Corona, Trump und Selbsthypnose im "Spiegel"

»Mit der Selbsthypnose haben Sie ein wun­der­vol­les Werkzeug an der Hand, von dem Sie viel­fäl­tig pro­fi­tie­ren kön­nen. Unter ande­rem kön­nen Sie mit der Selbsthypnose Stressmanagement betrei­ben, Ihr Immunsystem ankur­beln oder lang ersehn­te Ziele errei­chen. Aber das Schönste dar­an ist, dass die Selbsthypnose kei­ner­lei Arbeit macht und auch ohne lang­wie­ri­gen Lernprozess funk­tio­niert. Sehen Sie es ein­fach als Kurzurlaub an, als Momente der Entspannung in einer hek­ti­schen Welt.«

Das emp­fiehlt der Deutsche Verband für Hypnose e.V. (DVH).

In sei­ner aktu­el­len Ausgabe läßt uns der Spiegel mit einem Beitrag "Coronakrise ent­zau­bert den US-Präsidenten – Trumps letz­tes Gefecht" Anteil neh­men an sei­nem Selbstversuch.

Wie vor der letz­ten US-Präsidentschaftswahl kon­stru­iert sich das "Nachrichtenmagazin" eine Weltsicht nach dem Motto: Was wir in unse­rer eta­blier­ten Blase wahr­neh­men, muß die Realität sein. Wieder wird aus­ge­schlos­sen, daß ein popu­li­sti­scher Dummschwätzer Erfolg haben kön­ne, bloß weil elo­quen­te­re Gegenspieler die poli­ti­sche Etikette beachteten.

Ohnehin wird der Polterer aus Washington höchst selek­tiv bewer­tet. Seinem derb for­mu­lier­ten Protektionsmus wird der ele­gan­te­re der Bundesregierung und der EU gegen­über­ge­stellt. Bei unwill­kom­me­nen Entscheidungen ist er der­je­ni­ge, dem zig­tau­sen­de Lügen nach­ge­wie­sen wer­den kön­nen. Wenn es gemein­sam gegen China oder Rußland geht, kom­men die weni­ger ins Spiel.

Nun also Corona.

Wie in Brasilien ist der Präsident, der den Mundschutz schmäht, ver­ant­wort­lich für die stei­gen­den Infektions- und Todeszahlen. Damit wird genau das Prinzip ein­ge­setzt, das Trump vor­ge­wor­fen wird, die Reduktion kom­ple­xer Sachverhalte auf ein­gän­gi­ge Schlagworte. Wird in demo­kra­tisch regier­ten Bundesstaaten weni­ger gestor­ben als in repu­bli­ka­ni­schen? Verteilen sich die Armen, die Sicherheits- und Hygieneregeln kaum ein­hal­ten kön­nen und nur schwer Zugang zu Gesundheitseinrichtungen haben, nach den Farben rot und blau?

Schon die ersten Sätze des Spiegel-Artikels beschrei­ben einen (Selbst-)Betrug. Im Versuch, das popu­li­sti­sche Bild vom unzi­vi­li­sier­ten Trump auf der einen und uns, der demo­kra­ti­schen Welt, auf der ande­ren Seite zu malen, heißt es:

»Ein ame­ri­ka­ni­scher Präsident, der irgend­wo auf der Welt einen Krieg vom Zaun bricht, um eine schon ver­lo­ren geglaub­te Wahl zu gewin­nen – das ist ein Drehbuch, wie es schon oft ver­filmt wur­de. Ein ame­ri­ka­ni­scher Präsident, der den Krieg in Amerikas Städte hin­ein­zu­tra­gen droht, um den Wahlkampf noch her­um­zu­rei­ßen – das gab es noch nie.«

Hier ist alles ver­fäl­schend. Es waren nicht Drehbücher, son­dern rea­le US-Präsidenten, die seit Bestehen der Vereinigten Staaten von Amerika sich stets aufs Neue anmaß­ten, Kriege in ihre "Hinterhöfe" zu tra­gen oder an wel­che Orte auch immer, in denen sie Interessen gel­tend machen woll­ten. Nicht immer hat­te das mit Wahlkämpfen zu tun, und sel­ten waren sich die bei­den US-Großparteien dabei unei­nig. (Daß auch ande­re Großmächte impe­ria­li­sti­sche Ziele ver­fol­gen und Deutschland in die­sem Sinne kein Waisenknabe war und ist, ist wahr, für den hier erör­ter­ten Zusammenhang aber zu vernachlässigen.)

Falsch ist auch, daß Trump der erste Präsident sein soll, "der den Krieg in Amerikas Städte hin­ein­zu­tra­gen droht". Der Einsatz von Bundessoldaten im Inneren gehör­te schon immer zur erschüt­tern­den Geschichte der USA. Bereits in den 50er Jahren wur­de die Nationalgarde zur Aufrechterhaltung der Rassentrennung ein­ge­setzt. 1970 wur­den vier Studenten, die gegen den Vietnamkrieg pro­te­stier­ten, von Nationalgardisten erschos­sen. Kennedy griff bei "Rassenunruhen" zu die­sem Mittel, und auch unter Obama wur­de mit der Nationalgarde "der Krieg in Amerikas Städte", nament­lich Ferguson, getra­gen.

Der Spiegel lügt also wenn er behauptet:

»Der Präsident, der in allen Meinungsumfragen weit hin­ter sei­nem Herausforderer Joe Biden von den Demokraten liegt, tut etwas, was kei­ner sei­ner Vorgänger je getan hat. Er will in ame­ri­ka­ni­sche Städte eindringen.«

Elend und Tote vor allem in den USA?

Der Spiegel ver­traut auf den Eindruck der gro­ßen Zahlen:

»Die Zahl der Corona-Toten im Land nähert sich der Marke von 150.000. Die Corona-Pandemie hat rund 30 Millionen Amerikaner in die Arbeitslosigkeit gestürzt und fünf Millionen ihrer Krankenversicherung beraubt. Weil auf­grund der stei­gen­den Infektionszahlen die Wirtschaft nicht wie­der in Gang kommt, frisst sich die Rezession immer wei­ter in die ame­ri­ka­ni­sche Mittelschicht vor.«

Schon im Mai wur­den in der EU fast 16 Millionen Arbeitslose gezählt. Das "Vorfressen der Rezession" in die Mittelschicht ist hier genau so zu beob­ach­ten wie über­all auf der Welt. Das Trumpsche Programm der Ankurbelung der Wirtschaft unter­schei­det sich nicht wesent­lich von dem in der EU prak­ti­zier­ten. Wenn noch immer im mäch­tig­sten Land der Welt Millionen Menschen ohne Krankenversicherung daste­hen, ist das ein unglaub­li­cher Skandal. Er ist nicht zu lösen davon, daß sämt­li­che US-Regierungen vor Obama das nicht son­der­lich interessierte.

Unseriös wie die mei­sten mei­nungs­bil­den­den Medien geht auch der Spiegel mit der Zahl der "Corona-Toten" um. Bei aller Vorsicht den Erhebungsmethoden gegen­über bleibt doch fest­zu­hal­ten: Die Zahl der Verstorbenen pro 100.000 Ew. liegt in den Staaten mit Lockdown und mona­te­lan­gen rigi­den Ausgangssperren wie Spanien (60,86), Italien (58.17), Frankreich (45,05) über der in den USA (42,82). In Belgien wer­den 85,77 Tote pro 100.000 Ew. verzeichnet.

Der Washington-Korrespondent der Tagesschau war am 25.7. der Meinung:

»Die Wirtschaftslage könn­te sich noch ver­schlech­tern. Denn ange­sichts der wei­ter stei­gen­den Corona-Infektionszahlen dro­hen in vie­len Teilen der USA neue Lockdowns.«

Das anemp­foh­le­ne Allheilmittel wird die Lage also verschärfen.

Opfer in Republikaner-Staaten und in Bayern

»Es ist kein Zufall, dass aus­ge­rech­net die von Republikanern regier­ten Bundesstaaten die Corona-Statistik anführen.«

schreibt der Spiegel. Was sagt dann aus, daß laut RKI sie­ben baye­ri­sche Landkreise die BRD-Statistik anfüh­ren – noch vor Heinsberg und Gütersloh?

Pfeifen im Walde

»Kann ein Präsident mit einer so ver­hee­ren­den Bilanz wie­der­ge­wählt wer­den? Wenn der gesun­de Menschenverstand und die Regeln des poli­ti­schen Geschäfts noch irgend­ei­ne Bedeutung haben, dann müss­te Trump die Wahl am 3. November ver­lie­ren. Seine Umfragewerte ste­hen kurz vor einem histo­ri­schen Tief. Seit Jimmy Carter hat­te kein Präsident mehr so nie­der­schmet­tern­de Zahlen auf dem Tisch.«

Dieser Aussage bei­gefügt wird die­se Grafik:

Damit lie­ße sich die glei­cher­ma­ßen mani­pu­la­ti­ve These for­mu­lie­ren: "Trump belieb­ter als der Sieger des ersten Golfkrieges."

Wo wirk­lich die Erfolgsaussichten für Trump lie­gen könn­ten, wird an einer Zahl deut­lich, die welt​.de anläß­lich sin­ken­der Arbeitslosenzahlen im Mai vermeldete:

»Dabei tra­fen die Folgen der Krise die Bevölkerungsgruppen unter­schied­lich stark, die wirt­schaft­li­che Ungleichheit nahm zu: Die Arbeitslosenrate lag im Mai unter wei­ßen Amerikanern bei 12,4 Prozent, unter Amerikanern mit his­pa­ni­schen Wurzeln bei 17,6 Prozent und unter Afroamerikanern bei 16,8 Prozent.«

Denn wie Merkel, Macron und alle ande­ren weiß Trump "It's the eco­no­my, stupid".

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