Ein Computerprozessor aus Gehirnzellen

Wäre die­se dpa-Mel­dung auf mei­nem Mist gewach­sen, hät­te ich mit Sicher­heit die Fak­ten­che­cker auf dem Hals, die mir Ver­schwö­rungs­theo­rie bewei­sen woll­ten. Am 3.3.23 wird ver­brei­tet, zitiert nach zeit​.de:

»Es klingt nach einem Sci­ence-Fic­tion-Film: ein «Bio­com­pu­ter», der von mensch­li­chen Gehirn­zel­len ange­trie­ben wird. Tat­säch­lich hat ein For­scher­team im Fach­blatt «Fron­tiers in Sci­ence» einen Fahr­plan vor­ge­stellt, mit dem die­ses Sze­na­rio in eini­gen Jahr­zehn­ten Rea­li­tät wer­den könnte.

Die Autoren skiz­zie­ren dar­in die Ent­wick­lung einer «orga­no­iden Intel­li­genz» (OI), die nicht nur leis­tungs­stär­ke­re und spar­sa­me­re Com­pu­ter mög­lich machen, son­dern auch die Ent­wick­lung von Medi­ka­men­ten vor­an­brin­gen könn­te. Grund­la­ge sind Hirn­or­ga­no­ide – im Labor aus mensch­li­chen Zel­len gezüch­te­te Gewe­be­struk­tu­ren, die für bestimm­te Hirn­re­gio­nen typisch sind.

Bei der KI geht es darum, Computer gehirnähnlicher zu machen

Bei allen beein­dru­cken­den Fort­schrit­ten, die Com­pu­ter­tech­no­lo­gien und hier vor allem die künst­li­che Intel­li­genz (KI) in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten erreicht haben, gilt das mensch­li­che Gehirn mit Blick auf sei­ne Lern- und Erin­ne­rungs­fä­hig­kei­ten immer noch als unüber­trof­fen. Eine neue Art bio­lo­gi­sche Com­pu­ter­sys­te­me könn­te die Gren­zen aller­dings ver­schie­ben. Denn ging es bis­her vor allem bei der KI dar­um, Com­pu­ter gehirn­ähn­li­cher zu machen, sol­len nun die Hirn­or­ga­no­ide com­pu­ter­ähn­li­cher werden.

Team­lei­ter Tho­mas Har­tung von der Johns Hop­kins Uni­ver­si­tät sieht drei zen­tra­le Ein­satz­be­rei­che für orga­no­ide Intel­li­genz: Sie könn­te dabei hel­fen, die Funk­ti­on des Gehirns bes­ser zu ver­ste­hen. Zudem könn­te sie die Ent­wick­lung von Medi­ka­men­ten etwa gegen neu­ro­de­ge­nera­ti­ve Erkran­kun­gen wie Demenz revo­lu­tio­nie­ren. Und schließ­lich könn­te sie die Com­pu­ter­tech­no­lo­gie umwälzen.

Laut Har­tung kön­nen Com­pu­ter Daten und Zah­len zwar grund­sätz­lich schnel­ler ver­ar­bei­ten als der Mensch. Die­ser sei aber immer noch bes­ser, wenn es um kom­ple­xe logi­sche Pro­ble­me gehe. Zudem kön­ne sich ein ein­zel­nes Neu­ron im Gehirn mit bis zu 10.000 ande­ren Ner­ven­zel­len ver­bin­den, was eine ganz ande­re Art der Infor­ma­ti­ons­ver­ar­bei­tung und ‑spei­che­rung sei, so der Wissenschaftler.

Forscher nutzen Zellen aus menschlichen Hautproben

Wie die bio­lo­gi­sche Hard­ware aus­se­hen könn­te, ver­an­schau­licht das Team mit Illus­tra­tio­nen: Eine davon zeigt einen Zell­klum­pen – das Orga­no­id – der in einer Scha­le mit Flüs­sig­keit schwimmt und mit win­zi­gen Röhr­chen nach außen ver­bun­den ist.

Für sol­che Orga­no­ide nut­zen die For­scher Zel­len aus mensch­li­chen Haut­pro­ben, die zunächst in einen stamm­zel­len­ähn­li­chen Zustand trans­for­miert und dann dazu gebracht wer­den, sich zu Hirn­zel­len zu ent­wi­ckeln. Jedes der so ent­stan­de­nen drei­di­men­sio­na­len Hirn­or­ga­no­ide ent­hält etwa 50.000 Zel­len, was für die ange­streb­ten Bio­com­pu­ter noch zu wenig sei: «Um anspruchs­vol­le Berech­nun­gen zu unter­stüt­zen, wol­len wir die­se Zahl auf zehn Mil­lio­nen erhö­hen», schreibt das Team.

Das in der Illus­tra­ti­on abge­bil­de­te Sys­tem aus Röhr­chen und Flüs­sig­keit dient den Orga­no­iden: Sie erhal­ten dar­über Sau­er­stoff, Nähr­stof­fe und Wachs­tums­fak­to­ren, wäh­rend Abfall­stof­fe besei­tigt wer­den. Zudem beschrei­ben die For­scher Tech­no­lo­gien, die es erlau­ben, den Zel­len Infor­ma­tio­nen zu sen­den und aus­zu­le­sen, was sie «den­ken». Die Autoren pla­nen, Werk­zeu­ge aus ver­schie­de­nen Dis­zi­pli­nen wie Bio­en­gi­nee­ring und maschi­nel­les Ler­nen zu adap­tie­ren sowie neue Sti­mu­la­ti­ons- und Auf­zeich­nungs­ge­rä­te zu entwickeln.

«Wir haben eine Gehirn-Computer-Schnittstelle entwickelt»

Har­tung erläu­tert dazu: «Wir haben eine Gehirn-Com­pu­ter-Schnitt­stel­le ent­wi­ckelt, eine Art EEG-Kap­pe für Orga­no­ide, die wir in einem im August ver­öf­fent­lich­ten Arti­kel vor­ge­stellt haben. Es han­delt sich um eine fle­xi­ble Hül­le, die dicht mit win­zi­gen Elek­tro­den bedeckt ist, die sowohl Signa­le vom Orga­no­iden auf­neh­men als auch an ihn wei­ter­lei­ten können.»

Dass OI grund­sätz­lich mach­bar ist, hät­ten frü­he­re Arbei­ten bereits belegt, so Har­tung, der kon­kret eine Stu­die sei­nes Mit­au­tors Brett Kagan (Cor­ti­cal Labs in Mel­bourne) nennt. Des­sen Team hat­te 2022 gezeigt, dass es mög­lich ist, Gehirn­zell­kul­tu­ren das Video­spiel «Pong» bei­zu­brin­gen, bei dem ein Punkt auf dem Bild­schirm ähn­lich wie beim Ten­nis hin und her geschla­gen wird.

Es könn­te laut Har­tung zwar noch Jahr­zehn­te dau­ern, bis die orga­no­ide Intel­li­genz ein Sys­tem antrei­ben kann, das so intel­li­gent ist wie eine Maus. Doch schon jetzt ste­hen kom­ple­xe ethi­sche Fra­gen im Raum. Könn­ten Hirn­or­ga­no­ide etwa Leid füh­len oder gar ein Bewusst­sein ent­wi­ckeln? Und wel­che Rech­te hät­ten die Spen­der der Haut­zel­len? Um die­sen Unsi­cher­hei­ten zu begeg­nen, schla­gen die Autoren vor, den For­schungs­pro­zess kon­ti­nu­ier­lich von einem Team aus Ethi­kern, For­schern und Mit­glie­dern der Öffent­lich­keit beglei­ten zu las­sen, das gemein­sam ent­spre­chen­de Fra­gen iden­ti­fi­ziert, dis­ku­tiert und beantwortet.

Sorge vor der Überschreitung ethisch formulierter Handlungsgrenzen

Tat­säch­lich beschäf­tig­te sich eine Stel­lung­nah­me der Natio­na­len Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten Leo­pol­di­na schon 2022 mit den Hirn­or­ga­no­iden, die mit den gegen­wär­ti­gen Mög­lich­kei­ten der­zeit maxi­mal die Grö­ße einer Erb­se errei­chen könn­ten. Die Leo­pol­di­na-Autoren stell­ten fest: «Die Her­stel­lung und Befor­schung die­ser neu­ar­ti­gen Enti­tä­ten kann leicht Unbe­ha­gen und Sor­ge vor der Über­schrei­tung ethisch for­mu­lier­ter Hand­lungs­gren­zen wach­ru­fen, geht es doch um sol­che Zell­ver­bän­de, die das bio­lo­gi­sche Sub­strat des mensch­li­chen Geis­tes bil­den und auf höchst künst­li­che Wei­se instru­men­ta­li­siert wer­den.» Auf abseh­ba­re Zeit sei jedoch nicht zu erwar­ten, dass die­se Schmerz­emp­fin­den oder ande­re, auch nur rudi­men­tä­re Bewusst­seins­zu­stän­de ent­wi­ckeln könnten.

«Zugleich ist die Hirn­or­ga­noid­for­schung aber ein For­schungs­feld mit einer hohen Dyna­mik, in dem in den ver­gan­ge­nen Jah­ren sub­stan­zi­el­le Fort­schrit­te gelun­gen und wei­te­re für die Zukunft zu erwar­ten sind», heißt es wei­ter. Dann könn­ten mög­li­cher­wei­se Regu­lie­run­gen durch eine spe­zi­el­le Ethik­kom­mis­si­on nötig wer­den.«

16 Antworten auf „Ein Computerprozessor aus Gehirnzellen“

  1. Jetzt wer­den auch Apfel­jün­ger glück­lich mit ihren Zer­ti­fi­ka­te und kön­nen sich stolz über­all kon­trol­lie­ren lassen.

    https://web.archive.org/web/20230303155302/https://appleinsider.com/inside/apple-wallet/tips/how-to-add-your-covid-vaccination-card-to-apple-wallet
    (3.3.2023)

    und

    Man­gel­haf­te Trans­pa­renz bei der Ver­bre­cher­or­ga­ni­sa­ti­on WHO und dem Regime der USA ist ein Grund für alle Ver­ant­wort­li­chen mal so rich­tig frus­triert zu spielen.

    https://web.archive.org/web/20230304014419/https://arstechnica.com/science/2023/03/who-deeply-frustrated-by-lack-of-us-transparency-on-covid-origin-data/
    (3.3.2023)

    PS: ars​tech​ni​ca​.com ist so etwas wie bei uns bspw. hei​se​.de. Die kann man nur mit der lan­gen Kneif­zan­ge öffnen.

  2. Die Schnitt­stel­le ist der Eis­pi­ckel im Auge. Und mor­gen erklärt Ihnen Wis­sen 48 wie Sie einen Eimer Was­ser aus­kip­pen ohne ihn auszutrinken.

  3. Der Mensch scheint mir eine sehr lus­ti­ge Spe­zi­es zu sein. Noch bevor er lernt mit sei­nem Gehirn umzu­ge­hen, sourct er es out!

  4. ARTE-Doku zur neu­zeit­li­chen Geschich­te der Wis­sen­schaft. Unser "Coro­na-Pro­blem" besteht aus mehr als nur dem Dritt­mit­tel- oder Profitstreben.

    https://​www​.you​tube​.com/​w​a​t​c​h​?​v​=​e​R​c​N​W​C​S​h​JR4
    Quel­le you​tube​.de

    [auch auf die Gefahr hin, wenn dadurch ste­reo­ty­pe Vor­ein­ge­nom­men­heit des Ein oder Ande­ren Ver­blen­de­ten (Pseudo-?)"Linken" Über­le­gen­heits­men­schen genährt wer­den könnte]

    Was ler­nen wir aus der Geschich­te. Wie wir es "Bes­ser" machen ???

  5. "Denn ging es bis­her vor allem bei der KI dar­um, Com­pu­ter gehirn­ähn­li­cher zu machen, sol­len nun die Hirn­or­ga­no­ide com­pu­ter­ähn­li­cher werden."
    Ich fürch­te, das ist die nack­te Essenz des gan­zen Vor­ha­bens. Die Men­schen der Zukunft dür­fen dann "Pong" spielen.

  6. Die Ent­wick­lung einer "Mensch-Com­pu­ter-Schnitt­stel­le-auf-Basis-von-EEG" gibt es schon länger

    1999 ver­öf­fent­lich­te Bir­bau­mer in der Fach­zeit­schrift Natu­re den Brief eines Pati­en­ten, den die­ser per BCI geschrie­ben hatte.
    https://​www​.das​ge​hirn​.info/​e​n​t​d​e​c​k​e​n​/​b​r​a​i​n​-​c​o​m​p​u​t​e​r​-​i​n​t​e​r​f​a​c​e​/​k​o​m​m​u​n​i​k​a​t​i​o​n​-​b​a​d​e​k​a​ppe

    Es ist eine Mög­lich­keit mit der gelähm­te Men­schen mit der Umwelt kom­mu­ni­zie­ren kön­nen oder oder auch Neu­ro­pro­the­sen steu­ern kön­nen. Die Mög­lich­keit Spra­che umzu­set­zen ist dabei recht lang­sam da jeder Buch­sta­be ein­zeln "gedacht" wer­den muß. Zwar muß heut­zu­ta­ge nicht mehr 20 sekun­den gewar­tet wer­den bis der Com­pu­ter den Buch­sta­ben "erkannt" hat, aber mehr als eini­ge Buch­sta­ben pro Minu­te wer­den doch nicht erreicht. Das Sys­tem kommt an Grenzen … 

    Und des­halb wer­den inva­si­ve Ver­fah­ren wie der berühm­te Chip im Gehirn als Fort­ent­wick­lung favo­ri­siert werden

    Bei kom­ple­xe­ren Auf­ga­ben stößt die Tech­nik an ihre Gren­zen. So las­sen sich etwa Pro­the­sen nicht so ein­fach steu­ern. Anders die inva­si­ven Metho­den: Hier kön­nen mit immer fei­ne­ren Mess­füh­lern immer mehr Daten aus dem Gehirn abge­lei­tet wer­den. Nico­le­lis ver­fügt der­zeit über Mes­s­chips mit 2.000 Elek­tro­den, er arbei­tet an sol­chen mit 20.000. Für die Steue­rung eines Ganz­kör­per-​Exo­ske­letts bräuch­te es, so ver­mu­tet er, 50.000 Elektroden.

    Die medi­zi­ni­schen Risi­ken des Sys­tems lie­gen auf der Hand: Eine Hirn-​OP ist not­wen­dig; das ist ein mas­si­ver Ein­griff. Es kann zu Hirn­blu­tun­gen kom­men, Infek­tio­nen im Gehirn dro­hen. Für die der­zeit gän­gi­gen Tech­ni­ken braucht man zudem ein Kabel, das die Daten aus dem Chip im Hirn nach außen lei­tet. Durch das dau­er­haft offe­ne Loch im Schä­del könn­ten wei­te­re Kom­pli­ka­tio­nen folgen.

    Zumin­dest letz­te­res Risi­ko dürf­te in den Griff zu bekom­men sein: Die For­scher, unter ande­rem auch das Team von Nico­le­lis, ent­wi­ckeln Tech­ni­ken, um die Daten per Funk vom Chip durch die Schä­del­de­cke hin­durch zum Com­pu­ter zu transportieren.
    https://​www​.das​ge​hirn​.info/​e​n​t​d​e​c​k​e​n​/​b​r​a​i​n​-​c​o​m​p​u​t​e​r​-​i​n​t​e​r​f​a​c​e​/​d​e​r​-​c​h​i​p​-​i​m​-​g​e​h​irn

  7. Viel­leicht ist das erbs­gro­ße Gehirn ja schon viel­fach Rea­li­tät? Viel­leicht wäre es tat­säch­lich Zeit für einen gro­ßen Reset der Mensch­heit, so auf den Zustand Adam und Eva? Fra­gen über Fragen.

  8. Ich moch­te die Figur des "Data" in Raum­schiff Enter­pri­se eigent­lich ganz gern (obwohl ich Spock bevor­zug­te, weil echt). Der Zau­ber der Sci­ence Fic­tion weicht immer mehr der Sor­ge, es hier nicht mit Erleich­te­rung und Schö­nem zu tun zu bekom­men, son­dern mit Unter­drü­ckungs­funk­tio­nen und Men­schen­ver­ach­tung. Die­se gan­ze Trans­hu­ma­nis­ten­num­mer wird immer kla­rer erkenn­bar als rei­ne Hybris, als das Ende jeg­li­cher Spi­ri­tua­li­tät. Habe ein sehr gutes Buch dazu zu emp­feh­len, "Nemitz/Pfeffer, Prin­zip Mensch". Wo kommt die Mensch­heit hin, wenn sie nur noch weiß, aber nicht mehr glaubt, hofft? Da soll der Tod über­wun­den wer­den ( vgl. Cali­co,https://​www​.cali​colabs​.com/​m​i​s​s​i​o​n​-​a​n​d​-​v​a​l​ues) und Goog­le ist der Inves­tor. Slave to the algorithm…
    Ich bin sehr sehr skep­tisch, was die­se Ent­wick­lung betrifft, hal­te es für brand­ge­fähr­lich. Apro­pos, Feu­er wärmt,Feuer zer­stört. Wer­den wir als Men­schen mit die­sem neu­en Feu­er umge­hen kön­nen? Oder verbrennen?

  9. Ein wenig Spaß mit COVID gefällig?

    COVID-Killer

    Beschreibung bei Steam:
    This game may contain content not appropriate for all ages,
    or may not be appropriate for viewing at work.

    Spieler haben dieses Spiel als "Realistic" gekennzeichnet.
    https://store.steampowered.com/agecheck/app/1917020/

    Weiter geht es nach der "Altersüberprüfung" bei Steam mit:

    About This Game
    Covid killer is a first person shooter-survival game in real time (3D UE4).

    Background
    Covid19 is in the pandemic stage since 2020. You must act to prevent the spread of the virus.
    Medicine has found the vaccine, science has found the cure: Miniaturizing a soldier and introducing it into a patient's body to prevent the virus from entering his airways.
    Your mission is to prevent the Covid from infecting you or your patient.
    You play as a soldier, who must inject a new vaccine directly into the Covid viruses that will appear during missions. [...]

    https://store.steampowered.com/app/1917020/COVID_KILLER/
    4.12.2022

    Die Webseite des Spieleentwicklers ist (auch) kaputt.

    PS: Das ist ein Computerspiel.

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