Evaluierung: Drei Mitglieder der Kommission wehren sich

Und zwar auf zeit​.de am 5.7.:

»So geht es nicht
Der media­le und poli­ti­sche Umgang mit der Sachverständigen­kommission zu den Corona-Maßnahmen beschä­digt den Wissenstransfer, schrei­ben drei der Kommissionsmitglieder.
Ein Gastbeitrag von  und 

Ein stei­ni­ger Weg wür­de es wer­den. Das war den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die dem Ruf in den "Sachverständigenausschuss zur Evaluation der Rechtsgrundlagen und Maßnahmen der Pandemiepolitik" in Deutschland gefolgt waren, völ­lig klar. Corona hat­te die öffent­li­che Debattenkultur emo­tio­nal auf­ge­la­den und stel­len­wei­se von wis­sen­schaft­li­cher Evidenz ent­kop­pelt. Unabhängig vom Ergebnis der Kommissionsarbeit war des­halb erheb­li­cher Gegenwind in der öffent­li­chen Rezeption vorprogrammiert…

Der Kommission war früh klar, dass sie die über­bor­den­den Erwartungen nicht erfül­len konn­te: Eine end­gül­ti­ge Bewertung von ein­zel­nen Maßnahmen der Corona-Pandemie ist schlicht­weg nicht mög­lich. Weder leben wir in einer Welt der per­fek­ten Wissenschaft mit per­fek­ten Daten und Studiendesigns: Wir kön­nen nicht wis­sen, was pas­siert wäre, hät­te es die Lockdowns nicht gege­ben. Wir kön­nen ein­zel­ne Maßnahmen oft nicht bewer­ten, da die­se meist im Verbund mit vie­len wei­te­ren Maßnahmen ein­ge­setzt wur­den, wir kön­nen auch nicht ein­fach Ergebnisse aus ande­ren Ländern auf uns über­tra­gen. Noch hat­te die Politik recht­zei­tig mit der Vorbereitung einer spä­te­ren Evaluation begon­nen. Dazu wäre es nötig gewe­sen, schritt­hal­tend mit der Umsetzung der Maßnahmen bereits die dafür erfor­der­li­chen Daten zu erhe­ben. Im Nachhinein geht das nicht…

Aus dem erwar­te­ten Gegenwind ist bereits vor der Vorstellung des Berichts am ver­gan­ge­nen Freitag ein veri­ta­bler Sturm gewor­den. Das liegt auch dar­an, dass Kritik von man­chen Menschen schein­bar insze­niert wird, offen­sicht­lich ohne wirk­li­ches Interesse an einem Diskurs. Zur Logik und Gefahr die­ser Aufregungsökonomie kom­men wir gleich. Zunächst ord­nen wir die­je­ni­gen Punkte ein, die immer wie­der gegen den Bericht vor­ge­bracht werden.

Zusammensetzung der Kommission

Die Mitglieder des Sachverständigenausschusses wur­den pari­tä­tisch von den im Bundestag ver­tre­te­nen Parteien sowie auf Vorschlag der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina vom Bundesgesundheitsministerium ernannt und reprä­sen­tie­ren unter­schied­li­che wis­sen­schaft­li­che Fachrichtungen. Die sta­ti­sti­sche Expertise war zwar ver­tre­ten, aber mehr Mitglieder aus der Epidemiologie und der Public-Health-Forschung hät­ten der Kommission gut­ge­tan. Da die Kommission kei­nen Einfluss auf die Zusammensetzung hat­te, zog sie zusätz­lich exter­ne Expertinnen und Experten für wei­te­re Einschätzungen heran. 

Arbeitsweise der Kommission

Alle Kommissionsmitglieder haben ihre Tätigkeit ehren­amt­lich aus­ge­übt. Bis auf eine admi­ni­stra­ti­ve Geschäftsstelle gab es kei­ne Ressourcen für die Sichtung von Studien oder ähn­li­che Recherchearbeiten. Die Kommission hat den Bundesgesundheitsminister früh­zei­tig dar­auf auf­merk­sam gemacht, dass mit die­ser knap­pen Ausstattung kei­ne umfas­sen­de Evaluation mög­lich sein würde…

Wissenschaftliche Qualität

Ein Teil der Kommentare wirft dem Bericht man­geln­de wis­sen­schaft­li­che Qualität vor. Das ist das schärf­ste Schwert, das gezo­gen wer­den kann. Der Bericht sei ein "Gefälligkeitsgutachten", wür­de auf metho­di­schen Fehlern basie­ren und ledig­lich "bana­le" Schlussfolgerungen zie­hen. Der Nachweis die­ser Vorwürfe bleibt indes aus. Welche Teile des Gutachtens soll­ten wel­cher Partei hel­fen? Das gemein­sa­me Fundament unse­rer Arbeit waren wis­sen­schaft­li­che Analysen und Prinzipien guter wis­sen­schaft­li­cher Praxis…

Es ist bedau­er­lich, dass die­se kon­kre­ten Punkte in den Hintergrund tre­ten und einer Aufregungsökonomie freie Fahrt gelas­sen wird. Wenn eine Journalistin bei einer Pressekonferenz zuge­schal­tet ist, kei­ne ein­zi­ge Frage stellt, aber noch vor Ende der Pressekonferenz einen höchst kri­ti­schen Kommentar in einer gro­ßen Tageszeitung ver­öf­fent­licht, dann sind wir an einem Punkt ange­langt, an dem das Verhältnis zwi­schen Wissenschaft und Medien nach­hal­tig Schaden nimmt…

Ähnliches gilt für das Zusammenspiel von Wissenschaft und Politik. Die Kommission wird ein­ge­setzt, arbei­tet, lie­fert pünkt­lich. Und muss am Tag der Abgabe von füh­ren­den Politikerinnen und Politikern lesen, dass man "eh schon alles wis­se" und das Gutachten kein "Bremsklotz" sein dürfe.

Wenn Politik und Medien wis­sen­schaft­li­che Arbeit der­art miss­ach­ten, wie sol­len dann die Bürgerinnen und Bürger Vertrauen in die Wissenschaft haben?

Transparenzhinweis: Jutta Allmendinger ist Mitglied des Herausgeberrats der ZEIT.«

14 Antworten auf „Evaluierung: Drei Mitglieder der Kommission wehren sich“

  1. „ (…)Wir kön­nen nicht wis­sen, was pas­siert wäre, hät­te es die Lockdowns nicht gegeben.(…)“
    Ne, ist klar. Schweden ist ganz schön weit weg vom eige­nen Tellerrand.

    1. Schweden war (zumin­dest zu Beginn der "Pandemie" nur schwer bis gar nicht ver­gleich­bar mit chwe­den. Schweden hat­te einen deut­lich hoe­he­ren Anteil ael­te­rer (und damit gefaehr­de­te­rer) Personen in der Bevorlkerung. Auch war in Schweden die Grippewelle 2019/2020 deut­lich mil­der als in Deutscchland, so dass von der staer­ker gefaehr­de­ten ael­te­ren Bevoelkerung weni­ger ver­stor­ben waren als in Deutsschland. Dadurch wae­re selbst bei glei­chen Bedinngungen in Schweden erheb­lich mehr "Corona-Tote" zu erwar­ten gewe­sen. Doch der Unterschied war nicht so gross wie er viel­leicht zu erwar­ten gewe­sen wae­re. Schweden hat also *mehr* rich­tig gemacht als Deutschland, ins­be­son­de­re auch, weil die "Kollateralschaeden" der Massnahmen erheb­lich gerin­ger aus­ge­fal­len sind als bei uns.
      So ver­lief die "Pandemie" nach der ersten "Welle" bes­ser als bei uns, obwohl Schweden weni­ger har­te Massnahmen getrof­fen hat­te. Allerdings fand so etwas *kei­nen* Einzug in den Bericht. Vermutlich wae­re er sonst *zu* nega­tiv aus­s­ge­fal­len (obwohl er auf­grund der Kritik an feh­len­den Daten schon zu einem mehr als desa­stro­en Urteil fuer unse­re Regierung gefuehrt hat).

  2. Ich ver­ste­he nicht, war­um sie jetzt belei­digt sind. Sie hät­ten sich doch am VerfGerichts-Urteil zur ein­rich­tungs­be­zo­ge­nen Spritzpflicht ori­en­tie­ren können.
    Einfach alle aktu­el­len Fakten und Daten (bzw Datenlöcher) sowie den ein­fa­chen Verstand kom­plett igno­rie­ren und den Regierenden einen Freifahrtschein ausstellen.
    Dann wäre bestimmt auch die Journalisten ‑Elite zufrieden.

  3. Danke, es sind alles nur win­seln­de Lügner.

    "Wir kön­nen nicht wis­sen, was pas­siert wäre, hät­te es die Lockdowns nicht gegeben. "

    DOCH WIR KÖNNEN ES WISSEN WENN WIR NUR DIE AUGEN AUFMACHEN UND NACH SCHWEDEN SCHAUEN.

    DAS KOSTET NULL EURO UND NULL ZEIT.

    DEUTSCHLAND DU BIST SO AM ENDE.

  4. Und was den Herbst angeht kön­nen wir nur neid­voll nach Dänemark schau­en und die Ministerpräsidentin und den Leiter des SSI (wie unser RKI) in der coro­na­vi­rus-Pressekonferenz ver­trau­ens­voll und auf­mun­ternd (!) zu ihren Bürgern spre­chen hören – zu den BÜRGERN und Mitmenschen, nicht zu UNTERTANEN!!!!!!!

  5. Wie die Kommission rich­tig fest­stellt, wur­den etli­che Maßnahmen gleich­zei­tig getrof­fen. Wie soll man da die Einzelwirkungen ermitteln?
    Die Tatsache, dass prak­tisch nie abge­war­tet und regi­striert wur­de, wel­chen Effekt eine Maßnahme hat­te und statt­des­sen nach der Devise "Viel hilft viel" blin­der Aktionismus betrie­ben wur­de, wird jetzt offen­kun­dig. Aber selbst aius die­sem Versagten ver­sucht die inkom­pe­ten­te Politikerkaste noch Profit zu schlagen.

    1. Bei eini­gen Massnahmen konn­te man anhand der Entwicklung des "Pandemieverlaufs" und den Zeitpunkten des Einsatzes bestimm­ter Massnahmen auf deren Unwirksamkeit schliessen.

      So begann der erste Lockdown am 23.03.2020. Das Ziel die­ser Massnahme soll­te sein, den "R‑Wert" unter 1 zu druecken. Nun war aber derR-Wert bereits am 18.03.2020 auf 1.0 gefal­len, am 21.03.2020 wau­re­de ein R‑Wert von ca. 0,7 erreicht, un die­ser Wert hat sich dann ueber etli­che Wochen nicht mehr wesent­lich geaen­dert. Es ist rela­tiv offen­sicht­lich, dass die­ser "Erfolg" nicht auf den am 23.03.2020 begin­nen­den Lockdown zurueck­zu­fueh­ren war. Aehnlichess gilt fuer den Zeitpunkt der Einfuehrung der Maskenpflicht (evt. Aenderungen des Pandemieverlaufs fie­len *nicht* mit dem Beginn der Massnahme zusammen). 

      Statt sol­che Tatsachen mit in die Bewertung ein­zu­be­zie­hen (wie es z.B. Prof. Stefan Homburg getan hat) wur­den die "nicht zusam­men­pas­sen­den Zeitpunkte von Massnahmenbeginn und den "Wendepunkten" in der "Pandemie" nichht berueck­sich­tigt, obwohl sie ein wich­ti­ger Indiz fuer die Unwirksamkeit der jewei­li­gen Massnahme waren. 

      Stattdessen wird wei­ter­hin der Nutzen von Massken betont, obwohl es in den rea­len Zahlen der "Pandemie" dafuer *kei­ner­lei* Anhaltspunkte gab (ledig­lich in Modellrechnungen und Experimenten mit "Kunstkoepfen" durch die "Aerosole" aus­ge­sto­ssen wur­den jemals als Belege angefuehrt).

      Insofern muss man wohl (lei­der) sagen, dass die Kommission bei wei­tem nicht alle ihr zur Verfuegung ste­hen­den Moeglichkeiten zur Evaluation aus­ge­nutzt hat, sonst wae­re ihr Urteil noch viel ver­nich­tend­der gewe­sen als es ohneh­hin schon ausfiel.

    2. –Archimedes

      Keiner von denen hat da ver­sagt. Das erzäh­len die doch nur. Auch daß Coronamaßnahmen Profite gene­rie­ren erzäh­len die. Die prot­zen sogar damit rum.

      Denn wenn es hilft das Wesen des Kapitalismus zu ver­schleie­ren erzäh­len die viel. Sehr viel. 7/24

  6. Da braucht sich kei­ner raus­re­den! Es gab von Beginn des Maßnahmenwahns an immer kri­ti­sche Stimmen aus der Wissenschaft und der Bevölkerung, die Evaluierungen jeder Einzelmaßnahme gefor­dert haben, statt nur blind im Wochentakt nach­zu­schär­fen. Die Politik schon damals wuß­te genau, dass die Maßnahmen nicht oder nur sehr schwach wir­ken, den­noch wur­den wöchent­lich Verschärfungen gefor­dert und die Landesfürsten der Bundesländer haben sich gegen­sei­tig über­bo­ten, wer die här­te­sten und am stärk­sten ein­schrän­ken­den Maßnahmen hat.

  7. Dass man Erkenntnisse aus ande­ren Ländern nicht zur Beurteilung der Maßnahmen nut­zen konn­te, ist nicht nur falsch son­dern eine Schutzbehauptung. Denn hin­sicht­lich der Begründung der Maßnahmen bis hin zur Impfpflicht wur­den ja auch mas­sen­wei­se "Erkenntnisse" aus ande­ren Ländern ver­wen­det. Hier wird ein­deu­tig aus Feigheit gelogen!

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