"Eine Front liegt direkt vor unserer Haustür." Die Gesellschaft darf nicht wegen Querdenkern "ausbluten"

Ein sich "Redakteur Kultur/Gesellschaft" nen­nen­der Hannes Soltau will in einem "Essay" auf plus​.tages​spie​gel​.de am 2.5. den Krieg ins eige­ne Land tra­gen. Unter der Überschrift "Russland ist nicht die größ­te Gefahr : Warum der Westen droht, sich selbst zu zer­stö­ren" liest man:

»Die Vorsehung scheint schon im Namen ange­legt zu sein. Die ety­mo­lo­gi­sche Deutung des Begriffs „Ukraine“ geht auf das altost­sla­wi­sche Wort „ukrai­na“ zurück und bedeu­tet „Grenzgebiet“ oder „Militärgrenze“. Damit bezeich­ne­ten die Menschen im Mittelalter die Region im Übergang zur Steppe, die die geo­gra­fi­sche Trennung zwi­schen der sess­haf­ten Zivilisation und den „wil­den“ Reiternomaden bil­de­te. Heute zieht sich durch das Land wie­der eine Demarkationslinie, dies­mal zwi­schen Liberalismus und Autokratie, Humanität und Barbarei.«

Es gibt hin­rei­chend Belege für unde­mo­kra­ti­sche und auto­kra­ti­sche Strukturen in Rußland, und auch Putin schmust ger­ne mit Rechtsradikalen. Es zeugt aber von einer nicht zu über­se­hen­den Traditionslinie von den Nazis zu Herrn Soltau, ein gan­zes Land als Hort der Barbaren (aka Untermenschen) dar­zu­stel­len. Genau die­se maka­bre Solidarität der Nachfahren jener, die ukrai­ni­sche SS-Truppen gegen die "jüdisch-bol­sche­wi­sti­sche Gefahr" rekru­tier­ten, ist es, die so vie­le Menschen davon abhält, in die ein­sei­ti­ge Schuldzuweisung im heu­ti­gen Konflikt ein­zu­stim­men. Dabei sind die "Liberalismus!" und "Humanität!" Rufenden auch jene, die die Einbindung neo­fa­schi­sti­scher Militärverbände in die heu­ti­ge ukrai­ni­sche Armee ver­harm­lo­sen und an der Heldenverehrung der Nazikollaborateure, übri­gens auch im Baltikum, nichts aus­zu­set­zen haben.

Doch Soltau geht noch wei­ter. In das Barbarenlager gehö­ren nach ihm auch jene Menschen im eige­nen Land, die gewis­se Parallelen zur Beschreibung Putins erkennen:

»Immer unver­hoh­le­ner geht der rus­si­sche Diktator seit Jahren gegen jene vor, die für Freiheits- und Menschenrechte ein­tra­ten. Demokratiebewegungen und Nichtregierungsorganisationen dif­fa­miert er als Werkzeug west­li­cher Agenten.

Putin fürch­tet das, was in sei­nen Augen die Dekadenz des Westens aus­macht: Individualismus…«

Antisemitismus…

Geradezu absurd ist der letz­te Satz. Das Beschwören der natio­na­len Solidarität im Kampf gegen das Virus und die Stigmatisierung jeg­li­cher Zweifel als ego­istisch und eben indi­vi­dua­li­stisch könn­te in Rußland nicht aus­ge­präg­ter sein. Ist Soltau wirk­lich so beschränkt, nicht zu bemer­ken, daß er genau die Putin zuge­schrie­be­ne Argumentation ver­folgt, wenn er schreibt:

»Die asym­me­tri­sche Offenheit des Westens in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft erleich­ter­te es, dass die rus­si­schen Informationskrieger auch in libe­ra­len Gesellschaften ihre anti­de­mo­kra­ti­schen Giftköder aus­le­gen konnten.«

Während er gewiß davon über­zeugt ist, daß "Corona-Leugner" anti­se­mi­tisch gestrickt sind, nutzt er hier die uralte anti­se­mi­ti­sche Figur der Vergiftung.

Er ver­weist auf einen unent­behr­li­chen Experten und "Direktor des Kompetenzzentrums für Rechtsextremismus- und Demokratieforschung an der Universität Leipzig", für den nicht etwa fort­schrei­ten­de Entrechtung und Enteignung den Alltag vie­ler Menschen prä­gen, son­dern ledig­lich dif­fu­se Ängste:

»In vie­len west­li­chen Gesellschaften greift dar­um eine dif­fu­se Abstiegsangst um sich, füh­len sich wei­te Teile der Bevölkerung abge­wer­tet und abge­hängt.«

Damit ist Soltau bei sei­nem Kernpunkt:

»Von Pegida bis zu den Querdenkerprotesten war der Ruf nach dem rus­si­schen Machthaber zu hören. Mit ihm tei­len vie­le die Überzeugung, Verlierer der Geschichte zu sein, den Verlust von Bedeutung und Macht kom­pen­sie­ren zu müs­sen. Und den Wunsch, den ver­lo­re­nen Status wie­der­her­zu­stel­len oder sich zu rächen.«

… und Militarismus Hand in Hand

Da hilft nur das Militär:

»„Eine Europäische Union, die ihre gesell­schaft­li­che und poli­ti­sche Lebensform weder von außen desta­bi­li­sie­ren noch von innen aus­höh­len las­sen will, wird nur dann poli­tisch hand­lungs­fä­hig wer­den, wenn sie auch mili­tä­risch auf eige­nen Beinen ste­hen kann“, schrieb Jürgen Habermas gera­de in einem Gastbeitrag für die „Süddeutsche Zeitung“. „Macrons Wiederwahl mar­kiert eine Galgenfrist.“

Doch es geht um mehr als Waffen und Wehrhaftigkeit. Es ist eine Galgenfrist für die freie Gesellschaft selbst, die sich ihren Wundstellen zuwen­den muss, wenn sie nicht aus­blu­ten will. Denn nicht nur die Ukraine ist das Grenzgebiet zwi­schen Freiheit und Autoritarismus. Eine Front liegt direkt vor unse­rer Haustür.«

20 Antworten auf „"Eine Front liegt direkt vor unserer Haustür." Die Gesellschaft darf nicht wegen Querdenkern "ausbluten"“

  1. vor der haus­tür liegt die heimatfront.
    die zer­set­zung der hei­mat­front gefähr­det den endsieg.
    ruhe und ord­nung im inne­ren ist die paro­le für eine nati­on im krieg.

  2. Entweder Demokratie ist ein Wettbewerbsvorteil oder eben nicht.

    Generell herscht hier­zu­lan­de ein gewis­ser Größenwahn. Der wur­de lei­der mit dem Faschismus nicht beerdigt.

    https://​www​.welt​.de/​p​o​l​i​t​i​k​/​a​u​s​l​a​n​d​/​a​r​t​i​c​l​e​1​4​8​2​1​0​7​2​9​/​C​h​i​n​a​-​b​r​a​u​c​h​t​-​M​e​r​k​e​l​-​m​e​h​r​-​a​l​s​-​M​e​r​k​e​l​-​C​h​i​n​a​.​h​tml
    "China braucht Merkel mehr, als Merkel China"

    Im Fall von Russland – Mathias Brökers hat da die pas­sen­de Karte.
    So von wegen in Erdkunde geschlafen
    https://i0.wp.com/www.broeckers.com/Wordpress/wp-content/uploads/2022/04/Erdkunde1.png?resize=700%2C385&ssl=1

    Es ist völ­li­ger Irrsinn. Militärisch haben wir kei­ne Chance. Die USA gegen China und Russland auch nicht. Die ein­zi­ge Lösung für das Überleben ist nett, freund­lich und ver­träg­lich zu sein.

    Ich betrach­te den Covid-Wahn inzwi­schen als Kriegsvorbereitung. Oder als Versuch, einen Krieg wegen der not­wen­di­gen Vernichtung von Vermögenswerten zu ersetzen.

    1. "China braucht Merkel mehr, als Merkel China"
      so was nennt man dann wohl, post­ko­lo­nia­le Arroganz…
      und was Sie über den Covid Wahn sagen, mei­ne erste Inutition war dazu, hier wird ein Krieg vor­be­rei­tet, Covid ist der Test für die dafür not­wen­di­ge Gleichschaltung und Propaganda.
      Europa hat den Test wei­test­ge­hend bestan­den, also kann es los gehen.…das ist von lan­ger Hand geplant und kann die "ab 5,45 Uhr wird zurück geschos­sen" Komponente kaum verschleiern.

  3. Der Artikel beginnt schon mit einer Lüge und Verdrehung. Die muß er kon­stru­ie­ren, um sein West-Gegen-Ost-Märchen erzäh­len zu kön­nen. Die Ukraine im ety­mo­lo­gi­schen Sinne war zwar eine Grenze zur Steppe und gegen die räu­be­ri­schen Steppennomaden, aber eine Grenze des alt­rus­si­schen Staates. Als bedroh­te Zivilisation wur­de also hier der alt­rus­si­sche Staat gese­hen. Wird ein­fach umge­dreht. Hier wird wie­der ein­mal deut­lich, dass die aktu­el­le Propaganda nicht ein­fach von der Lüge lebt, son­dern von der Verkehrung oder Umkehrung. Das hat den Vorteil, dass der bis­he­ri­ge seman­ti­sche Raum wei­ter genutzt wer­den kann. Er ist damit aber rand­voll, weil er alles und sein Gegenteil ent­hält, und damit völ­lig sta­tisch. Bewußtseinsvorgänge fin­den dann kaum noch statt. Andererseits spricht unter die­sen Umständen jede Lüge impli­zit die Wahrheit aus. Wie es auch in der Überschrift des Artikels deut­lich wird.

  4. Man fragt sich doch wirk­lich: Aus wel­chem Loch kriecht die­ser Ungeist im Gewande des Antichristen? Er trägt das Banner mora­li­scher Hochwertigkeit noch immer unver­än­dert vor sich her: Aber alles wird ins Gegenteil ver­kehrt. Macron als Heilsbringer, Zwang als Freiheit, per­ver­tier­te Dualismen, wohin das Auge blickt … das ist eine dia­bo­li­sche Logik! Kraus‘ „Letzte Tage“ und Werfels „Stern der Ungeborenen“ kön­nen das nicht besser!

  5. Selig sind die Sanftmütigen; denn sie wer­den das Erdreich besit­zen. Selig sind, die da hun­gert und dür­stet nach der Gerechtigkeit; denn sie sol­len satt wer­den. Selig sind die Barmherzigen; denn sie wer­den Barmherzigkeit erlan­gen. Selig sind, die rei­nen Herzens sind; denn sie wer­den Gott schau­en. Selig sind, die Frieden stif­ten; denn sie wer­den Gottes Kinder hei­ßen. Matthäus 5,5–9

    **************************************************

    Canon in D (Pachelbel) @Per-Olov Kindgren guitar

    https://​www​.you​tube​.com/​w​a​t​c​h​?​v​=​j​X​C​9​t​u​u​m​jiA

    1. @ Info:
      Mit Gottesschau hab ich's nun so gar nicht.
      Und auch nicht mit Gotteskindschaft.

      Doch Vieles in der Bibel – die­sem Sammelsurium von Zeugnissen der mensch­li­chen Gattung – ent­hält das Beste die­ser Gattung, ein paar Beispiele in den von Dir zitier­ten Matthäus-Versen.

      Aber die­se Pachelbel-Einspielung da nur so mit einer zar­ten Gitarre – die hat mich erwischt, bekom­men, jeden­falls hat sie mich.
      (Ich set­ze hier bewusst – weil die­ser Kanon so kom­plett irre ist und ein Lebensthema – die­se Einspielung mit allem Brimmborium dazu: https://​www​.you​tube​.com/​w​a​t​c​h​?​v​=​P​k​S​p​8​w​c​8​lKw)

      ___________

      Und ich frag mal dezent anläss­lich die­ses neu­er­li­chen und die Unerträglichkeit [sic! Und mer­ke: Von "Erträglichkeit" kann beim tsp schon längst nicht mehr die Rede sein] end­gül­tig hin­ter sich gelas­sen haben­den tsp-Dings in die Runde:

      Kennt das jemand hier?
      Diese bis ins Mark hin­ein rei­chen­de Müdigkeit. Die einen mit nur noch immer grö­ße­rer Mühe aus dem Bett kom­men lässt. Die einen mit nur noch immer grö­ße­rer Mühe die Demo pla­nen, durch­füh­ren, lau­fen lässt. Die einen mit nur noch immer grö­ße­rer Mühe all die ande­re Widerstandsarbeit tun lässt.

      Gewiss kennt Ihr das. – Also for­mu­lie­re ich mei­ne Frage anders: Wie geht Ihr damit um?

      (Ich merk­te beim Lesen von Arturs Zusammenschnitt die­ses tsp-Dings: Ich kann mir nicht mer­ken, was im vori­gen Satz stand.
      Also las ich den noch ein­mal. – Und wie­der konn­te ich ihn mir nicht mer­ken, als ich dann wei­ter­zu­le­sen versuchte.
      Das hat mich jetzt gera­de ein wenig erschreckt.)

      1. "Gewiss kennt Ihr das. – Also for­mu­lie­re ich mei­ne Frage anders: Wie geht Ihr damit um?"

        Den Tag ein­fach lau­fen las­sen und mor­gen hat man wie­der mehr Schwung.
        Auf und ab.
        November bis Februar war grau­en­haft und trotz­dem lebe ich schein­bar immer noch.

  6. Hannes Soltau

    stu­di­ed Political Science, Peace and Conflict Studies and Philosophy in Marburg and a master’s pro­gram­me in “Cultures of Enlightenment” in Halle/Saale

    https://​www​.euro​pean​pres​spri​ze​.com/​l​a​u​r​e​a​t​e​/​h​a​n​n​e​s​-​s​o​l​t​au/

    stu­dier­te er Politikwissenschaft, Friedens- und Konfliktforschung und Philosophie in Marburg sowie den Masterstudiengang „Kulturen der Aufklärung“ in Halle/Saale

    https://​www​.bdzv​.de/​a​w​a​r​d​s​/​t​h​e​o​d​o​r​-​w​o​l​f​f​-​p​r​e​i​s​/​n​o​m​i​n​i​e​r​t​e​-​t​e​x​t​e​/​2​0​1​8​/​h​a​n​n​e​s​-​s​o​l​t​a​u​/​p​r​o​fil

  7. "In der Ukraine wer­den unse­re Wert verteidigt"

    so oder ähn­lich lau­tet die Begründung, kei­ne Waffe ist schwer genug…rhetorisch umso mehr.…

    So bekam ich ein beson­de­res Exempel im Deutschlandfunk am 1.Mai zu hören die Worte des letz­ten Beitrags, haben sich für den Rest des Tages ein­ge­brannt. Ich habe es mir noch mal angehört. 

    https://​www​.deutsch​land​funk​.de/​k​u​l​t​u​r​p​r​e​s​s​e​s​c​h​a​u​-​1​0​2​.​h​tml

    Der ein­zi­ge Trost : ich ver­mu­te, daß um die­se Zeit nur sehr weni­ge die­sen Sender einschalten…(warum tue ich mir das nur immer wie­der an?) 

    Apropos Werte und Demokratie: In der Ukraine sind alle Oppositionsparteien ver­bo­ten, alle Sender sind in einen Sender geflos­sen. Der ukrai­ni­sche Oppositionspolitiker Medwedschuk war im Hausarrest und ist soweit ich weiß ver­schwun­den. In einer Kleinstadt wur­de ein Bürgermeister ent­führt und dann erschos­sen mit­ten in der Stadt auf dem Marktplatz gefunden. 

    In der Ukraine war man flei­ßig dabei, digi­ta­le Identitäten einzuführen. 

    Der ukr. Botschafter wird kom­plett unre­flek­tiert ange­hört und zitiert…einer, der Faschisten verehrt.

    Und auch wenn ich nur wenig über die Realität in Russland weiß, so sit­zen in der Duma immer­hin Kommunisten.

    Mit die­sem Krieg geht eine uner­träg­li­che Geschichtsverdrehung ein her. Bei Corona wur­de das Verständnis von Gesundheit verdreht.

    1. Wenn es hier auch nur annä­hernd um die zitier­ten Werte geht und nicht um etwas ganz ande­res, dann wür­de man der Ukraine hel­fen und an die Regierung Bedingungen stellten.
      Aber genau das pas­siert nicht, so viel zur Glaubwürdigkeit.

  8. Der hat tat­säch­lich den Artikel gleich mit "Die Vorsehung…" begonnen.
    In Geschichte nicht auf­ge­passt? Da gab es doch Mal jemand, der sei­ne Taten damit begrün­de­te, daß die Vorsehung das so wollte…
    Ach ja, der woll­te auch gegen Russland kämpfen…
    Was bin ich froh, daß die Politik die Bundeswehr erfolg­reich demi­li­ta­ri­siert hat.
    Der Verein mar­schiert garan­tiert nicht wie­der in Russland ein…

    1. Heiße Luft geht auch anders­rum. Von wegen kaputtgespart…
      Die Bundesarmee wird dritt­stärk­ste mil­ti­är­i­sche Kraft, wenn die Aufrüstung umge­setzt wird, so ver­nahm ich neu­lich in einem Interview mit einem, der es sicher bes­ser weiß, als ich.

  9. Äh.…ich bin…(studierter Archäologe und Historiker) gerade…sprachlos…und ich glaube…vor Entsetzen.

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