»Bislang ist unklar, ob Sars-Cov‑2 mehr als andere Viren die Alterung des Immunsystems vorantreibt«

Bir­git Her­den, die Autorin des Arti­kels "Rät­sel­haf­te Befun­de: Beschä­digt Covid-19 die Immun­ab­wehr?"auf tages​spie​gel​.de, gibt sich am 26.1.23 red­lich Mühe, dem Gesund­heits­mi­nis­ter zur Sei­te zu sprin­gen. Sie fin­det aller­dings kei­ne glaub­wür­di­gen Exper­ten, die Lau­ter­bach unter­stüt­zen* (Bezahl­schran­ke):

»Hus­ten, Schnup­fen, Kopf­schmerz, Fie­ber und Erschöp­fung – seit Wochen pla­gen sich die Men­schen in Deutsch­land und ande­ren Län­dern mit einer Wel­le von Atem­wegs­er­kran­kun­gen, die zumin­dest vor dem Jah­res­wech­sel deut­lich stär­ker aus­fiel als in den Jah­ren vor der Pan­de­mie. Da kann die Behaup­tung, wie­der­hol­te Coro­na­vi­rus-Infek­tio­nen könn­ten die Immun­ab­wehr nach­hal­tig beschä­di­gen, eini­ger­ma­ßen ner­vös machen.

So sag­te Gesund­heits­mi­nis­ter Karl Lau­ter­bach (SPD) in einem Inter­view mit der „Rhei­ni­schen Post“, es sei „bedenk­lich, was wir bei Men­schen beob­ach­ten, die meh­re­re Coro­na­in­fek­tio­nen gehabt haben. Die Stu­di­en zei­gen mitt­ler­wei­le sehr deut­lich, dass die Betrof­fe­nen es mit einer nicht mehr zu hei­len­den Immun­schwä­che zu tun haben.“

Kurz dar­auf kor­ri­gier­te Lau­ter­bach sich, schrieb auf Twit­ter von einem „tech­ni­schen Über­tra­gungs­feh­ler“, wor­auf­hin das Inter­view geän­dert wur­de. Nun heißt es, Men­schen hät­ten nach meh­re­ren Coro­na­in­fek­tio­nen „häu­fig mit einer Immun­schwä­che zu tun, deren Dau­er wir noch nicht ken­nen“. Lau­ter­bach betont dabei, dass der Befund „noch nicht sicher“ sei.

Der Gesund­heits­mi­nis­ter ist nicht der ein­zi­ge, der sol­che Befürch­tun­gen äußert. Schon län­ger ver­tritt der Immu­no­lo­ge Antho­ny Leo­nar­di von der Johns Hop­kins Uni­ver­si­ty die The­se, Covid-19 las­se das Immun­sys­tem vor­zei­tig altern.

Der streit­ba­re und umstrit­te­ne Immu­no­lo­ge will aus diver­sen Stu­di­en – nicht den eige­nen aller­dings – her­aus­ge­le­sen haben, dass eine bestimm­te Klas­se von Immun­zel­len auch durch mil­de Covid-19–Erkrankungen dezi­miert wer­de. Der Ver­lust von soge­nann­ten nai­ven T‑Zellen wür­de zu einer vor­zei­ti­gen Alte­rung des Immun­sys­tems führen.

Auch Chris­ti­an Dros­ten, Viro­lo­ge von der Ber­li­ner Cha­ri­té, erwähn­te im Gespräch mit dem Tages­spie­gel ein sol­ches Phä­no­men: Immu­no­lo­gen bekä­men der­zeit Befun­de, „die sug­ge­rie­ren, dass die­se Alte­rung des Immun­sys­tems bei Kin­dern nach einer Coro­na­in­fek­ti­on viel fort­ge­schrit­te­ner ist, als man es erwar­ten würde“…

Dros­ten selbst hat, trotz Anfra­gen, sei­ne Aus­sa­ge bis­her nicht durch publi­zier­te Stu­di­en belegt. Hört man sich unter Immu­no­lo­gen um, so ken­nen die­se ent­we­der kei­ne der­ar­ti­gen Befun­de oder wol­len sich nicht öffent­lich äußern…

Andre­as Rad­bruch, Immu­no­lo­ge und Pro­fes­sor für Expe­ri­men­tel­le Rheu­ma­to­lo­gie an der Cha­ri­té sagt: „Die Daten­la­ge zur angeb­li­chen Alte­rung des Immun­sys­tems durch Covid-19 ist extrem schwach.“…

Unter­sucht man die Grup­pen ver­schie­de­ner Immun­zel­len samt ihrem kom­pli­zier­ten Wech­sel­spiel aus Boten­stof­fen, dann fin­det man erheb­li­che Ver­än­de­run­gen wäh­rend einer aku­ten Infek­ti­on, die ins­be­son­de­re bei Long-Covid-Pati­en­ten noch vie­le Mona­te fort­be­stehen kön­nen. Auch eine Abnah­me nai­ver T‑Zellen gehört dazu.

Doch was ist Teil einer erfolg­rei­chen Immun­ab­wehr, und was davon ist unge­wöhn­lich? Das Pro­blem dabei: Noch nie wur­den Virus­in­fek­tio­nen so inten­siv erforscht wie jetzt bei Covid, noch feh­len ver­läss­li­che Ver­glei­che mit ande­ren Krankheitserregern.

Nicht nur Andre­as Rad­bruch, auch Cars­ten Watzl ist daher skep­tisch. Der Immu­no­lo­ge forscht an der TU Dort­mund und hat gera­de ein ver­ein­fach­tes Ver­fah­ren ent­wi­ckelt, um die Alte­rung des Immun­sys­tems zu bestim­men. Ob Covid-19 die Immu­nal­te­rung beson­ders stark antreibt, ist nach sei­ner Ein­schät­zung unklar.

Gute Stu­di­en zum The­ma exis­tier­ten bis­lang nicht, so wird er auf der Jour­na­lis­ten-Platt­form Riff­re­por­ter zitiert. Häu­fig wür­den die Unter­su­chun­gen in einem zu kur­zen zeit­li­chen Abstand nach Covid-19 oder ledig­lich bei Men­schen durch­ge­führt, die im Rah­men von Long Covid beson­ders lan­ge mit Sym­pto­men zu kämp­fen hätten.

Reifung statt Alterung?

Bis­lang ist also unklar, ob Sars-Cov‑2 mehr als ande­re Viren die Alte­rung des Immun­sys­tems vor­an­treibt. Andre­as Rad­bruch bezwei­felt, ob unse­re Immun­kom­pe­tenz über­haupt unter einer Alte­rung des Immun­sys­tems lei­det. „Man könn­te es auch als eine Rei­fung betrach­ten“, sagt er…

Ist also alt nicht gleich schlecht, wenn es um das Immun­sys­tem geht? War­um erkran­ken alte Men­schen dann über­haupt häu­fi­ger schwer, wenn sie sich mit dem Coro­na­vi­rus infi­zie­ren? „Das liegt weni­ger an einem ‘geal­ter­te’ Immun­sys­tem, als an einer Auto­im­m­un­re­ak­ti­on, die mit zuneh­men­dem Alter häu­fi­ger auf­tritt“, sagt Rad­bruch…«

So bleibt Frau Her­den nur die Moral:

»Noch sind es vie­le schwer über­schau­ba­re Puz­zle­stü­cke, aus denen man hof­fent­lich irgend­wann ein prä­zi­ses Bild von den Abläu­fen und Fol­gen einer Coro­na­in­fek­ti­on wird gewin­nen kön­nen. Vor­erst bleibt vie­les Spe­ku­la­ti­on, viel­leicht auch beein­flusst von grund­le­gen­de­ren Über­zeu­gun­gen – etwa, ob man bei feh­len­dem Wis­sen eher vom Schlimms­ten oder vom Bes­ten aus­ge­hen soll­te.«

Zu wel­cher Frak­ti­on sie gehört, ist nach­zu­le­sen in:

Lebens­ge­fahr in öffent­li­chen Verkehrsmitteln

* Update: Hier stand zuvor ein wider­sin­ni­ges "wider­spre­chen". Dan­ke für den Hinweis!

17 Antworten auf „»Bislang ist unklar, ob Sars-Cov‑2 mehr als andere Viren die Alterung des Immunsystems vorantreibt«“

  1. Ich ver­wei­se dazu auf die fol­gen­den Infor­ma­tio­nen von Dr. Alasd­air Mun­ro, sei­nes Zei­chens "Seni­or Cli­ni­cal Rese­arch Fel­low in Paed­ia­tric Infec­tious Dise­a­ses. Inte­res­ted in cli­ni­cal rese­arch, infec­tions in child­ren, vac­ci­nes and COVID-19."

    Der Arti­kel wur­de in Zusam­men­ar­beit mit Dr. rer. nat. Andrew Crox­ford (Insti­tu­te of Expe­ri­men­tal Immu­no­lo­gy, Depart­ment of Patho­lo­gy, Uni­ver­si­ty of Zürich, Switz­er­land) ver­fasst, einem Immu­no­lo­gen, des­sen beruf­li­che Lauf­bahn sich über die aka­de­mi­sche Welt und die Indus­trie erstreckt und der sich auf die Ent­zün­dungs­me­cha­nis­men spe­zia­li­siert hat, die mensch­li­chen Krank­hei­ten zugrun­de liegen.

    Aus­zug:

    "Covid-19 kann wäh­rend und kurz nach einer aku­ten Infek­ti­on vor­über­ge­hen­de Ver­än­de­run­gen des Immun­sys­tems ver­ur­sa­chen, die mit ande­ren Atem­wegs­vi­ren über­ein­stim­men. Es gibt KEINE Hin­wei­se dar­auf, dass Covid-19 eine lang­fris­ti­ge Immun­schwä­che ver­ur­sacht." (1)

    (1) Sub­stack Account von A. Mun­ro – "Covid is not des­troy­ing kids immu­ne sys­tems" >>> https://​alasd​air​m​un​ro​.sub​stack​.com/​p​/​c​o​v​i​d​-​i​s​-​n​o​t​-​d​e​s​t​r​o​y​i​n​g​-​k​i​d​s​-​i​m​m​u​n​e​?​s​d​=pf

    1. "Doch auch als Fol­ge der Imp­fun­gen gegen Coro­na kön­nen sel­te­ne, aber mit­un­ter schwe­re Neben­wir­kun­gen auf­tre­ten, die lan­ge anhal­ten können."
      Hoi, wer hät­te das auch ahnen kön­nen…, steht es schon im "Bei­pack­zet­tel"? Was sagen denn Impf­schwurb­ler dazu?

  2. Gro­ße Ahnungs­lo­sig­keit bezüg­lich Long-Covid bzw. Post-Covid? 

    Selt­sam. Bezüg­lich der Fol­gen ande­rer Virus­er­kran­kun­gen wird weit offe­ner berich­tet. Da gibt es eine Rei­he von leicht umsetz­ba­ren Behand­lungs­an­sät­zen und leicht auf­find­ba­ren Infor­ma­tio­nen im Internet.

    +++++++++++++++++++++++

    Neben­wir­kun­gen der COVID-Imp­fun­gen: Forum 

    Hier kön­nen sich Betrof­fe­ne, u.a. über Behand­lungs­an­sät­ze, austauschen.

    https://​neben​wir​kun​gen​-covid​-imp​fung​.org/​c​o​m​m​u​n​i​ty/

  3. Jeder nor­ma­le Mensch mit einem gesun­den Men­schen­ver­stand wür­de doch zumin­dest den Spritz­mit­tel­ein­satz als mög­li­che Erklä­rung betrach­ten. Was nun zutrifft sei dahin gestellt. Aber die Fra­ge soll­te doch wenigs­ten kom­men. So viel Verlogenheit.

    1. Genau – die Zahl der zum Unter­su­chungs­zeit­punkt unge­impf­ten Covid-Pati­en­ten dürf­te sich in Gren­zen hal­ten. Von einer Imp­fung erwar­te ich doch defi­ni­ti­ons­ge­mäß Aus­wir­kun­gen auf das Immun­sys­tem. Wenn die soge­nann­ten Impf­stof­fe schon nicht vor Anste­ckung, Krank­heit und Über­tra­gung schüt­zen, irgend­ei­ne Wir­kung haben sie womög­lich doch.

  4. Wird im Voll­text auch nur ein­mal in die­sem Zusam­men­hang die „Imp­fung“ erwähnt? In den Aus­zü­gen hier jeden­falls nicht. Das ist schon eine beacht­li­che Leis­tung. So igno­rant muss man erst­mal sein.

    Alles nur Schuld die­ses bösen und heim­tü­cki­schen Virus. Aber auch wenn es stim­men soll­te, und die „Imp­fung“ rein gar nichts hier­mit und/oder mit Long-Covid zu tun hät­te: Ver­hin­dert hat sie es aber auch nicht! Zumin­dest das könn­te man ja mal anerkennen.

  5. Der Ele­fant im Raum wird ein­fach aus­ge­blen­det. Lie­ber spielt man Blin­de Kuh, als sich den Din­gen kri­tisch zu nähern. Deut­li­cher lässt sich ein schlech­tes Gewis­sen bzw die nack­te Angst vor dem Auf­flie­gen nicht ver­ste­cken. Glaubt denn irgend­wer, dass die Leu­te nicht schon von selbst auf den Zwei­fel an der "Imp­fe" kamen? Es wer­den täg­lich mehr, die den Zusam­men­hang nicht ahnen, son­dern am eige­nen Leib erfah­ren. Hof­fent­lich wer­den wir in die­sem Land nicht so dumm wie wir ver­kauft wer­den. Es reicht es schon so…

  6. Hat man bei den Unter­su­chun­gen zur "Alte­rung des Immun­sys­tems durch SARS-CoV2" auch (wie es die wis­senschhaft­li­che Sorg­falt eigent­lich erfor­dern wuer­de) zwi­schen den Effek­ten bei "geimpf­ten" und bei "unge­impf­ten" unterschieden? 

    Wenn die Impf­pro­pa­gan­da rrich­tig wae­re, muess­te der Effekt bei den unge­impf­ten staer­ker sein. Ich wuer­de aber dar­auf wet­ten, dass das Gegen­teil der Fall ist, also die "Imp­fung" das Immun­sys­tem *deut­lich* schaedigt.

  7. Eine sol­che Aus­sa­ge ist nur mög­lich, wenn man in der Stu­die eine Pla­ce­bo­grup­pe hat, die wirk­lich nicht gespik­ed ist. So sind die Stu­di­en für die Ton­ne, denn man hat zwei Varia­blen, die klar gegen­ein­an­der abge­grenzt wer­den müs­sen und hier hel­fen die per Defi­ni­ti­on Unge­impf­ten nicht! Das ist wis­sen­schaft­li­ches Arbei­ten. Ich ken­ne nur Geimpf­te, die mehr­fach an COVID mit Sym­pto­men (z.T. mit hef­ti­gen Sym­pto­men) erkrankt sind (unwis­sen­schaft­lich).

  8. Zur Schwä­chung des Immun­sys­tems durch die wie­der­hol­te Ver­ab­rei­chung der expe­ri­men­tel­len Gentherapie.

    "22 Decem­ber 2022
    Erwei­ter­te SARS-CoV‑2 RBD-Auf­fri­schungs­imp­fung führt bei Mäu­sen zu humo­ra­ler und zel­lu­lä­rer Immuntoleranz"
    https://​www​.sci​en​ce​di​rect​.com/​s​c​i​e​n​c​e​/​a​r​t​i​c​l​e​/​p​i​i​/​S​2​5​8​9​0​0​4​2​2​2​0​1​7​515

  9. > Sie fin­det aller­dings kei­ne glaub­wür­di­gen Exper­ten, die Lau­ter­bach widersprechen <

    Wie­so "aller­dings"? Wenn sie Lau­ter­bach unter­stüt­zen will, wäre das doch kontraproduktiv. 🙂

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