Corona in Australien : Vorerst gescheitert

So lau­tet die Überschrift eines Artikels am 30.8. auf zeit​.de.

»Für sei­ne Null-Fälle-Strategie ließ sich Australien lan­ge bewun­dern. Doch gegen die Delta-Variante hel­fen selbst har­te Maßnahmen kaum noch. Ist No-Covid am Ende?

Einmal quer durch Australien fah­ren? In Zeiten von Corona fast unmög­lich. Wer die Reise trotz­dem antritt, braucht Passierscheine und star­ke Nerven. Blaulichtflackernde Polizeiautos bewa­chen Streckenabschnitte auf Highways. Wie bei einer Verbrecherjagd lot­sen Uniformierte vor­bei­fah­ren­de Wagen in Wartebuchten und ver­hö­ren die Fahrer. 5.000 austra­li­sche Dollar (rund 3.000 Euro) Strafe droht jenen, die sich uner­laubt aus ihrer desi­gnier­ten Covid-Zone bewegt haben.

Schleichwege sind kei­ne Option. Vor den Grenzen der ein­zel­nen Bundesstaaten enden selbst holp­rig­ste Feldwege im Eukalyptuswald vor Betonbarrieren mit Kameras und Stacheldraht. Schilder war­nen vor Maximalstrafen von umge­rech­net mehr als 40.000 Euro – aber das kann sich gera­de täg­lich ändern.

Am Mittwoch erst ver­schärf­te Westaustralien aber­mals sei­ne Grenzregeln und erklär­te ganz New South Wales mit der Metropole Sydney zum "extre­men Risikogebiet", weil das Virus dort inzwi­schen knapp tau­send wei­te­re Menschen am Tag infi­ziert. Für Ostküstenaustralier ist die Westküste damit so gut wie uner­reich­bar gewor­den. Es ist ein letz­tes Aufbäumen der noch coro­nafrei­en Gebiete gegen die Delta-Variante, die Australiens als sicher geglaub­te Überlegenheit im Kampf gegen das Virus infra­ge stellt.

Für sei­ne ent­schlos­se­ne No-Covid-Strategie ließ sich Australien lan­ge bewun­dern. Mit einer auto­ri­tä­ren Politik des Abschottens und Ausmerzens hat­te das Land geschafft, was ledig­lich einer Handvoll wei­te­rer Staaten welt­weit geglückt war – dar­un­ter Neuseeland, Singapur, Hongkong, China und Taiwan: Sie alle hat­ten Sars-CoV‑2 wei­test­ge­hend eliminiert.

In Australien war das Virus aus dem Leben der Menschen ver­schwun­den. Monate ver­gin­gen ohne eine ein­zi­ge nen­nens­wer­te ört­li­che Neuinfektion. Dann aber drang Delta ein, seit­her müht sich Australien um die Eindämmung, teils mit äußer­ster Staatsgewalt…

Es wäre ein Leichtes zu sagen, dass Australien sei­nen No-Covid-Plan abschrei­ben kann. Doch so ein­fach ist es nicht. Australien, wie es sich gera­de hübsch ver­eint bei den Olympischen Spielen gezeigt hat, gibt es nach innen nicht mehr. Wer heu­te von der Ostküste an die Westküste rei­ste, trä­fe auf ein von der Pandemie tief gespal­te­nes, zer­split­ter­tes Land. Ein Land, in dem jeder Bundesstaat frei sei­ne eige­nen Corona-Regeln auf­stel­len darf, um die Interessen der eige­nen Bevölkerung zu schüt­zen, wäh­rend sich die Nationalregierung – typisch föde­ral – auf Impfstoffbeschaffung und Außengrenzen beschränkt.

"Delta hat die Spielregeln verändert"

Das erklärt, war­um der Premier von Victoria jüngst bei 22 täg­li­chen Neuinfektionen eine nächt­li­che Ausgangssperre für die Stadt Melbourne ver­hängt hat. Warum die Premierministerin von New South Wales acht beson­ders betrof­fe­ne Stadtviertel Sydneys jetzt vom Militär kon­trol­lie­ren lässt. Und war­um das rie­si­ge Westaustralien mit null neu­en Fällen am Tag sei­ne Grenze ein­fach noch dich­ter macht…

Kein Sonderfall in der Welt

Doch ange­sichts der anstecken­de­ren Delta-Variante wirkt vor allem die Premierministerin von New South Wales, Gladys Berejiklian, über­for­dert. "Delta hat die Spielregeln ver­än­dert", sag­te sie zu Beginn eines von ihr ver­ord­ne­ten Lockdowns, der auch jetzt – mehr als acht Wochen spä­ter – noch kei­ne Wirkung zeigt. Neuinfektionen in dem Staat sind von 22 Ende Juni auf 1.218 am Sonntag geschnellt. Mehr als hun­dert Covid-19-Patientinnen und ‑Patienten lie­gen auf der Intensivstation, 89 Erkrankte starben.

"Komplett unrea­li­stisch" sei die Null-Fälle-Idee mit Delta, sag­te Berejiklian Anfang der Woche fru­striert und füg­te hin­zu, Australien sol­le end­lich auf­hö­ren, sich als Sonderfall in der Welt auf­zu­spie­len, und ler­nen, mit dem Virus zu leben. "Selbst ein Staat, der lan­ge null Fälle hat­te, wird irgend­wann sei­ne Grenzen öff­nen müs­sen", sag­te sie.

Ihre Äußerungen machen die übri­gen austra­li­schen Staaten wütend. Sie fürch­ten, New South Wales könn­te den No-Covid-Kampf vor­zei­tig auf­ge­ben und das Virus wild­lau­fen las­sen. Dann wäre wohl auch für sie die müh­sam erkauf­te Freiheit zu Ende.

Von Melbourne bis Neuseeland gäben alle ihr Bestes, "um das Virus zu zer­quet­schen und zu töten", schimpf­te die­se Woche der Premier von Westaustralien, Mark McGowan, im Tonfall eines Kammerjägers auf Kakerlakenfang. "Nur New South Wales zieht nicht mit. Die las­sen das gan­ze Land hängen."..

Australien hat sich in eine Sackgasse manövriert

Zugleich brei­te­te sich das Virus im Westen Sydneys immer wei­ter aus, wo vie­le Eingewanderte aus ara­bi­schen Ländern in grö­ße­ren Familien und klei­ne­ren Wohnungen leben. Außerdem: vie­le Bauarbeiter, Krankenschwestern, Verkäuferinnen, die nicht von zu Hause arbei­ten kön­nen. Eilig bes­ser­te die Regierung von New South Wales die Gesetze nach, schick­te berit­te­ne Polizisten durch die Straßen, ließ noch mehr Spähhubschrauber über der Stadt flie­gen, ver­fünf­fach­te die Strafen.

Unfolgsame Bürgerinnen und Bürger bekom­men nun die vol­le Autorität des Staates zu spü­ren. Dem Anstifter einer Anti-Lockdown-Demo wur­de ein Blitzprozess gemacht: acht Monate Haft. Ein Pärchen, das am Bondi Beach ein Sandwich aß, zahl­te 1.000 Dollar pro Kopf: In der Sonne zu sit­zen, ist nicht erlaubt. Proteste wer­den rigo­ros aus­ein­an­der­ge­trie­ben. Und trotz­dem stei­gen die Delta-Fälle immer weiter…

Impfdosen, die eigent­lich für länd­li­che Gebiete vor­ge­se­hen waren, gehen nun an Abiturienten in Sydney. In Polen trieb Premier Morrison eine Million über­schüs­si­ge Pfizer-Dosen auf, die das Land selbst nicht los­ge­wor­den war. Sogar dem Entwicklungshilfeprogramm Covax zwack­te er eine hal­be Million Impfdosen ab, eine umstrit­te­ne Aktion.

Australien hat sich in eine Sackgasse manö­vriert. Erst wenn 80 Prozent der Bevölkerung geimpft sei­en, wür­den Lockdowns enden und Grenzen öff­nen, hat Premier Morrison ange­kün­digt…«

9 Antworten auf „Corona in Australien : Vorerst gescheitert“

  1. Tja solan­ge das austra­li­sche Volk jubelt wird sich nix ändern. In Neuseeland hat die Bevölkerung vor kur­zem die Premierministerin mit über­wäl­ti­gen­der Mehrheit wie­der gewählt. Die Psychose dort sitzt sehr tief

  2. »Viel zu spät, viel zu lang­sam hat der kon­ser­va­ti­ve Premierminister Scott Morrison die natio­na­le Impfkampagne angepackt«

    Daran wird es gele­gen haben …

    1. @Kassandro: Damit kann man die Bürger erst­mal ködern, obwohl es kaum erreich­bar ist. Dann fährt man die Schwelle lang­sam hoch, weil ja eh klar ist, dass die Entwicklung der will­kür­lich her­bei phan­ta­sier­ten Testzahlen in kei­ner­lei Zusammenhang mit der Spritzung steht bzw. es sogar noch för­der­lich wirkt.

  3. Manche Ziele las­sen sich am ein­fach­sten dadurch als furcht­bar ent­lar­ven, dass man sich über­legt, wie sie am ein­fach­sten zu errei­chen sind. (Vorsicht: Querdenken!)
    Wie lässt sich ZeroCovid am ein­fach­sten errei­chen? Zum Beispiel so: Man schubst alle Leute mit posi­ti­vem Testergebnis von der näch­sten Klippe. Dann kön­nen sie nicht mehr an Covid sterben.
    Erinnert mich an die Deutsche Krebsgesellschaft. Die woll­te Krebs als Todesursache aus­mer­zen. Auch das geht ganz ein­fach. Nur macht man es in der Praxis nicht so offen­sicht­lich mit der Klippe. Stattdessen behan­delt man die Krebskranken so inten­siv, dass sie nicht mehr an Krebs, son­dern an Lungenpilzinfektionen u.ä. ster­ben. In der Statistik sieht das wie ein Erfolg im Kampf gegen Krebs aus.
    Oder wie lässt sich Arbeitslosigkeit am ein­fach­sten ver­hin­dern? Man gibt ein­fach allen Leuten eine egal wie sinn­lo­se Aufgabe. Problem gelöst. In der Praxis arbei­ten Mobcenter auch ziem­lich auf die­se Weise.

  4. Wenn es wahr ist, dass die Impfungen die Ausbreitung der rela­tiv resi­sten­ten Delta-Mutante begün­stigt haben, dann kann man wohl sagen, dass die Impfungen die No-Covid-Strategie sabo­tiert haben.

    …da ist es sicher­lich eine tol­le Idee, jetzt gera­de durch Impfungen das Land ret­ten zu wol­len. Von Schweden hal­ten die Australier wohl nichts?

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