Seit 2003 malen uns Medien ein Bild vom bescheidenen, klugen Virologen Christian Drosten und einem kleinen, rund um die Uhr hart arbeitenden Unternehmer Olfert Landt im Kampf gegen die Pandemien unserer Zeit. (Vgl. dazu home stories über Drosten-Kumpel Olfert Landt.)
Im Hintergrund haben die beiden ein äußerst erfolgreiches Geschäftsmodell aufgebaut, das auf die Bekämpfung von Krankheiten setzt. Es gibt eine klare Rollenverteilung: Drosten ist Pandemien auf der Spur, kommuniziert geschickt ihre wirkliche oder vermeintliche Gefährlichkeit in der Öffentlichkeit und verstärkt so einen Markt für die Landtsche Firma TIB-MOLBIOL in Berlin, die mit Testangeboten zur Verfügung steht.
Das jahrelang verfolgte Prinzip dabei ist simpel:
Der im öffentlichen Dienst stehende Drosten erforscht den Erreger einer Krankheit und entwickelt gleichzeitig mit TIB-MOLBIOL von Landt Testsysteme. Das Forschungsergebnis gehört seinen Arbeitgebern, 2003 dem Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNIMT), später der Uni Bonn, aktuell der Charité. Sie könnten die wirtschaftliche Verwertung für sich nutzen.
Nun wird oft so verfahren: Die öffentlichen Einrichtungen verzichten auf die Verwertung und gestatten Drosten statt dessen, die Entdeckungen international zu publizieren. Damit sind sie für alle Interessierten wirtschaftlich nutzbar.
Das hört sich so an und wird medial auch so verkauft, als sei dies ein Geschenk an die internationale Gemeinschaft der Wissenschaft.
In der Tat kann nun auch Landt keine Patente darauf anmelden. Allerdings sitzt er vor allen Mitbewerbern bereits in den Startlöchern, denn er war an der Entwicklung von Tests ja oft beteiligt. Wo nicht, gab es zuvor einen Informationsaustausch.
Immer wieder wird Landt so oder ähnlich zitiert:
»Wir waren schon 2003 bei der Sars-Pandemie mit die Ersten, später auch bei der Geflügelpest und der Schweinegrippe.«
2011 ging es gemeinsam mit Roche um EHEC, 2012 MERS, 2016 das Zika-Virus. Nicht immer wurden gemeinsam Tests entwickelt, doch stets gab es die Arbeitsteilung: Drosten klopft die Öffentlichkeit weich, Landt hat die passenden Angebote.
2003 Durchbruch für Drosten und Landt mit SARS
2003 war für Landt das Jahr des wirtschaftlichen, für Drosten des medialen und wissenschaftlichen Durchbruchs.
»Christian Drosten war damals noch am Bernard-Nocht-Institut [so im Original] für Tropenmedizin (BNI) in Hamburg und entwickelte mit TIB-MOLBIOL sowie der Hamburger Artus Biotech, die 2005 von Qiagen aufgekauft wurde, ein RT-PCR-Kit für SARS-assoziierte Coronaviren.
Die Berliner um Geschäftsführer Olfert Landt synthetisierten damals alle vom BNI entworfenen Primer und Sonden.«
schreibt 2020 das Fachmagazin LaborJournal. Der Tagesspiegel weiß:
»Auch an der Suche nach dem Erreger der Lungenkrankheit Sars, der im Jahr 2003 dank internationaler Kooperation beispielhaft schnell dingfest gemacht wurde, war Tib Molbiol beteiligt. Damals wurden die Berliner von Christian Drosten vom Bernhard-Nocht-Institut frühzeitig um ihre Mitarbeit gebeten, und sie bekamen auch schnell einen Ausschnitt der Sequenz des Corona-Virus zur Verfügung gestellt, das Sars hervorruft. Es konnte als Positivkontrolle verwendet werden. "Alle Informationen wurden damals sofort ins Internet gestellt, ohne an Patente und Publikationen zu denken", erzählt Landt.«
Seine Erzählung endet hier. Ganz richtig ist sie nicht, und es fehlt die Vorgeschichte.
Schon 1998 hatte das Bernhard-Nocht-Institut 6 Mitarbeitern die Ausgründung als Firma artus GmbH gestattet – Drosten war damals noch nicht im Institut. Im Januar schloß es eine "Kooperationsvereinbarung über die gemeinsame Entwicklung und Vermarktung von Diagnostik-Kits" mit dem Unternehmen. Dies "ermöglicht dem BNI die Kommerzialisierung seines Know-hows“ sagte damals Thomas Grewing, Forschungs- und Entwicklungsleiter der artus GmbH. Vgl. dazu Wirtschaftliche Interessen des Prof. Drosten (II) Richtiger wäre die Formulierung: Das mit öffentlichen Gelder ermittelte Know-how des Instituts ermöglichte der artus GmbH dessen Kommerzialisierung.
Im März 2003 gelingt Drosten und seinem Kollegen Stephan Günther die „Identifizierung des SARS-Coronavirus und Etablierung eines schnellen diagnostischen Testsystems“. Beide erhalten dafür mehrere Preise. Drosten setzt bald die Version in die Öffentlichkeit, Günther sei nur Gehilfe dabei, weil
»… ich die entscheidenden Experimente am Anfang, die uns dann den ersten Hinweise gegeben haben, die habe ich wirklich alleine gemacht. Und dann kam sehr schnell mein Kollege Stephan Günther dazu, und der hat mir dann sehr schnell geholfen, das festzuhauen, daß das, was wir da sehen, sehr wahrscheinlich echt ist.«
So formulierte er seinerzeit dem NDR gegenüber. Es entstand das Narrativ vom einzigen Virologen, der eine fundierte Kenntnis von Corona hat. Günther blieb medial außen vor und sitzt heute im Vorstand des Bernhard-Nocht-Instituts.
Nun setzt das oben genannte Prinzip ein.
Am 11.4.2003 veröffentlicht das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin eine Mitteilung, wonach am Vortag
»…eine Autorengemeinschaft aus fünf europäischen Forschungsinstituten… im renommierten "New England Journal of Medicine" die Spurensuche nach dem unbekannten Erreger von SARS und die Etablierung eines spezifischen molekularen Testverfahrens…«
veröffentlichte. Gedruckt erschien der Beitrag im Mai. Dort wird Olfert Landt für seine schnelle Mitwirkung erwähnt.
Weiter informiert das Institut, es werde
»… nun in Zusammenarbeit mit der Hamburger artus GmbH ein SARS-Test für Routine-Laboratorien entwickelt.
Die SARS-Studien wurden wegen der medizinischen Dringlichkeit vorab im Internet veröffentlicht«
Das Wörtchen "nun" wirkt fehl am Platz. In einer Nachricht von ProMED, dem größten akademischen Meldesystem für neu auftretende Krankheiten, vom 12.4. ist zu lesen:
»Ein schnelles SARS-Diagnosetest wird am Montag veröffentlicht
Ein Hamburger Biotech-Unternehmen wird am Montag, dem 14. April 2003, einen diagnostischen Echtzeit-PCR-Test veröffentlichen , mit dem es möglich sein soll, innerhalb von 2 Stunden SARS (schweres akutes respiratorisches Syndrom) zu diagnostizieren. Artus hat sich mit dem Bernard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNI) in Hamburg zusammengetan und wird den Test kostenlos an Laboratorien zur Auswertung spenden. Das BNI [und andere Laboratorien im WHO-Konsortium] identifizierten einen SARS-assoziierten Virus vor 2 Wochen als [atypisches] Coronavirus…«
In der gleichen Nachricht findet sich mit Datum vom 13.4. ein Kommentar von Christian Drosten. Er wird eingeleitet mit der (halb)richtigen Bemerkung:
»Der vorangegangene elektronisch übertragene Bericht wurde an Dr. Christian Drosten vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg zur Stellungnahme weitergeleitet, seine Antwort ist unten wiedergegeben. Weder ProMED-Mail noch Dr. Drosten haben eine kommerzielle Verbindung zu den betroffenen Unternehmen.«
Richtig mag sein, daß die oben genannte kommerzielle Kooperationsvereinbarung zwischen Bernhard-Nocht-Institut und der artus GmbH Herrn Drosten nicht direkt betraf. Als Angestellter des Instituts konnte er jedoch keinesfalls eine neutrale Stellungnahme abgeben.
Drosten führt aus:
»Das Bernhard-Nocht-Institut (BNI) hat verschiedene RT-PCR-Tests für SARS-assoziiertes Coronavirus entwickelt und ausgewertet…
Es ist unsere Politik, alle unsere Tests für SARSV vor der Veröffentlichung zur Verfügung zu stellen, um schnell ein zuverlässiges Diagnoseinstrument bereitzustellen..
Das BNI hat zwei Biotech-Unternehmen um Unterstützung bei der Verteilung der erforderlichen Testreagenzien gebeten. Unternehmen 1 ist TIB MOLBIOL in Berlin, Unternehmen 2 ist Artus-Biotech in Hamburg…
Rolle von TIB MOLBIOL, Berlin: TIB MOLBIOL hat alle vom BNI für SARSV entwickelten Primer und Sonden in großen Beständen synthetisiert..
TIB MOLBIOL… unterstützt auch Labore bei der Anwendung von Tests mit diesen Primern und Sonden…
Rolle von artus-biotech, Hamburg: Artus hat ein Echtzeit-RT-PCR-Kit zusammengestellt, das auf dem BNI-Set basiert. Die technische Leistung des Kits wurde von BNI genehmigt.«
Am 17.4.2003 meldet das BNITM der WHO die Entwicklung eines Primers, der verwendet werden kann, "um das Polymerasegen des Coronavirus zu amplifizieren, das wahrscheinlich für SARS verantwortlich ist."
Am 23. April wird beim RKI ein Papier veröffentlicht "Standardvorbereitung des neuen SARS-Coronavirus für diagnostische Zwecke". Dort ist die Rede von einem
»Zellkulturüberstand von VeroE6, der mit dem neuen Coronavirus infiziert ist und das 'schwere akute respiratorische Syndrom' (SARS) verursacht…
In einer elektronenmikroskopischen Analyse, durchgeführt von Hans Gelderblom, Robert Koch-Institut, Berlin, konnten wir das Vorhandensein von Coronavirus-Partikeln in den Proben nachweisen…
Das Virusisolat wurde von Prof. Dr. Doerr und seinen Kollegen von der Universität Frankfurt zur Verfügung gestellt und wird ausführlicher beschrieben von:
Drosten C., Günther S., Preiser W., van der Werf S., Brodt H‑R., Becker S. et al. (2003): Identifizierung eines neuartigen Coronavirus bei Patienten mit schwerem akutem respiratorischem Syndrom. N Engl. J. Med. veröffentlicht am 10. April 2003 unter www.nejm.org (10.1056 / NEJMoa030747).
http://content.nejm.org/cgi/reprint/NEJMoa030747v2.pdf
[Dieses auch in anderen Quellen genannte Dokument (Version 2?) war nicht aufzufinden.]
Die Probenvorbereitung wurde am Robert Koch-Institut in Berlin durchgeführt…
Wir möchten Sie bitten, diese Beiträge in Veröffentlichungen zu erwähnen, in denen dieser Standard erwähnt wird: Der SARS-Standard wurde freundlicherweise von Matthias Niedrig, Robert Koch-Institut, Berlin, zur Verfügung gestellt.«
Viele Wissenschaftler sind also mit der Enwicklung von Diagnoseinstrumenten beschäftigt. Sie sind spät dran.
Bereits vom 17.4. datiert ein Papier, in dem Landt für TIB MOLBIOL und Drosten für das BNITM sich zu Testverfahren erklären. Im Statement von Landt heißt es:
»Es gibt keinen kommerziellen Anreiz für eine Zusammenarbeit zwischen dem Bernhard-Nocht-Institut und der Firma TIB MOLBIOL. Kein Mitarbeiter des Bernhard-Nocht-Instituts erhält von TIB MOLBIOL Geld oder andere persönliche Vorteile.
TIB MOLBIOL liefert Primer und Sonden für Labors weltweit mit Schwerpunkt auf Echtzeit-PCR-Anwendungen und der Entwicklung neuer PCR-Assays… Wir arbeiten seit langem mit dem Bernhard-Nocht-Institut zusammen. Beispielsweise wurde die Diagnose der Gelbfieberinfektion eines Kameramanns in Berlin im August 1999 mit von TIB MOLBIOL, Berlin, synthetisierten Primern durchgeführt.
TIB MOLBIOL stellt keine Diagnose-Kits her...
Wir haben eine bestimmte Zahl der relevanten SARS-Primer in allen Roche Diagnostics-Büros in Fernost hinterlegt, bevor die ersten SARS-Primer-Anfragen eingingen.«
Welchen Charakter dieses Papier hat und an wen es sich richtet, geht aus ihm nicht hervor. Es ist anscheinend auch nur auf der Internetpräsenz von TIB MOLBIOL verfügbar.
Deutlich an dem Verfahren wird, warum Landt in diesem Fall "die Nase" vorn hatte. Das wird sich fortsetzen. Siehe dazu die folgenden Beiträge Drosten-Landt-Connection: Geld scheffeln mit Pandemien (II) und Drosten-Landt-Connection: Geld scheffeln mit Pandemien (III).
Das Patent auf das Testkit meldete dann die Firma artus GmbH an. Link und Link
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(Hervorhebungen nicht in den Originalen. Übersetzungen mit Hilfe von translate.google.com.)
07.10.2020 AAPS
Will the huge rollout of COVID tests help end the pandemic—or assure that it will never end?
We have had pseudo-epidemics before. In 2006, much of Dartmouth-Hitchcock Medical Center was shut down, and 1,000 employees were furloughed or quarantined, because whooping cough was thought to be spreading like wildfire based on 142 positive PCR tests. The employees also had cultures taken, and a couple weeks later not a single one had a positive culture for the slow-growing bacteria, Bordetella pertussis. There had simply been an outbreak of some other ordinary respiratory disease, not the dreaded whooping cough. (…)
https://aapsonline.org/covid-19-do-we-have-a-coronavirus-pandemic-or-a-pcr-test-pandemic/
.
22.01.2007 The New York Times
Faith in Quick Test Leads to Epidemic That Wasn’t
Gina Kolata
Dr. Brooke Herndon, an internist at Dartmouth-Hitchcock Medical Center, could not stop coughing. For two weeks starting in mid-April last year, she coughed, seemingly nonstop, followed by another week when she coughed sporadically, annoying, she said, everyone who worked with her. Before long, Dr. Kathryn Kirkland, an infectious disease specialist at Dartmouth, had a chilling thought: Could she be seeing the start of a whooping cough epidemic? (…)
There was a similar whooping cough scare at Children’s Hospital in Boston last fall that involved 36 adults and 2 children. Definitive tests, though, did not find pertussis. (…) Many of the new molecular tests are quick but technically demanding, and each laboratory may do them in its own way. These tests, called “home brews,” are not commercially available, and there are no good estimates of their error rates. But their very sensitivity makes false positives likely, and when hundreds or thousands of people are tested, as occurred at Dartmouth, false positives can make it seem like there is an epidemic. (…)
https://health.maryland.gov/newsclippings/archives/2007/jan07/012207.htm#Faith_in_Quick_Test_Leads_to_Epidemic_That_Wasn%E2%80%99t