Es ist "daneben, die Bundeswehr gegen unsere Schüler einzusetzen"

»Die Bundeswehr soll auf­pas­sen, dass sich Schüler, Eltern und Lehrer an den Bushaltestellen am Schulzentrum an die Maskenpflicht hal­ten – zumin­dest wenn es nach der Stadt Schongau geht. Ein Rektor hält den Plan für "voll­kom­men überzogen".

        • Die Stadt Schongau über­legt Bundeswehr-Soldaten zu Hilfe zu holen.
        • Sie sol­len die Maskenpflicht an Bushaltestellen an Schulen kontrollieren.
        • Die Schulleiter hal­ten nicht viel von der Idee.

Schongau – "Versteckte Kamera", das kam Realschulleiter Armin Eder in den Sinn, als er eine E‑Mail der Stadt Schongau las. Weil die momen­ta­ne Situation an den Bushaltestellen nicht zufrie­den­stel­lend sei – Schüler, Eltern und auch eini­ge Lehrer kei­ne Masken tra­gen –, beab­sich­ti­ge die Stadt, "die Bundeswehr um Amtshilfe zu bit­ten und für die Beaufsichtigung Unterstützung anzu­for­dern". Zuvor sol­le von den Schulleitern eine Einschätzung ein­ge­holt werden.

Bundeswehr kon­trol­liert Schüler: Schulleiter fin­det Idee überzogen
Beim Realschulleiter fällt die ein­deu­tig aus: "Völlig über­zo­gen" fin­det er den Plan. "Man stel­le sich das vor, das Panzerrohr eines Leopards an der Bushaltestelle auf die Schüler gerich­tet, die das Maskentragen ver­wei­gern" – auch wenn die­ses Bild frei­lich über­trie­ben ist, fin­det Eder "allei­ne schon den Ansatz dane­ben, die Bundeswehr gegen unse­re Schüler ein­zu­set­zen".

Das Problem, dass sich eini­ge nicht an die Maskenpflicht hal­ten, sehe er zwar auch – "aber das müs­sen wir anders regeln". Zusammen mit der Schülersprecherin will er die Schüler erneut auf­ru­fen, sich an die Regeln zu hal­ten. "Damit wir nicht wie­der Schichtunterricht bekom­men – das will ja kei­ner." Statt eines Bundeswehreinsatzes wäre es Eder lie­ber, die Polizei wür­de öfter an der Bushaltestelle vor­bei­fah­ren und auch mal beim ein oder ande­ren Schüler ein Bußgeld for­dern, "das hät­te Signalkraft". Dass die Stadt viel­leicht nicht so weit gehen möch­te, kann Eder ver­ste­hen – "aber was sie bei dem Vorschlag gerit­ten hat, die Bundeswehr vor­bei­zu­schicken, ist mir ein Rätsel".

Bundeswehr kon­trol­liert Schüler: Polizei und Ordnungsamt wären sinnvoller
Auch Bernhard O’Connor, Leiter des Welfen-Gymnasiums, stellt in Frage, ob man die Bundeswehr zur Aufsicht braucht. Am ehe­sten wären ihm Polizei und Ordnungsamt in den Sinn gekom­men. Bei Freiwilligen aus der Elternschaft sei pro­ble­ma­tisch, dass sie kei­ne Bußgelder ver­hän­gen dür­fen – und unein­sich­ti­ge Schüler, Eltern oder Lehrer wohl kaum auf sie hören. Und Lehrer sei­en zur Zeit ohne­hin mehr als genug mit Aufsichtspflichten aus­ge­la­stet. Trotzdem: "Auf die Bundeswehr wäre ich nicht gekom­men", drückt es O’Connor aus. Das erschei­ne ihm im ersten Moment selt­sam. Sein Stellvertreter Hubert Orthuber hat­te zunächst an einen Scherz, ja "eine Fehlinformation" geglaubt. Mittelschul-Rektor Frank Pfaffenberger ist die­se Woche nicht in der Schule, sein Stellvertreter woll­te kein Statement abge­ben.«

Sachaufwandsträger: Nur eine Betreuungskraft an Bushalte

»Bei der E‑Mail han­delt es sich um eine inter­ne Anfrage an die Schulleiter, betont Bettina Schade von der Stadt Schongau. Als Sachaufwandsträger sei man dafür zustän­dig, dass die Maskenpflicht ein­ge­hal­ten wird. Zusammen mit den Rektoren soll­te abge­klärt wer­den, inwie­weit und wo über­haupt Unterstützung benö­tigt wer­de – "und zwar bevor etwas in die Wege gelei­tet wird". Dass dem­nächst hau­fen­wei­se Soldaten am Schulzentrum patrouil­lie­ren, sei nie der Plan gewe­sen, beschwich­tigt Schade. "Uns ging es dar­um, dass ein oder zwei Personen von der Bundeswehr in Zivil unse­re Aufsichtskraft unter­stüt­zen", so die Geschäftsführerin.

Bundeswehr kon­trol­liert Schüler: Der Stadt fehlt es an Personal
Eine Betreuungskraft der Mittelschule sei zur Zeit für die Aufsicht an der Bushaltestelle ver­ant­wort­lich, aber "eine Person ist für die gro­ße Anzahl an Schülern und Eltern nicht aus­rei­chend". Personell sei man bei der Stadt nicht so auf­ge­stellt, dass eige­ne Leute die Aufsicht mit über­neh­men kön­nen.«

Vater petzt – Dienstweg steht

»Die Idee zur Amtshilfe kam auch auf, weil ein Vater die Situation am Schulzentrum meh­re­re Tage lang beob­ach­tet hat­te und sich an Stadträte wand­te, nach­dem er mit­be­kam, wie die Aufsichtskraft ange­gan­gen wur­de. "Wir neh­men die­se Bitte ernst. Noch haben wir aber kei­nen Antrag bei der Bundeswehr gestellt", so Schade. Es sei auch nicht sicher, ob die­se die Aufgabe über­neh­men dür­fe, räumt sie ein.

Bundeswehr kon­trol­liert Schüler: Soldaten als Aufsicht "sei nicht im Sinne des Erfinders"
Die Bundeswehr kommt im Inland nur in Ausnahmefällen zum Einsatz, die im Grundgesetz gere­gelt sind. Im Kampf gegen die Corona-Pandemie darf die Bundeswehr bun­des­weit mit Material und Personal hel­fen, auch ohne dass der Landkreis expli­zit den Katastrophenfall aus­ruft. Doch die Hilfe sei eher für Gesundheitsämter gedacht, sagt Helmut Stork vom Landratsamt Weilheim-Schongau. Dass Soldaten zur Schülerbeaufsichtigung ein­ge­setzt wer­den, sei "bestimmt nicht im Sinne des Erfinders".

Weder eine Zu- noch eine Absage zur Schüler-Beaufsichtigung gibt es auf Nachfrage der Heimatzeitung bei der Bundeswehr in Altenstadt. Das kön­ne erst gesagt wer­den, wenn eine kon­kre­te Anfrage vor­liegt. Der Antrag, soll­te er gestellt wer­den, wird zunächst vom Landeskommando abge­wägt und dann an den Kommandeur vor Ort wei­ter­ge­lei­tet, der dann ent­schei­det, ob die Hilfe zu bewerk­stel­li­gen ist.

Im März hat­te die Altenstadter Bundeswehr einer Kommune im Landkreis auf kur­zem Dienstweg unter die Arme gegrif­fen und in Burggen ein Zelt für Corona-Tests auf­ge­baut. Das Prozedere, dass ein Anruf des Bürgermeisters für den Einsatz genüg­te, hat­te im Nachgang intern für mäch­tig Ärger gesorgt.«

Das alles steht seit dem 20.10. auf mer​kur​.de.

Ausbau‑, aber nicht zukunftsfähig

Die Grundidee ist aus­bau­fä­hig. Bei Mangel an LehrerInnen kom­men Feldwebel an die Schulen (hei­ßen die Frauen eigent­lich Feldwebelinnen?). Fehlende FleischereifachverkäuferInnen kön­nen leicht ersetzt wer­den durch Stabsunteroffizere von der Gulasch­kanone. Das ist ein wei­tes Feld, das gewiß KommentatorInnen anre­gen wird.

Legen wir den unan­ge­brach­ten Spaß zur Seite. Denn einer­seits wird hier ein Erfolgsrezept des Neoliberalismus ver­wen­det: öffent­li­che Einrichtungen demon­tie­ren und unter­fi­nan­zie­ren, um den ret­ten­den Engel zu prä­sen­tie­ren. Bei Bahn, Energie, Wasser, Krankenhäusern die Privatwirtschaft, hier die Bundeswehr. Und ande­rer­seits sehen wir hier einen Testballon. Es gehört zum Spiel, zunächst ein wenig Empörung dar­zu­stel­len. So lan­ge, bis wir uns ein­fach dar­an gewöhnt haben. Es gibt Gründe, zuver­sicht­lich zu sein, denn Privatisierungen wer­den zuneh­mend kri­tisch gese­hen, und auch hier wer­den sie sich die Zähne ausbeißen.

(Hervorhebungen nicht in den Originalen.)

4 Antworten auf „Es ist "daneben, die Bundeswehr gegen unsere Schüler einzusetzen"“

  1. Wenn da jetzt Massenweise Beamte und Hilfsscherrifs rum­lau­fen, und Zwangs-Quarantänelager in Sporthallten errich­tet wer­den usw. und es gäbe tat­säch­lich ein Infektionsrisiko. Würden die das gan­ze nicht stark erhö­hen und als "Superspreader" alles schön ver­tei­len. Wäre es nicht bes­ser, die Menschen ein­fach in Ruhe zu las­sen? Achso, ich ver­gaß, das wäre nicht hilf­reich bei der Errichtung eines Polizeistaats und der Durchfürhung eines welt­wei­ten Euthanasieprogramms.

    1. @Salvador Romano: Ich fin­de den Plan schon schlimm genug, und wer weiß, was da noch kommt. Aber bei "Zwangs-Quarantänelager" oder einem "welt­wei­ten Euthanasieprogramm" sind wir nun doch nicht.

  2. "Zusammen mit der Schülersprecherin will er die Schüler erneut auf­ru­fen, sich an die Regeln zu hal­ten. "Damit wir nicht wie­der Schichtunterricht bekom­men – das will ja keiner.""

    Klar, an der angeb­lich schlim­men Lage sind die Schuld, die sich nicht an die gut nach­voll­zieh­ba­ren Regeln hal­ten. Wie immer halt. Und da sich in Schongau ganz, ganz vie­le nicht an die Einschränkungen hal­ten (Schongau ist das neue Gallien), stimmt die Aussage des Schulleiters sogar, oder auch nicht.

  3. Schlimm ist ein­fach, daß nie­mand, wirk­lich nie­mand die­se angeb­li­che Pandemie hinterfragt.
    Alle tun so, als sei­en wir alle gefähr­det ohne Ende und aus die­ser her­bei­ge­zau­ber­ten Situation her­aus, den­ken sie sich einen sol­chen, mit Verlaub, Schwachsinn aus.
    Herr, schmeiß Hirn vom Himmel. Gerne auch über Schulen.

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