»Die Weigerung, eine vorgeschriebene Maske zu tragen« fordert »ein Recht auf Rücksichtslosigkeit«

Man den­ke nicht, die Zeit der Verunglimpfungen jeg­li­cher Kritik an der Coronapolitik sei vor­bei. Zwar gibt es hier und da zag­haf­te Ansätze zu kri­ti­scher Reflektion wie auf info​ra​dio​.de am 11.12.22 (Selbstkritik – Chance und Gefahr [! AA]):

Aber eben auch noch Beiträge wie am 11.12.22 auf rnd​.de, aus dem das genann­te Zitat und Schlimmeres stammt:

Der Autor beruft sich auf Artikel 2 des Grundgesetzes "Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung sei­ner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte ande­rer ver­letzt und nicht gegen die ver­fas­sungs­mä­ßi­ge Ordnung oder das Sittengesetz ver­stößt", und meint, der "Nachsatz hin­ter dem Komma" wer­de auf Seiten der Kritik nicht beachtet:

»Die Sache hin­ter dem Komma stört da nur. So kann man mit dem Argument der Freiheit alles ableh­nen, was einem nicht behagt: Impfen, Maskenzwang, Tempolimits, Rauchverbote, Energiesparen…

Jede noch so klei­ne Einschränkung der per­sön­li­chen Freiheit wird inzwi­schen oft­mals mit einer Aufregung dis­ku­tiert, als ste­he der Weltuntergang bevor. In den­sel­ben Facebook-Gruppen, in denen die Maskenfrage zur Freiheitsfrage auf­ge­bla­sen wird, wird zugleich gegen „Scheinflüchtlinge“ aus der Ukraine gehetzt, die ledig­lich hier sei­en, um Sozialhilfe abzu­grei­fen. Wer so denkt, der denkt Freiheit nur bis zum Komma – die Freiheit der ande­ren zählt für ihn nicht.«

Der Trick ist arm­se­lig. Ein Ressentiment wird benutzt, um ein ande­res zu kon­stru­ie­ren: Wer gegen "Impf"- und Maskenpflicht ist, ist damit zugleich rechts und aus­län­der­feind­lich. Außerdem ist er Raser, rabau­ki­ger Raucher und natür­lich rabia­ter Klimawandelleugner:

»Wenn Eltern gegen die seit 2020 gel­ten­de Masernimpfpflicht in Schulen kla­gen, dann for­dern sie nicht Freiheit, son­dern ein Recht auf Rücksichtslosigkeit. Das Gleiche gilt für die Corona-Impfung oder die Weigerung, eine vor­ge­schrie­be­ne Maske zu tra­gen. Wer ein Tempolimit ablehnt, bean­sprucht ein Recht, ande­re zu gefähr­den. Und wer in einem Auto raucht, obwohl Kinder an Bord sind, macht nicht von einer omi­nö­sen Freiheit Gebrauch, son­dern begeht einen Akt der Körperverletzung. Wenn man Freiheit nur bis zum Komma denkt, hat das meist uner­freu­li­che Nebenwirkungen für ande­re.«

Man muß mit Toten rechnen

»In einer Facebook-Gruppe, in der eine all­ge­mei­ne Corona-Impfpflicht dis­ku­tiert wur­de, war kürz­lich der Satz zu lesen: „Wenn die FDP von Freiheit spricht, muss man mit Toten rech­nen.“ Das klingt böse. Aber rein sach­lich kann man der stei­len Behauptung schwer­lich wider­spre­chen. Dass eine (an der FDP geschei­ter­te) Impfpflicht vie­le Menschenleben geret­tet hät­te, ist nicht von der Hand zu weisen.«

Wirr wird das eigent­lich als löb­lich emp­fun­de­ne Tempolimit dis­ku­tiert, wenn ein aus der Corona-Debatte bekann­tes Scheinargument ange­führt wird: "Die Autobahnen sind in dem nicht so dicht besie­del­ten Schweden meist auch lee­rer als bei uns."

Ganz zum Schluß blitzt ein rich­ti­ger Gedanke auf:

»Das alles unter dem Schlagwort „Freiheit“ zu ver­kau­fen, ist schon recht eigen­wil­lig. Zumindest stellt sich die Frage: Wessen Freiheit?«

Eine Antwort erspart sich der Autor hier. An ande­rer Stelle, 2020 in einem Artikel »Altes Denken in Davos: „Es kostet nicht die Welt, die Welt zu ret­ten“« ist er kon­se­quen­ter. Er schilt Donald Trump, dem…

»… kaum auf­ge­fal­len ist, dass sich Umweltschutz nicht in Birkenstock-Sandalen, Jutetaschen und Müslifrühstück erschöpft.

Umweltschutz als lukrativer Wirtschaftszweig

Diese mitt­ler­wei­le reich­lich über­hol­te Weltsicht aus den Anfängen der Ökobewegung hält sich erstaun­li­cher­wei­se recht hart­näckig – unge­ach­tet der Tatsache, dass Umweltschutz schon seit Jahrzehnten ein extrem wich­ti­ger Wirtschaftszweig ist. Das ist in den USA nicht anders als in Europa.

Allein in Deutschland betrug das Marktvolumen für Umwelttechnik im Jahr 2016 rund 347 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Der deut­sche Bundeshaushalt betrug im sel­ben Jahr knapp 317 Milliarden Euro. Für die Effizienz von Energie und Rohstoffen, Ökostrom, nach­hal­ti­ge Mobilität, Kreislaufwirtschaft oder Wassermanagement wird in Deutschland also mehr Geld aus­ge­ge­ben als für Verteidigung, Soziales oder Straßenbau.

Nach einer Prognose der Unternehmensberatungsgesellschaft Roland Berger wird sich das Volumen für Umwelttechnik in Deutschland bis 2025 auf 738 Milliarden Euro mehr als ver­dop­peln. Das ist eine durch­schnitt­li­che Steigerungsrate von jähr­lich 8,8 Prozent – ein Wert, von dem ande­re Branchen nur träu­men kön­nen…«

8 Antworten auf „»Die Weigerung, eine vorgeschriebene Maske zu tragen« fordert »ein Recht auf Rücksichtslosigkeit«“

  1. Grundrechte sind Abwehrrechte des Einzelnen gegen staat­li­che Eingriffe.

    Wenn der Staat in die Freiheitsrechte des Einzelnen ein­greift, muss er die Erforderlichkeit, Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit nachweisen. 

    Evidenzfreie Eingriffe sind verfassungswidrig.

    Auf der Grundlage fal­scher Sachverhalte (Wirksamkeit Impfung, Sicherheit Impfung, Wirksamkeit Maskenpflicht), Ignoranz und Angst kann kei­ne Rechtfertigung von Eingriffen entstehen.

  2. Stimmt schon, mit dem Argument Freiheit kann man alles mög­li­che ableh­nen. Religiöse Kopftuchpflicht eben­so wie medi­zi­ni­sche Zwangsbehandlung,
    Maskenzwänge genau­so wie Zwangshochzeiten.
    Und jetzt? Wer ent­schei­det wel­cher Zwang zu dul­den ist, in einer "libe­ra­len Demokratie" oder wel­che Freiheitsrechte vorgehen?
    Die "Ethikkommission"? Die Mehrheit? Die Lautesten?

    1. Eine klu­ge Frage. Ich erlau­be mir, die­sen Gedanken noch einen Schritt wei­ter zu den­ken und ant­wor­te auf Deine Frage daher zunächst: wir alle. Zumindest alle voll­jäh­ri­gen und gei­stig gesun­den deut­schen Staatsbürger. Und das im Rahmen demo­kra­ti­scher Mehrheitenbildung.
      Meine Frage wäre dann: was brau­chen wir dafür, was wir im Moment allem Anschein nach noch nicht oder nicht mehr haben? Und mög­li­cher­wei­se noch nie wirk­lich hatten…
      Einen schö­nen drit­ten Advent!

  3. Wenn man den Autoren die­ses RND-Artikels mal checkt, wird klar, dass die­ser Mann (Ralf Volke, "Redakteur Politik") bis­her ledig­lich vier Artikel in drei Jahren für den RND ver­fasst hat – drei davon zum Thema Klimawandel ("Der Preis der Untätigkeit", "Der Menschheit läuft die Zeit davon" und "Es kostet nicht die Welt, die Welt zu ret­ten"). Allein da wird schon recht klar, mit wes Geistes Kinde wir es hier zu tun haben.
    Wenn jetzt also schon sol­che Karteileichen für die Verteidigung der sinn­frei­en Hirn- und Gesichtsvermummung rekru­tiert wer­den müs­sen, kann man die­ser Reflexbewegung eigent­lich nur ein mit­lei­di­ges Achselzucken entgegenbringen.
    Ich habe auf mei­nem Telegram-Kanal einen Kommentar zu dem hier bespro­che­nen Inforadio-Interview ver­fasst, wer dar­an Interesse hat, kann hier nach­schau­en: https://t.me/AaronClarkNewsflash/1719

  4. Ehrlich gesagt lang­wei­len mich sol­che Äußerungen nur noch, ich lese mir so etwas nicht mehr durch.
    Es ist der immer glei­che Sermon von irgend­wel­chen bezahl­ten Schreiberlingen, die immer glei­chen nach­ge­plap­per­ten, hoh­len Phrasen, eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme in Endlosschleife.
    Und sel­bi­ges natür­lich immer im beleh­ren­den Duktus.
    Solche Typen kann ich ein­fach nicht ernst neh­men, dis­qua­li­fi­zie­ren sie sich doch per­ma­nent selbst mit ihrer Überheblichkeit, Unreife und ihrer Allwissenheits-Attitüde.
    Sagte ich es schon ? Gäääääähn.

  5. Ich neh­me ger­ne Rücksicht auf ande­re. Aber auch die­se Bereitschaft hat ihre Grenze. Sie ist defi­ni­tiv dann erreicht, wenn es die Autonomie über den eige­nen Körper betrifft.

    Ich wer­de mei­ne Gesundheit nicht aufs Spiel set­zen, in dem ich Maske tra­ge oder mich „imp­fen“ las­se, nur weil ande­re mei­nen, dass es zur Wahrung ihrer Gesundheit erfor­der­lich ist. Denn mei­ne Gesundheit bzw. die Unversehrtheit mei­nes Körpers ist nicht mehr oder weni­ger wert als die eines ande­ren. Deswegen kann auch von nie­man­dem ver­langt wer­den, dass er sich selbst scha­det, nur damit sich ande­re siche­rer füh­len (fak­tisch sind sie es näm­lich nicht).

    Menschen, die sol­che Forderungen erhe­ben, hän­gen immer noch an dem Irrglauben, dass Maske tra­gen und/oder „Impfen“ kei­ne gra­vie­ren­den nega­ti­ven Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann. Deswegen mei­nen sie, dies von ande­ren ver­lan­gen zu kön­nen. Aber dau­er­haf­tes Maske tra­gen kann schäd­lich sein. Die „Impfung“ sogar tödlich.

    Und ich soll nun die­ses Risiko ein­ge­hen und das nur, weil es Menschen gibt, die sich trotz Maske und „Impfung“ immer noch nicht aus­rei­chend geschützt füh­len? Und des­we­gen von allen ande­ren etwas ver­lan­gen, dem sie offen­bar selbst nicht wirk­lich trau­en? Das ist para­dox. Nein, das ist Irrsinn.

  6. Ich per­sön­lich mag es, wenn sehr begrenz­te Denker ande­ren Menschen begrenz­tes Denken vorwerfen.

    Wenn man den Teil hin­ter dem Komma ("soweit er nicht die Rechte ande­rer ver­letzt…") so inter­pre­tiert wie der Autor – alles hat zu unter­blei­ben, was das eige­ne Recht ein­schränkt – dann erhebt man plötz­lich das eige­ne "Recht" in der eige­nen Definition zur Messlatte für alle ande­ren. Das ist genau das, was er der von ihm aus­ge­mach­ten Gegenseite vor­wirft. Nur tut die Gegenseite dies im Gegensatz zu ihm nicht.

    Durch eine nicht durch­ge­führ­te Impfung (selbst wenn sie im Gegensatz zur Corona-Impfung einen Sinn hät­te), durch eine nicht getra­ge­ne Maske, durch einen Protest gegen ein Tempolimit wird jedoch kein Recht ande­rer Menschen ver­letzt; bzw. nicht mehr, als es tag­täg­lich durch uns alle auf man­nig­fal­tig­ste Weise geschieht. Das ist hin­zu­neh­men. Nicht hin­zu­neh­men hin­ge­gen ist Zwang um des Zwangs wil­len ("das ist soli­da­risch"), Zwang um der eige­nen Bequemlichkeit wil­len ("ich füh­le mich dann siche­rer"), oder Zwang, um die eige­ne Position um jeden Preis sie­gen zu las­sen, obwohl sie den Sieg nicht ver­dient hat.

  7. @D.S.:
    "Stimmt schon, mit dem Argument Freiheit kann man alles mög­li­che ableh­nen. Religiöse Kopftuchpflicht eben­so wie medi­zi­ni­sche Zwangsbehandlung,
    Maskenzwänge genau­so wie Zwangshochzeiten.
    Und jetzt? Wer ent­schei­det wel­cher Zwang zu dul­den ist, in einer "libe­ra­len Demokratie" oder wel­che Freiheitsrechte vorgehen?
    Die "Ethikkommission"? Die Mehrheit? Die Lautesten?"

    Wie alle wich­ti­gen Entscheidungen trifft auch die­se Entscheidung die Rendite. Falls es ver­schie­de­ne Renditen gibt, dann ent­schei­det die 'rich­ti­ge' Rendite.

    Rendite kann vie­le Formen anneh­men, nicht nur die wohl­be­kann­te Form der 'Aktiendividende'. Auf sehr hoher Ebene wie einer EU-Vizepräsidentschaft fin­det man z.B. die Form von Koffern vol­ler Petrodollar. Auf der schon rela­tiv nied­ri­gen Ebene von Gremien des Typs "Ethikrat" nimmt die Rendite eher die Form 'Posten' an. Beim 08/15-Mediziner in der Praxis um die Ecke tre­ten u.a. die Formen 'Weiterbildungsangebot' und '15-EUR-Paxlovid-Verschreibungsprämie' auf.

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