EU-Abgeordnete unterstützen Pläne für eine EU-weite digitale Brieftasche

Auch dafür war Coro­na gut (und gedacht?). Von Anfang an ging es neben dem Aus­schüt­ten enor­mer Gewin­ne an die Phar­ma- und Gesund­heits­in­dus­trie um die Eta­blie­rung digi­ta­ler Kon­trol­le und die Gewöh­nung der Bevöl­ke­rung dar­an. Vie­le Men­schen haben gelernt, daß Ihnen wich­ti­ge Grund­rech­te nur dann zuteil wer­den, wenn sie ein digi­ta­les Zer­ti­fi­kat vor­wei­sen kön­nen. Schul­schlie­ßun­gen, deren Unsinn inzwi­schen zuge­ge­ben wird, bahn­ten einen ent­schei­den­den Weg zur Akzep­tanz alles Digi­ta­len. Nun fixen die Dea­ler ihre Kund­schaft an mit Heils­ver­spre­chen über "digi­tita­le Identitäten".

Auf euro​parl​.euro​pa​.eu ist am 9.2.23 unter genann­ter Über­schrift zu lesen:

»Der neue Rah­men für die digi­ta­le Iden­ti­tät wür­de den EU-Bür­gern einen digi­ta­len Zugang zu wich­ti­gen öffent­li­chen Diens­ten über die Gren­zen der EU hin­weg ermöglichen.

Der Aus­schuss für Indus­trie, For­schung und Ener­gie [! AA] hat sei­nen Stand­punkt zur vor­ge­schla­ge­nen Aktua­li­sie­rung des euro­päi­schen Rah­mens für die digi­ta­le Iden­ti­tät (eID) mit 55 Stim­men bei 8 Gegen­stim­men und 2 Ent­hal­tun­gen angenommen.

Die neue eID wür­de es den Bür­gern ermög­li­chen, sich online zu iden­ti­fi­zie­ren und zu authen­ti­fi­zie­ren (über eine euro­päi­sche digi­ta­le Brief­ta­sche), ohne auf kom­mer­zi­el­le Anbie­ter zurück­grei­fen zu müs­sen, wie es heu­te der Fall ist – eine Pra­xis, die Beden­ken hin­sicht­lich Ver­trau­en, Sicher­heit und Daten­schutz auf­wirft. Außer­dem wür­den die Nut­zer die vol­le Kon­trol­le über ihre Daten erhal­ten und selbst ent­schei­den kön­nen, wel­che Infor­ma­tio­nen sie mit wem tei­len wollen.

In ihren Ände­rungs­an­trä­gen schla­gen die Abge­ord­ne­ten vor, die Euro­päi­sche Brief­ta­sche für digi­ta­le Iden­ti­tä­ten zu einem Instru­ment zu machen, das auch elek­tro­ni­sche Doku­men­te lesen und über­prü­fen kann und Peer-to-Peer-Inter­ak­tio­nen ermög­licht. Sie schla­gen Maß­nah­men zur Stär­kung des Daten­schut­zes und der Cyber­si­cher­heit sowie zur Regis­trie­rung aller Trans­ak­tio­nen vor, um sicher­zu­stel­len, dass Drit­te zur Ver­ant­wor­tung gezo­gen wer­den können.

Die Nut­zung der EU-Brief­ta­sche wird immer frei­wil­lig sein. Die Abge­ord­ne­ten wol­len auch sicher­stel­len, dass Bür­ger, die sich gegen die Nut­zung ent­schei­den, nicht anders behan­delt wer­den als die­je­ni­gen, die sie nut­zen. Das Sys­tem wür­de jeden Mit­glied­staat dazu ver­pflich­ten, min­des­tens eine "Brief­ta­sche" im Rah­men eines natio­na­len eID-Sys­tems zu mel­den, um sie auf EU-Ebe­ne inter­ope­ra­bel zu machen.«

"Sischer dat!", pflegt man im Rhein­land zu sagen.

»Der Geset­zes­ent­wurf ent­hält Bestim­mun­gen zur siche­ren Bean­tra­gung, Erlan­gung, Spei­che­rung, Kom­bi­na­ti­on und Nut­zung von per­sön­li­chen Iden­ti­fi­ka­ti­ons­da­ten und elek­tro­ni­schen Zer­ti­fi­ka­ten, die zur Online- und Off­line-Authen­ti­fi­zie­rung sowie für den Zugang zu Waren und öffent­li­chen und pri­va­ten Dienst­leis­tun­gen ver­wen­det wer­den können.

Zitat

"Bericht­erstat­te­rin Roma­na Jer­ko­vić (S&D, HR) sag­te: "Mit dem Euro­päi­schen Rah­men für digi­ta­le Iden­ti­tä­ten wol­len wir, dass die EU die ers­te glo­ba­le Regi­on mit einem Gover­nan­ce-Rah­men für ver­trau­ens­wür­di­ge digi­ta­le Iden­ti­tä­ten wird. Die digi­ta­le Brief­ta­sche wird ein zuver­läs­si­ges, umfas­sen­des Iden­ti­täts­por­tal sein, das den Bür­ge­rin­nen und Bür­gern die vol­le Kon­trol­le über ihre eige­nen Daten gibt und ihnen die Frei­heit gibt, genau zu ent­schei­den, wel­che Infor­ma­tio­nen sie mit wem und wann tei­len wol­len. Von sozia­len, finan­zi­el­len, medi­zi­ni­schen und beruf­li­chen Daten bis hin zu Kon­tak­ten und vie­lem mehr wird es mög­lich sein, per­sön­li­che Daten in einer ein­zi­gen digi­ta­len ID zu spei­chern. Die digi­ta­le Iden­ti­tät ist nicht mehr nur ein "Nice-to-have"-Feature, son­dern ein neu­er Motor für bür­ger­schaft­li­ches Enga­ge­ment und sozia­les Empower­ment und ein Instru­ment für ein inte­gra­ti­ves digi­ta­les Euro­pa."«

Spä­tes­tens bei die­sen Wort­hül­sen müs­sen sämt­li­che Warn­glo­cken Sturm läuten.

»Nächste Schritte

Mit 57 Stim­men bei 7 Gegen­stim­men und 3 Ent­hal­tun­gen gaben die Abge­ord­ne­ten auch grü­nes Licht für die Auf­nah­me von inter­in­sti­tu­tio­nel­len Ver­hand­lun­gen, die auf der Ple­nar­ta­gung vom 13. bis 16. März for­mell geneh­migt wer­den müssen.

Hintergrund

Eine Stu­die des For­schungs­diens­tes des Euro­päi­schen Par­la­ments unter­streicht, dass die Bereit­stel­lung öffent­li­cher und pri­va­ter Dienst­leis­tun­gen seit der Pan­de­mie zuneh­mend digi­tal erfolgt. Gleich­zei­tig fun­gie­ren Ein­rich­tun­gen wie Ban­ken, Anbie­ter elek­tro­ni­scher Kom­mu­ni­ka­ti­ons­diens­te und Ver­sor­gungs­un­ter­neh­men, von denen eini­ge ver­pflich­tet sind, Iden­ti­täts­merk­ma­le zu erfas­sen, als Anbie­ter veri­fi­zier­ter Identitäten.

Bestehen­de Lösun­gen für digi­ta­le Brief­ta­schen sind in der Regel mit Zah­lungs­lö­sun­gen ver­knüpft und ermög­li­chen es den Nut­zern, Daten in einer ein­zi­gen naht­lo­sen Umge­bung auf ihren Mobil­te­le­fo­nen zu spei­chern und zu ver­knüp­fen. Nach Ansicht der Kom­mis­si­on wird die­ser Kom­fort jedoch durch den Ver­lust der Kon­trol­le über per­sön­li­che Daten erkauft, da die­se Lösun­gen nicht mit einer veri­fi­zier­ten phy­si­schen Iden­ti­tät ver­bun­den sind, was es schwie­ri­ger macht, Betrugs- und Cyber­si­cher­heits­be­dro­hun­gen zu entschärfen.

Ansprechpartner:

Bap­tis­te CHATAIN
Pressesprecher
(+32) 2 28 40992 (BXL)
(+32) 498 98 13 37
baptiste.chatain@europarl.europa.eu
indu-press@europarl.europa.eu
@EP_Industrie «

(Her­vor­he­bun­gen in blau nicht im Original.)

11 Antworten auf „EU-Abgeordnete unterstützen Pläne für eine EU-weite digitale Brieftasche“

  1. Selbst­ver­ständ­lich befür­wor­ten EU-Aus­schüs­se mit EU-Abe­ord­ne­ten jeg­li­che digi­ta­le Daten­samm­lung der Kon­su­men­ten. Daten sind Roh­stoff, und was wünscht sich die Indus­trie wohl? Wir leben in einem für die Indus­trie noch immer roh­stoff­ar­men Land bzw. Euro­pa. Eine klei­ne Auf­merk­sam­keit hier, ein klei­ner digi­ta­ler Kof­fer dort, da kommt ganz schön was zusam­men. Die Kon­troll­mög­lich­keit auf aus Sys­tem­sicht sub­ver­si­ve Akti­vi­tä­ten gibt es gra­tis dazu. Da fällt eupho­ri­sche Abni­cken nicht schwer.

    Der Zug, das irgend­et­was unter den der­zei­ti­gen Vor­zei­chen noch in eine ent­ge­gen­ge­setz­te Richt­rung gebo­gen wer­den kann in Euro­pa und wahr­schein­lich auch in den USA, der dürf­te längst abge­fah­ren sein. Bes­ten­falls ein wenig Ver­spä­tung, aber aus­fal­len wird die­ser Zug nicht. Bei all den mone­tä­ren Vor­tei­len für die ehren­wer­ten Abge­ord­ne­ten, direkt oder indi­rekt, dürf­te man zum Schluss kom­men, dass die­se EU "Schein­tod" ist. Digi­tal natürlich.

  2. "Spä­tes­tens bei die­sen Wort­hül­sen müs­sen sämt­li­che Warn­glo­cken Sturm läuten."
    Ja, das hab ich mir auch gedacht… Das nächs­te Ding zur Zwangs­be­glü­ckung ist die Bund­ID, natür­lich ganz und gar "frei­wil­lig", ein "sozia­les Empowerment"…
    https://​www​.hei​se​.de/​n​e​w​s​/​Z​w​a​n​g​-​z​u​-​B​u​n​d​I​D​-​S​t​r​e​i​t​-​u​e​b​e​r​-​A​u​s​z​a​h​l​u​n​g​-​d​e​r​-​E​n​e​r​g​i​e​p​r​e​i​s​p​a​u​s​c​h​a​l​e​-​f​u​e​r​-​S​t​u​d​e​n​t​e​n​-​7​5​1​8​2​3​5​.​h​tml

  3. Digi­ta­le Rabatt­ak­tio­nen bei jeder Wahl wären doch nicht schlecht …

    … dann könn­te man auch auf den Aus­druck von Wahl­zet­teln verzichten …

    … wer bei der Wahl die dann zufäl­lig (wieder)gewählte Bür­ger­meis­te­rin per App auf sei­nem Smart­phone gewählt hat, bekommt dann auto­ma­tisch ein Jah­res­ti­cket ÖPNV für umsonst!

  4. Aus­zü­ge
    Geplan­te Mas­sen­spei­che­rung der Gesundheitsdaten:
    Wider­spruch ist zwecklos

    Die Plä­ne für einen Euro­päi­schen Gesund­heits­da­ten­raum gehen zu weit, erklärt der baye­ri­sche Lan­des­da­ten­schutz­be­auf­trag­te Tho­mas Petri im Interview. 

    16.02.2023 15:53 Uhr
    Von Chris­tia­ne Schulzki-Haddouti

    Wer wider­spricht, muss unter Umstän­den zahlen
    Wie sieht das aus Pati­en­ten­sicht aus:
    Müs­sen sie die Daten freigeben?
    Es ist vor­ge­se­hen, dass der Pati­ent, falls er einen Daten­zu­griff nicht möch­te, inter­ve­nie­ren kann.
    .…
    Sol­len etwa­ige Mehr­kos­ten bei einem Wider­spruch auf den abge­wälzt wer­den, der sein Grund­recht auf infor­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung wahrnimmt?
    Das könn­te mög­lich sein.

    https://​www​.hei​se​.de/​h​i​n​t​e​r​g​r​u​n​d​/​G​e​p​l​a​n​t​e​-​M​a​s​s​e​n​s​p​e​i​c​h​e​r​u​n​g​-​d​e​r​-​G​e​s​u​n​d​h​e​i​t​s​d​a​t​e​n​-​W​i​d​e​r​s​p​r​u​c​h​-​i​s​t​-​z​w​e​c​k​l​o​s​-​7​5​1​7​9​3​9​.​h​t​m​l​?​v​i​e​w​=​p​r​int

    1. Genau­so "sicher" wie DE-MAIL (man­che Unto­te tau­chen eben immer wie­der neu auf … ) 

      De-Mail [deːˈeː|mɛɪ̯l][1][2] ist ein auf E‑Mail-Tech­nik beru­hen­des, hier­von aber tech­nisch getrenn­tes Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel zur „siche­ren, ver­trau­li­chen und nach­weis­ba­ren“ Kom­mu­ni­ka­ti­on im Inter­net (§ 1 Abs. 1 De-Mail-Gesetz). Rea­li­siert und betrie­ben wird De-Mail in der Regel von Unter­neh­men, De-Mail-Anbie­tern oder De-Mail-Providern.[3] …
      Das Haupt­ziel ist es, Nach­rich­ten und Doku­men­te über das Inter­net ver­trau­lich, sicher und nach­weis­bar zu ver­sen­den und zu emp­fan­gen und damit ein elek­tro­ni­sches Pen­dant zur heu­ti­gen Brief­post zu etablieren.
      Schon 2006 wur­de kri­ti­siert, dass die behaup­te­ten Sicher­heits­vor­tei­le … auch mit E‑Mail-Spe­zi­fi­ka­tio­nen (SMTP/S/MIME) erreich­bar sind und inso­fern kein Bedarf für eine staat­lich ver­ord­ne­te Zwangs­kom­mu­ni­ka­ti­on über ein EGVP-Sys­tem bestehe …
      Die Bun­des­re­gie­rung setzt mit der Ein­füh­rung von De-Mail die EU-Dienst­leis­tungs­richt­li­nie in natio­na­les Recht um. Die Richt­li­nie ver­langt, dass öffent­li­che Stel­len bis Ende 2009 elek­tro­ni­sche Kom­mu­ni­ka­ti­on als ver­bind­li­ches Medi­um akzep­tie­ren sollten.
      https://​de​.wiki​pe​dia​.org/​w​i​k​i​/​D​e​-​M​ail

      Der CCC rät dazu, das geschei­ter­te Pro­jekt De-Mail ersatz­los zu strei­chen und sich an exis­tie­ren­den Alter­na­ti­ven wie etwa OpenPGP, GNU Pri­va­cy Guard oder S/MIME zu ori­en­tie­ren. Der untaug­li­che Ver­such, De-Mail durch Auf­he­bung gesetz­lich gewähr­leis­te­ter Ver­trau­lich­keits­stan­dards auf Kos­ten der Bür­ger zu mehr Rele­vanz zu ver­hel­fen, sorgt weder für Ver­trau­en in die Behör­den­kom­mu­ni­ka­ti­on noch für mehr Sicherheit.
      https://​www​.ccc​.de/​d​e​/​u​p​d​a​t​e​s​/​2​0​1​3​/​s​t​e​l​l​u​n​g​n​a​h​m​e​d​e​m​ail

  5. Steckt euch eure digi­ta­le Brief­ta­sche sonst­wo­hin. Das wird eh alles nach hin­ten los­ge­hen, wenn auch die Dümms­ten der Dum­men begrif­fen haben, dass das eine super Mög­lich­keit von Chi­na oder den USA ist, uns vul­nerabel zu machen. Wenn erst­mal jeder sei­ne dum­me digi­ta­le Brief­ta­sche und sein hirn­lo­ses Digi­tal­geld hat, kann man ein­fach schön den Hahn abdre­hen.. Ein­fach mal mit dem Bag­ger in ein Kabel fah­ren… Huch,,, konn­te ja nie­mand wis­sen.. und das Leben liegt lahm… Aber das wol­len die Dümms­ten der Dum­men ja nicht sehen und so brül­len sie nach der digi­ta­len Über­wa­chung und bekom­men feuch­te Träu­me davon, so wie sie sich mit ihren Coro­na-Apps auf­ge­geilt haben. Ich wün­sche der Mensch­heit mitt­ler­wei­le nur noch, dass sie an ihrer eige­nen Dumm­heit aus­stirbt… und Deutsch­land sowie Euro­pa als aller­ers­tes, denn so viel Blöd­heit geht ein­fach auf kei­ne Kuh­haut. Die­ses Land ist zu blöd, eine elek­tro­ni­sche Gesund­heits­kar­te zu betrei­ben, seit 30 Jah­ren gibt es die Kar­ten, immer noch ent­la­den sich Kar­ten und wer­den gesperrt, weil elek­tro­sta­ti­sche Ladun­gen nicht in den Griff bekom­men wer­den. Ent­wick­lungs­land Deutsch­land… aber eine 'digi­ta­le Brief­ta­sche'. Dass ich nicht lache… gut, dass ich gelernt habe, in die­ser unsäg­li­chen Pan­de­mie alles zu umge­hen, was zu umge­hen ist. Und wenn wie­der am Schwimm­bad ein Smart­phone gefor­dert wird, um im Frei­bad baden zu kön­nen, wer­de ihc mich wie­der mit dem Ver­käu­fer anle­gen und den Chef her­bei­ru­fen und in der Zei­tung einen Leser­brief schrei­ben. Ich wer­de mich gegen die Ein­däm­mung der Mensch­lich­keit wei­ter weh­ren. Aber schön ist die­ses Leben nicht mehr. Ich bin froh, wenn ich unter der Erde bin und mir tun alle Men­schen leid, die jetzt erst gebo­ren wer­den. In die­sen unmensch­li­chen Zei­ten zu leben ist ein Graus.

  6. Bun­des­län­der for­dern Per­so­nen­kenn­zif­fer für Alle und alles

    WS/ März 2, 2023/ alle Bei­trä­ge, Beschäf­tig­ten- / Sozi­al- / Ver­brau­cher­da­ten-Daten­schutz, Personenkennziffern/ 0Kommentare

    Auf Initia­ti­ve der Lan­des­re­gie­run­gen von Bay­ern und Rhein­land-Pfalz for­dern alle 16 Lan­des­re­gie­run­gen in einer größt­mög­li­chen Koali­ti­on von CDU, CSU, FDP, Frei­en Wäh­lern, Grü­nen, Lin­ken und SPD in einer gemein­sa­men Stel­lung­nah­me die Schaf­fung einer ein­heit­li­chen Per­so­nen­kenn­zif­fer für digi­ta­le Kon­tak­te von Bürger*innen mit allen staat­li­chen Ebe­nen und Behörden.

    In Punkt 1 der Stel­lung­nah­me „Ein­heit­li­che Deutsch­land-ID“ for­dern sie: „Die jet­zi­gen inter­ope­ra­ble Ser­vice­kon­ten sol­len nut­zer­ori­en­tiert wei­ter­ge­dacht und har­mo­ni­siert wer­den zu einem ein­heit­li­chen, bun­des­wei­ten Nut­zer­kon­to… Per­spek­ti­visch wird ange­strebt, unter Ein­bin­dung der FITKO die Ent­wick­lung der Wirt­schafts- und der Bür­ger-ID in Ein­klang zu bringen.“

    Ver­kauft wer­den soll dies als „Schluss mit Zet­tel­wirt­schaft und ver­gilb­ter Kar­tei­kar­ten­men­ta­li­tät in deut­schen Behör­den“, so die bay­ri­sche Digi­tal­mi­nis­te­rin Judith Ger­lach (CSU).

    Bis­her gibt es für in Deutsch­land leben­de Men­schen drei unab­hän­gig von­ein­an­der ver­ge­be­ne und lebens­lang gel­ten­de Personen-Identifikationsnummern:

    Die Steu­er-Iden­ti­fi­ka­ti­ons­num­mer („Steu­er-ID“) gem. § 139a Abga­ben­ord­nung (AO);
    die Sozi­al­ver­si­che­rungs­num­mer (Ren­ten­ver­si­che­rungs­num­mer) gem. § 18 h SGB IV und
    die Kran­ken­ver­si­cher­ten­num­mer gem. § 290 SGB V. 

    Mit § 1 Iden­ti­fi­ka­ti­ons­num­mern­ge­setz (IDNrG) wur­de 2021 die Steu­er-ID erwei­ter für die Zweit- und Dritt­nut­zung zur Iden­ti­fi­ka­ti­on natür­li­cher Per­so­nen in (aktu­ell) 51 unter­schied­li­chen bun­des­wei­ten Regis­tern, dar­un­ter z. B. das Mel­de­re­gis­ter, das Aus­län­der­zen­tral­re­gis­ter, bei der Bun­des­agen­tur für Arbeit oder den Trä­gern der Grund­si­che­rung für Arbeit­su­chen­de vor­han­de­ne per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten­be­stän­de, die Zen­tra­len Fahr­zeug­re­gis­ter und Fahr­erlaub­nis­re­gis­ter, das Per­so­nal­aus­weis­re­gis­ter und das Pass­re­gis­ter, das Ver­si­cher­ten­ver­zeich­nis der Kran­ken­kas­sen, das Bun­des­zen­tral­re­gis­ter u. v. a. m..

    „Mit der Men­schen­wür­de wäre es nicht zu ver­ein­ba­ren, wenn der Staat das Recht für sich in Anspruch neh­men könn­te, den Men­schen zwangs­wei­se in sei­ner gan­zen Per­sön­lich­keit zu regis­trie­ren und zu katalogisieren…“

    – so das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts in einer Ent­schei­dung vom 16.07.1969 (Akten­zei­chen 1 BvL 19/63). Und in der Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts vom 15.12.1983 (Akten­zei­chen: 1 BvR 209/83) – dem soge­nann­ten Volks­zäh­lungs­ur­teil – wird fest­ge­stellt: „Mit dem Recht auf infor­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung wären eine Gesell­schafts­ord­nung und eine die­se ermög­li­chen­de Rechts­ord­nung nicht ver­ein­bar, in der Bür­ger nicht mehr wis­sen kön­nen, wer was wann und bei wel­cher Gele­gen­heit über sie weiß. Wer unsi­cher ist, ob abwei­chen­de Ver­hal­tens­wei­sen jeder­zeit notiert und als Infor­ma­ti­on dau­er­haft gespei­chert, ver­wen­det oder wei­ter­ge­ge­ben wer­den, wird ver­su­chen, nicht durch sol­che Ver­hal­tens­wei­sen auf­zu­fal­len. […] Dies wür­de nicht nur die indi­vi­du­el­len Ent­fal­tungs­chan­cen des Ein­zel­nen beein­träch­ti­gen, son­dern auch das Gemein­wohl, weil Selbst­be­stim­mung eine ele­men­ta­re Funk­ti­ons­be­din­gung eines auf Hand­lungs­fä­hig­keit und Mit­wir­kungs­fä­hig­keit sei­ner Bür­ger begrün­de­ten frei­heit­li­chen demo­kra­ti­schen Gemein­we­sens ist. Hier­aus folgt: Freie Ent­fal­tung der Per­sön­lich­keit setzt unter den moder­nen Bedin­gun­gen der Daten­ver­ar­bei­tung den Schutz des Ein­zel­nen gegen unbe­grenz­te Erhe­bung, Spei­che­rung, Ver­wen­dung und Wei­ter­ga­be sei­ner per­sön­li­chen Daten vor­aus. Die­ser Schutz ist daher von dem Grund­recht des Art. 2 Abs. 1 in Ver­bin­dung mit Art. 1 Abs. 1 GG umfasst. Das Grund­recht gewähr­leis­tet inso­weit die Befug­nis des Ein­zel­nen, grund­sätz­lich selbst über die Preis­ga­be und Ver­wen­dung sei­ner per­sön­li­chen Daten zu bestimmen.“

    Im Bereich der Poli­zei- und „Verfassungsschutz“-Gesetze ist es im Bund und nahe­zu allen Bun­des­län­dern lei­der zur gän­gi­gen Pra­xis gewor­den, dass das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt Geset­ze, die unzu­läs­sig in Grund­rech­te ein­grei­fen, ganz oder teil­wei­se für ungül­tig zu erklä­ren. Jüngs­tes Bei­spiel: Die Poli­zei­ge­set­ze von Hes­sen und Hamburg. 

    Ist es poli­ti­sche und juris­ti­sche Igno­ranz im Umgang mit Grund- und Frei­heits­rech­ten, dass nicht nur „Sicherheits“politiker*innen, son­dern auch tech­no­kra­tisch ori­en­tier­te Verwaltungsrechtler*innen Ent­schei­dun­gen des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts grund­le­gen­de Ein­grif­fe vor­sätz­lich oder fahr­läs­sig missachten?
    Es gibt Alter­na­ti­ven zur zen­tra­len Personenkennziffer!

    Das zeigt ein Blick nach Öster­reich. Dort gibt es ein ande­res, ver­schlüs­sel­tes Per­so­nen­kenn­zahl­sys­tem: In die­sem Modell liegt die eigent­li­che, aber gehei­me Per­so­nen­kenn­zif­fer nur der Unab­hän­gi­gen Daten­schutz­be­hör­de vor. Die ande­ren Behör­den nut­zen spe­zi­el­le Per­so­nen­kenn­zif­fern für ihren Fach­be­reich, was die Ver­brei­tung der eigent­li­chen Kenn­zif­fer ein­dämmt und ver­hin­dert, dass Daten ein­fach zusam­men­ge­führt wer­den können.

    1 BvL 19/63 1 BvR 209/83 Daten­schutz infor­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung Per­so­nen­kenn­zif­fer Steuer-ID

    https://​ddrm​.de/​b​u​n​d​e​s​l​a​e​n​d​e​r​-​f​o​r​d​e​r​n​-​p​e​r​s​o​n​e​n​k​e​n​n​z​i​f​f​e​r​-​f​u​e​r​-​a​l​l​e​-​u​n​d​-​a​l​l​es/

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