Bekommen nur noch Geboosterte Lohnfortzahlung?

Die­se Inter­pre­ta­ti­on, die bei­spiels­wei­se am 15.4. auf reit​schus​ter​.de ver­tre­ten wird, ist miß­ver­ständ­lich. Dort beruft man sich auf einen Arti­kel auf ber​li​ner​-kurier​.de unter der Über­schrift "Ach­tung, neue Coro­na-Regel: Ab heu­te bekom­men nur noch Geboos­ter­te Lohn­fort­zah­lung!". Im Text heißt es:

»Wird für ledig­lich dop­pelt geimpf­te Arbeit­neh­mer also eine Iso­la­ti­on ange­ord­net, so besteht kein Anspruch mehr auf Ent­schä­di­gung für den Ver­dienst­aus­fall nach Para­graf 56 Absatz 1 des Infek­ti­ons­schutz­ge­set­zes (IfSG).«

Ähn­lich wird am 12.4 auf augs​bur​ger​-all​ge​mei​ne​.de argumentiert:

»Das gilt übri­gens sowohl bei einer eige­nen Infek­ti­on, sowie wenn auf­grund einer ange­ord­ne­ten Qua­ran­tä­ne das Zuhau­se nicht ver­las­sen wer­den darf.«

Wäh­rend der ers­te Arti­kel auf eine Iso­la­ti­on "Erkrank­ter" abzielt, geht der zwei­te auch von der Qua­ran­tä­ne als Kon­takt­per­son aus. Offen­bar herrscht hier in den Medi­en Ver­wir­rung. Was sagen die offi­zi­el­len Stellen?

In Nie­der­sach­sen: Nur geboos­ter­te Qua­ran­tä­ne­pflich­ti­ge erhal­ten Lohn­fort­zah­lung wur­de die dor­ti­ge Rege­lung dar­ge­stellt, die näher am Geset­zes­text zu sein scheint:

»Wer arbeits­un­fä­hig ist, also durch einen PCR-Test bestä­tigt infi­ziert ist und Sym­pto­me hat oder kei­ne Sym­pto­me hat, aber sei­ner beruf­li­chen Tätig­keit in der häus­li­chen Iso­la­ti­on nicht nach­kom­men kann, hat als Arbeit­neh­mer Anspruch auf Lohn­fort­zah­lung – unab­hän­gig davon, ob er geimpft ist oder nicht.«

Was steht im Infektionsschutzgesetz?

Der zitier­te § 56 regelt für "Aus­schei­der, Anste­ckungs­ver­däch­ti­ge, Krank­heits­ver­däch­ti­ge oder als sons­ti­ge Trä­ger von Krank­heits­er­re­gern im Sin­ne von § 31 Satz 2" die Ent­schä­di­gungs­re­ge­lung. Dort heißt es:

»Eine Ent­schä­di­gung… erhält nicht, wer durch Inan­spruch­nah­me einer Schutz­imp­fung oder ande­ren Maß­nah­me der spe­zi­fi­schen Pro­phy­la­xe, die gesetz­lich vor­ge­schrie­ben ist oder im Bereich des gewöhn­li­chen Auf­ent­halts­orts des Betrof­fe­nen öffent­lich emp­foh­len wur­de, oder durch Nicht­an­tritt einer ver­meid­ba­ren Rei­se in ein bereits zum Zeit­punkt der Abrei­se ein­ge­stuf­tes Risi­ko­ge­biet ein Ver­bot in der Aus­übung sei­ner bis­he­ri­gen Tätig­keit oder eine Abson­de­rung hät­te ver­mei­den können.«
geset​ze​-im​-inter​net​.de

Anders als im erwähn­ten § 31 wer­den hier "Kran­ke" nicht genannt. Das läßt den Schluß zu, daß man in Nie­der­sach­sen recht­lich kor­rekt ver­fährt. Kran­ke haben Anspruch auf Lohn­fort­zah­lung – unab­hän­gig davon, ob sie geimpft sind oder nicht.

Schließ­lich meint auch die "Augs­bur­ger Allgemeine":

»Was gilt für Arbeit­neh­mer bei einer Krank­schrei­bung wegen Corona?

Coro­na-Pati­en­ten mit leich­ten Erkran­kun­gen der Atem­we­ge müs­sen wei­ter­hin nicht per­sön­lich zum Arzt – statt­des­sen genügt eine tele­fo­ni­sche Krank­mel­dung, wor­auf­hin der Arzt in der Coro­na-Pan­de­mie ein Attest aus­stel­len darf. Zuvor sieht die Son­der­re­ge­lung eine ein­ge­hen­de tele­fo­ni­sche Befra­gung des Pati­en­ten vor. In der Pra­xis beschäf­ti­gen sich Ärz­te hier­bei also nur ober­fläch­lich mit dem Wohl­be­fin­den des infek­tiö­sen Pati­en­ten und ana­ly­siert die tele­fo­ni­schen Schil­de­run­gen. So erhält der Krank­ge­schrie­be­ne eine Arbeits­un­fä­hig­keits-Beschei­ni­gung (AU) für sie­ben Tage, vor­aus­ge­setzt der Covid-19-Test ist posi­tiv. Dar­über hin­aus ist eine ein­ma­li­ge Ver­län­ge­rung für sie­ben wei­te­re Kalen­der­ta­ge mög­lich, eben­falls per Tele­fon.«

Dabei geht es den Arzt oder die Ärz­tin nichts an, ob die Men­schen "geimpft" sind oder nicht. Was die Qua­ran­tä­ne angeht, so ist sie ohne­hin freiwillig.

Am 5.4. wur­de Karl Lau­ter­bach so zitiert:

»Keine Änderung bei Lohnfortzahlung

Die Län­der tra­gen die Maß­nah­men mit, erwar­ten sich aber von Lau­ter­bach teil­wei­se noch Klar­stel­lun­gen. Nach­fra­gen kamen ges­tern vor allem zum The­ma Lohn­fort­zah­lung. Wird die noch gezahlt, wenn das Zuhau­se­blei­ben nicht mehr ange­ord­net wird, son­dern frei­wil­lig erfolgt? Lau­ter­bach beru­hig­te ges­tern. Für die Fra­ge, „ob man im gesetz­li­chen Sin­ne krank geschrie­ben ist, ver­än­dert sich gar nichts“, sag­te der Minis­ter. Das habe mit der Anord­nung einer Qua­ran­tä­ne nicht zu tun, „son­dern mit der Dia­gno­se“. Und die kön­ne durch „kli­ni­sche Sym­pto­me, einen Anti­gen- oder einen PCR-Test fest­ge­stellt wer­den“.«
stutt​gar​ter​-nach​rich​ten​.de (5.4.)

Es bleibt also, wie alles aus dem Hau­se Lau­ter­bach, wirr und unübersichtlich.

Fort­set­zung in Noch mal zur Lohn­fort­zah­lung nur für Geboos­ter­te.

13 Antworten auf „Bekommen nur noch Geboosterte Lohnfortzahlung?“

  1. Wenn Nicht-"Geimpfte" zu Son­der­schich­ten bestellt wer­den weil "Geimpf­te" mit und ohne Sym­pto­me in Qua­ran­tä­ne müs­sen (kein Witz) stellt sich die Fra­ge über­haupt nicht.

  2. Da Maß­nah­men­kri­ti­ker wie wir die Warn-App nicht nut­zen, ist die Wahr­schein­lich­keit äußerst geringt, dass wir als Kon­takt­per­son behel­ligt werden.

  3. Zum Ge"impft"-Werden kann recht­lich nie­mand mehr gezwun­gen wer­den, nach­dem letz­te Woche die "Impf"pflicht durch die Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten abge­wählt wor­den war. Lau­ter­bach begeht Rechtsbruch.

  4. Bis heu­te ist ein gro­ßer Teil unse­rer „Qua­li­täts­me­di­en“ nicht in der Lage, kor­rekt zwi­schen Iso­la­ti­on und Qua­ran­tä­ne zu unterscheiden.

    Wer posi­tiv getes­tet wur­de, gilt als infi­ziert und kommt in Iso­la­ti­on. Hier gilt Lohn­fort­zah­lung, egal ob geimpft oder nicht.

    Wer als Kon­takt­per­son in Qua­ran­tä­ne muss/soll (ohne posi­tiv getes­tet wor­den zu sein), bekommt jetzt nur noch dann Lohn­fort­zah­lung, wenn er „voll­stän­dig geimpft“ ist. Also dreimal. 

    Für uns kom­plett Unge­impf­te ändert sich also gar nichts. Son­dern nur für die „Grund­im­mu­ni­sier­ten“ (2 Piek­se). Die müss­ten sich jetzt eigent­lich auf­re­gen. Und dann mit spa­zie­ren gehen, anstatt ins nächs­te Impf­zen­trum zu rennen.

    Denn das ist nur ein klei­ner Vor­ge­schmack auf den nächs­ten Herbst … wenn für „nicht voll­stän­dig“ Geimpf­te wie­der vie­le Türen ver­schlos­sen blei­ben werden.

  5. Lt Jes­si­ca Hamed gilt die­se Rege­lung nur für die KON­TAKT­Per­so­nen, für die eine Qua­ran­tä­ne vom Gesund­heits­amt ange­ord­net wurde.
    Wird das über­haupt noch gemacht ?

    https://​twit​ter​.com/​j​e​h​a​2​0​1​9​/​s​t​a​t​u​s​/​1​5​1​5​0​6​8​4​5​8​4​0​8​5​0​1​2​5​5​?​s​=​2​0​&​t​=​A​2​5​_​x​v​A​c​h​L​U​l​B​H​r​W​5​Z​O​YBQ

  6. Mei­ne bis­he­ri­ge Erfah­rung als Lohnbuchhalter:

    Die Gesund­heits­äm­ter in NRW erstat­ten kei­ne Ent­schä­di­gung wegen Qua­ran­tä­ne an den Arbeit­ge­ber, wenn der Arbeit­neh­mer unge­impft oder nicht voll­stän­dig geimpft ist. 

    Dabei ist es egal, ob der Arbeit­neh­mer als Kon­takt­per­son in Qua­ran­tä­ne oder als posi­ti­ve getes­te­te Per­son in Iso­la­ti­on war.

    Beim Online-Erstat­tungs­an­trag an das Gesund­heits­amt (www​.ifsg​-online​.de) muss man ein Impf­zer­ti­fi­kat oder ein Attest über die Kon­tra­in­di­ka­ti­on einer Imp­fung hochladen. 

    Wird kein Nach­weis dem Erstat­tungs­an­trag bei­gefügt, dann lehnt das Gesund­heits­amt die­sen per Bescheid ab. Es wird auf den Beschluss der Lan­des­re­gie­rung vom 11.10.2021 ver­wie­sen, dass Unge­impf­te kei­ne Ent­schä­di­gung erhal­ten: https://​www​.land​.nrw/​p​r​e​s​s​e​m​i​t​t​e​i​l​u​n​g​/​n​o​r​d​r​h​e​i​n​-​w​e​s​t​f​a​l​e​n​-​l​a​e​s​s​t​-​v​e​r​d​i​e​n​s​t​a​u​s​f​a​l​l​e​n​t​s​c​h​a​e​d​i​g​u​n​g​e​n​-​f​u​e​r​-​u​n​g​e​i​m​p​f​t​e​-​bei All­ge­mein bei den Beschei­den steht immer: Wider­spruch sei nur vor Gericht mög­lich. Also schon eine recht hohe Hür­de für Widerspruch.

    Von posi­tiv Getes­te­ten wird zudem oft­mals mit­ge­teilt, dass der Haus­arzt einen nicht krank­schrei­be bzw. kei­ne Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­ni­gung (AU, gel­ber Schein) aus­stel­le, obwohl Sym­pto­me vor­lie­gen. Das posi­ti­ve Test­ergeb­nis rei­che als Nachweis.

    Ohne eine AU greift aber nicht die Ent­gelt­fort­zah­lung bei Krank­heit (auch Lohn­fort­zah­lung bei Krank­heit genannt). Man ist dann wie­der im Bereich der Ent­schä­di­gung wegen Qua­ran­tä­ne unter­wegs. Im schlimms­ten Fall muss dann der unge­impf­te Arbeit­neh­mer regu­lä­ren oder unbe­zahl­ten Urlaub nehmen.

    Eini­ge Arbeit­ge­ber schie­len auf die Ent­schä­di­gung wegen Qua­ran­tä­ne bei Geimpf­ten, da 100% der Kos­ten erstat­tet wer­den. Ande­re klei­ne Arbeit­ge­ber sind über Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­ni­gun­gen froh, da mit wenig Auf­wand über Erstat­tungs­an­trä­ge AAG grob die Hälf­te der Kos­ten erstat­tet wer­den und man nicht wochen- oder mona­te­lang auf die Ent­schä­di­gungs­zah­lung der Qua­ran­tä­ne war­ten muss.

    Ich wün­sche mir, dass ein Arbeit­ge­ber gegen einen ablehn­ten Erstat­tungs­be­scheid gericht­lich vor­geht, da die Unter­schei­dung zwi­schen geimpft und unge­impft auf eine poli­ti­sche und nicht auf eine "wis­sen­schaft­li­che" Ent­schei­dung zurück geht. Lei­der erwar­te ich aber von den Gerich­ten in Hin­blick auf die letz­ten zwei Jah­re kei­ne posi­ti­ve Ent­schei­dung, und sich durch sämt­li­che Instan­zen zu kla­gen, kos­tet viel Zeit, Ner­ven und Geld.

    Wür­de mich freu­en, von Erfah­run­gen ande­rer zu hören. Zwei Jah­re an sich stän­dig ände­ren Rege­lun­gen kön­nen schnell zu Miss­ver­ständ­nis­sen füh­ren und sind oft­mals auch sehr erschöpfend.

    1. Der AG ist bei Iso­la­ti­on zur Lohn­fort­zah­lung ver­pflich­tet (die ers­ten 6 Wochen). 

      Woher und ob der AG sein Geld zurück­er­stat­tet bekommt, braucht den AN herz­lich wenig zu kümmern…

      Lei­der aber alles schon so trotz­dem in der Pra­xis erlebt…

  7. Es wird wie­der mal nicht zwi­schen Ent­schä­di­gungs- und Lohn­fort­zah­lung differenziert.
    JEDER bekommt eine Lohn­fort­zah­lung, solan­ge BGB §616 nicht durch Tarif- oder Betriebs­ver­ein­ba­rung, Ver­trags­än­de­rung oder in einem Neu­ver­trag expli­zit aus­ge­schlos­sen wur­de. Und nie­mand muss eine Ver­trags­än­de­rung anneh­men, wel­che die eige­nen Arbeits­be­din­gun­gen verschlechtert.
    Also zur Not kla­gen, falls nicht gezahlt wird.

  8. "Wäh­rend der ers­te Arti­kel auf eine Iso­la­ti­on "Erkrank­ter" abzielt, geht der zwei­te auch von der Qua­ran­tä­ne als Kon­takt­per­son aus."

    Die­se Aus­sa­ge wird aber nicht mit den davor zitier­ten Text­stel­len belegt, oder?

      1. Uh, dan­ke für die Auf­klä­rung. Dann bit­te ich um Ent­schul­di­gung. Offen­sicht­lich habe ich mich nicht inten­siv genug damit beschäftigt…

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