rp-online.de berichtet heute aus Düsseldorf über eine Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen:
»Großaufgebot der Polizei hatte Corona-Demos im Griff
Auf den Rheinwiesen in Oberkassel haben am Sonntagnachmittag etwa 600 Menschen gegen die Corona-Auflagen demonstriert. Michael Schele von der Gruppe Querdenken und Anmelder der Demonstration hatte eine Versammlung mit maximal 3000 Teilnehmern angekündigt.
Die Demo hatte die Auflage bekommen, dass sie die Rheinwiesen nicht verlassen darf. Da Markus Sonnenberg von den Querdenkern Leverkusen am Freitagnachmittag eine zweite Versammlung ab 17 Uhr auf dem Marktplatz angemeldet hatte, zogen rund 300 Teilnehmer doch über die Oberkasseler Brücke vor das Rathaus und setzten dort ihre Anti-Corona-Demo fort. Es gab keine Eskalationen.
Um 15 Uhr hätte die Versammlung auf den Rheinwiesen beginnen sollen. Der Start verzögerte sich um 56 Minuten, weil Polizei und Ordnungsamt zunächst gegen Maskenverweigerer vorgingen, Verwarngelder verhängten und auf die Abstandsregeln achteten. „Die Spielregeln sind albern, aber wir halten uns daran“, wurde über die Lautsprecher durchgegeben.
Unter den Teilnehmern waren Familien mit Kindern, die Martinslaternen dabei hatten – die Demo wurde unter dem Namen „Kinderlächeln ohne Angst“ angemeldet –, vereinzelt aber auch Bruderschaft-Mitglieder und wenige Hooligans…
Als die Versammlung in Oberkassel um 16.34 Uhr beendet wurde, es hatte bereits angefangen zu regnen, waren die ersten Corona-Rebellen unter Polizeiaufsicht zu Fuß in Richtung Altstadt abgewandert. Zutritt zum Marktplatz erhielten sie aber zunächst nicht, denn eine rund 30-köpfige Gruppe von „Düsseldorf stellt sich quer“ hatte sich dort positioniert.
Damit die zweite angemeldete Versammlung der Querdenker beginnen konnte, kreiste die Polizei die Gruppe ein und leitete sie zur Bolkerstraße. Dort verharrten die Gegner der Demo streng kontrolliert von der Polizei.«
Die rund 30-köpfige Gruppe von „Düsseldorf stellt sich quer“ verdeutlicht das Dilemma der Antifa. Dieses Bündnis hat eine langjährige Tradition in der Stadt bei der Mobilisierung großer Menschenmengen gegen tatsächliche Nazis.
Nazis gibt es nun wirklich, und unter den "Corona-Rebellen" sogar in nennenswerter Zahl. Die Truppe war auch beim "Sturm auf die Reichstagstreppen" aktiv – ob sie nebenbei vom Verfassungsschutz alimentiert wird, sei dahingestellt. rp-online.de will auch zwei AfD-Funktionäre "hinter der kleinen Bühne" gesehen haben. Der Bericht macht aber auch deutlich, daß damit ein undifferenzierter Alarmismus der Antifa nicht zu rechtfertigen war und wohl auch deshalb wenig Anklang fand.
Am 30.10. war auf der Seite des Bündnisses zu lesen:
»Pandemie-Leugner und rechte Schläger auf Eskalationskurs.
Auch in Hochzeiten der Corona-Pandemie werden die nach ganz weit rechts offenen „Corona Rebellen Düsseldorf (CRD)“ nicht müde, Woche für Woche in Düsseldorf auf die Straße zu gehen. So auch am morgigen Samstag, 31.10.2020, ab 14:30 Uhr auf dem Johannes-Rau-Platz. Ob ein anschließend geplanter Aufmarsch stattfinden darf, wird zur Zeit noch juristisch geklärt. Extrem rechte Hooligans und organisierte Neonazis nahmen bisher nur sporadisch an den CRD-Aktionen teil…«
Und am 14.9. hatte es geheißen:
»Es reicht! Seit April demonstrieren selbst ernannte „Corona Rebellen“ und „Querdenker“ gegen die angebliche Abschaffung der Grundrechte und für eine „sofortige Beendigung der Diktatur“.«
Die Abschaffung der Grundrechte droht also nicht. Menschen, die derartige Befürchtungen haben, muß man sich "entschlossen entgegen stellen". So befördert man keinen Antifaschismus. Im Gegenteil bringt man diese Menschen dazu, in Nazis ihre Bündnispartner zu sehen und die Antifa als Gegner. Eine Bewegung, die Verdienste hatte bei der Benennung tatsächlicher faschistischer, rassistischer und antisemitischer Kräfte in der Stadt, muß um ihre Glaubwürdigkeit besorgt sein.
Ganz besonders trifft das zu, wenn man sich bemüht, das Tragen von Israel-Fahnen bei den "Corona-SkeptikerInnen" als antisemitisch zu entlarven. Das "Antifa Infoportal Düsseldorf" versucht das am 11.11. anhand des Menschen, der mit seiner Klage das allgemeine Maskengebot in Düsseldorf zu Fall gebracht hat. Ihm wird vorgeworfen:
»Engelhardt organisiert seit dem 16. September 2020 an jedem Mittwoch auf dem Gertrudisplatz in Eller „Mahnwachen“ mit den Botschaften „Aufatmen. Schluss mit der Corona-Diktatur. Gott sei Dank – Es gibt keine Epidemie in Deutschland. Frieden – Freiheit – Wahrheit – Liebe“ sowie „Keine Angst vor Viren. Keine Angst vor Menschen. Umkehr zu Gott.“ Bereits durch „Gott sei Dank“ und „Umkehr zu Gott“ wird eine religiöse Aussage getroffen, die die nur schwer erkennbaren evangelikal-missionarischen und messianischen Bestrebungen der Samstagskundgebungen in der Innenstadt sichtbar macht. Mittwochs in Eller zeigt Engelhardt nicht nur übergroße und kleinere Israel-Fahnen, sondern spielt auch israelische Folklore.
Johannes Engelhardt ist aktiv in der von dem Missionar Kirill Swiderski gegründeten messianischen Gemeinde „Beit Hesed“, die ihren Sitz im evangelikalen „Jesus-Haus“ auf der Grafenberger Allee hat. Engelhardt predigt dort und liest Wochenabschnitte, die er christlich-messianisch interpretiert.1 Seine Israel-Fahne ist Ausdruck des messianischen Glaubens, der Jesus (oder Yeshua) als den Messias betrachtet und auf seine Wiederkehr hofft. Dies ist theologisch mit dem Judentum, das auf ein (erstes) Kommen des Messias wartet und Jesus nicht anerkennt, unvereinbar. Messianische Strömungen sind im Kern antisemitisch, da sie mit ihren missionarischen Bestrebungen zur Bekehrung von Jüdinnen*Juden zum christlichen Glauben auf eine Zerstörung des Judentums abzielen…
Johannes Engelhardt ist auch Gründer und Vorsitzender des Vereins „Brücke Düsseldorf-Haifa e.V.“, der durch in Erinnerungsarbeit eingebettete messianische Gebetstage zusammen mit der Gemeinde „Beit Hesed“ vielfältige Kooperationen mit der Stadt Düsseldorf, dem Land Nordrhein-Westfalen und Wohlfahrts- und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen etablieren konnte. Der Verein „Brücke Düsseldorf-Haifa e.V.“ profiliert sich im Rahmen der Städtepartnerschaft Düsseldorf-Haifa durch die Organisation von „Zeitzeugenbesuchen“. Der Verein lädt Berichten zufolge Überlebende der Shoah und deren Familienangehörige zu Besuchen nach Düsseldorf ein…
2018 war für das Programm des Vereins „Brücke Düsseldorf-Haifa e.V.“ ein politisches Erfolgsjahr. Die Stadt Düsseldorf feierte das 30-jährige Jubiläum der Städtepartnerschaft mit Haifa und lud die Vereinsgäste aus Israel am 15. Februar 2018 in das Rathaus ein. Bei dem Empfang im Rathaus stellte der damalige Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) die messianischen Aktivitäten von „Brücke Düsseldorf-Haifa e.V.“ gleichwertig neben das kulturelle und interreligiöse Engagement der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf in der Stadtgesellschaft und legitimierte so die im Kern antisemitische messianische Judenmission…
Die Besuchsgruppen aus Haifa werden durch das dortige „Rutenberg-Institut“ begleitet, eine israelische Bildungseinrichtung, die unbedenklich ist.«
Hier wird die ganze Hybris der VerfasserInnen deutlich. Sie entscheiden in Anlehnung an eine israelische Institution, was unbedenklich ist. Daß Institutionen des Staates Israel gerne auch linke JüdInnen, die dessen Politik kritisieren, als antisemitisch bezeichnen und Auftrittsverbote für sie erwirken, paßt in dieses Bild. Genauso selbstverständlich wähnen sich die AutorInnen als diejenigen, die zu definieren haben, wer Antifaschist ist.
Die Position auf diesem Blog ist klar. Danach kann es nicht sinnvoll sein, demokratische Rechte zu verteidigen gemeinsam mit denjenigen, die nach aller historischer Erfahrung erbitterte GegnerInnen der Demokratie sind. Genau so unklug ist es, vor der Bedrohung des Grundgesetzes die Augen zu verschließen, weil dies gegenwärtigen auch von Rechten als taktisch geschickt angesehen wird. Es gibt die Mordserien von Rechtsradikalen, es gibt ihre Netzwerke in Polizei und Bundeswehr. Dagegen muß man sich wehren. Es gibt auf der anderen Seite eine in diesem Land noch nie gesehene Tendenz zu autoritärem Durchregieren, zur Behinderung der Ausübung von Grundrechten, eine ungeheure Machtverschiebung hin zu virologischen TechnokratInnen und ihrer Auftraggeber aus der Pharmaindustrie. Das nicht zu sehen, ist ein gewaltiges Problem von Antifa und Linken.
Das muss wirklich mal psychologisch aufgearbeitet werden, was in den linken Kreisen passiert. Viele sind ja noch jung und entsprechend naiv. Bei den Leuten, die ich kenne (<25J) bestärkt man sich gegenseitig, wie dumm die Coronaleugner sind. Die Ansagen der Parteiführung und der nahestehenden Organisationen sind eindeutig und linke Seiten wie Volksverpetzer, Indy etc. bestärken das Narrativ. Lieber alle Freiheiten opfern . Wie beim Enkeltrick, wer will schon zugeben, getäuscht worden zu sein.
@Oskar J.: Zu Volksverpetzern etc. Nicht alles, was sich links nennt ist links. Und nicht alles, was sich nicht rechts nennt, ist nicht nicht rechts. Kompliziert…
@aa Redner in Düsseldorf war Dieter Bartsch von der Patriotic Opposition Europe. Deren Agenda, die in Düsseldorf auf keinen Widerspruch bei den ZuhörerInnen stieß, lautet derzeit: "PATRIOTIC OPPOSITION EUROPE GEHT NICHT NUR WEGEN DEN CORONA MASSNAHME UND DAS IMPSCHUTZGESETZ AUF DIE STRAßE SONDERN AUCH GEGEN DIE UNKONTROLLIERTE ZUWANDERUNG NACH EUROPA‼️‼️"
Sicher, der Protest dagegen und gegen die anwesenden Bruderschaftler und die extremen Rechten aus anderen Vereinen kann als "Alarmismus" bezeichnet werden. Früher gab es auch den Vorwurf der "Faschismuskeule", der Bonner Professor Knütter hat dazu sogar ein Buch dazu geschrieben: "Die Faschismuskeule: Herrschaftsinstrument der Linken".
Ansonsten scheint in Düsseldorf doch alles so gewesen zu sein, wie oft und häufig in dieser Republik: Die Polizei macht den Rechten und "besorgten Bürgern" den Weg frei. Allerdings waren diese deutlich weniger als die zuerst angekündigten zehntausenden.
Das nächste Querdenken-Event ist für den 6.12. in Düsseldorf angekündigt, da sollen dann aber 20.000 Menschen kommen. Schon jetzt wirbt Hannes Ostendorf von der Naziband "Kategorie C" bei Nazi-Hools für die Teilnahme (wird er auf der Bühne singen?), auch da werden wir bestimmt erleben, dass DSSQ zu Protesten aufruft und die Polizei versuchen wird, die Linken daran zu hindern. Nichts Neues also.
Jenseits dessen glaube ich, dass Linke derzeit gar kein Dilemma haben. Sie sind gegen den Umgang der kapitalistischen Regierungen mit der Pandemie und gegen die Nazis und ihre Mitläufer.
@Ana-Marie Leiperz: Einverstanden. Dieter Bartsch ist noch bedenklicher als Dietmar Bartsch.
Die linke Analyse zum kapitalistischen Umgang "mit der Pandemie" würde ich gerne kennenlernen. Mir sind zwar zahlreiche Forderungen aus der Linken bekannt, die Auswirkungen des Lockdowns sozialer zu gestalten. Ich kenne aber keine Publikation der Linken, die den Lockdown selbst problematisiert. Im Gegenteil höre ich aus diesem Lager den Wunsch nach mehr Einschränkungen (Motto: Das Kapital zwingt die arbeitende Bevölkerung auf die Arbeit, wir hingegen wollen diese schützen, indem wir Schulen und Betriebe möglichst dichtmachen.). "Maske überall" wird zur Losung, wer Bedenken hat, ist Nazi oder zumindest "recthsoffen". Für Beispiele der Auseinandersetzung mit anderen Positionen als der regierungsoffiziellen wäre ich dankbar. Etwa mit den zahllosen Stellungnahmen von VirologInnen, ÄrztInnen, GesellschaftswissenschaftlerInnen. Mein Eindruck ist, sie werden gar nicht erst zur Kenntnis genommen.
Werfen wir vielleicht zuerst einen Blick auf die Befürworter der Maßnahmen anstatt auf ihre Gegner:
Als die schlimmsten und konsequentesten Berfürworter*innen der Maßnahmen erscheinen die SPD-Politiker*innen. Während sich in allen anderen Parteien Widerstand oder Skepsis regt (wie vereinzelt oder marginalisiert auch immer), ist mir aus der SPD noch keine Stimme des Widerspruchs bekannt geworden.
Im Gegenteil ist der schlimmste Antreiber der ganzen Republik SPD-MdB Lauterbach, und auch die schlimmsten Hetzer gegen die Maßnahmenkritiker stammen aus der SPD.
Dieses Phänomen bedarf einer Erklärung. Warum schart sich "gemäßigt links" so geschlossen hinter den Corona-Maßnahmen? Und kann es dann wundern, dass die Opposition gegen die Maßnahmen vor allem von rechts und Mitte-rechts kommt?
Vielleicht denkt die SPD immer noch, sich wie die CDU zu gerieren, würde ihr eine dritte, äh, vierte (fünfte? ich zähle nicht mehr mit) GroKo-Amtszeit bescheren?
Weil sie immer noch glaubt, das könnte ihr ein Plus an Wählerschaft bringen?
Warum auch immer sie das glauben mag…