Berlin: Unbefristeter Klinikstreik?

Auf tages​spie​gel​.de ist am 20.8. zu lesen:

»Ratloser Senat, stren­ge Gerichte, wüten­de Pflegekräfte – um deren Tarifkampf ist eine Bewegung entstanden.«

tages​spie​gel​.de (20.8.)

»Trotz erneu­ter Gespräche zwi­schen Verdi-Verhandlern, nam­haf­ten Landespolitikern und den Vorständen von Vivantes und Charité wer­den die lan­des­ei­ge­nen Kliniken ab Montag bestreikt. Nach Tagesspiegel-Informationen hat die Charité des­halb 2000 Termine vor­läu­fig abge­sagt, die Behandlungen sol­len nach dem Streik ab Mittwoch nach­ge­holt werden.

Um die Akutversorgung sicher­zu­stel­len, spra­chen Klinikleiter und Gewerkschafter am Freitag noch – das Arbeitsgericht ver­bot Verdi jeden­falls, ohne Notdienstvereinbarung in den Vivantes-Kliniken zu strei­ken. Dabei oblie­ge es dem Arbeitgeber, „die Einzelheiten des Notdienstes fest­zu­le­gen“, nicht der Gewerkschaft.

Verdi for­dert wie berich­tet einen „Entlastungstarifvertrag“; einen fixen Schlüssel für mehr Pflegekräfte in der Universitätsklinik und den Vivantes-Krankenhäusern. Zudem sol­le das Reinigungs‑, Transport- und Küchenpersonal der Vivantes-Tochterfirmen den vol­len Tariflohn des öffent­li­chen Dienstes erhal­ten. Die Charité-Führung zeig­te sich zum Wochenende gesprächs­be­reit…«

Rot-rot-grün kneift – mitten im Wahlkampf

»Verdi ver­weist dar­auf, dass es schon Entlastungstarifverträge gebe, so an den Universitätskliniken Mainz und Jena. Dort wer­de für jede Station der Personalbedarf pro Schicht ermit­telt. Wird die­se Vorgabe unter­lau­fen, bekom­men die Kollegen einen „Belastungspunkt“ – ab sechs Punkten kön­nen sie einen Tag frei­ma­chen. Diese bei­den Krankenhäuser, so die Verhandler der Pflegekräfte, funk­tio­nier­ten schließ­lich noch.

Auch dem rot-rot-grü­ne Senat gelang es nicht, den Tarifkampf in sei­nen Kliniken zu ent­schär­fen. Alle Koalitionsfraktionen haben sich zwar mit den Pflegekräften in Charité und Vivantes-Kliniken soli­da­risch erklärt. Doch den Krankenhauskonzernen ent­spre­chen­de Mittel zuge­sagt, um den Tarifforderungen ent­ge­gen­kom­men zu kön­nen, haben Linke, Grüne und Sozialdemokraten nicht… 

Um den Tarifkampf ist längst eine Krankenhaus-Bewegung ent­stan­den. Am Samstag rich­tet das Bündnis „Gesundheit statt Profite“ ein Solidaritätscamp im Urban-Hafen aus, vor dem Kreuzberger Vivantes-Krankenhaus. Nicht der Streik, hieß es, son­dern der per­so­nal­knap­pe Normalbetrieb gefähr­de die Gesundheit. Einzelne Ärzte rie­fen auf, den Streik der Pflegekräfte zu unterstützen.

Verdi-Verhandlerin Meike Jäger sag­te, der drei­tä­gi­ge Ausstand ab Montag sei „die letz­te Warnung“, ab 30. August wür­den die Verdi-Mitglieder in den Kliniken über einen unbe­fri­ste­ten Streik ent­schei­den…«


Bereits im Mai hat­ten die Beschäftigten ihre Forderungen ange­mel­det. Damals berich­te­te der "Tagesspiegel":

»Pflegekräfte denken an Streik : Die Corona-Helden begehren auf

Vielleicht lässt sich die Unruhe an den Krankenbetten, die auf­ge­stau­te Wut in den Kliniken auch dar­an erken­nen, dass nun jene von Streik spre­chen, die ihn über Jahrzehnte ver­mie­den haben. Immer öfter orga­ni­sie­ren sich in der Pandemie, die­sem Krisenbeschleuniger, die Pflegekräfte, Laboranten und Reinigungsmitarbeiter. Nicht nur in Berlin, aber gera­de hier, wol­len sie den Wahlkampf und das Corona-Momentum nut­zen: Es geht um mehr Lohn, vor allem aber um mehr Kollegen…

Ein Sinnbild der neu­en Präsenz ist auch Ricardo Lange. Der Pfleger ist durch sei­ne Tagesspiegel-Kolumne prä­sent. In den sozia­len Medien, aber auch in Fachforen steht sein Name inzwi­schen dafür, dass nicht nur Ärzte gehört wer­den, wenn es dar­um geht, die Lage in den Kliniken zu ana­ly­sie­ren. Lange arbei­tet auf diver­sen Intensivstationen in Berlin, beschäf­tigt über eine Zeitarbeitsfirma. Er wur­de bun­des­weit bekannt, als ihn Gesundheitsminister Jens Spahn in die Bundespressekonferenz ein­lud. Auf jenes Podium, von dem aus der CDU-Politiker den Fernsehzuschauern regel­mä­ßig den Stand der Coronakrise darlegt.

„Aufbegehren lohnt sich“, sagt Lange. „Die Pflege erreicht nun eine Öffentlichkeit, die sie so viel­leicht nie wie­der bekommt – wir soll­ten sie nut­zen.“…«

Siehe dazu Pfleger bringt Spahn auf Pressekonferenz ins Schwitzen.

twit​ter​.com (16.6.)

Im Dezember hat­te Lange erklärt:

»Letzte Woche hat Professor Henn vom Ethikrat die Frage geäu­ßert, ob Impfverweigerer im Falle einer Covid-Erkrankung lebens­ret­ten­de Beatmung erhal­ten sol­len oder eher nicht.

Wie ste­hen Sie dazu?
Ich fin­de: Niemandem darf auf­grund sei­ner Entscheidungen, egal wie wir die­se per­sön­lich, mora­lisch und ethisch bewer­ten – und selbst wenn die­se Entscheidungen ande­re in der Gesellschaft beein­träch­ti­gen – medi­zi­ni­sche Hilfe ver­wehrt wer­den. Dies schließt Impfgegner, Corona-Leugner und auch poli­ti­sche Entscheidungsträger, die das Gesundheitssystem bis heu­te kaputt­ge­spart haben, mit ein.«

Näheres zu dem Interview in "Ich kann die­ses 'Danke' nicht mehr hören".

6 Antworten auf „Berlin: Unbefristeter Klinikstreik?“

  1. Lange hat sich Anfang Juli mal mit Kubicki unterhalten.
    https://​www​.you​tube​.com/​w​a​t​c​h​?​v​=​z​c​k​0​f​y​J​6​G1o
    Das Video hat bei­na­he ein­ein­halb Stunden, und ich habe es selbst nicht zu Ende gese­hen. Sondern bis zu dem Zeitpunkt, an dem klar war, dass für Kubicki "die Lösung" nicht in bes­se­ren Löhnen, son­dern im Ersetzen die­ser "schlim­men" Arbeit durch Roboter besteht. Für ihn ist schlimm, dass Menschen schwe­re und bela­sten­de Arbeit am Menschen tun müs­sen, er will das Leiden, wenn schon nicht abschaf­fen, so doch noch stär­ker aus dem Blick neh­men – weil es tech­nisch mög­lich ist!

    Eugenik hat sehr viel damit zu tun, das Leiden "abzu­schaf­fen", eigent­lich ist es aus­schließ­lich die­ser Gedanke. Aber womög­lich ist ein Mensch ohne Leiden – kein Mensch mehr? Jedenfalls kennt Aldous Huxley, der Bruder des Eugenikers und 1. UNESCO-Chefs Julian Huxley in sei­ner "Schönen neu­en Welt" nur die Alternative zwi­schen sedier­tem Gebrechen (Leiden ohne Bewusstsein) und wil­den Gefühlsexzessen (ewi­ges Leiden) – womit er genau das Weltbild des Eugenikers trans­por­tiert, der im eige­nen Verständnis ein Altruist ist, weil er sich selbst die­se "Einsicht" zumutet.

    McLuhan sieht das Resultat anders:
    And as our sen­ses have gone out­side us, Big Brother goes insi­de. So, unless awa­re of this dyna­mic, we shall at once move into a pha­se of panic ter­rors, exact­ly befit­ting a small world of tri­bal drums, total inter­de­pen­dence, and super-impo­sed co-existence
    https://​en​.wiki​pe​dia​.org/​w​i​k​i​/​M​a​r​s​h​a​l​l​_​M​c​L​u​han

  2. Ich glau­be nicht, dass Herr Lange das Grundgesetz bes­ser kennt als Politiker, man­che Professoren oder Ethikratmitglieder.
    Aber die­se Menschen ver­schwei­gen es, um nicht sagen zu müs­sen "sie lügen"!

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