Ex-Verfassungsrichter Papier: "Das Vertrauen ist dramatisch erschüttert"

So über­schreibt t‑online.de am 17.12. ein Interview mit H.-J. Papier:

»Die Politik bekommt das Coronavirus nicht in den Griff, nun soll es die Impfpflicht rich­ten. Das wäre kei­ne gute Idee, sagt Hans-Jürgen Papier, frü­her Deutschlands höch­ster Richter…

Die Corona-Politik wirkt nicht erst seit die­sem Winter immer wie­der chao­tisch. Haben Sie noch Vertrauen in die Politiker?

Grundsätzlich ver­traue ich per­sön­lich der demo­kra­tisch legi­ti­mier­ten Politik. Man kann fest­hal­ten, dass poli­ti­sche Entscheidungsträger im Allgemeinen nach bestem Wissen und Gewissen han­deln – wenn auch nicht immer alles rechts­staats­kon­form ver­läuft. Allerdings sehe ich zugleich, dass das Vertrauen vie­ler Bürger in die Politik dra­ma­tisch erschüt­tert ist. 

Sowohl auf der Ebene des Bundes als auch auf der Ebene der Länder. Viele Menschen glau­ben nicht mehr, dass die Politik schwe­re Krisen ver­nünf­tig zu bewäl­ti­gen ver­mag. Das mag auch damit zusam­men­hän­gen, auf wel­che Art und Weise die Entscheidungen zur Bekämpfung des Coronavirus zustan­de gekom­men sind.

Weil die Regierenden in Bund und Ländern die Krisenbekämpfung allein in die Hand genom­men haben?

Ja. Im ersten Jahr der Pandemie sind die Parlamente bei der Pandemiebekämpfung prak­tisch außen vor geblie­ben. Die gewähl­ten Volksvertreter wur­den damals zu Zuschauern degra­diert. Das war nicht gut…

Ihre Nachfolger beim Bundesverfassungsgericht haben die "Bundesnotbremse" in einem weg­wei­sen­den Urteil soeben für ver­fas­sungs­kon­form erklärt. Sehen Sie selbst das auch so?

Ich möch­te die Entscheidung nicht im Einzelnen kom­men­tie­ren. Aber ich gebe zu beden­ken, dass das Bundesverfassungsgericht bei ande­ren Spannungslagen im Verhältnis von Freiheit und Sicherheit in der Vergangenheit durch­aus inten­si­ve­re und dich­te­re Prüfungen der Verhältnismäßigkeit von Grundrechtseingriffen durch­ge­führt hat…

Bevor die "Bundesnotbremse" in Kraft getre­ten ist, haben die Regierenden mit Verordnungen statt mit Gesetzen agiert. Werden auch die damals ver­häng­ten Regeln ein juri­sti­sches Nachspiel haben?

Corona wird noch ein juri­sti­sches Nachspiel haben müs­sen! Das Bundesverfassungsgericht hat der Politik mit der Entscheidung zur "Bundesnotbremse" ins­ge­samt kei­nen Freibrief erteilt. Insbesondere die seit März 2020 bis heu­te sei­tens der Exekutive ange­ord­ne­ten Maßnahmen bedür­fen der Überprüfung. Bedenken Sie allein die Folgen der Geschäftsschließungen und der Berufsverbote im Jahr 2020: Da wur­den unzäh­li­ge wirt­schaft­li­che Existenzen gefähr­det oder gar vernichtet…

Angesichts der vier­ten Viruswelle ste­hen uns aber womög­lich wei­te­re har­te Eingriffe in die Freiheitsrechte bevor. Was hal­ten Sie von einer all­ge­mei­nen Impfpflicht?

… Zum Recht auf "kör­per­li­che Unversehrtheit" gehört das kör­per­li­che Selbstbestimmungsrecht. Anders aus­ge­drückt: Jeder kann frei ent­schei­den, ob er sich the­ra­peu­ti­schen oder son­sti­gen Maßnahmen wie etwa einer Impfung unter­zieht, die sei­nem Schutz oder Wohl die­nen. Das Bundesverfassungsgericht hat in die­sem Zusammenhang ein­mal von der "Freiheit zur Krankheit" gesprochen.

Also steht es ver­fas­sungs­recht­lich schlecht für eine Impfpflicht gegen Corona – anders als bei der fak­ti­schen Impfpflicht gegen die Masern?

Ich sage nicht, dass eine Corona-Impfpflicht von vorn­her­ein ver­fas­sungs­wid­rig sein muss. Es muss aber genau geprüft wer­den, wel­chem Zweck sie dient: Dient sie neben dem Eigenschutz dem Schutz von Leben und Gesundheit gro­ßer Teile der Bevölkerung und dem Zweck, das öffent­li­che Gesundheitswesen vor der völ­li­gen Überlastung zu schüt­zen? Dann könn­te eine all­ge­mei­ne Impfpflicht durch­aus gerecht­fer­tigt sein, wenn sie inso­weit geeig­net und not­wen­dig ist. Ich wage aber zu bezwei­feln, dass die­se Voraussetzungen der­zeit hin­rei­chend beleg­bar sind…

Weder die Politiker noch das Robert Koch-Institut ken­nen die exak­te Zahl der Geimpften.

Was das näch­ste Argument gegen eine all­ge­mei­ne Impfpflicht ist: Es exi­stiert kein zen­tra­les Impfregister in Deutschland. Es ist schon auf­fäl­lig, dass man als Rechtswissenschaftler die poli­ti­sche Praxis auf sol­che Umsetzungsschwierigkeiten auf­merk­sam machen muss. Wenn der Staat die all­ge­mei­ne Impfpflicht ein­führt, darf er sich nicht furcht­bar bla­mie­ren. Es ist immer schlecht, den Bürgern Pflichten auf­zu­er­le­gen, die der Staat selbst im Regelfall nicht durch­set­zen kann. Mit der Impfpflicht setzt die Politik schlicht­weg auf das Prinzip Hoffnung…

Glauben Sie, dass sich die Bundesregierung und die Behörden wäh­rend der Corona-Pandemie dar­an gewöhnt haben, die Bürger stär­ker ein­schrän­ken und über­wa­chen zu kön­nen? Der israe­li­sche Historiker Yuval Noah Harari hat im Interview mit t‑online vor die­ser Gefahr gewarnt.

In Deutschland haben die Aspekte der Sicherheit und der staat­li­chen Fürsorge gegen­über der Freiheit des Individuums seit län­ge­rer Zeit an Bedeutung gewon­nen. Das besorgt vie­le Beobachter zu Recht. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 konn­ten wir ein ähn­li­ches Spannungsverhältnis beob­ach­ten…«

19 Antworten auf „Ex-Verfassungsrichter Papier: "Das Vertrauen ist dramatisch erschüttert"“

  1. “Wir brau­chen Bildung, Bildung, Bildung. Unsere frei­heit­li­che Demokratie geht von mün­di­gen Bürgerinnen und Bürgern aus. Wer gut infor­miert ist, fällt nicht auf Lügen herein.”

    Ein Diplomat alter Schule. Gerade noch so, dass die es auch brin­gen. Ein Papiertiger: kon­kret unkon­kret, geschmei­dig blin­zelnd, müde,—komplett harmlos. 

    Wer hier wie lügt und wie tief die­se Lügen in die dun­kel­ste Hölle rei­chen, bleibt ihm offen­sicht­lich vor­erst verborgen.

  2. "Man kann fest­hal­ten, dass poli­ti­sche Entscheidungsträger im Allgemeinen nach bes­tem Wissen und Gewissen handeln …

    Das glau­be ich nicht. Ich glau­be, poli­ti­sche Entscheidungsträger haben kein Gewissen. Und des­halb brau­chen sie auch kein Wissen.

  3. Es ist immer wie­der estaun­lich wie wenig die eigent­lich sagen kön­nen … wenn die so viel sagen. Die Zahlen die ich ken­ne sagen alle das es die­se Pandemie in Sinne einer ech­ten Pandemie bis­her nicht gege­ben hat. Diese Zahlen dürf­ten allen vor­lie­gen und evtl. sogar noch mehr an Infos als Otto Normal zu sehen bekommt.
    Bei dem Vertrauensverlust den Medien/ Politik & Beamte gera­de erlei­den .… frag ich mich was pas­siert wenn wirk­lich was hef­ti­ges am Start ist??? Ha…Ha…Ha … habt ihr uns schon mal erzählt. Das ist dann u. U. gar nicht mehr gut .…

  4. der Wahnsinn ist Programm. Das ist weil es in Deutschland eine Weisungs gebun­de­ne Justiz gibt, sprich Mafia Klientel Justiz. Straffrei Profite machen und Bestechlichkeit als Programm

  5. Auch Papier kann nicht aus sei­ner Haut, wie es sich für einen ech­ten Juristen und lang­jäh­ri­gen Systemspieler gehört.

    Die Ausführungen zur Verfassungskonformität der "Impf"pflicht sind hanebüchen.

    1. @Olga
      So etwas Ähnliches habe ich auch gedacht…
      Hört sich für mich auch eher nach Parallel-Universum an.
      Man muss schon mit ziem­lich dicken Scheuklappen (und insgesamt
      wahr­schein­lich sehr gut abge­si­chert) und sehr wenig Bezug zur
      all­täg­li­chen Realität rum­lau­fen, um so einen Blödsinn von sich zu geben.

  6. "Viele Menschen glau­ben nicht mehr, dass die Politik schwe­re Krisen ver­nünf­tig zu bewäl­ti­gen ver­mag. Das mag auch damit zusam­men­hän­gen, auf wel­che Art und Weise die Entscheidungen zur Bekämpfung des Coronavirus zustan­de gekom­men sind."

    Er kri­ti­siert also nicht die fal­schen und tota­li­tä­ren Entscheidungen, son­dern die Ausführung. Der dum­me Bürger ist halt etwas verwirrt.

  7. Die Räuberpistole "Harrrrr, oder so.":
    Justizia auf Hexenjagd.
    Die Binde um Justizias Augen bedeckt nur ein Auge, mit dem Schwert wird gewo­gen und mit der Waage gerichtet.

    "Coronatote in Pflegeheim – Ermittlungen gegen ehe­ma­li­ge Mitarbeiterin
    Eine Mitarbeiterin soll in einem Hildesheimer Pflegeheim trotz Coronainfektion zur Arbeit gekom­men sein und einen gefälsch­ten Impfpass vor­ge­zeigt haben. Nach drei Todesfällen wird nun die Staatsanwaltschaft aktiv.
    ptz/dpa – 17.12.2021"

    "Es bestehe der Verdacht, dass die 44-Jährige mit einem gefälsch­ten Impfpass im Heim gear­bei­tet habe, wäh­rend sie Corona gehabt habe, sag­te die Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Da im engen zeit­li­chen Zusammenhang drei mit dem Virus infi­zier­te Bewohnerinnen star­ben, ermit­telt die Anklagebehörde zudem wegen des Anfangsverdachts auf Totschlag."
    "Die Frau, die als Alltagsbegleiterin in dem Heim tätig war, wur­de frist­los ent­las­sen, wie Einrichtungsleiter Michael Ossenkopp der Nachrichtenagentur dpa sag­te. Er bestä­tig­te, dass die Frau dem Heim einen Impfpass vor­ge­legt hat­te, der sich als gefälscht her­aus­stell­te. Danach habe die Einrichtung Anzeige gegen die 44-Jährige gestellt. Später wur­de klar, dass die Frau an Corona erkrankt war und trotz­dem im Heim gear­bei­tet hatte."

    Selbst das Bereitstellen von Indizien durch den Rechtsanwalt R. Fuellmich, zu Anfang die­sen Jahres, genüg­ten nicht, die Staatdanwaltschaft in Bewegung zu ver­set­zen. Weder wur­de, noch wird, den mas­sen­haf­ten Vorfällen, "im engen zeit­li­chen Zusammenhang", nach der Injektion der Spritze nachgegangen.

    Nachdem nun nach­ge­wie­sen ist, dass auch jede/r Gespritze jede Infektion im glei­chen Maße wei­ter­ge­ben kann, ist die­se Hexenjagd an Voreingenommenheit nicht zu über­bie­ten. Dieser "Pass" doku­men­tiert ledig­lich eine Injektion, nicht die Immunität.

  8. Manchmal fra­ge ich mich, ob sie den Kapitalismus nicht ver­ste­hen kön­nen oder nicht ver­ste­hen wol­len. Die Antwort läuft auf das nicht wol­len hin aus!

  9. "Tausende Kündigungen
    Impfpflicht auf­ge­ho­ben – Amerikas Kliniken droht der Ärzte-Exodus

    Viele ame­ri­ka­ni­sche Krankenhäuser haben ihr Personal zur Impfung ver­pflich­tet. Doch Tausende Ärzte und Pfleger wei­gern sich nicht nur – sie kün­di­gen sogar. Nun ist die Personalnot so groß, dass eini­ge Kliniken nur noch einen para­do­xen Ausweg sehen.

    Von einem Exodus ist die Rede. In den ver­gan­ge­nen Wochen quit­tier­ten Tausende ame­ri­ka­ni­sche Ärzte und Pfleger ihre Jobs, weil sie sich nicht gegen Corona imp­fen las­sen woll­ten – so wie es ihre Krankenhäuser ver­langt hat­ten. Die Skepsis unter den Klinikangestellten ist offen­bar groß. Laut einer Untersuchung der US-Gesundheitsbehörde CDC lehnt jeder drit­te Vakzine ab. Das ist ein höhe­rer Anteil als in der Gesamtbevölkerung.

    Nun reagiert die Branche.
    "

    https://​www​.welt​.de/​w​i​r​t​s​c​h​a​f​t​/​p​l​u​s​2​3​5​7​2​6​9​4​8​/​U​S​A​-​I​m​p​f​p​f​l​i​c​h​t​-​a​u​f​g​e​h​o​b​e​n​-​A​m​e​r​i​k​a​s​-​K​l​i​n​i​k​e​n​-​d​r​o​h​t​-​d​e​r​-​A​e​r​z​t​e​-​E​x​o​d​u​s​.​h​tml

  10. Das Wichtigste lie­fert Alt-Papier erst am Ende: 

    "Wir brau­chen Bildung, Bildung, Bildung. Unsere frei­heit­li­che Demokratie geht von mün­di­gen Bürgerinnen und Bürgern aus. Wer gut infor­miert ist, fällt nicht auf Lügen herein."

    Bleiben Fragen: hat die drei­fa­che "Bildung" etwa ver­hin­dert, dass auch dop­pelt "Gebildete" (+ mglw. "Geboosterte") sich als unmün­di­ge Bürger ("m/w/d") behan­deln lassen?
    Und/oder, dass auch die­se oft trotz­dem schlecht infor­miert sind und leicht auf Lügen hereinfallen??

  11. "Die gewähl­ten Volksvertreter wur­den damals zu Zuschauern degra­diert. Das war nicht gut…"

    Nein, dies ist so nicht zutref­fend, wenn man sich die lang­jär­hi­gen Entwicklungen ansieht. Die soge­nann­ten Volksvertreter haben sich nun­mehr nahe­zu voll­stän­dig selbst ent­macht, und zwar wie­der­holt. Und dies wil­lig und folg­sam. Damit hat die Legislative den bekann­ten Fraktionszwang par­tei­über­grei­fend per­fek­tio­niert. Herausgekommen ist letzt­lich eine nahe­zu per­fek­te Entparlamentarisierung. Corona hat den Trend nur beschleu­nigt und vollendet. 

    "Man kann fest­hal­ten, dass poli­ti­sche Entscheidungsträger im Allgemeinen nach bestem Wissen und Gewissen han­deln – wenn auch nicht immer alles rechts­staats­kon­form verläuft."

    Dies kann durch­aus ange­zwei­felt wer­den. Beginnen wir mit dem Panikpapier des Horst S. Folgen wir der Spur von Lockdown zu Lockdown. Obwohl berech­tig­te Zweifel und Erkenntnisse vor­la­gen, dass wis­sent­lich die Wahrheit unter­schla­gen wird (im Volksmund nennt man dies "Lügerei"). Und die Zwangs-Gentherapie als Menschenexperiment dazu. Durchgesetzt mit­tels bra­chia­lem Zwang. Nein, hier wird mit Vorsatz und nicht nach bestem Wissen und Gewissen gehan­delt. Und allein die Anmerkung von Herrn Papier, dass nicht immer alles rechts­staats­kon­form ver­läuft, ist ein sehr selt­sa­mes Bekenntnis eines ehe­ma­li­gen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts.

    Und es fehlt ein Impfregister? Der Staat darf sich nicht bla­mie­ren? Herr Papier ist daher gene­rell für die Impfpflicht. Ob er anders als Stefan H. han­deln wür­de, darf durch­aus ange­zwei­felt werden.

  12. Ich habe etwas mehr Befürchtungen was die Impfpflicht betrifft. Sie kann viel­leicht nicht genau­so wie in Österreich durch­ge­setzt wer­den, aber das muss sie auch gar nicht. Es könn­ten ein­fach die Covid-Pässe wei­ter­hin dazu ver­wen­det wer­den. Wenn man 2G auf Arbeit ein­führt, hat man defac­to die Impfpflicht. Das ist kein gro­ßer Schritt und die Kontrolle wird an die Betriebe aus­ge­la­gert – die Infrastruktur muss jetzt schon da sein. Genauso läuft ja auch die Impfpflicht im Gesundheitssektor – hier kon­trol­liert und bestraft auch nicht der Staat direkt. Also, eine im Eiltempo durch's Parlament gepeitsch­te IfSG-Reform dürf­te rei­chen um die Impfpflicht end­gül­tig einzuführen.

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