Drosten-Papier: "erhebliche methodische Fehler" und "nicht nachvollziehbare Schlussfolgerungen"

Es geht um die Stellungnahme des Instituts für Virologie der Charité im Anhörungsverfahren des Bundesverfassungsgerichts zur „Bundesnotbremse“ vom 6.8.21 (hier als PDF). Die Vorwürfe erhebt Prof. Dr. med. Ursel Heudorf, ehe­ma­li­ge Stellvertretende Leiterin des Gesundheitsamtes Frankfurt am Main, in der aktu­el­len Ausgabe des "Hessischen Ärzteblatts". Sie bleibt dabei völ­lig im vor­herr­schen­den Narrativ, weist aber auf schwe­re Fehler bei Drosten hin:

»Es lohnt sich, die Charité-Stellungnahme näher anzu­se­hen – ins­be­son­de­re im Vergleich zu den Stellungnahmen der ande­ren medi­zi­ni­schen, ins­be­son­de­re päd­ia­tri­schen Fachgesellschaften. Wie ein eben­falls im Verfahren invol­vier­ter ande­rer Gutachter der Charité – Prof. Dr. med. Stefan N. Willich – kon­sta­tiert, „[wer­fen] die epi­de­mio­lo­gi­schen und sta­ti­sti­schen Schlussfolgerungen (…) Fragen auf“. Tatsächlich zeigt die Stellungnahme des Instituts für Virologie der Charité zahl­rei­che, zum Teil signi­fi­kan­te Mängel. 

Sie

        • berück­sich­tigt den vor­han­de­nen wis­sen­schaft­li­chen Forschungsstand nicht ausreichend, 
        • gibt Ergebnisse der weni­gen, aus­ge­wähl­ten Untersuchungen, die Beachtung fin­den, feh­ler­haft wieder, 
        • begeht erheb­li­che metho­di­sche Fehler und • zieht dar­aus epi­de­mio­lo­gisch und sta­ti­stisch nicht nach­voll­zieh­ba­re Schlussfolgerungen.

Die Charité-Stellungnahme kommt mit 17 Quellen aus. Hierbei han­delt es sich nur in sechs Fällen um Arbeiten, die in wis­sen­schaft­li­chen Zeitschriften mit Peer-Review erschie­nen sind, vier davon bereits im Jahr 2020. Daneben fin­den sich ver­schie­de­ne Links auf die Website der Britischen Statistikbehörde (ONS), ein Verweis auf einen Bericht von GOV​.UK und ein Verweis auf einen Situationsbericht des Robert-Koch-Instituts RKI, eine Pressemitteilung, ein Kurzbericht zu einer Studie, und ein Preprint; eine letz­te Referenz („Mürbe, Verweis auf Anhang“) konn­te nicht nach­voll­zo­gen werden. 

Im Gegensatz dazu bele­gen die ande­ren sach­kun­di­gen Dritten ihre Ausführungen mit zahl­rei­chen, zumeist bereits in Journals mit Peer-Review erschie­ne­nen Publikationen… Allein die DGPI stützt ihr Gutachten auf weit mehr als 100 Quellen, dar­un­ter 68 Publikationen aus med­li­n­ege­li­ste­ten Journals (56 aus 2021, 12 aus 2020). Auch die Stellungnahmen der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene, der CODAG-Arbeitsgruppe der LMU München (Covid-19 Data Analysis Group) und wei­te­rer Fachgesellschaften basier­ten jeweils auf einer Vielzahl aktu­el­ler Studien und auch eige­ner Untersuchungen. Allein die­ser Vergleich zeigt, dass deut­lich mehr wis­sen­schaft­li­che Evidenz vor­ge­le­gen hat­te, die in der Stellungnahme der Charité berück­sich­tigt wer­den hät­te müs­sen.«

Drosten zeigt eine RKI-Grafik, aus der er "kla­re Anzeichen für eine star­ke  Infektionstätigkeit in schul­ty­pi­schen Jahrgängen" erkennt. Dazu Heudorf:

»In der Schule detektierte Infektionen wurden nicht automatisch dort erworben 

Dabei wer­den Infektionen „in schul­ty­pi­schen Jahrgängen“ ganz offen­bar mit Infektionen in Schulen oder Infektionen durch den Schulbetrieb gleich­ge­setzt. Abgesehen davon, dass hier Korrelation und Kausalität ver­wech­selt wer­den, ist die­ser Schluss nach­weis­lich unzu­tref­fend. Die ver­pflich­ten­den Tests wer­den und wur­den zwar in der Schule durch­ge­führt, was aber nicht heißt, dass die Infektionen in den Schulen erwor­ben wur­den. So wur­den nach Einführung der Testpflicht für Schüler die höch­sten „Inzidenzen“ bei Kindern unmit­tel­bar nach Ferien gefun­den, muss­ten also in den Ferien erwor­ben wor­den sein…

Detaillierte Untersuchungen zu „Schulausbrüchen“ mit zwei oder mehr posi­tiv auf SARS-CoV‑2 gete­ste­ten Personen, die unter ande­rem die DGPI aus­führ­lich dis­ku­tier­te, unter­strei­chen, dass mit weni­gen Ausnahmen die Übertragungen nicht dem Schulbetrieb zuzu­ord­nen sind. Die Auswertungen der CODAG-Arbeitsgruppe der LMU – die eben­falls eine Stellungnahme abge­ge­ben hat­te – konn­ten dies bereits mehr­fach im ver­gan­ge­nen Jahr, aber kürz­lich auch anhand der Daten bis 24. Januar 2022 zei­gen. Die Stellungnahme des Instituts für Virologie der Charité igno­riert – eben­so wie das Bundesverfassungsgericht – die­se Vielzahl an Studien und Publikationen, die die tat­säch­li­chen Infektions- und Übertragungsraten in Schulen genau­er unter­sucht haben.

Unter der irre­füh­ren­den Zwischenüberschrift „Meldedaten in England“ refe­riert die Stellungnahme der Charité im Anschluss Daten der regel­mä­ßi­gen stan­dar­di­sier­ten Erhebung der SARS-CoV‑2 Positivität (PCR-Tests) in einer bevöl­ke­rungs­re­prä­sen­ta­ti­ven Stichprobe in England (Daten des Office for National Statistics, kurz: ONS)…«

Danach kam es laut Drosten 2020 „um Weihnachten her­um bei den schul­ty­pi­schen Jahrgängen“ zu höhe­ren „Prävalenzen aku­ter Infektionen“ als bei Erwachsenen. Das sei auch im Juli 2021 beob­ach­tet wor­den. Heudorf argumentiert:

»Der Blick nach England …

Allerdings unter­lau­fen dem Verfasser der Stellungnahme der Charité dabei Fehler: Zunächst stel­len die dar­ge­stell­ten Daten kei­ne Prävalenzen dar, son­dern es han­delt sich um bevöl­ke­rungs­re­prä­sen­ta­ti­ve Erhebungen, aus denen in kom­ple­xen sta­ti­sti­schen Modellen Positivenraten modelliert/ geschätzt wer­den. Hierauf wird in den Veröffentlichungen des ONS hin­ge­wie­sen. Dies ist auch aus der Bildüberschrift der in der Charité-Stellungnahme dar­ge­stell­ten Abbildungen erkenn­bar („model­led per­cent test­ing posi­ti­ve for Covid-19 by age“). 

Vor allem aber über­sieht die Stellungnahme, dass in England vor Weihnachten 2020 in den Klassenräumen selbst kei­ne Masken getra­gen wer­den muss­ten. Daher konn­te ein Anstieg der Zahlen auch nicht die Unwirksamkeit der Maßnahme bele­gen. Übersehen wird auch, dass es dort vor Weihnachten – anders als in der Stellungnahme behaup­tet – kei­nen mit deut­schen Verhältnissen ver­gleich­ba­ren Teillockdown gege­ben hat. Vielmehr gab es im November 2020 einen all­ge­mei­nen Lockdown, von dem die Schulen aller­dings aus­ge­nom­men waren. Gerade in die­ser Zeit kam es – trotz offe­ner Schulen und ohne Pflicht zum Maskentragen – gera­de nicht zu einem Anstieg der SARS-CoV2-Nachweise in schul­ty­pi­schen Jahrgängen, son­dern sogar zu einem leich­ten Abfall. Zu einem Anstieg der Zahlen unter Schülerinnen und Schülern kam es erst im Zusammenhang mit den all­ge­mei­nen Öffnungen im Dezember 2020. 

Ähnlich falsch wer­den Zahlen im Sommer inter­pre­tiert; dort nah­men die posi­ti­ven Tests noch vor den Sommerferien (ab dem 22. Juli 2021) ab, also wäh­rend des Schulbetriebs. Die mit dem Beginn der Ferien ver­bun­de­ne Schließung von Schulen kann daher nicht als Grund für den Rückgang der Inzidenzen – und damit als Beleg für die Wirksamkeit von Schulschließungen – her­an­ge­zo­gen werden.

Überdies dis­ku­tiert die Charité-Stellungnahme die bri­ti­schen Erfahrungen selek­tiv, wenn sie unter ande­rem die posi­ti­ven Erfahrungen mit den Schulöffnungen ab März ver­schweigt: Befürchtungen, dass es zu einem Anstieg der Positivraten kom­men wer­de, erwie­sen sich in die­sem Kontext als völ­lig unbe­grün­det; die Zahlen san­ken viel­mehr nach Öffnung steil. Hierbei ist wich­tig zu wis­sen, dass par­al­lel zur Öffnung von Schulen wei­ter­hin ein stren­ger Lockdown galt.

… lässt den School Infection Survey unberücksichtigt 

Dieser Fehlschluss der ver­meint­li­chen Nichtwirksamkeit von Maßnahmen (Mundschutz im Winter, Testen im Sommer) hät­te ver­mie­den wer­den kön­nen, wenn die Stellungnahme der Charité den ana­log zum Bevölkerungssurvey regel­mä­ßig durch­ge­führ­ten School Infection Survey des ONS zur Kenntnis genom­men hät­te… Im Herbst-Term (Runde 1–2) war die Prävalenz aku­ter Infektionen bei im Rahmen des School Surveys unter­such­ten Schulkindern um 50–60 % nied­ri­ger, im Sommer-Term (Runde 6) sogar nahe­zu 90 % nied­ri­ger als die Daten aus dem Bevölkerungssurvey. Dieser School Infection Survey wur­de auch durch das Bundesverfassungsgericht voll­stän­dig igno­riert, obgleich das Gericht hier­auf hin­ge­wie­sen wur­de.«

Drosten führt für Deutschland drei Studien an, wobei er ihnen laut Heudorf

»… trotz ein­deu­tig for­mu­lier­ten Wortlauts der Schlussfolgerungen einen ande­ren Aussagewert beimisst. 

Baden-Württemberg-Studie: Die Stellungnahme des Instituts für Virologie der Charité dis­ku­tiert zunächst die am Ende des ersten Lockdown durch­ge­führ­te baden-würt­tem­ber­gi­sche Studie, die bei 2.482 Eltern-Kind-Paaren signi­fi­kant höhe­re Seroprävalenzen bei den Eltern als bei ihren Kindern erbracht hat­te (1,8 % ver­sus 0,6 %). Die Charité-Stellungnahme weist auf geschlos­se­ne Schulen und Kindergärten hin, wes­halb die „beob­ach­te­ten Zahlen kei­nen Rückschluss auf die Infektionstätigkeit im Schulbetrieb erlau­ben“. Das aber war weder die Fragestellung der Studie noch die Schlussfolgerung der Autoren. Es ging viel­mehr um den Vergleich sero­po­si­ti­ver Kinder und Erwachsener in die­sem Familien-Setting, wobei die Autoren selbst unter Limitationen schrei­ben, dass sie nicht aus­schlie­ßen kön­nen, dass die nied­ri­ge­re Rate sero­po­si­ti­ver Kinder durch gerin­ge­re Exposition mit­be­dingt sein kön­ne. Da die­ser Unterschied auch bei den jün­ge­ren Kindern gese­hen wur­de, die den Kindergarten besuch­ten, sei aber davon aus­zu­ge­hen, dass die Kontaktreduzierung bei Schulkindern den Unterschied nicht allei­ne erklä­ren kön­ne. Diese Schlussfolgerung wird in der Charité-Stellungnahme nicht erwähnt.

Sachsenstudie“: Die Stellungnahme des Instituts für Virologie der Charité geht in einem zwei­ten Schritt auf die soge­nann­te Sachsen-Studie ein, die sie anhand einer zwei­sei­ti­gen Pressemitteilung dis­ku­tiert… Danach wur­den „drei­ma­lig (Juni, September und November 2020) eine Untersuchung von Schülerinnen und Schülern durch­ge­führt“. In der drit­ten Welle lagen danach „bei regio­na­ler Inzidenz von 300–400/100.000 Einwohner pro Woche (…) in den Schulen Querschnittsprävalenzen von 3,1 % vor“. Die Stellungnahme erwähnt nicht, dass nicht nur Kinder, son­dern auch Lehrkräfte unter­sucht wor­den waren, und 22 der 26 posi­ti­ven Fälle Jugendliche und Erwachsene waren – und ledig­lich vier Grundschulkinder. Unter der Annahme, dass der PCR-Test eine Woche posi­tiv ist, berech­net der Autor der Charité-Stellungnahme dann aus der Prävalenz von 3,1 % eine 7‑Tages-Inzidenz von ca. 3.100/100.000, also zehn­mal so hoch wie in der Normalbevölkerung; zusätz­lich kor­ri­giert er die Inzidenz in der Gesamtbevölkerung durch die in einer Pressemitteilung zur Gutenberg-Covid-Studie kom­mu­ni­zier­te Dunkelziffer von 1,8 – und kommt so „zu einer 5‑fach höhe­ren Infektionsrate in Schulen gegen­über der Umgebungsbevölkerung“. 

Diese Betrachtung ist aus wis­sen­schaft­li­cher Sicht frag­wür­dig: Die Charité-Stellungnahme ver­gleicht hier eine voll­stän­dig gete­ste­te Bevölkerungsgruppe (ohne Dunkelfeld) mit einer ande­ren, die gera­de nicht voll­stän­dig gete­stet ist und daher über ein unbe­kann­tes Dunkelfeld ver­fügt. Zum ande­ren ist die Abschätzung einer Dunkelziffer von 1,8 pro­ble­ma­tisch und der Bezug auf die Gutenbergstudie nicht statt­haft. Denn dort wird betont, dass es sich um eine für die Region Mainz und Umgebung reprä­sen­ta­ti­ve Studie bei Erwachsenen (25 bis 88 Jahre) han­delt und der Anteil der „Dunkelziffer“ nach Alter und Geschlecht unter­schied­lich war. Abschließend zitiert die Charité-Stellungnahme die Autoren der „Sachsenstudie“: „Zusammenfassend müs­sen wir zum aktu­el­len Zeitpunkt unbe­dingt dar­auf hin­wei­sen, dass es auch in Schulen einen Anstieg der SARS-CoV-2-Infektionen gibt. (…) Es ist nicht mög­lich, bei einem erhöh­ten Infektionsgeschehen in der Gesellschaft (ab 7‑Tages-Inzidenz 50/100.000) in der Schule alle Anwesenden ohne zusätz­li­chen Schutz ler­nen und leh­ren zu las­sen, ohne eine deut­li­che Weiterverbreitung der Infektion in Kauf zu nehmen.“

Die Charité-Stellungnahme ver­schweigt aber die wei­te­ren Ausführungen der Autoren der tat­säch­lich noch ohne wei­ter­ge­hen­de Schutzmaßnahmen durch­ge­führ­ten Studie; die­se emp­feh­len näm­lich nicht etwa, Schulen zu schlie­ßen, son­dern Schutzmaßnahmen in den Schulen zu imple­men­tie­ren, unter ande­rem bei­spiels­wei­se Maskentragen, Abstände, klei­ne­re feste Gruppen, bzw. Hybridunterricht und detail­lier­te­re Studien, um die Wirkung der Maßnahmen zu untersuchen.

Berliner Coronavirus-Schulstudie (BECOSS): Als drit­tes befasst sich die Stellungnahme des Instituts für Virologie der Charité mit der eben­falls von der Charité durch­ge­führ­ten Berliner Studie. Hierin wur­den im November 2020, also zu Beginn der zwei­ten Welle in Deutschland, 1.089 Personen u. a. mit­tels PCR auf SARS-CoV‑2 unter­sucht. In der Studie wur­den 2,7 % der unter­such­ten Schüler, 1,4 % der unter­such­ten Schulbeschäftigten und 2,3 % der Haushaltsmitglieder posi­tiv auf SARS-CoV‑2 gete­stet. Mit dem bereits im Zusammenhang mit der Sachsen-Studie dar­ge­stell­ten Verfahren kommt der Autor der Charité-Stellungnahme im Vergleich mit der 7‑TagesMeldeinzidenz von 169,5/100.000 auf „eine um etwa 9,5‑fach gegen­über der Umgebungsinzidenz gestei­ger­te Infektionshäufigkeit“ und stellt fest: „Die Autoren der Studie drücken das weni­ger expli­zit aus, sagen aber in ihrer Veröffentlichung: 'In balan­cing thre­ats and bene­fits of open ver­sus clo­sed schools during the pan­de­mic, par­ents and socie­ty need to con­sider pos­si­ble spill-overs into their households.'”

Auch hier erwähnt die Stellungnahme der Charité Wesentliches nicht. Zunächst hat­ten die Autoren der Studie näm­lich gezeigt, dass die Prävalenz mit inkon­se­quen­tem Maskentragen in den Schulen und Kontakten mit Fällen außer­halb der Schule zunahm und nur für drei der neun Haushalte mit Infektionen ein Ursprung in der Schule plau­si­bel war. Bei Nachtestungen in den betrof­fe­nen Klassen und Familien nach einer Woche, wur­den in der Schule kei­ne, in Haushalten 1,1 % Sekundärfälle gefun­den. Die Autoren hiel­ten des­we­gen einen Schulbetrieb unter kon­se­quent beach­te­ten Präventionsmaßnahmen für ver­nünf­tig (rea­sonable) und for­der­ten wei­te­re Studien zu den mög­li­chen Infektionsrisiken für Schulkinder im Präsenzunterricht. 

Darüber hin­aus gab es im Rahmen des ein­jäh­ri­gen Studienprojektes BECOSS neben der von der Charité für Schulen durch­ge­führ­ten Studie eine wei­te­re, zum Zeitpunkt der Charité-Stellungnahme bereits in einem Journal mit Peer-Review publi­zier­te Studie zu Kindergärten. Diese über­geht die Stellungnahme der Charité jedoch, obwohl sie ein ganz ande­res Bild erge­ben hat­te. Denn sie führt aus, dass trotz stei­gen­der Infektionszahlen die Kindergärten am Infektionsgeschehen nicht im sel­ben Maße teil­ge­nom­men hat­ten und daher kei­ne „stil­len Reservoire für Übertragungen“ waren. Die BECOSSStudie zu den Schulen kommt zu einem ähn­lich posi­ti­ven Ergebnis, näm­lich dass Übertragungen zwi­schen Kindern gera­de nicht zwin­gend statt­fin­den und Schulen kei­ne wesent­li­chen Treiber der Pandemie sei­en. Bei strik­ter Einhaltung von Hygiene-Maßnahmen sei der Besuch von Schulen durch­aus möglich…

Es erschließt sich nicht, wes­halb die Charité-Stellungnahme die­sen zuver­sicht­li­chen Schluss ver­schweigt. Sie weist zwar zutref­fend dar­auf hin, dass die BECOSS-Studie zu Schulen auch erwähnt, dass Einträge in Haushalte nicht aus­zu­schlie­ßen sind; indem die Charité-Stellungnahme aber hier­auf den Fokus legt, gibt sie der BECOSS-Studie eine gänz­lich ande­re Richtung. Die BECOSS Studie trägt nach dem Vorstehenden tat­säch­lich expli­zit nicht die Annahme, dass Schulen eine wesent­li­che Rolle im Infektionsgeschehen spie­len könn­ten und Maßnahmen wie Masken und Hygieneregeln kei­ne Wirkung zeitigten…

Historie und Diskussion der „Viruslast-Studien“

Abgesehen davon, dass die Stellungnahme des Instituts für Virologie der Charité die Wirksamkeit von Masken und Testungen in Abrede stellt und im Übrigen wei­te­re Maßnahmen wie Abstands- oder Hygieneregeln nicht dis­ku­tiert, bleibt sie auch eine Diskussion der Frage schul­dig, ob Schulen nicht mög­li­cher­wei­se des­halb weni­ger pro­ble­ma­tisch sein könn­ten, weil Kinder und Jugendliche weni­ger infek­ti­ös sind. Während hier DGPI [12], DGKH [33] und Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation [34] klar her­aus­ar­bei­ten, dass Infektiosität nicht nur eine Frage der Viruslast ist, son­dern auch eine Frage des Lungenvolumens, der Ventilationsrate und der Symptomatik, behaup­tet die Charité-Stellungnahme eine ver­gleich­ba­re Infektiosität wie Erwachsene. Hierbei stützt sie sich pri­mär auf die aus dem eige­nen Haus mit ver­fass­te Viruslast-Studie…

Aktuelle Studien und Studien aus Europa oder Deutschland und ins­be­son­de­re Studien, die unter bestehen­den Hygiene- und Kontaktminimierungsmaßnahmen in Europa durch­ge­führt wur­den, wer­den nicht dis­ku­tiert; inwie­fern Studien aus Indien und China räum­lich und kul­tu­rell „natür­li­che Bedingungen“ in Deutschland reflek­tie­ren sol­len, bleibt offen…

Es erstaunt vor die­sem Hintergrund, wenn in der Stellungnahme des Instituts für Virologie der Charité einer­seits ein­ge­räumt wird, dass „erheb­li­che Unsicherheiten“ in der Datenlage bestehen und „der Beitrag des Schulbetriebs an der Reduktion des R‑Werts (…) nur indi­rekt erfasst“ wer­den kön­ne (S. 14), aber ande­rer­seits geschluss­fol­gert wird, dass „gene­rell (…) aus allen genann­ten Überlegungen und Betrachtungen der Eindruck [über­wiegt], dass der Schulbetrieb einen deut­li­chen, wenn auch quan­ti­ta­tiv schwer erfass­ba­ren Beitrag zur Infektionsverbreitung hat, und dass gän­gi­ge Kontaktmaßnahmen im Schulbetrieb kei­ne star­ke Kontrollwirkung ent­fal­ten, sobald eine gewis­se Grundinzidenz in der Bevölkerung erreicht wurde“. 

Diese Schlussfolgerung wird von den ange­führ­ten Zahlen und Untersuchungen nicht aus­rei­chend belegt. Die CharitéStellungnahme führt kei­ne ein­zi­ge empi­ri­sche Studie an, die zeigt, dass Schüler sich in rele­van­tem Maße unter­ein­an­der infi­zie­ren und/oder Infektionen im signi­fi­kan­ten Umfang in Haushalte oder in vul­nerable Gruppen tra­gen (und damit die von der Charité-Stellungnahme voll­stän­dig unbe­rück­sich­tig­ten Erkenntnisse der CODAGGruppe wider­le­gen wür­den). Darüber hin­aus unter­bleibt eine umfas­sen­de Darstellung und Diskussion des aktu­el­len Forschungsstands, ver­gleich­bar mit der Darstellung der DGPI, der DGKH, des RobertKoch-Instituts oder des aktua­li­sier­ten ECDC-Reports vom 8. Juli 2021. Auch zu Fragen des Risikos schwe­rer Krankheitsverläufe und Langzeitfolgen bei Kindern zitiert die Charité-Stellungnahme die Studienlage nur selek­tiv und über­geht ins­be­son­de­re neue­re kon­trol­lier­te Studien sowie die Daten des PIMS-Survey und des Post Covid-Survey der DGPI…

Hinweise anderer Verfahrensbeteiligter 

Die fach­li­chen Probleme der Stellungnahme wur­den dem Bundesverfassungsgericht von den Verfahrensbeteiligten sehr deut­lich vor Augen geführt. Unter ande­rem führt die im Verfahren ein­ge­führ­te Stellungnahme von Willich et al. aus: „Die epi­de­mio­lo­gi­schen und sta­ti­sti­schen Schlussfolgerungen (…) beru­hen teil­wei­se auf einer Interpretation, die die Maßnahmen und das Infektionsgeschehen in unrea­li­sti­scher Weise mono­kau­sal ver­bin­det.“ Die Probleme und Fehler bei der Interpretation der ONS-Daten und der Regionalstudien aus Deutschland wer­den ange­spro­chen. Es wird fest­ge­stellt: „Insgesamt liegt zu die­sem Aspekt deut­lich mehr wis­sen­schaft­li­che Evidenz vor, die in der Stellungnahme zu kurz kommt, und die z. B. in der Stellungnahme der DGPI dar­ge­stellt wird. Auch zeit­li­che Zusammenhänge zwi­schen Maßnahmen und dem Infektionsgeschehen wer­den in der Stellungnahme nicht immer berücksichtigt“…

Versäumnisse zu Lasten der Schwächsten der Gesellschaft 

Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Bundesnotbremse sind aus ver­fas­sungs­recht­li­cher Sicht zum Teil hef­tig kri­ti­siert wor­den. Nach dem Vorstehenden ist auch aus medi­zi­ni­scher Sicht Kritik ange­bracht. Es ist nicht nach­voll­zieh­bar, wie eine nach Auffassung der Autorin des vor­lie­gen­den Beitrags fach­lich so feh­ler­haf­te Stellungnahme in einem wesent­li­chen Punkt zur Grundlage einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wer­den konn­te, obwohl ande­re Stellungnahmen deut­lich bes­se­re Evidenz ange­führt hat­ten und das Gericht auf die Mängel der Stellungnahme hin­ge­wie­sen wur­de. Auf der Grundlage der von Fachverbänden prä­sen­tier­ten Evidenz hät­te das Bundesverfassungsgericht viel­mehr dem bis heu­te vor­herr­schen­den Narrativ der gefähr­li­chen Schulen und der Kinder als „Virenschleuder“ ein Ende set­zen müs­sen. Folge die­ses Versäumnisses zu Lasten der Schwächsten der Gesellschaft ist, dass Kinder und Jugendliche in Deutschland auch heu­te noch stär­ker ein­ge­schränkt wer­den als Erwachsene – wie nach unse­rer Kenntnis in kaum einem ande­ren euro­päi­schen Land. «

Die Fußnoten des Originals wur­den hier weggelassen.

12 Antworten auf „Drosten-Papier: "erhebliche methodische Fehler" und "nicht nachvollziehbare Schlussfolgerungen"“

  1. Man hat bei der Charite, noch einen wich­ti­gen Fälscher von Beginn an, mit einem Phantom Auftrag, der China Mafia, die Harvard, Medizin Schule kauf­te. Prof. Tobias Kurth, der die üblen Berichte schrieb, angeb­lich von Wuhan, frei erfunden.

    Gut geschmiert ist Alles, wo die Charite für Milliarden schwe­ren Abrechnungsbetrug bekannt ist, auch mit Phantom Firmen und Labor Berlin

    Harvard Gesundheitsschule, kon­trol­liert von dem Milliardär T.H. Chan, Hongkong, den Corona Gaukler, Prof. Tobias Kurth / Charite finanziert 

    https://​geo​po​li​ti​ker​.word​press​.com/​2​0​2​2​/​0​1​/​2​6​/​h​a​r​v​a​r​d​-​g​e​s​u​n​d​h​e​i​t​s​s​c​h​u​l​e​-​k​o​n​t​r​o​l​l​i​e​r​t​-​v​o​n​-​d​e​m​-​m​i​l​l​i​a​r​d​a​r​-​t​-​h​-​c​h​a​n​-​h​o​n​g​k​o​n​g​-​d​e​n​-​c​o​r​o​n​a​-​g​a​u​k​l​e​r​-​p​r​o​f​-​t​o​b​i​a​s​-​k​u​r​t​h​-​c​h​a​r​i​t​e​-​f​i​n​a​n​z​i​e​rt/

  2. https://​www​.ach​gut​.com/​a​r​t​i​k​e​l​/​u​n​t​e​r​_​d​e​m​_​t​e​p​p​i​c​h​_​i​m​p​f​s​c​h​a​e​d​e​n​_​i​n​_​d​e​n​_​u​sa_

    "Unter dem Teppich – Impfschäden in den USA"

    "Der ame­ri­ka­ni­sche Informatiker und Unternehmer Steve Kirsch, Kritiker der COVID-Impfstoffe, wen­det sich mit einem Offenen Brief an Christi Grimm, Generalinspekteurin des US-Gesundheitsministeriums. (Original: hier). Achgut​.com doku­men­tiert sei­nen Brief, weil er einen Eindruck von der insti­tu­tio­nel­len Verdrängung von Impfschäden ver­mit­telt, die hier­zu­lan­de ähn­lich aus­se­hen dürfte."

  3. ver­ein­fach­te (frei inter­pre­tier­te) Kurzversion:
    – Charité-Zeux ist Banane in schlam­pig (die hät­ten sich bissl mehr Mühe geben sol­len und können)
    – Masken sind irgend­wie toll, aber lasst-das-mal-die-andern-beweisen
    – Ge-richt ist Ga-ga

    Immerhin bei 2/3 könn­te ich zustimmen.

  4. Um Drosten der inhalts­lo­sen Dampfplauderei zu über­füh­ren, brauch­te es kei­ne lan­gen Aus- und Beweisführungen. Ein klei­ner Hinweis auf sei­ne NDR-Pollutionen unter täti­ger Mithilfe von Frau Hennig genügt. Was ist zu erwar­ten von einem nicht-habi­li­tier­ten Quandt-Professor ohne Lehrverpflichtung und unge­klär­ter Dissertation? Genau so ein Schund.

  5. Onanie, seh ich auch so. Interessant ist wohl die Frage nach den Konsequenzen. Der Text ist eine Klatsche für den Paten im Labor. Aber, ach, wen stört's. Der Meister könn­te auch ein Telefonbuch vor­le­gen, da pas­sier­te nix. Der tele­s­ko­piert halt alles durch, das geht eben fix und nur der Laie wun­dert sich über die Oberflächlichkeit des Werks. Die Fans grei­fen zu Preisen und Ehrungen. Der nack­te Kaiser hat in sei­nen Schränken kei­nen Platz mehr, so vie­le neue Kleider. Es ist zum Kotzen.

  6. "Es ist nicht nachvollziehbar, …"

    Eigentlich schon. Der Verfasser des feh­ler­haf­ten Berichts, ist Bundesverdienstkreuzträger, Schillerredenhalter, Podcastschwurbler, Kanzlerliebling und Master of the Universe.

    Als sol­cher hat er sei­ne Schuldigkeit getan:
    Er hat einen grot­ten­schlech­ten PCR-Test gebaut, der uns in die "Pandemie" geführt hat, er hat die Menschen in Angst ver­setzt, und Schüler als Impfvieh markiert.

    Das Bundesverfassungsgericht muss sich schon sel­ber fra­gen, war­um es auf so etwas her­ein­fällt. Vielleicht der fal­sche Vorsitzende? Ein wenig zu auto­ri­täts­hö­rig? Mangelnder Mut? Zu viel mit der Exekutive gekuschelt?

  7. Klasse Bericht über den Hochstapler. Und genau das, was von einem C3-Professor, der ver­mut­lich nicht ord­nungs­ge­mäß pro­mo­viert wur­de, sei­ne Stelle von der Familie Quandt bezahlt bekam und scham­los ver­dien­te­re Kollegen schilt, zu erwar­ten war. 

    Nur Richter*innen, Politiker*innen und Medienvertreter*innen, die zum glo­ba­li­sti­schen Täterkreis gehö­ren, kön­nen so tun, als glaub­ten sie die­sem Scharlatan. 

    Und alle, die noch nie gehört haben, dass Wissenschaft heu­te käuf­lich ist (also lei­der eine Mehrheit der Bürger*innen), fal­len auf sie herein.

  8. "Versäumnisses zu Lasten der Schwächsten der Gesellschaft"
    Na, end­lich mal eine sol­che Erkenntnis auch im Ärzteblatt.
    Einige bri­ti­sche Ärzte hat­ten schon 2021 auf die Verdrehung hin­ge­wie­sen, dass Kinder zum (vor­geb­li­chen) Schutz der Erwachsenen her­hal­ten müssen.

  9. Die Alternative zur evi­denz­ba­sier­ten Medizin ist eben die emi­nenz­ba­sier­te. Und da ste­hen wir jetzt. Nicht das Argument zählt mehr, son­dern was jemand meint, den ande­re für eine Autorität hal­ten . Dann heißt es, "die Wissenschaft" habe sich eine Meinung gebil­det und wer sie nicht teilt, sei irra­tio­nal, unwissenschaftlich. 

    Dabei ist es umge­kehrt: aus der selbst­ver­schul­de­ten Unmündigkeit kommt man nur raus, wenn man sel­ber nach­denkt, und dann kon­se­quen­ter­wei­se dem bes­se­ren Argument folgt und nicht irgend­ei­ner Person.

    Die Debattenkultur in Deutschland ist aber heu­te bis zum höch­sten Gericht im Mittelalter gelan­det. Mit allen unap­pe­tit­li­chen Folgen. 

    Wo das hin­führt, soll­te jedem klar sein.

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