„Es gibt Leute, die sich jetzt trauen, etwas zu sagen“

»Steckt hin­ter #alles­dicht­ma­chen wirk­lich ein dubio­ses Netzwerk? Sind die Beteiligten rechts, weil sie die Corona-Politik kri­ti­sie­ren? Vier Schauspielerinnen und Schauspieler erklä­ren, war­um sie zu der Aktion ste­hen – und was sie eigent­lich errei­chen wollten.«

Und zwar auf welt​.de (Bezahlschranke) am 9.5.:

»Volker Bruch: Ich spie­le eine Person, die Angst hat – und Angst davor hat, dass die­se Angst auf­hört. Die Berichterstattung über die Pandemie war von Anfang an apo­ka­lyp­tisch. Im „Panikpapier“ des Innenministeriums ist expli­zit von einer „gewünsch­ten Schockwirkung“ die Rede. 

Mein Video endet mit den Worten: Halten Sie sich an Ihrer Angst fest. Das meint natür­lich das Gegenteil: Angst ist ein schlech­ter Berater. Gerade in einer Notsituation ist es wich­tig, nüch­tern zu reflektieren.

Miriam Stein: Ich spie­le eine Frau, die sich wünscht, dass wir noch viel mehr testen. Mindestens zwei­mal täg­lich, wie Zähneputzen. Persönlich fin­de ich geziel­tes Testen gut, habe aber ein Problem mit den regel­mä­ßi­gen, ver­pflich­ten­den Tests, beson­ders an Schulen. Ein posi­ti­ves Testergebnis heißt eben nicht auto­ma­tisch, dass man erkrankt oder infek­ti­ös ist. Ich fra­ge mich, war­um wir unser Leben seit einem Jahr an Inzidenzzahlen aus­rich­ten, die auf den Ergebnissen die­ser PCR-Tests basie­ren. Die Schweiz nutzt die Inzidenzzahl nicht mehr als Richtwert für Maßnahmen – auch weil die Anzahl der Testangebote die­sen Wert beein­flusst. Und sie ver­zich­tet auf Tests bei Grundschulkindern. Es geht also auch anders.

Karoline Teska: Ich spie­le eine Schauspielerin, die froh ist, dass man ihr sagt, was sie machen soll – jetzt, wegen Corona, end­lich auch im Alltagsleben. Durch die­se Überspitzung woll­te ich auf die Gefahr der Fremdbestimmung auf­merk­sam machen, die durch Angst ent­ste­hen kann. Besonders in Krisen fin­de ich es wich­tig, dass wir einen Bezug zu uns selbst behalten.

Nina Gummich: Ich spie­le eine Frau, die den Begriff Meinungsfreiheit neu defi­niert. Und zwar so, dass er bedeu­tet, sich von sei­ner eige­nen Meinung zu befrei­en. Dass es im Moment bes­ser ist, ein­fach dem zu fol­gen, was alle erzäh­len, auch für die Karriere…

Gummich: … Ich habe mich für die hin­ge­stellt, die sich das nicht lei­sten kön­nen. Das kann zum Beispiel die Maskenbildnerin sein, die Angst hat, ihren Job zu ver­lie­ren, weil sie kei­nen Nasenabstrich machen möch­te, son­dern nur einen Rachentest…

Stein: Wir haben die Maßnahmen der Regierung hin­ter­fragt, nicht mehr und nicht weni­ger. Dass Menschen sich dadurch per­sön­lich ver­letzt füh­len, ist ein Grund, zusam­men nachzudenken…

Bruch: Wir haben das Diskussionsfeld um Corona so weit in eine extre­me Ecke abge­ge­ben, dass man sich eben nicht mehr ein­fach so traut, Kritik zu äußern. Das merkt man an den etwa 5000 E‑Mails, die wir bekom­men haben. Die sind fast aus­schließ­lich unter­stüt­zend und posi­tiv, und sie gehen alle gleich los: Ich bin kein „Querdenker“, ich bin kein Nazi, ich bin nicht rechts – aber ich kom­me nicht mehr klar. Man spürt immer die Angst, in eine Ecke gescho­ben zu wer­den. Die Aktion war unser Versuch, die­se Ecke auf­zu­lö­sen und die Kritik in die Mitte der Gesellschaft zu holen, wo sie hingehört.

WELT AM SONNTAG: Ist das wirk­lich gelungen?

Stein: Natürlich haben wir dar­über dis­ku­tiert, dass wir Gefahr lau­fen, Beifall zu krie­gen von der AfD. Wir fin­den die AfD alle schlimm. Aber kann das ein Grund dafür sein, die Klappe zu hal­ten? Ich fin­de nicht, dass wir die Rechten befeu­ern. Wir neh­men ihnen die Exklusivität des Themas weg. Über die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen dür­fen alle reden, die seit einem Jahr mit die­sen Maßnahmen leben.

Bruch: Es gibt Leute, die sich jetzt trau­en, etwas zu sagen, weil wir das getan haben. Aber zugleich ver­sucht man, uns zu kri­mi­na­li­sie­ren und in eine unde­mo­kra­ti­sche Ecke zu schie­ben, durch Hetzartikel wie etwa im „Tagesspiegel“.

WELT AM SONNTAG: Dort war zunächst die Rede von einem „anti­de­mo­kra­ti­schen Netzwerk“ hin­ter der Aktion, dann nahm man das Adjektiv „anti­de­mo­kra­tisch“ zurück. Der Vorwurf: Der Regisseur Dietrich Brüggemann – einer der besten deut­schen Drehbuchschreiber, der vie­le der Clips gedreht hat – habe Kontakt zum Unternehmer Paul Brandenburg, der wie­der­um mit der Initiative „1 bis 19“ die Corona-Politik kritisiert.

Stein: Dietrich Brüggemann ist erst spät zu unse­rer Gruppe hin­zu­ge­sto­ßen, als die Diskussion dar­über, dass wir etwas machen wol­len, schon weit fort­ge­schrit­ten war. Es gibt kei­ne Geldgeber, weil es nichts geko­stet hat, und Paul Brandenburg hat­te über­haupt nichts mit der Aktion zu tun. Im „Spiegel“ wur­de auf­ge­deckt, dass wir Texte aus­wen­dig gelernt haben. Ach wirk­lich? Natürlich gab es Texte, wie bei jedem Filmprojekt! Aber alle Schauspieler konn­ten sich ihre Texte aus­su­chen und waren auch ein­ge­la­den, selbst etwas zu schrei­ben oder zu ändern.

Gummich: Die Erzählung vom „Strippenzieher“ greift auch mich an. Damit unter­stellt man mir, ich sei nicht in der Lage, selbst zu denken.

Bruch: Die Gruppe ist ja kei­nes­wegs homo­gen. Jeder hat ande­re Probleme, ande­re Forderungen. Genau das woll­ten wir abbil­den: dass es ver­schie­de­ne Standpunkte gibt. Es gibt kei­nen „Drahtzieher“, es gibt nur Leute, die eigen­stän­dig den­ken und Ideen haben. Auch wir kön­nen nicht für die gan­ze Gruppe sprechen…

WELT AM SONNTAG: Wie kam die Gruppe zusammen?

Stein: Seit Oktober letz­ten Jahres hat sich eine lose Gruppe von Schauspielern und Schauspielerinnen online getrof­fen, die sich Sorgen machen und frag­wür­dig fin­den, was gesell­schaft­lich und poli­tisch pas­siert. Viele haben Familie und stel­len sich die Frage: In was für einer Welt wol­len wir eigent­lich leben?

Bruch: Es ging sehr lan­ge dar­um, eine Form zu fin­den: Wie kön­nen wir das mit unse­ren Mitteln the­ma­ti­sie­ren? Kurzfilme, Episodenfilme?

Stein: Oder auch Faktenvideos, wie bei der Künstler-Aktion „Los für Lesbos“…

Stein: Ich habe viel dar­über nach­ge­dacht, und ich bin mir inzwi­schen sicher: Satire ist die rich­ti­ge Antwort auf eine Situation, in der uns die Regierung wie Unmündige behan­delt. Als ich die Regierungsvideos #BesondereHelden gese­hen habe, dach­te ich zuerst, das sei schlecht gemach­te Satire. Unsere Videos waren eine Antwort darauf.

WELT AM SONNTAG: Inzwischen ist fast die Hälfte der 53 Videos wie­der von der Seite ver­schwun­den, etli­che der betei­lig­ten Schauspieler haben sich distan­ziert.

Stein: Es haben sich nicht alle inhalt­lich von der Aktion distan­ziert. Manche ja, die mei­sten aber vom Shitstorm, der tobte.

Gummich: Manche Schauspieler haben, als der Shitstorm los­ging, sol­che Panik bekom­men, dass sie es nicht mehr aus­hiel­ten. Manche beka­men Morddrohungen, auch gegen die Familie. Wir haben immer wie­der gro­ße Zoom-Calls in der Gruppe. Einige, die sich ver­ab­schie­den, sagen: Ich fin­de die Diskussion rich­tig und wich­tig, aber ich hal­te den Druck der Öffentlichkeit nicht mehr aus. Andere kom­men mit den Verletzungen nicht klar, die sie Menschen zuge­fügt haben. Wiederum ande­re füh­len sich so, als ob sie sich mit die­ser Aktion ver­irrt hätten.

Stein: Eine Freundin sag­te mir: Das Fiese ist, dass ihr als lin­ke Künstler beson­ders angreif­bar seid, weil es euch ja so trifft, wenn man sagt, ihr seid rechts. Einem Rechten ist es egal, wenn er als links beschrie­ben wird…

Stein: Wir sind alle ten­den­zi­ell eher aus dem lin­ken und grü­nen Milieu und sehen die Corona-Politik den­noch kri­tisch. Das Wort „Querdenker“ wird momen­tan auf jeden drauf­ge­klebt, der aus dem Konsens aus­schert, ich fin­de das hoch­pro­ble­ma­tisch. Gibt es Belege dafür, dass die Schließung von Schulen und Kitas die Intensivstationen ent­la­stet? Ist der Lockdown wirk­lich alter­na­tiv­los? Darüber muss man offen reden können.

Gummich: Ich bin im letz­ten Jahr mit dem Zug in die Schweiz gefah­ren. Es gab im Abteil einen rie­si­gen Streit, weil jemand die Maske kurz abneh­men woll­te. Sobald der Zug die Grenze zur Schweiz über­fuhr, wo es kei­ne Maskenpflicht gab, zogen alle Passagiere ihre Masken ab. Das ist auch etwas, wor­auf unse­re Aktion auf­merk­sam machen woll­te: Bediene dich dei­nes eige­nen Verstandes! Es kann doch nicht die Lösung sein, sich ein­fach nur an Regeln zu hal­ten, die gera­de irgend­wo aus­ge­ge­ben wurden…

WELT AM SONNTAG: Wie geht es jetzt wei­ter? Haben Sie wei­te­re Aktionen geplant?

Stein: Lassen Sie sich über­ra­schen!«

16 Antworten auf „„Es gibt Leute, die sich jetzt trauen, etwas zu sagen““

  1. Sehr gut, dass es wei­ter­ge­hen wird mit Aktionen von Schauspielern und Künstlern!

    Dem man­tra­mä­ssig dro­hen­dem AFD-Framing soll­ten doch ganz vie­le Kulturschaffende sou­ve­rän und ohne vor­aus­ei­len­de Entschuldigungen begeg­nen können.

    Als frei­er Musiker und Musiklehrer las­se ich mich schon lan­ge nicht mehr dar­auf ein, von wem auch immer in eine rech­te Ecke gestellt zu wer­den. Es geht über­haupt nicht um Zustimmung zu einer Partei, son­dern um Bewusstmachung der gesell­schaft­li­chen Schieflage, die bin­nen eines guten Jahres durch ver­meint­li­che "sau­be­re Wissenschaft" im Verein mit schlich­ten, macht­gei­len und cha­rak­ter­lich defor­mier­ten " Volksvertretern" einen schein­bar alter­na­tiv­lo­sen sta­tus quo erreicht hat: blei­ern, dro­hend, gespeist von der Gutgläubigkeit und Passivität wei­ter Teile des Bürgertums, die ihre Bildung wei­ter­hin in der Zeit, der Süddeutschen oder dem Cicero meinen.

  2. Erst dank die­sem Beitrag sah ich zwei der Videos https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus/besonderehelden‑1–1811518. Die sind der­ma­ßen pein­lich und aus der Blase einer selbst­er­nann­ten Elite her­aus emp­fun­den, dass einem Worte, Spucke und Atem weg­blei­ben. Was für ein erbärm­li­cher Schwachsinn. Das ist alles nur noch ein ein­zi­ger Alptraum. Lieber Franz, so hast Du damals schon die Welt erlebt. Jetzt erle­ben wir sie alle so.

  3. Opposition in Springers Kanonengeschütz. 

    Sehr klug vom Monster, aus­ge­rech­net jetzt die "Linke" für sich einzuspannen.

    Die Rechte füllt damit die gäh­nen­de Lücke der Pseudo- und Contralinken und behält am Ende – so oder so – Recht. 

    Strategisch per­fekt. So spielt man mit Studenten Schauspielern. 

    Ob die das irgend­wann merken?

    Hier gibt's das Bauern‑, Turm- und Königsdiplom:
    https://​www​.schach​bund​.de/​d​i​p​l​o​m​e​.​h​tml

  4. Es ist nur ein Stöckchen.
    Keiner muss drü­ber springen.
    Identifikation auf­he­ben hilft.

    Wie kommt man dazu, sich zu recht­fer­ti­gen, man sei doch aus dem lin­ken Spektrum. Will man damit aus­ge­rech­net unter die Decke des ver­meint­lich "ĺin­ken" Vorwurfs, man sei " rechts", schlüpfen? 

    Die Steigerung von Kontaktschuld ist Meinungskontaktschuld.

    Werdet erwach­sen, sprengt die­se Schubladen und rhe­to­ri­sche Fallen und kommt end­lich um Wesentlichen.

    1. @Anane: Ich hin­ge­gen fin­de sehr begrü­ßens­wert, daß sich end­lich KünstlerInnen aus dem grü­nen und lin­ken Spektrum so klar äußern. Das wer­den die Rechten aus­hal­ten müssen.

        1. Wenn sich Machthaberin Merkel und Aussenministerdarsteller Maas jetzt von den faschi­sti­schen Plünderen und Mördern der Asov-Brigade distan­zie­ren und Klaus Klebrich sowie Marionetta Slomka im heu­te-jour­nal dar­über empört berich­ten, sind wir alle zufrieden. 

          Muß ich den Disclaimer von wegen Sarkasmus jetzt noch anbringen?

  5. Klasse, dass sich eini­ge der Stars nicht ein­fach Niederbrüllen las­sen. Damit bleibt die Diskussion in der Öffentlichkeit und tot­schwei­gen durch die Mainstream-Medien über alter­na­ti­ve Kanäle untergraben.

    Die o.g. Aussagen könn­ten sie nach YT an ihr Video anpin­nen anstel­le sie hin­ter Bezahlschranke zu verstecken.

  6. "Es gab im Abteil einen rie­si­gen Streit, weil jemand die Maske kurz abneh­men woll­te. Sobald der Zug die Grenze zur Schweiz über­fuhr, wo es kei­ne Maskenpflicht gab, zogen alle Passagiere ihre Masken ab."

    Kein Kommentar.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert