Der ungeimpfte Musikbetrieb

Unter die­sem Titel ist am 6.12. auf welt​.de (Bezahlschranke) nase­rümp­fend zu lesen, wor­über hier schon am 2.11. berich­tet wur­de (Manifest – Musik in Freiheit. Über 400 Musikschaffende gegen Ausgrenzung):

»„Musik in Freiheit“ heißt ein impf­kri­ti­sches Manifest von 500 deut­schen Musikern. Darunter sind auch vie­le Festangestellte öffent­lich finan­zier­ter Orchester mit ihren skan­da­lö­sen Impfquoten. Eine Forderung der Berufsmusiker zeigt, wie absurd ihre Argumente sind.

Öffent­lich und offi­zi­ell sagt es natür­lich kei­ner. Aber hin­ter vor­ge­hal­te­ner Hand wird geflü­stert, dass etwa bei der Dresdner Staatskapelle nur 60 Prozent der Musiker geimpft sind. Warum soll­ten Musiker sich auch vom Rest der offen­bar ziem­lich impf­be­ra­tungs­re­si­sten­ten Sachsen unterscheiden?

Die frei­lich haben mit dazu bei­getra­gen, dass in Deutschland die Inzidenzwerte wie­der der­art in die Höhe schnel­len, dass auch den Geimpften und Geboosterten das Leben von einer kon­fu­sen, um Symbole bemüh­ten Politik wie­der deut­lich schwe­rer gemacht wird. Und am Ende dazu, dass im Freistaat Sachsen die Kulturlichter inzwi­schen ganz aus­ge­gan­gen sind…

In den mei­sten Kulturinstitutionen sol­len aller­dings die Quoten der Ungeimpften laut Schätzungen sogar nur zwi­schen zehn und knapp unter zwan­zig Prozentbetra­gen. Wie aber will man wei­te­re Ausfallbürgschaften, Fortzahlungen, Coronahilfen recht­fer­ti­gen, wenn sogar in der eige­nen Belegschaft Ungeimpfte als Quertreiber sit­zen, die mas­siv den Fortgang des Kulturbetriebs beeinträchtigen?…

Ungeimpfte werden nicht mehr eingeteilt

Und wäh­rend Vorstellungen wegen Corona-Fällen back­stage abge­sagt wer­den müs­sen oder nur redu­ziert gespielt wer­den kön­nen, oft­mals die geimpf­ten Musiker die Arbeit der zum Teil frei­ge­stell­ten nicht­ge­impf­ten Kollegen über­neh­men müs­sen, for­dern man­che von denen, soweit sie nur durch Tests zum Dienst kom­men kön­nen, die­se täg­li­chen Testgänge als Dienstzeit abgel­ten zu lassen…

Auf der dubio­sen Webseite „Musik in Freiheit“ steht seit Oktober ein impf­kri­ti­sches „Manifest“, das bis­her von fast 500 Musikschaffenden unter­zeich­net wur­de, dar­un­ter 70 fest­an­ge­stell­te Musiker von den Münchner Philharmonikern bis zum Symphonieorchester Rostock, viel­fach in Solopositionen oder auf Konzertmeisterstellen.

Aber auch vie­le Freie sind dar­un­ter. Quer durch die Musikrichtungen machen sie mit. Am bekann­te­sten sind der Trompeter Markus Stockhausen, der Geiger Linus Roth, die Sänger Barbara Senator und Klaus Mertens sowie der Liedermacher Hans Söllner und Wolfgang Lenk von den Prinzen. Aber auch der Intendant und die Geschäftsführerin der öffent­lich geför­der­ten Jazztage Dresden sind dabei.

Ein seltsamer Beigeschmack

Die schau­feln sich da sehen­den Auges ihr eige­nes Berufsgrab, indem sie unter ande­rem for­dern: „Wir Musiker möch­ten uns nicht in eine Position gedrängt füh­len, in der wir gezwun­gen wer­den, die staat­li­cher­seits auf­er­leg­ten 2- bzw. 3- G‑Regeln für den Zugang zu Kunst und Kultur aner­ken­nen zu müssen.“

Mit der Forderung, nie­man­den aus­zu­gren­zen, wol­len sie jedem den Zugang zu Konzerten ermög­li­chen, egal ob geimpft oder nicht. Und schei­nen dabei doch die sich wie­der ver­schär­fen­de Pandemie und ihre Folgen, zu denen die dro­hen­de Schließung auch des Kulturbetriebs gehört, kom­plett zu negieren.

Auch Kulturmenschen haben natür­lich ein Recht dar­auf, Wirrköpfe zu sein. Nur wird es dann mit der Forderung nach Unterstützung schwie­rig, und der Ruf nach dem Offenhalten von Theatern und Konzerthäusern bekommt einen selt­sa­men Beigeschmack. Selbst als legi­ti­me Maßnahme für die geimpf­te Mehrheit unter den Kunstschaffenden.«

19 Antworten auf „Der ungeimpfte Musikbetrieb“

  1. Ahja, die "impf­be­ra­tungs­re­si­sten­ten Sachsen". Auch eine Nichtimpfung kann eine infor­mier­te Entscheidung. Die Leute haben sich ein­ge­le­sen oder gebrau­chen ihren gesun­den Menschenverstand und leh­nen die­se "Impfung" ab. Wir hat­ten ja neu­lich eine Karte gese­hen, wo gut auf­ge­schlüs­selt war, dass die Sachsen bei den wich­ti­gen und ech­ten Impfungen immer unter den fünf ersten Bundesländern liegen.

    1. Da musst Du dich irren, Johannes, Musiker sind Wirrköpfe, das sieht man ja schon dar­an, dass die beim uns erfreu­en­den Spielen immer auf einen Ameisenkrieg schau­en müs­sen, der auf einem Pult vor ihnen liegt. Ohne sol­che Wirrniss kön­nen die ja gar nicht leben! – Das hat uns nur bis­her nichts aus­ge­macht, weil sie so exakt spie­len kön­nen, dass es einen net­ten Zusammenklang ergibt…

  2. Der Kulturbetrieb mit den Kulturschaffenden erfüllt die Quote nicht, wie wol­len sie da Hilfsgelder rechtfertigen.

    An die "Welt"- Redaktion:

    1.) Hat das zen­tra­le Planungskomitee, ange­sichts die­ser skan­da­lö­sen Vorgänge, bereits Stellung bezogen? 

    2.) Wäre es aus ihrer Sicht denk­bar, einen Vorschlag beim Planungskomitee ein­zu­rei­chen, der dahin­geht dem Kulturbetrieb sicher­heits­be­dingt abkömm­li­che Kulturschaffende, ent­spre­chend Bedarf, an ande­rer Stelle ein­zu­set­zen? Diese Maßnahmen wür­de die Stellung des deut­schen Aussenhandels stär­ken und das Vertrauen in den Kulturbetrieb wie­der herstellen.

    Solidarische Grüsse! Bleiben Sie gesund!

    1. Festangestellte Musiker sind den Kommunen schon lan­ge ein Dorn im Auge. Aus eige­ner Erfahrung kann ich sagen, dass sie gern auch mal ein gan­zes Orchester gegen 14 neue Straßenbahnzüge tau­schen, in der annah­me, dass auf den Straßen dann alles sei­ne Ordnung hät­te und ein Ensembleklang auch durch Freie und ganz ohne Konzertmeister oder der­glei­chen Überfluss zustan­de kommt.
      Gilt auch für Theater-Ensembles und SchauspielerInnen…

  3. Lieber Herr Feuillitonmitarbeiter Manfred Brug,
    sie dif­fe­ren­zie­ren zwi­schen Kulturmenschen (unge­impft) und Kunstschaffenden (geimpft) – behaup­ten ohne Nachweis, dass die angeb­li­chen 40 % der "unge­impf­ten" "Mitglieder" der Dresdner Staatskapelle – über den Daumen gepeilt also etwa 50 Menschen-Schuld (!) haben an in die Höhe schnel­len­den Inzidenzzahlen. Sie mischen uns unter dem Salat unter, dass Musiker (und in die­sen Fällen tat­säch­lich Künstler) wie Markus Stockhausen (tol­ler Musiker) und Hans Söllner (leid­li­cher Musiker, but…;-) amTropf der staat­li­chen Subvention hän­gen wür­den (lach) und die Unverschämtheit besä­ßen, die Hand zu bei­ßen die sie füttert.
    a): ohne die­se (und sovie­le ande­re, aber die bei­den kenn ich halt per­sön­lich) hät­ten sie als Sekundärberichterstatter kei­nen Job
    b): ein Musiker hat kein Berufsgrab – zu teu­er und auch nicht erstrebenswert
    c). Diese Künstler leben nicht von tages­ak­tu­el­ler Meinungsmache – sie Leben ihr "Ding" (manch einer sagt"Berufung) – ob es dem Herrn Brug passt oder nicht ist den Künstlern egal – es muss sogar so sein. Sie sche­ren sich nicht um die Meinung eines Feuilletonsmitarbeiters
    d): kein Musiker, kein Künstler hat in Sachsen die Kulturlichter aus­g­schal­tet – and by the way: Künstler machen kei­ne Kultur – Kultur gestal­tet sich – unter ande­rem – aus der Kunst.
    für e) und f) und g) fehlt mir jetzt die Contenance, doch eine Bitte hät­te ich für sie: Hören sie auf mit­zu­ar­bei­ten – fan­gen sie an zu arbeiten!

    1. @ Herr Brehm

      Ich hof­fe, die­se tref­fen­de Entgegnung haben Sie dem besag­ten Schmierfinken zur Kenntnis gebracht.

      Sich hier gegen­sei­tig zu bestär­ken, ist gut, bes­ser ist, den Verantwortlichen direkt Paroli zu bieten.

      1. @ FS: Aber frei­lich hat er es in sei­nem Postfach. Wenn ich mir schon Gedanken machen muss ob eines sol­chen gei­sti­gen Tiefgangs, so soll auch er sich mit etwas beschäf­ti­gen was ihm wohl fremd ist.

        Bei 25%iger Auslastung kann ein frei­er Kunst-und Kulturbetrieb nicht über­le­ben – es bleibt dann die durch Subventionsvergabe kon­trol­lier­te Staatskunst – Staatskultur (Staatsethik haben wir ja schon).

  4. Schickt den Hetz-Redakteur mal nach England: bei etwa glei­cher Infektionslage Kultur- und Veranstaltungsbetrieb ohne Kontrollen und son­sti­ge Schikanen. Es gäbe noch wei­te­re Beispiele gegen die deut­sche Angst.

  5. Danke, Herr Brehm! Ach, der Manfred Brug – einer von der Sorte, die sel­ber kein instru­ment pro­fes­sio­nell beherr­schen, aber über Künstler urtei­len. Schade, Herr Aust, daß Sie als "Welt"-Herausgeber die­se Art von Schreibe über­haupt zulassen.
    Ich bin sel­ber klas­si­scher Musiker; kei­ner macht sich eine Vorstellung davon, was vie­le mei­ner Kolleginnen und Kollegen aus­zu­hal­ten haben, um sel­ber wei­ter­hin ihre zum Beruf gemach­te Begabung nut­zen zu kön­nen. Viele kön­nen sich ein mora­li­sches Rückgrat schlicht nicht lei­sten, aber es bricht ihnen inner­lich das Herz. Hut ab vor allen, die noch in der Position sind, sagen zu kön­nen, "Ich gebe mich als Künstler nicht dazu her, die Maßnahmen die­ses Hygiene-Faschismus zu stüt­zen und mache mich nicht mit­schul­dig an der Diskriminierung von Menschen." Ich schie­be selbst seit 2 Jahren ein bereits kom­plett finan­zier­tes Projekt auf­grund des Corona-Staatsterrors immer wie­der auf. Es wird erst dann statt­fin­den, wenn wirk­lich jeder (!) wie­der Zugang zu unse­ren Konzerten hat – unge­ach­tet des Gesundheitsstatus, nicht zu reden von Geschlecht, Hautfarbe, eth­ni­scher Herkunft etc. Ich per­sön­lich dis­kri­mi­nie­re nie­man­den und mache mir nicht für die Transhumanisten die Hände schmutzig!!!

  6. "Die schau­feln sich da sehen­den Auges ihr eige­nes Berufsgrab …"

    … und die Journaille sagt Ihnen, sie mögen sich schon mal am Grabenrand auf­stel­len – das wil­li­ge Kommando aus Geboosterten wird sich fin­den, das tut, "was getan wer­den muss" (Scholz)

  7. Mit dem neu­en Slogan "Die Welt gehört denen, die imp­fen." ist denen doch bereits aus Versehen die Wahrheit her­aus gerutscht. Oder war es Absicht?

  8. Ich fin­de es immer gut, wenn Menschen ihre Stimme 'erhe­ben'
    wie in die­sem Manifest, auch wenn es prak­tisch keinerlei
    Auswirkungen hat, zumin­dest zeigt man deut­lich sei­nen Unmut.
    Und auch welt-Schreiberlinge (Journalist o.ä. passt in die­sem Fall
    über­haupt nicht) haben natür­lich ein Recht dar­auf, Wirrköpfe zu
    sein – nur wo kommt seit fast 2 Jahren die­se Masse an rhetorischen
    Vollidioten her ? Ein Teil der Antwort liegt bestimmt im seit Jahren
    bestän­dig abneh­men­den Bildungsniveau (und damit mei­ne ich
    wirk­li­che Bildung und nicht blo­ßes Auswendiglernen).
    Und was mich immer und immer wie­der ein­fach nur fassungslos
    daste­hen lässt : gibt es auf der Welt jetzt nur noch ein Thema ?
    Alles ande­re bedeu­tungs­los ? Auch für die näch­sten Jahre ?
    Ist der größ­te Teil der Menschheit wirk­lich so eindimensional ?
    Dann ist 'Idiocracy' eine Beschreibung para­die­si­scher Zustände…

  9. Dass Manfred Brug nicht auf die Idee gekom­men ist, die unge­impf­ten Wirrköpfe ganz klar der ent­ar­te­ten Kunst zuzu­ord­nen ent­täuscht oder beru­higt mich.

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