Das erfahren wir am 12.11. auf welt.de über den Schnelltest von Roche:
»Angesichts steigender Infektionszahlen boomen die Antigentests. Doch der Blick auf das Kleingedruckte der Produkte offenbart, wie das Geschäft wirklich läuft. Experten bemängeln, die Herstellerangaben entsprächen nicht der Realität im Masseneinsatz.
Es ist eines der derzeit wohl am meisten nachgefragten Produkte der Welt: der Antigenschnelltest vom Schweizer Pharmaunternehmen Roche. 40 Millionen Stück werden derzeit pro Monat hergestellt, heißt es beim Unternehmen auf Nachfrage – bis Jahresende sollen es doppelt so viele sein. Der Run auf die Tests ist riesig, die Hersteller kommen mit den Lieferungen kaum hinterher.
Dass jeder Abnehmer auch das Kleingedruckte in der Produktbeschreibung gelesen hat, darf bezweifelt werden.
Dort sind jene Details aufgelistet, die in den Pressemitteilungen der großen Firmen ungern erwähnt oder kunstvoll umschrieben werden. Zum Beispiel, dass der Roche-Test nicht in der Schweiz, sondern in Südkorea entwickelt wurde, und zwar vom Unternehmen Biosensor SD.
Für Experten keine Überraschung. Internationale Kooperationen und Vertriebspartnerschaften sind in der Pharmaindustrie gang und gäbe; Südkorea ist für seine Diagnostik bekannt und renommiert.
Kritischer ist da schon die klinische Beurteilung: An 426 Personen in Indien und Brasilien wurde das Verfahren laut Angaben des Baseler Pharmariesen getestet. Das ist zu wenig, findet Andreas Bobrowski, Vorstand des Berufsverbands der Laborärzte. Es sei nicht klar, ob der Test auch in der Massenanwendung so zuverlässig ist wie angegeben.
Auf Antigenschnelltests, die oft Ergebnisse innerhalb von 15 Minuten liefern, liegt derzeit große Hoffnung. Denn das gängige PCR-Verfahren dauert lange und ist teuer. Labore melden Materialknappheit und einen Rückstau von fast 100.000 Proben. Am Mittwoch verkündete das Wirtschaftsministerium, die Produktion fortan zu unterstützen. Fördergelder von bis zu 200 Millionen Euro stehen bereit.
Nachteil der Antigentests: Sie sind unzuverlässiger und noch nicht dort, wo sie sein sollen: Pflegeheime und Kliniken haben Konzepte entwickelt und wären zu Massentests bereit – die Lieferungen kommen aber nicht an, wie WELT berichtete…
Dabei wird beim genaueren Blick auf die vom Bundesinstitut für Arzneimittel (BfArM) aktuell 133 gelisteten Antigentests deutlich: Diagnostik made in Germany hinkt im internationalen Vergleich hinterher. So brachen bereits vor Monaten Jubelstürme auf die heimische Wirtschaft aus, als es hieß: „Siemens-Tochter bringt schnellen Corona-Test auf den Markt.“ Streng genommen stimmte diese Meldung so nicht.
Die Siemens Healthcare GmbH ist lediglich für den Vertrieb jener Tests zuständig, die in Houston, Texas, von einer Firma namens Healgen Scientific Limited Liability Company hergestellt werden. Getestet wurde an 317 Probanden.
Der „europäische Bevollmächtigte“ ist laut BfArM die Shanghai International Holding Corporation: Hinter dem imposant klingenden Namen steckt eine 1994 gegründete GmbH mit Sitz in einem Hamburger Industriegebiet. Angeboten werden „Handelsberatung und autorisierter Vertretungsservice“ von Medizin- und Kosmetikprodukten.
Ist der „Siemens-Test“ letztendlich also ein amerikanisches Produkt, das von einer deutsch-chinesischen Firma verwaltet wird? „Der Antigentest ist die erste Kooperation mit Healgen“, sagt ein Unternehmenssprecher auf Nachfrage von WELT.
Die Shanghai International Holding Corporation sei ein Dienstleister im Auftrag von Healgen und übernehme Aufgaben wie zum Beispiel, „die Regularien des Medical Device Reporting einzuhalten“. Dies übernimmt eine Fremdfirma, da Healgen keine eigene Niederlassung in Europa hat.
Ein Stück weit offener geht die Rostocker Biotech-Firma Centogene mit ihren Herstellerinformationen um. Nachdem seit Sommer mehrere Testzentren an Flughäfen eingerichtet wurden – dort wird mittels der gängigen PCR-Methode getestet –, bringt das Unternehmen nun auch einen Antigenschnelltest auf den Markt.
Entwickelt wurde der aber nicht nur an der Ostsee, sondern hauptsächlich in Tokio vom renommierten Diagnostikhersteller Fujirebo – was im Gegensatz zu einigen Konkurrenzprodukten auch offen kommuniziert wird.
Geradezu unscheinbar ist hingegen der Ein-Mann-Onlinehandel „Luxus Lebenswelt GmbH“, ansässig in einem Reihenhaus im rheinländischen Willich nahe Düsseldorf. Geschäftsführer ist Thomas Hu, ein Deutsch-Chinese. Er ist zuständig für mehrere Antigentests der Hangzhou Realy Tech Corporation aus der Nähe von Shanghai auf dem europäischen Markt…
Auffällig auch bei einem der chinesischen Tests von Realy Tech: Die Entwicklungsstudie und damit die Herstellerangaben zu Sensitivität (wie viel Prozent der Infizierten werden erkannt) und Spezifität (wie viele Gesunde werden korrekt als gesund erkannt) beruhen auf nur 262 Proben.
In diesem Fall liegt die Sensitivität bei knapp 90 Prozent. In der Praxis ist das problematisch, weil zehn Prozent erkrankte Personen nicht erkannt würden.
Laborarzt Bobrowski hat weitere Bedenken: „Die Herstellerangaben beruhen oft nur auf wenigen Hundert durchgeführten Tests und sind nicht von einer unabhängigen Stelle verifiziert. In Indien beispielsweise hat sich aber gezeigt, dass die Sensitivität bei Antigenmassentests deutlich niedriger ausfällt, als sie ursprünglich angegeben wurde.“
Bobrowksi ist klarer Verfechter der PCR-Methode. Es gehe ihm zwar nicht darum, alternative Tests schlechtzureden. Dennoch sei es seine ärztliche Pflicht, auf Schwächen hinzuweisen. „Da müssen wir den Finger heben dürfen und die Hersteller die Kritik auch aushalten.“
Das BfArM wollte auf eine WELT-Anfrage keine medizinische Bewertung über die Tests abgeben. Die Behörde sei „nicht in Fragen des Marktzugangs und der Konformitätsbewertung von Medizinprodukten eingebunden“, so die Begründung.«
(Wieder mal Dank an einen Leser!)