Eine furchterregende Talkshow

So faßt ein Kommentar vom 14.1. auf welt​.de (Bezahlschranke) die Illner-Talkshow vom 13.1. zusam­men. Dort ist zu lesen:

»Von einer „furcht­erre­gen­den Dynamik“ der Omikron-Variante sprach die Virologin Melanie Brinkmann noch Ende November. Beängstigend lang war aber gestern Abend bei Maybrit Illner vor allem die Liste der intel­lek­tu­el­len Ausfälle. Eine Kritik…

Nun ist eine Talkshow kein Oberseminar, aber das ist trotz­dem ein Problem. Denn das Fehlen jeg­li­cher wis­sen­schaft­lich begrün­de­ter Argumentation bestimm­te die­se Sendung, die unter dem Titel “Welle oder Wende – ändert Omikron die Corona-Politik?” ange­kün­digt wor­den war. Es ging näm­lich nur um eine These: Unsere im Vergleich zu ande­ren Staaten zu nied­ri­ge Impfquote schrän­ke dem­nach unse­re Handlungsmöglichkeiten ein. Darin waren sich alle Gäste einig, was aus einer wis­sen­schaft­li­chen Perspektive erstaun­lich zu nen­nen ist.

Offenbar hat­te sich nie­mand mit den empi­ri­schen Grundlagen die­ses Vergleichs beschäf­tigt. So wur­de Spanien als Beispiel für eine hohe Impfquote genannt. Das Land hat­te am 12. Januar 2022 eine Quote von knapp 82 Prozent an voll­stän­dig geimpf­ten Bürgern aus­ge­wie­sen, Deutschland liegt dage­gen bei guten 72 Prozent, also auf einem mit vie­len Staaten ver­gleich­ba­rem Niveau…

Nun könn­te man in einem Unterhaltungsformat ohne jour­na­li­sti­schen Anspruch sol­che lästi­gen Fakten igno­rie­ren und ein­fach eine belang­lo­se Plauderstunde sen­den. Nur soll­te man dann nicht die stell­ver­tre­ten­de Vorsitzende des Expertenrats der Bundesregierung namens Melanie Brinkmann ein­la­den. Außerdem den baye­ri­schen Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU), die Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD), den Wissenschaftsjournalisten Ranga Yogeshwar und des­sen Kolleginnen Eva Quadbeck und Anne Arend…

Diese Runde argu­men­tier­te in einer Scheinwelt, die jeden Anspruch auf Ernsthaftigkeit ver­mis­sen ließ.

Dieses System kogni­ti­ver Dissonanz hat in Deutschland längst epi­de­mi­sche Ausmaße ange­nom­men. So warn­te Frau Brinkmann in einem Interview Anfang September vor dem Tod hun­der­ter Kinder und Jugendlicher in die­sem Winter, wenn „die nicht geimpf­ten Kinder und Jugendlichen durch­seucht würden.“

Für die­se Aussage gab es zu kei­nem Zeitpunkt eine wis­sen­schaft­li­che Evidenz. Frau Illner sprach eine der wich­tig­sten Beraterinnen der Bundesregierung auf sol­che gro­tes­ken Fehlleistungen nicht an. Stattdessen durf­te Frau Brinkmann Teilen unse­rer Ärzteschaft deren ver­meint­lich feh­len­de Begeisterung für das Impfen vor­wer­fen. Sie sprach dabei von „Bubbeln”, wor­un­ter die Borniertheit selbst­re­fe­ren­zi­el­ler Filterblasen im Internet ver­stan­den wird.

Wahrscheinlich mein­te sie jene Kinderärzte, die die Berichte der Ständigen Impfkommission zur Impfung von Kindern und Jugendlichen gele­sen haben. Dort lässt sich auf wis­sen­schaft­li­cher Grundlage nach­le­sen, war­um die These vom Tod hun­der­ter unge­impf­ter Kinder und Jugendlicher als „alter­na­ti­ve Fakten“ zu bewer­ten sind.

So schlepp­te sich die­se Sendung zur Ziellinie, es gab offen­bar nur einen Anspruch: Möglichst jeden kri­ti­schen Gedanken zu ver­hin­dern, den man als Journalismus defi­nie­ren könnte…

[Brinkmann] zeig­te sich bezüg­lich der Impfpflicht erstaun­lich reser­viert. Sie sei „kei­ne Expertin“ auf dem Gebiet. Das hat­te sie im November noch anders gese­hen und eine „furcht­erre­gen­de Dynamik“ pro­gno­sti­ziert. Aber sie „mag ja auch nicht den Vergleich mit der Grippe“, wie sie es gestern aus­drück­te. Deshalb kann sich Frau Brinkmann lei­der nicht mit der „infec­tion fata­li­ty rate“ der neu­en Variante beschäf­ti­gen, was spä­te­stens nach die­ser Sendung nie­man­den mehr über­ra­schen sollte.

Dafür hat­te sie Erkenntnisse aus ihrem Poesiealbum der Naturbetrachtung anzu­bie­ten: „Die Natur ist grau­sam.“ Als ein Naturereignis soll­te man die­se Sendung aber nicht klas­si­fi­zie­ren, wenn auch ein gewis­se Grausamkeit für den Zuschauer nicht bestrit­ten wer­den kann. Aber hof­fent­lich wird sie der kali­for­ni­sche Monopolist Google nicht löschen: Das macht er ger­ne, wenn er auf sei­ner Video-Abspielplattform Verstöße gegen die von ihm selbst defi­nier­ten wis­sen­schaft­li­chen Erkenntnisse ent­deckt. Es wäre zu scha­de, wenn die­se intel­lek­tu­el­le und jour­na­li­sti­sche Bankrotterklärung zukünf­ti­gen Generationen vor­ent­hal­ten blie­be.«

12 Antworten auf „Eine furchterregende Talkshow“

  1. Der wich­tig­ste Minister der Bundesregierung hat ein Massensterben nach der EM 2020 vor­her­ge­sagt. Seit Wochen sieht der nur noch Wände und will uns des­halb ein ris­kan­tes Impfabo aufzwingen.

    Zukünftige Generationen wer­den sich fra­gen, wie das nur pas­sie­ren konnte.

    1. Nichts für Ungut.
      Aber ich lese immer von "zukünf­ti­gen Generationen".
      Was für Generationen sol­len denn das, ange­sichts der der­zei­ti­gen Zustände sein?

  2. Die Gegenüberstellung der 7‑Tage-"Inzidenz" mit den "Corona"-Erstaufnahmen auf den Intensivstation am Beispiel Baden-Württembergs zeigt, dass die Behauptungen schlicht und ein­fach erlo­gen sind.

    1. Die "Inzidenz" ist kein Indikator für die (kom­men­de) KH-/ ITS-Belastung
    2. Seit Ende 2021 zeigt sich erst­ma­lig die völ­li­ge Entkopplung der Parameter. Mehr "Infektionen", weni­ger (schwe­re) "Erkrankungen"

    https://​twit​ter​.com/​G​e​o​W​i​e​l​a​n​d​/​s​t​a​t​u​s​/​1​4​8​1​6​3​1​6​1​3​7​7​9​9​5​5​7​1​3​?​c​x​t​=​H​H​w​W​g​s​C​-​t​c​m​G​6​I​8​p​A​AAA

    Jan Fleischhauer kom­men­tiert: "Der Vorteil einer Talkshow, in der alle im Prinzip über­ein­stim­men: Hat man eine Meinung gehört, hat man alle gehört. Verkürzt den Fernsehabend unge­mein und man kann wie­der zu Netflix schalten."

    https://​twit​ter​.com/​j​a​n​f​l​e​i​s​c​h​h​a​u​e​r​/​s​t​a​t​u​s​/​1​4​8​1​6​8​4​7​1​6​5​5​4​1​8​2​658

    Richtiger wäre: Es ist Wahnsinn, immer wie­der die­sel­ben angst­ge­steu­er­ten Idioten und Kriminellen ein­zu­la­den und ande­re Prognosen zu erwarten.

  3. Die Runde war "Zwei Stühle, eine Meinung". Meister Proper und Butsche Roni hat­ten aller­dings deut­lich mehr Niveau und las­sen auch fach­lich Brinkmann und den Rest locker uralt aussehen. 

    Wer erwar­tet denn von einer Propagandamaschine etwas ande­res? Wer sich mit­tels sei­nes Televisors die­sem Massaker an Logik und Kompetenz sowie übel­ster Unterhaltung wis­sent­lich aus­setzt, der woll­te unbe­dingt den aku­ten Brechreiz provozieren.

  4. Die Schwurbler sind immer noch Schwurbler, obwohl so vie­les, was als Verschwörungstheorie galt, inzwi­schen wahr gewor­den ist.

    Und die Experten gel­ten immer noch als Experten, obwohl sie mit ihren Horrorprognosen wie­der­holt völ­lig dane­ben liegen.

  5. Guter Kommentar.
    Hat sie das wirk­lich gesagt : "Die Natur ist grau­sam" ? (Ich schaue mir so einen Scheiß schon lan­ge nicht mehr an).
    Das ist nicht nur Poesiealbum, das sagt auch sehr deut­lich etwas
    über ihr Innenleben aus.
    Und sol­che Gestörten (und davon haben wir in Politik und Medien
    ja eine gan­ze Menge) wol­len mir erzäh­len, wie ich zu leben habe ?
    Nö, lass mal.
    Ich mei­ne, nichts gegen tief sit­zen­de Ängste, aber dann bitte
    nicht sol­che Personen in ver­ant­wort­li­chen Positionen.

  6. Von wegen grau­sa­mer Natur. Die Flut im Ahrtal war ein Unglück. Die eigent­li­che Katastrophe jedoch ist der Kapitalismus. Weder Viren noch Überschwemmungen haben die Entstehung der Menschheit ver­hin­dert, im Gegenteil: Die Menschheit ist das Ergebnis natür­li­cher Gesetzmäßigkeiten! Und natür­lich auch die gan­ze Artenvielfalt die uns umgibt.

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