Das geht aus einer Antwort hervor, die die Stadt Halle am 26.4. auf eine Anfrage bei fragdenstaat.de vom 6.11.20 (!) erteilte. Dort ist zu lesen (merkwürdige Schreibweisen könnten aus einer OCR-Übertragung herrühren):
»Zu Ihren Fragen im Besonderen, die sich auf den Zeitraum vom 12. September bis 27.10. 2020 beziehen, Folgendes:
1. Zahlen
1.1 Wie viele Tests wurden in den jeweiligen Zeiträumen durchgeführt?
Diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich gehe davon aus, dass Sie PCR- Tests meinen. Ich weiß nicht wie viele Tests insgesamt im benannten Zeitraum durchgeführt wurden. So befinden sich z.B. im Stadtgebiet einige Krankenhäuser und eine hohe Anzahl von Arztpraxen, die regelmäßig PCR-Tests durchführen. Diese Daten liegen mir nicht vor. Eine Meldepflicht gibt es nur für positive PCR- ‑Testergebnisse.
1.2. Wie hat sich die Zahl der Intensivbetten- „Belegung in Halle i im n gleichen Zeitraum entwickelt und wie im Vorjahr?
Die Zahlen der Intensivbetten- „Belegung in den halleschen Krankenhäusern im benannten Zeitraum und im Vorjahr liegen mir nicht vor. Diese Daten werden eventuell in den ı Krankenhäusern oder bei Krankenkassen erhoben. sie können dort anfragen.
1.3. Wie hat sich die Zahl der Krankschreibungen im gleichen Zeitraum entwickelt und wie im Vorjahr?
Die Zahlen der Krankschreibungen werden von der Stadt Halle (Saale) nicht erfasst. Hier ist nicht bekannt, wer diese in welchem Umfang erfasst. Gegebenenfalls I können Sie bei Krankenkassen und Arbeitgeberverbänden anfragen.
1.4 In der Begründung wird erwartet, dass das „Risiko für die Allgemeinbevölkerung sowie insbesondere für vulnerable Personengruppen exponentiell steigt“, was ist damit gemeint? Wie sind Risiko und „exponentiell steigt“ genau gemeint?
Hiermit ist gemeint, dass ein Anstieg der Coronavirusinfektionen- ‑Erkrankungen erwartet wird, der insbesondere die vulnerablen Personengruppen in Alten- und Pflegeheimen besonders bedroht. Exponentiell meint einen steilen Anstieg. Das Adjektiv exponentiell stammt aus dem Bereich der Mathematik und beschreibt Dinge, die sich nach Art in einer Exponentialfunktion entwickeln.
2. Tests
2.1 Beruht die Inzidenz auf Infektionen gemäß Definition nS2 Infektionsschutzgesetz oder auf reinen Labortests?
Die Inzidenz beruht auf festgestellten PCR Tests.
2.2 Welche Tests wurden angewendet und sind diese von hren Herstellern für die Diagnostik vorgesehen?
Der sogenannte PCR- Test (Polymerase Chain Reaction: eine Methode zur Vervielfältigung von Erbgut-Material im Labor) ist in Deutschland das einzige im großen Stil angewandte Werk- zeug, das zum Aufspüren von Infektionen mit Sars-CoV‑2 zum Einsatz kommt. Das Robert- Koch-Institut (RKI), die Weltgesundheitsorganisation (VVHO) und zahlreiche weitere Gesund- << Adresse entfernt >> heitsinstitutionen weltweit bezeichnen ihn als den "Goldstandard” in Sachen Sars- CoV-2- Nachweis und betonen seine hohe Zuverlässigkeit. Die Anforderungen an Covid-19-Tests auf EU-Ebene noch durch die Richtlinie 98/79/EG IVDD- und die nationalen Umsetzungsgesetze (in Deutschland MPG, MPSV und MPKPV) geregelt. Es besteht die Notwendigkeit einer CE- ‑Kennzeichnung für solche Tests, bevor sie in der EU in den Verkehr gebracht und angewendet werden dürfen. Hierzu müssen sie den sog. „Grund legenden Anforderungen“ entsprechen (z.B. Patientensicherheit, Stand der Technik, analytische Sensitivität, diagnostische Sensitivität, analytische Spezifität, diagnostische Spezifität, Genauigkeit, Wiederholbarkeit, Reproduzierbarkeit Beherrschung der bekannten Interferen zen und Nachweisgrenzen).
2.3 im Falle von PCR- Tests: Welche Targets und welche Zyklenzahlı wurde verwendet und mit welchen weiteren Tests wurden die Testergebnisse überprüft?
Bei dieser Antwort ist darzustellen was die Begriffe Dual-Target-PCR und Ct-Wert bedeuten. PCR-Tests sind laborgestützt und benötigen eine spezielle, automatisierte Ausrüstung. In der Dual-Target-Strategie werden gleichzeitig in einem Untersuchungsgang mindestens zwei un abhängige Genregionen nachgewiesen: E‑Gen, N‑Gen, Orf1-Gen, S‑Gen. Dies erhöht die Sensitivität und Spezifität des SARS-CoV-2- Nachweises. Ein positives Ergebnis für mindestens 2 Gene weist mit sehr hoher Sicherheit auf eine CoV‑2 Infektion hin. Ct steht für threshold cycle und ist eine theoretische Größe in der PCR-Analytik. Der Ct-Wert zeigt, ab welchem Zeitpunkt i im Laufe der zyklischen Ampliikation © ein verlässliches Messsignal vorliegt: je niedriger der Ct-Wert, umso höher die Menge des Zielgens (entsprechende Nukle insäure) und damit an Viruspartikeln. Und umgekehrt zeigt ein hoher Ct-Wert eine niedrige Nukleinsäuremenge und möglicherweise einen geringen Virustiter an. Studien korrelierten einen hohen Ct-Wert (>30) mit einer geringen Anzuchtrate des Virus. Zusätzlich wird der Ct-Wert aber auch maßgeblich von der Präanalytik wie Abstrichort, Qualität, des Abstrichs und Transportzeit beeinflusst. Die Labore, die PCR-Tests auswerten, entscheiden in eigener r Verantwortung unter Beachtung wissenschaftlicher Grundsätze darüber, wie sie Tests auswerten und ob ein Test positiv oder negativ ist. Sofern Sie Fragen zur Arbeitsweise von Labore haben, bitte ich Sie, sich direkt an Labore oder das Robert- Koch- Institut zu wenden.
2. 4 Wie viele der Test-positiven Personen sind wegen aufgetretenen Symptomen getestet worden und wie viel routinemäßig (Reiserückkehrer etc.)?
Diese Zahlen werden hier nicht erhoben und liegen daher nicht vor. Dieses würde eine Anfrage bei Krankenhäusern und Arztpraxen erfordern sowie eine Befragung aller getesteten Personen ob sie Reiserückkehrer sind.«
Die Stadt Halle und ihr Testgeschehen war hier ja schon öfter Thema:
https://www.corodok.de/?s=stadt+halle
Es ist also nicht verwunderlich, diese Antworten – höchstens vielleicht die Ehrlichkeit.
Ich bin so beruhigt, dass die haltlosen und unbegründeten Maßnahmen ein halbes Jahr später immer noch in Kraft sind und sogar verschärft wurden.
Mein Favorit:
die "Antwort" auf: "2.3".
Ich frage jemanden etwas, und dieser jemand erklärt mir erstmal lang&umständlich meine Frage.
Ist das nett? Oder eher dreist (mit oder ohne dumm)?
Immerhin, dass "die Labore, die PCR-Tests auswerten, (…) in eigener Verantwortung unter Beachtung wissenschaftlicher Grundsätze darüber (entscheiden), wie sie Tests auswerten und ob ein Test positiv oder negativ ist." ist eine erschöpfend ernüchternde Antwort.
Worin besteht die "eigene Verantwortung"? Dürfte sich eher um "Ermessen" handeln.
Das seit einem Jahr gültige "new normal" (von "Verantwortung") ist wohl: lieber 10 Leute zu viel für 2 Wochen "aus dem Verkehr ziehen" als einen zu wenig. Es gilt ja, Wellen zu "brechen" und "Menschenleben zu retten".
Die Nebelkerze der "wissenschaftlichen Grundsätze" darf nicht fehlen.
Diese Ahnungslosigkeit ist keine Hallenser Spezialität.
Ich hatte im Herbst beim Gesundheitsministerium von Rheinland-Pfalz angefragt, wie oft denn die Kontaktdatenerfassung der Gastronomie genutzt wurde, um Gefährdete zu informieren. Daraus hätte man ja Rückschlüsse auf das Infektionsgeschehen ziehen und die Notwendigkeit einer neuerlichen Schließung besser beurteilen können.
Die Antwort kam zwar recht schnell, war aber äußerst enttäuschend: Solche Zahlen "liegen diesseits nicht vor". Ich möge mich an die einzelnen Gesundheitsämter wenden.
Den ganzen Irrsinn erkennt man an den Antworten zu 1.1. und 2.1. Wie will man eine Inzidenz berechnen, wenn nur positive Testergebnisse meldepflichtig sind?
Mein Favorit war ganz klar die Erklärung zum exponentiellen Wachstum. Exponentielles Wachstum ist demnach steiles Wachstum in der Art einer Exponentialfunktion.
Ansonsten: Jeder kann solche Anfragen selbst stellen, mit oder ohne fragdenstaat.de. Eine spannende Frage fände ich noch: Wie oft waren die positiv getesteten geimpft?
Als nächstes müsste man wohl der Stadt eine Abmahnung schicken und sie auffordern, es zu unterlassen, Ihre Zahlen "Neuinfektionen" zu nennen und darauf Maßnahmen zu stützen. So wie hier in Böblingen:
https://invidious.tube/watch?v=jvJzo4ITo8Y