehr als umgekehrt. Wenn es hier ein Abhängigkeitsverhältnis gab, war Lejeune der Abhängige. Ballwegs Aufforderungen zur fried- und liebevollen Umgang mit den Gegnern sowie sein Hinweis auf mutmaßliche frühkindliche Traumata der Betreffenden taten Lejeune sichtlich gut und fanden dessen Zustimmung. Was auch immer die tieferen Motive bzw. die biographischen Hintergründe für Ballwegs politisches Engagement sein mögen und wie auch immer sich dieses künftig konkretisieren mag (und hier gibt es durchaus noch offene Fragen): Ballweg so zu verstehen, dass er sich durch das Interview mit Lejeune als Rechtsextremer diskreditiert hätte, erscheint mir zu kurzschlüssig. Schon gar nicht hat er sich als ein solcher geoutet, denn er hat sich (in meinen Augen eindeutig) als Mann der Mitte zu erkennen gegeben.
Auf der webside von Querdenken711 steht gleich zu Anfang:
"Wir sind Demokraten. Rechtsextremes, linksextremes, faschistisches, menschenverachtendes Gedankengut hat in unserer Bewegung keinen Platz. Gleiches gilt für jede Art von Gewalt."
Bald darunter folgt eine Bekenntnis zum Grundgesetz als unsere Verfassung:
"Wir bestehen auf die ersten 20 Artikel unserer Verfassung, insbesondere auf die Aufhebung der Einschränkungen durch die Corona-Verordnung von: …" [Artikel 1,2,4,5,7,8,11,12,13]
Darunter die Angabe:
"Wir sind überparteilich und schließen keine Meinung aus – nach Wiederherstellung des Grundgesetzes sind dafür wieder alle demokratischen Mittel vorhanden.
Wir fordern
‑alle Parteien auf, Ihr Parteiprogramm auf die neue Lage anzupassen und den Bürgern darzustellen, wie und unter welchen Lebensumständen in der Sonderlage Pandemie zu rechnen ist.
– Neuwahlen im Oktober 2020
Die Versammlungen dienen ausschließlich der Erreichung der oben genannten Ziele."
Das müsste man in einer kritischen Auseinandersetzung mit der Frage um die politische Orientierung von Querdenken oder M. Ballweg schon dazusagen.
Gebe aber zu, daß ich im Kontext der Querdenken-Aktionen und mancher Protagonisten auch manches ein wenig sonderbar fand. Bislang kann ich aber unterm Strich sagen, es geht wohl nicht mehr um rechts(extrem) oder links(bequem), sondern um Recht oder Unrecht.
LG