"Eigenartige Lust am Lockdown"

In kon­ser­va­ti­ven Kreisen wird das Murren lau­ter. Focus-Kolumnist Jan Fleischhauer schreibt am 21.12. unter "Sehnsucht nach Knallhart-Maßnahmen: In Deutschland macht sich eine eigen­ar­ti­ge Lust am Lockdown breit":

»Es braucht nicht viel, um sich außer­halb zu stel­len. Es reicht, dass man schnell noch ein Weihnachtsgeschenk besorgt hat. Oder jeman­den mit einem roman­ti­schen Essen über­ra­schen will. Schon der unüber­leg­te Genuss eines Glühweins kann einen zum Volksschädling machen. Was heißt Volksschädling? Zum poten­zi­el­len Mörder!

Die Volksgemeinschaft ist jetzt das Virus-Kollektiv
„Wie vie­le Tote ist uns denn ein Shoppingerlebnis wert? Wie vie­le Tote wol­len wir denn in Kauf neh­men für ein Candle-Light-Dinner?“, don­ner­te der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, in Richtung der armen Menschen, die gera­de noch dar­über nach­dach­ten, wie sie am besten ihre Lieben beschen­ken. Derselbe Mann übri­gens, der lan­ge so agier­te, als wür­de Corona um die Hauptstadt einen gro­ßen Bogen machen.

Dass man sich bereits schul­dig macht, wenn man aus dem Haus geht, ist eine weit­rei­chen­de Idee. Wenn die blo­ße Möglichkeit, dass das eige­ne Verhalten uner­wünsch­te Folgen haben könn­te, bedeu­tet, dass man sich sozi­al­schäd­lich ver­hält, wird man künf­tig vie­les nicht mehr tun dürfen.

Wer kann aus­schlie­ßen, dass er mit sei­nem Auto einen Unfall ver­ur­sacht? Mehr als 3000 Menschen kom­men jedes Jahr im Straßenverkehr ums Leben, 380.000 wer­den ver­letzt. Da hilft auch der Umstieg auf ein Elektroauto nichts. Nach Corona gehen wir nur noch zu Fuß.

Die Maßstäbe, was akzep­ta­bel ist und was nicht, schwanken
Die Maßstäbe, was akzep­ta­bel ist und was nicht, schwan­ken. Das macht die Sache nicht leich­ter. Anfang Dezember galt der Weihnachtseinkauf noch als patrio­ti­sche Tat, jetzt ist er also als aso­zi­al geächtet.

Es gibt zwar kei­nen Beleg, dass sich Menschen in nen­nens­wer­ter Zahl beim Einkaufen anstecken. Man liest von Pflegekräften, die dem Virus erlie­gen, aber nichts Vergleichbares über Verkäufer und Verkäuferinnen. Kann sein, dass die Ansteckung im Verborgenen geschieht. Aber dass sogar die Gewerkschaften schwei­gen, wenn Tausende an der Registrierkasse ver­heizt wer­den? Ich kann es mir nicht vorstellen.

Es gibt eine eigen­ar­ti­ge Lust am Lockdown. Dass man ihn zäh­ne­knir­schend als Notwendigkeit akzep­tiert, um Menschen zu schüt­zen, die sich selbst nicht schüt­zen kön­nen – das leuch­tet ein. Aber dass man das Unabänderliche begrüßt, ja gera­de­zu her­bei­fleht? Das ist mir doch fremd.

Ton schwankt zwi­schen Kanzel und Kasernenhof
Der Ton schwankt zwi­schen Kanzel und Kasernenhof bezie­hungs­wei­se zwi­schen Predigt und Anschiss. „Macht den Laden zu, ihr Deppen“, rief Jan Böhmermann Anfang des Monats, wobei ich mich unwill­kür­lich frag­te, wer denn die Deppen sind. Vermutlich Politiker, die nicht gleich spu­ren, wenn ein ZDF-Moderator, den sie in den Feuilleton-Etagen auf Händen tra­gen, die Sofort-Stilllegung des Landes ver­langt. Selbst beson­ne­ne Zeitgenossen gera­ten plötz­lich in Rage. „Lockdown jetzt“, schrie der sanf­te Kollege von der „Zeit“ auf Twitter, um dann Verwünschungen gegen die „Egoisten“ fol­gen zu las­sen, die das Gemeinwohl gefährden.

Ich wer­de stör­risch, wenn man mich anschreit…«

13 Antworten auf „"Eigenartige Lust am Lockdown"“

  1. Das stimmt leider.
    Ich lei­de soeben an einem schlech­ten Gewissen, Schuldgefühlen und Angst vor Anschiss, weil ich mich wage mit dem Auto zu mei­nen Kindern zu fah­ren und dann auch noch als Übernachtungsgast. Bitte sagen Sie es nicht weiter!

  2. Der Lock Down ist doch nie­man­dem wirk­lich zu ver­mit­teln, der sich SELBST ein­mal in sei­nem Umfeld umschaut. Eine gefähr­li­che Epidemie wäre über­all sicht­bar. Darauf wer­den die jetzt von den Medien Verängstigten noch kommen.

    1. Nein. Egal wel­che Alterskohorte, egal ob Uni-Abschluß oder nicht. Es steht schließ­lich in der Zeitung/Nachrichten-App, und in Radio+TV hört man es den gan­zen Tag. Und wenn die Bilder aus dem Archiv oder von anders­wo sind: Hauptsache schlimm.

  3. Der Witz ist doch eigentlch dass wir gar kei­nen Lockdown haben. Wir nen­nen das nur so. Die Chinesen haben das in Wuhan gezeigt, auf ande­re Weise wur­de er in Neuseeland angewendet.
    In Wirklichkeit set­zen wir eine hirn­ris­si­ge, ver­lo­ge­ne, auto­ri­tär-ver­stüm­mel­te Version des schwe­di­schen Wegs um und nen­nen das ein­fach mal so „Lockdown“.
    Hauptsache die nor­ma­le Arbeit geht wei­ter. Auch wenn sie und der Weg dahin die Hauptquellen der Infektionen bei­steu­ert. Darf man nur nicht sagen. Dann wird man gemobbt.

  4. Die Passage "um Menschen zu schüt­zen, die sich selbst nicht schüt­zen kön­nen" ruft bei mir eine Passage aus dem Interview von Ugur Sahin (BioNTech) bei ARDextra vom 21.12.2020 in Erinnerung. Auf die Frage des Moderators, ob er sich als Entwickler wegen der Signalwirkung nicht selbst mit sei­nem Imfstoff imp­fen las­sen woll­te kam eine äußerst demas­kie­ren­de Antwort. Sinngemäß: das Unternehmen muß Millionen von Impfdosen lie­fern, da kann man es sich nicht lei­sten, daß Mitarbeiter aus­fal­len. Das muß man rich­tig auf der Zunge zer­ge­hen las­sen, denn was bedeu­tet das in sei­ner Konsequenz: Biontech schätzt das Risiko, an sei­nem Impfstoff "drauf­zu­ge­hen" höher ein, als Corona zu erliegen!

    1. @Iwan B.
      Das kann man hier nachlesen:
      "SWR: Sie selbst haben sich noch nicht geimpft. Wäre das nicht ein star­kes Signal an die, die jetzt noch zögern, die noch nicht so ganz bereit sind, sich imp­fen zu las­sen, wenn Sie sich sel­ber imp­fen wür­den – so nach dem Motto: Schaut her, ich der Entwickler bin bereit, mich selbst zu imp­fen. Damit könnt ihr alle sehen, wie sehr ich mei­ner Entwicklung vertraue.

      Sahin: Ich möch­te mich natür­lich lie­bend ger­ne imp­fen las­sen. Wir müs­sen ein­fach sehen, dass wir die recht­li­chen Grundlagen dabei befol­gen. Es ist für uns als Unternehmen wich­tig, unse­re Mitarbeiter zu schüt­zen. Wir wer­den in den näch­sten zwölf Monaten über 1,3 Milliarden Impfstoffdosen her­stel­len müs­sen. Es ist wich­tig, dass da kei­ne Mitarbeiter aus­fal­len und dem­entspre­chend den­ken wir dar­über nach, dass wir die Möglichkeit fin­den, die recht­lich uns erlaubt, unse­re Mitarbeiter zu schüt­zen. Aber das ist momen­tan noch in der Abklärung."
      https://​www​.swr​.de/​s​w​r​a​k​t​u​e​l​l​/​r​h​e​i​n​l​a​n​d​-​p​f​a​l​z​/​m​a​i​n​z​/​i​n​t​e​r​v​i​e​w​-​u​g​u​r​-​s​a​h​i​n​-​b​i​o​n​t​e​c​h​-​c​o​r​o​n​a​-​i​m​p​f​s​t​o​f​f​-​e​u​-​z​u​l​a​s​s​u​n​g​-​1​0​0​.​h​tml

      Das kann man so oder SO verstehen …

    2. wei­te­re Anmerkung:
      Ist m.E. auch kein Zufall, dass es sol­che ein­zi­gen Startups sind, die das ent­wickeln "dür­fen". Wenn was schief geht und sich nicht ver­heim­li­chen lässt, wer­den die schuld sein, und die Börsenblase um Sahin schmilzt wie Schnee in der Sonne … wo nichts ist, kann man dann "ger­ne" Schadenersatz gel­tend machen … das glei­che Spiel wie bei den Impfärzten, die für die "Aufklärung" allei­ne haf­ten sol­len. Kapital und Politik wis­sen, wie man für sich selbst Risiken mini­miert … eigent­lich ist in dem Gefolge auch Drosten zu sehen: letzt­lich ein Bauernopfer am Ende, wenns schief geht.

    3. gut beob­ach­tet!

      Herr Wodarg hat auf die­sen Missstand ja auch schon mit Zahlen hin­ge­deu­ted (ohne mortalitaet).

      Sagen wir es mal so, wenn die Gesamtmortalitaet den Heutigen Massnahmen und Panik ent­sprae­chen (also so 10–20x mal hoe­her als nor­mal), dann wuer­de ich mal ueber eine Impfung nachdenken.
      Doch sogar unter­halb einer Grippe (2018) ist das ja nur Unsinn.

  5. Man kann mei­nen, es gab und gibt ein­fach eine natür­li­chen Tode mehr, wenn ein Mensch ein gewis­ses Alter hat. Hat man in der Vergangenheit auch jeden >85-Jährigen auf _die_ zum Tod füh­ren­de Krankheit hin unter­sucht? Auch in der Vor-Corona-Zeit war oft von einer Lungenentzündung die Rede, wenn ein Hochbetagter aus­ge­haucht hat. Dass die Lunge die unmit­tel­ba­re Schnittstelle zur Umgebungsluft ist und bei einem Menschen am Ende des Lebens auch nicht mehr so gut belüf­tet ist, Herz-/Kreislauf schwä­cheln und das Immunsystem kaum noch wirk­sam ist, ist doch nicht erst mit C19 bekannt geworden. 

    Hat sich nicht sogar im Frühjahr die Leopoldina gegen geson­der­te Schutzmaßnahmen der vul­ner­ablen Personengruppen aus­ge­spro­chen? Man gab vor, die­se Personen sonst aus­zu­gren­zen und hat statt­des­sen zur pau­scha­len Sippenhaft für die gesam­te Bevölkerung gera­ten, die die Regierung ja auch letzt­end­lich befoh­len hat.

    Wenn ein Virologe nur in sei­nen Laboren sitzt, kein nor­ma­les Privatleben mit Freizeitaktivitäten kennt und noch nie am gesell­schaft­li­chen Leben teil­ge­nom­men hat, ist er sich offen­bar auch nicht der Bedeutung und Tragweite sol­cher Empfehlungen bewußt, die die Regierung ja dann direkt in Verordnungen über­führt und inner­halb von Stunden durchdrückt.

    1. Jas, aber inzwi­schen hat man zuneh­mend das Gefühl, die "Wissenschaft" weiß recht genau, wel­che Art von Empfehlungen die Regierung sich wünscht. Man muss halt nur immer die rich­ti­ge "Wissenschaft" um Rat bit­ten, dann klappt das. auch.

  6. "Wer kann aus­schlie­ßen, dass er mit sei­nem Auto einen Unfall ver­ur­sacht? Mehr als 3000 Menschen kom­men jedes Jahr im Straßenverkehr ums Leben, 380.000 wer­den ver­letzt. Da hilft auch der Umstieg auf ein Elektroauto nichts. Nach Corona gehen wir nur noch zu Fuß."

    Genau das. Mich kotzt die­se Doppelmoral, nicht nur in die­ser Hinsicht, bei den Leuten an, die mei­nen, jedes Leben zählt.
    Keiner von die­sen Leuten ist nur zu Fuß mobil; nicht frü­her, nicht jetzt, und auch nicht zukünftig.
    Ebenfalls sind nur die Covid-Toden wich­tig. Dass tau­sen­de Menschen täg­lich den Hungertod ster­ben, ist egal. Davon bekomm ich ja nichts mit.
    Wieso soll ich mir Fair pro­du­zier­te Kleidung kau­fen? Meine Kinder müs­sen ja nicht die 1 Euro T‑Shirts und die 5 Euro Jeans nähen in men­schen­ver­ach­ten­der Weiße nähen. Und ich lebe dort nicht, wo des­halb die Umwelt mas­siv zer­stört wird.
    usw…
    Wie gesagt, ich könn­te kot­zen bei die­ser Doppelmoral.

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