Das Fachblatt Klinik Management aktuell (inzwischen hinter Bezahlschranke, 17.7.) zeigt sich in seiner aktuellen Ausgabe besorgt. Es stellt fest, daß "verstärkt Private Equity Unternehmen auf den Markt der Health IT Software" schielen.
»Neue Player und finanzkräftige Investoren drängen auf den Markt, etablierte Anbieter orientieren sich neu.
Ein wesentlicher Grund ist die zunehmende Digitalisierung in den Kliniken und die sich daraus ergebenden höheren technischen Anforderungen…
Einige der im Markt befindlichen KIS [(Krankenhausinformationssysteme)] sind technologisch in die Jahre gekommen und müssten technisch massiv modernisiert werden. Das kostet viel Geld – und ist in einem Markt, wo es derzeit weniger als 30 Neuinstallationen pro Jahr gibt, sehr teuer und kaum zu erwirtschaften.«
Das Blatt beschreibt die Übernahme des KIS-Geschäfts des bisherigen Marktführers Agfa durch die italienische Dedalus Holding.
»Private Equity entdeckt Health IT
Die treibende Kraft hinter der Übernahme ist Europas größtes Private Equity Unternehmen Ardian. Die französische Beteiligungsgesellschaft verwaltet nach eigenen Angaben Vermögenswerte in Höhe von 96 Milliarden US-Dollar und hat 2016 60 Prozent der Anteile von Dedalus übernommen…
Nach Ansicht von Branchenkennern wird viel davon abhängen, ob sich Ardian als strategischer Investor sieht oder wie ein klassisches Private Equity agieren wird. Im letzteren Fall würde das Unternehmen dann binnen fünf oder sechs Jahren Dedalus auf hohe Profitabilität trimmen und anschließend gewinnbringend weiterverkaufen. Die letztere Variante beunruhigt derzeit Klinikmanager, die mit dem KIS Orbis arbeiten. „Schon unter Agfa waren die Kosten für Service und zusätzliche Anpassungen ans KIS sehr hoch. Jetzt könnte der Druck, an der Preisschraube zu drehen, noch stärker werden“, mutmaßt ein Klinikgeschäftsführer, der ungenannt bleiben will…
Der bisherige Branchenvize Cerner stellt sich ebenfalls neu auf. Der US-Riese, der 2015 die Gesundheits-IT-Sparte von Siemens übernommen hatte, will sich künftig auf cloudbasierte Lösungen („Ecosystem“), künstliche Intelligenz und KIS-Systeme konzentrieren, die international besser vermarktbar sind.«
Ungeachtet solcher Entwicklungen wird medial Digitalisierung als Allheilmittel gegen Fehlentwicklungen im Gesundheits- wie im Bildungswesen bejubelt. Der Deutsche Evangelische Krankenhausverband e.V. (DEKV) forderte am 4. Juni 9,5 Mrd. Euro für weitere "nachhaltige" Digitalisierung.
Am 9. Juni berichtete das Ärzteblatt von einer Umfrage, die das Beratungsunternehmens Drees & Sommer (!) durchgeführt hatte, wonach deutsche Krankenhäuser "nach der Coronapandemie stärker in digitale Prozesse investieren" wollten. Es zitiert einen Sprecher des Unternehmens so:
»„Das führt nicht nur zu mehr Patientensicherheit, sondern trägt auch zur wirtschaftlichen Gesundung bei“, sagte er. «
Daß es um die "Gesundung" kerngesunder Investoren geht, deren ausschließlicher Daseinszweck die Vermehrung des eingesetzten Kapitals ist, bleibt ausgespart.
Die Sicht des Unternehmens auf seine Studie faßt es so zusammen: "„Die Immobilie ist das zentrale Rückgrat, um Patientenpfade und betriebsinternen Prozesse abzubilden.“ (so im Original) Das verblüfft zunächst, erklärt sich aber aus dem Folgenden.
Drees & Sommer
Laut Wikipedia ist Drees & Sommer ein international tätiges Beratungsunternehmen für den Bau- und Immobiliensektor mit Hauptsitz in Deutschland.
»Das Unternehmen war anfangs mit der Projektleitung von Stuttgart 21 betraut. Es erstellte dafür auch die Machbarkeitsstudie und wickelte das Vorprojekt ab. Ab 1996 war es an der Projektgesellschaft DBProjekt GmbH Stuttgart 21 mit einem Anteil von 10 Prozent beteiligt. Die Beteiligung wurde zum 1. August 2001 verkauft.«
Firmengründer Prof. Drees war in den Jahren 1999 bis 2001 als Berater des Bundesministeriums für Bildung und Forschung tätig. Link
Das Unternehmen wies für 2018 einen Konzernumsatz von 424,9 Mio. Euro und ein operatives Ergebnis von 47,7 Mio. Euro aus. Link
Das Mittel, über "Studien" und Umfragen Kommerzialisierungen den Weg zu bereiten, ist bewährt.
Im April 2019 war zu erfahren:
»Bürgerbarometer: Deutsche wünschen sich "Digitalpakt Gesundheit"
Große Teile der Bevölkerung in Deutschland hätten gern, wie im Schulwesen, eine Art Digitalpakt für den Gesundheitssektor. 39 Prozent der Bürgerinnen und Bürger meinen, dass das Gesundheitswesen bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung Vorrang haben sollte… Das ergibt die Studie "Digital Government Barometer 2018" von IPSOS im Auftrag von Sopra Steria Consulting…
Die Politik sieht ebenfalls Handlungsbedarf: Mit einem elfköpfigen Expertenteam will das Bundesgesundheitsministerium die Digitalisierung des Gesundheitswesens verbessern. Das Gremium solle in den kommenden drei Jahren dafür sorgen, dass digitale Innovationen schneller im Alltag der Patienten ankommen. «
Wie die Umfrage von Drees & Sommer, (die nicht represäntativ war) wurde die Studie im Auftrag eines Interessenverbands durchgeführt. Da mag zu vernachlässigen sein, daß in der Studie selbst anstatt der oben genannten 39% lediglich 32% der Befragten die Priorität bei der "Inanspruchnahme med. Leistungen" sehen und man über die Erhebungsmethoden wenig erfährt.
Nach Wikipedia ist Sopra Steria eine europäische Management- und Technologieberatung mit über 40.000 Beschäftigten.
Mit Datum 10.6.2010 ist auf der Seite des Bundesgesundheitsministeriums zu lesen:
»Basis für eine erfolgreiche Digitalisierung des deutschen Gesundheitssystems ist eine verlässliche, sichere und umfassende digitale Infrastruktur.«
Dagegen hatte der Bundestag am 7.11.2019 das Digitale-Versorgung-Gesetz aus dem Hause Spahn verabschiedet – gegen Bedenken von Datenschützern, Opposition und Bundesrat.
(Hervorhebungen nicht in den Originalen.)
Das WEF schreibt auf seiner Website: "Cognizant (Nasdaq: CTSH) is one of the world's leading professional services companies, transforming clients' business, operating and technology models for the digital era. Its unique industry-based, consultative approach helps clients envision, build and run more innovative and efficient businesses. Headquartered in the US, Cognizant is ranked 195th on the Fortune 500 and is consistently listed among the most admired companies in the world."
Bei Cognizant heisst es: "In der Gesundheitsbranche ist ein tiefgreifender Strukturwandel notwendig, um über den stationären Bereich hinaus zu einer jederzeit und überall verfügbaren Versorgung zu gelangen, die kontinuierlich, integriert und im Laufe der Zeit erweitert wird.
Die heutigen 3,6 Billion USD in der Gesundheitsökonomie in eine kühne neue Richtung zu lenken, bedeutet, Geschäftsmodelle zu überdenken und neue Motivationssysteme aufzubauen.
Cognizant ist der kompetente Partner an Ihrer Seite. Wir arbeiten mit Führungskräften im Gesundheitswesen zusammen, um Platz für ein neues Gesundheitsmodell zu schaffen und das Leben der Menschen zu verbessern. Verlassen Sie sich darauf, dass wir Ihnen helfen, Daten in umsetzbare Erkenntnisse umzuwandeln, ein höheres Maß an Automatisierung und Effizienz zu erreichen, neue Produkte und Dienstleistungen zu innovieren, die Infrastruktur zu modernisiere und bessere Ergebnisse zu nachhaltigen Kosten zu erzielen. …"
https://www.cognizant.com/de-ch/healthcare-technology-solutions