Im letzten August wurde hier mehrfach über das einst geheime "Schockpapier" aus dem Innenministerium berichtet. Zu den Inhalten ausführlich hier, zu den Autoren hier und hier und noch einmal im Oktober hier. Die an verschiedenen Stellen aufgeregt im Netz gemeldeten Leaks bringen dazu wenig Neues.
Erhellend ist aber die Entstehungsgeschichte, die am 14.3. unter "Keine Verschwörungstheorie" auf freitag.de erzählt wird. Der Autor Gunnar Jeschke faßt danach zusammen:
»Warum das keine Verschwörung des BMI ist
Die Geheimniskrämerei des BMI und – über lange Zeit des RKI – bezüglich dieses Strategiepapiers ließ sinistre Motive vermuten. Tatsächlich ist das Ganze aber vor allem deshalb peinlich, weil es so medioker und inkonsistent ist. Die Zusammensetzung des Gremiums ist zufällig, Experten aus verschiedenen relevanten Gebieten fehlen, die Argumentation ist sprunghaft und auf niedrigem Niveau und es fehlt an Daten, die selbst diese Argumentation stützen würden. Alles kommt aus der hohlen Hand. Das stellt der Krisenantwort der Bundesregierung ein ausgesprochenes Armutszeugnis aus.«
"Medioker" heißt übrigens so viel wie "mittelmäßig".
https://de.wikipedia.org/wiki/Gunnar_Jeschke
Das hier von ihm finde ich ebenfalls lesenswert
Wissenschaftlichkeit, Szientismus und Politik
Gesellschaft So wie es eine Trennung von Staat und Religion braucht, braucht es auch eine Trennung von Politik und Wissenschaft.
https://www.freitag.de/autoren/gunnar-jeschke/wissenschaftlichkeit-szientismus-und-politik
BITTE? Welches demokratisch legitimierte Gremium hat hier "im kleinen Kreis" "vertraulich" "repressive Maßnahmen" ersonnen? "zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit"? "gesellschaftlich gruppenpsychologisch" "ohne Denkschablonen" "maximal mutig"? "vom Konjunkturprogramm im System zur Transformation des Systems durch Zwangswirtschaft"? Unter Kalkulation der "Angst und Folgebereitschaft der Bevölkerung"? Die Planung einer "Intervention, die nicht allein finanzielle Ressourcen zur Verfügung stellt und Überbrückungen möglich macht, sondern Strukturierungen nach Kriterien systematischen Belangs für das deutsche Model einer exportorientierten Hochproduktivitätsökonomie vornimmt".
Und hier liegt der absolute Skandal: Die Krise ist als Vorwand zu einer Subventionierung der deutschen Exportwirtschaft genommen worden, um einen internationalen Wettbewerbsvorteil zu sichern. Eine Subventionierung, die ohne Krise nach EU-Recht nicht möglich gewesen wäre, und die auf Kosten des internen Konsums und der entsprechenden mittelständischen Wirtschaft geht. Ganz zu schweigen von den "Schuldnerländern" auf die Deutschland für den Export abhängig ist. Wer hat diesen kleinen "vertraulichen" Kreis dazu legitimiert? Wer ist der "größere Kreis"? Wollen wir Politiker die unsere "Angst und Folgebereitschaft" schüren? Sich an "Asien" als Vorbild orientieren?
Die Person Markus Kerbers und der Abteilung "Heimat" im Innenministerium ist durchaus spannend
https://www.maz-online.de/Nachrichten/Politik/Markus-Kerber-ueber-Heimat-Der-Begriff-ist-in-der-Gefahr-ueberfrachtet-zu-werden
"Wir haben ja im September auch eine Kommission Gleichwertige Lebensverhältnisse gegründet. Sie muss Mitte nächsten Jahres Ergebnisse vorlegen. Die müssen bis zum Ende der Legislaturperiode im Jahr 2021 in ersten Schritten umgesetzt werden. Der Rest wird ein paar Legislaturperioden dauern. Man hat das Land 30 Jahre lang sich selbst und den Marktkräften überlassen. Jetzt müssen wir wieder mehr ordoliberale Planung reinbringen."
Ja, und wenn man weiß, daß Kerber mal Bundesgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie war, dann macht das Ganze vielleicht doch schon Sinn.
Dieses Asienbild (“Angst und Folgebereitschaft”) halte ich übrigens für ziemlich oberflächlich. Da klingt gerne die "gelbe Gefahr" mit, nachdem es die "rote" nicht mehr gibt.
In dem Artikel auf freitag heisst es:
"Ebenfalls am 22. März erfahren wir, wie eigentlich modelliert wird: „Wir haben alles so kalibriert, dass am Ende eine Mortalität auf die Infizierten von etwa 1,2% (ohne Rationierung) herauskommt.“
Darauf antwortet Matthias an der Heiden (RKI): „Ich würde es eher bündeln und die milden Fälle nicht versterben lassen. Intensivpflichtigkeit heißt ja noch nicht, dass jemand auch adäquat versorgt wird – ich denke auch, dass bei entsprechender Überlastung eine Letalität von 80% der Intensivpflichtigen nicht unrealistisch ist… vielleicht kann man zumindest so die 1,2% auch erläutern.“ Das Modell, erfahren wir hier, wurde an die Zahl angepasst, die man kommunizieren wollte. Ich nehme an, dass es eine einfache Excel-Tabelle war – zumindest hätte das für diesen Zweck ausgereicht."
Man hatte sich also überlegt dass man mit einer fantasierten Sterblichkeit von 1.2% die Bevölkerung in Angst und Schrecken und Quarantäne halten möchte.
Die Erklärung der 1,2% ist ganz einfach, macht bei 80 Mio. Menschen ziemlich genau 1 Mio Tote. Das war das Ziel.
Genau wie damals Drostens überaus präzise Vorhersage für die Schweinegrippe.
@ aa
In dieser Wahrnehmung ist die "gelbe" doch die "rote" Gefahr. Aber egal, ob "rot" oder "gelb" – Hauptsache, sie kommt aus dem Osten!
Das volle Zitat (es hat mit Asien nichts zu tun), Urheber ist geschwärzt, Datum der E‑Mail 20. März
"Das grundlegende Problem, für das ich mich zuständig fühle, ist das von Affektivität und Legitimität, sprich: von Angst und Folgebereitschaft in der Bevölkerung"
In Zusammenhang steht die E‑Mail allerdings mit folgender Bewerbung und da kommt "Asien" vor
"Was unser Team einbringen kann sind vor allem zwei Dinge: a) Einem interdisziplinären Zugang zu Pandemie und Seucheneindämmung, Gesundheitsgovernance, quantitative Sozialwissenschaft, Jura, Internationale Beziehungen, Innovationsforschung, Digitalisierungsforschung"
b) Kontext- gesättigtes Wissen über die Reaktionen, Datenlage, Datenbewertung, sowie Kenntnis Covid-19 Eindämmungsstrategien in Asien geschwärzt etc. mit herzlichen Grüßen aus Bonn.
Ich tippe mal, geschwärzt wurde der hier
https://www.cassis.uni-bonn.de/de/ueber-cassis/prof.-maximilian-mayer
Chrissie: Kann ich das so verstehen, dass man eine fatasierte Sterbezahl kalibriert hat, um eine höhere echte zu erreichen?