Drosten redet sich um Kopf und Kragen

Wieder ein­mal wim­melt es von neu­en Erkenntnissen des Chef-Virologen in sei­nem neu­en Podcast. Bevorzugt im Konjunktiv vor­ge­tra­gen fin­den wir in der Zusammenfassung auf ndr​.de Derartiges:

»Problematisch wer­de es, wenn die Schulkinder zu Hause die Eltern anstecken, also Erwachsene im mitt­le­ren Alter. Denn in die­ser Altersgruppe gebe es Risikopatienten, die mög­li­cher­wei­se im Krankenhaus und auf den Intensivstationen lan­den. "Das müs­sen und kön­nen wir ver­mei­den, wenn wir die Schulsituation trans­pa­rent im Auge behal­ten", betont Drosten. Er for­dert daher mehr Daten zu der Rolle der Kinder im Infektionsgeschehen ein.«

Drosten hat also nicht genug Daten über Kinder oder kennt sie nicht. Wenn er sie hät­te, dann könn­ten viel­leicht Schulkinder Eltern anstecken, die mög­li­cher­wei­se im Krankenhaus lan­den. Da liegt nahe, die Schulsituation trans­pa­rent im Auge behalten.

»"Wir müs­sen uns dar­auf ein­stel­len, dass im Herbst öfter und bes­ser gete­stet wird", sagt Drosten. Das müs­se dann eben auch für Lehrer und Schüler gelten.«

Warum wir müs­sen und das eben gilt, erklärt er nicht. Der Grund wird nicht die­se aktu­el­le Grafik des RKI sein:

Vergesst das RKI!

»USA: Corona ist 16-mal gefähr­li­cher als die Grippe
Außerdem geht es in der aktu­el­len Podcast-Folge um neue Erkenntnisse zur Infektionssterblichkeit – also zu der Frage, wel­cher Anteil der Coronavirus-Infizierten an der Krankheit stirbt. Eine neue Meta-Analyse aus den USA, die jetzt als Vorveröffentlichung vor­liegt, lie­fert laut Drosten wert­vol­le Erkenntnisse, weil sie vie­le Fehlerquellen aus­schließt. Demnach ist in den USA von einer Infektionssterblichkeit von 0,8 Prozent auszugehen.

Zieht man die Sterblichkeit von Grippe-Infizierten als Vergleich hin­zu, zei­ge sich: Die Wahrscheinlichkeit an Covid-19 zu ster­ben sei in den USA 16-mal höher als bei einer Grippe…

In Deutschland liegt die Infektionssterblichkeit nach Einschätzung von Drosten etwas höher als in den USA, weil hier­zu­lan­de die Bevölkerung im Mittel etwas älter sei. Der Virologe hält für Deutschland einen Wert von 1,0 Prozent oder etwas dar­über für plau­si­bel

Drosten empört sich schon mal ger­ne, wenn ande­re Experten Daten aus Vorveröffentlichungen in den Medien ver­wen­den. Für ihn gilt das nicht.

Viel inter­es­san­ter als die Wahrscheinlichkeitsvergleiche, von denen noch eini­ge fol­gen, ist aber die Verwendung des Begriffs "Infektionssterblichkeit". Anders als die "Fallsterblichkeit" nimmt sie auch die Dunkelziffer der Infizierten in den Blick und ist des­halb wesent­lich nied­ri­ger als sie. Das RKI gibt uns in sei­nen Situationsberichten stets die Fallsterblichkeit an, also den Anteil der Verstorbenen an den "Fällen". Diese liegt nach JHU gegen­wär­tig bei 3,3% (in den USA bei 2,9%). "Plausibel" ist für Drosten eine Infektionssterblichkeit um 1 Prozent, was eine drei­fach höhe­re "Fallzahl" bedeutet.

"Das Alter macht es aus und sonst praktisch nichts."

»Die Unterschiede in der Infektionssterblichkeit zwi­schen den ein­zel­nen Ländern wer­den – der Metastudie zufol­ge – dadurch bestimmt, wie alt die unter­such­te Bevölkerungsgruppe im Mittel ist. Drosten: "Das Alter macht es aus und sonst prak­tisch nichts."«

Würde sich Drosten das wirk­lich glau­ben, dann sähe es schwarz für uns aus: Deutschland hat nach Japan die zweit­äl­te­ste Bevölkerung der Welt (Stand 2015). Brasilien hat hin­ge­gen Glück. Dort sind die Menschen im Durchschnitt 10 Jahre jün­ger. Vermutlich meint Drosten das auch gar nicht so. Warum sagt er es dann?

Es folgt ein Zahlenwirrwarr, der an einen Hütchenspieler erinnert:

Corona 200 mal schlimmer als ein Verkehrsunfall- fast wie Pocken

»"Die Sterblichkeit geht mit zuneh­men­dem Alter rapi­de nach oben", macht Drosten klar. Demnach gilt für die Altersgruppe von 35 bis 44 Jahren im Mittel: Eine Corona-Infektion ist in die­sem Alter unge­fähr so gefähr­lich wie eine Influenza. Bei der Altersgruppe zwi­schen 45 und 54 Jahren lie­ge die Infektionssterblichkeit dann schon höher – bei 0,2 Prozent. Und für die Gruppe von 55 und 64 Jahren beträgt der Wert laut der Studie schon 0,7 Prozent.

"Die Autoren der Studie haben einen inter­es­san­ten Vergleich gemacht", berich­tet Drosten. Demzufolge ist das Risiko für die Altersgruppe zwi­schen 55 und 64 Jahren, an einer Corona-Infektion zu ster­ben, 200-mal grö­ßer, als inner­halb eines Jahres bei einem Verkehrsunfall ums Leben zu kom­men.

Bei der Altersgruppe zwi­schen 65 und 74 Jahren liegt die Infektionssterblichkeit bereits bei einem Wert von 2,2 Prozent. Im Vergleich mit der Sterblichkeit bei Grippefällen heißt das: "In die­ser Altersgruppe kom­men auf einen Grippe-Toten 30 Covid-19-Tote", rech­net Drosten vor. "Die Zahlen für die noch höhe­ren Altersgruppen sind furcht­bar: Bei den 75- bis 84-Jährigen liegt die Sterblichkeit bei 7,3 Prozent – und bei den­je­ni­gen über 85 Jahren stirbt fast jeder Dritte. Das ist dann so viel wie bei den Pocken im Mittelalter." Diese Zahlen sei­en wich­tig, um die aktu­el­le Situation rich­tig zu bewer­ten, so der Virologe.«

Wir hören von Drosten, daß die 35–44-Jährigen eine Infektionssterblichkeit ähn­lich wie bei einer Grippe haben. Wie mag er das ver­ein­ba­ren mit sei­ner Eingangs-Behauptung über Eltern?
Update 30.9.: An die­ser Stelle war ursprüng­lich falsch die Rede vom Infektionsrisiko.

Man kann auch eine Erkältung vom Virus bekommen

»Auch ein Coronavirus-Impfstoff hat das Ziel, ein geziel­tes Immun-Gedächtnis im Körper anzu­le­gen, damit das Immunsystem auf den Erreger vor­be­rei­tet ist. "Mit den ersten Impfstoffen wird man sicher­lich erst mal gegen die schwe­ren Symptome geschützt wer­den", stellt Drosten klar. "Aber noch nicht gegen eine ober­fläch­li­che Erkältungserscheinung, die man durch das Virus noch krie­gen kann."«


»Da Aussagen im Konjunktiv häu­fig in den Bereich des Möglichen fal­len, wird er auch als Möglichkeitsform bezeich­net. Der Konjunktiv zeigt jedoch nicht an, dass etwas mög­lich ist.« (Wikipedia)

(Hervorhebungen nicht in den Originalen.)

6 Antworten auf „Drosten redet sich um Kopf und Kragen“

  1. "Bei den 75- bis 84-Jährigen liegt die Sterblichkeit bei 7,3 Prozent – und bei den­je­ni­gen über 85 Jahren stirbt fast jeder Dritte." 

    Ja, an Krankenhauskeimen.

    "Das ist dann so viel wie bei den Pocken im Mittelalter." 

    Der Typ ist so krank …

  2. … nun ja, bei allem Respekt vor C D's Ausscheidungen : Trotz all sei­nen hilf­lo­sen Bemühungen mit bra­ver Unterstützung der "Wissenschaftsabteilung" des NDR – von "Würde" ist "Professor Konjunktiv" sehr weit entfernt … *

    Mit freund­li­chen Grüßen (auch an alle Tierfänger rund um Berlin)

    Günter Adams

    ( * "ange­lehnt" an eine immer wie­der ver­wir­rend schö­ne Frage : Wenn ich ein Konjunktiv wäre … , hät­te ich dann mehr Würde ? )

  3. "Wir hören von Drosten, daß die 35–44-Jährigen ein Infektionsrisiko ähn­lich wie dem einer Grippe haben. Wie mag er das ver­ein­ba­ren mit sei­ner Eingangs-Behauptung über Eltern?"

    Nein, die Infektions*sterblichkeit* ist in die­ser Altersgruppe ähn­lich wie bei der Grippe, nicht das Infektionsrisiko. 

    Mann, Mann.

    Aber immer­hin haben Sie inzwi­schen den Unterschied zwi­schen IFR und CFR begriffen.

      1. Welche Behauptung? Er zitiert aus einer (nicht sei­ner!) Studie. Das steht in kei­nem für mich erkenn­ba­ren Zusammenhang mit dem ande­ren Thema der Infektiosität von Kindern.

        1. … ein nach­vol­zieh­ba­rer Zusammenhang ist eigent­lich kaum bei den "medi­zi­nal-ver­ba­len" Ergüssen des "Professor Konjunktiv" zu erken­nen – da muss ich Ihnen durch­aus beipflichten …

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