"Freie Linke" zur Diskussion und zur Impfkampagne

Der ita­lie­ni­sche Philosoph Giorgio Agamben hat­te der "1. Konferenz der Anti-Lockdown-Linken am 27. März 2021" ein Grußwort zukom­men las­sen, das von der "Freien Linken" als Diskussionsbeitrag ver­öf­fent­lich wur­de, auch wenn es sich bei Agamben um kei­nen "dezi­diert Linken" han­delt. Es heißt dort:

»Das, was wir gera­de erle­ben und bezeu­gen müs­sen, ist kei­ne vor­über­ge­hen­de Krise, es ist viel­mehr das Ende einer Politik wie einer Welt. Diese Politik ist die­je­ni­ge, die fest ver­knüpft war mit den bür­ger­li­chen Demokratien, ihren Verfassungen und Erklärungen der Rechte wie dem öko­no­mi­schen System, das mit ihnen ver­bun­den war. Diese Welt war schon lan­ge am Ende, wir wis­sen das, ohne dar­aus die Konsequenzen zu zie­hen, die sich gleich­wohl auf­dräng­ten und dar­in liegt der Grund, dass der Gesundheitsterror uns unvor­be­rei­tet über­rum­pelt hat. Auch wenn wir aus tak­ti­schen Erwägungen die ver­fas­sungs­mä­ßi­gen Freiheiten ein­for­dern kön­nen, die man uns heu­te genom­men hat, macht dies aus stra­te­gi­scher Sicht über­haupt kei­nen Sinn mehr.

Gerade weil es sich um das Ende einer Welt wie eines poli­ti­schen Systems han­delt, ist das, was die Regierungen an sei­ner statt instal­lie­ren möch­ten kein neu­es poli­ti­sches Paradigma, son­dern ledig­lich die Form, die die alte Kultur beim Versuch annimmt, ihr eige­nes Ende zu überleben…

Sie fra­gen mich nach der Rolle und Funktion einer kri­ti­schen Linken unter den gegen­wär­ti­gen Umständen. Es mag sein, dass „Rolle”, „Funktion” und selbst „Linke” noch im Vokabular der zu Ende gehen­den Politik gefan­gen und nicht mehr die rich­ti­gen Begriffe sind. Allein, es gilt nicht über die Begriffe zu dis­ku­tie­ren. Es geht viel­mehr dar­um, ganz ein­fach die Frage nach dem zu stel­len, was wir kön­nen sowie danach, was wir nicht können.

In der sich zu Ende nei­gen­den poli­ti­schen Tradition war die Frage nach dem, was wir tun kön­nen para­ly­sie­rend und ste­ril, da sie nicht zwi­schen Wirkkraft [puissance/potentia] und Macht [pouvoir/potestas] unter­schied. Vor allem geht es nicht dar­um, eine Wirkkraft, über die wir ver­fü­gen, zu ver­wirk­li­chen, son­dern dar­um, zu ver­ste­hen, dass jede ech­te Wirkkraft anar­chisch ist, das heißt ohne Macht, und dass es nicht dar­um geht, sie in der Tat zu ver­wirk­li­chen, da sie schon wirk­lich ist… 

Derjenige, der glaubt über Handlungsmacht zu ver­fü­gen ist in Wirklichkeit ohn­mäch­tig, da er nur vor­ab zuge­wie­se­ne Vorschriften und Befehle aus­füh­ren kann; für den­je­ni­gen, der sich im Gegenteil ohne Macht über sei­ne Wirkkraft weiß, kann etwas mög­lich wer­den, weil er sich der Kontingenz eines Ereignisses öff­net. Es liegt an euch in jeder gege­be­nen Situation zu ver­ste­hen, was das hin­sicht­lich des Aufgebots einer desti­tu­ie­ren­den Strategie impli­ziert.«

Ich bin gespannt auf die Diskussion und gebe reich­lich hilf­los zu, kaum zu begrei­fen, wo Agamben hin will.

Verständlicher für mich sind die Forderungen:

»Die Freie Linke zur Corona-Impfkampagne

Impfungen nur freiwillig!
Keine Form von Zwang,
kei­ne digi­ta­le Kontrolle!..

        • Beendigung aller Versuche, Gesetze für einen direk­ten Impfzwang gegen das Coronavirus zu erlassen.
        • Beendigung aller Bestrebungen, die Impfungen gegen das Coronavirus durch indi­rek­te Zwänge und Taktiken des „Nudgings“ zu errei­chen. Auch das ist kei­ne Freiwilligkeit und kei­ne akzep­ta­ble Art des Umgangs mit mün­di­gen Menschen!
        • Angemessene Sanktionen gegen Privatakteure, nament­lich Fluglinien, Eventveranstalter und Geschäftsbetreiber, zu ergrei­fen, wel­che die Nutzung ihrer Dienstleistungen vom per­sön­li­chen Nachweis einer Corona-Impfung abhän­gig machen (indi­rek­ter Impfzwang durch Privathandeln).
        • Angemessene Sanktionen gegen Arbeitgeber, die ihre Angestellten zur Impfung zwingen.
        • Angemessene Sanktionen gegen alle Staaten, wel­che die Einreise von Menschen vom per­sön­li­chen Nachweis einer Corona-Impfung abhän­gig machen (indi­rek­ter Impfzwang durch Staatshandeln).
        • Eindeutige Distanzierungen von allen Plänen, digi­ta­le Immunitäts- und Impfausweise, Gesundheitszertifikate und digi­ta­le Identitäten ein­zu­füh­ren. Gegen Think Tanks, NGOs, Stiftungen, die die­se Pläne vor­an­brin­gen wol­len, for­dern wir schar­fe Sanktionen und Regelungen, die die­sem Treiben dau­er­haft ein Ende bereiten!

Wir spre­chen unse­re aus­drück­li­che Solidarität aus mit allen Beschäftigten im Gesundheits‑, Pflege‑, Sozial- und Bildungsbereich, die sich jetzt und in Zukunft gegen eine Impfung mit den neu­ar­ti­gen, noch nicht lang­zeit­ge­te­ste­ten und in man­chen Ländern bereits zurück­ge­zo­ge­nen Impfstoffen ent­schei­den. Diese Menschen ste­hen unter einem beson­ders star­ken Druck, da ihnen von der Politik auch immer wie­der ein direk­ter Impfzwang ange­droht wird. Dadurch, dass sie „NEIN!“ sagen, ver­tei­di­gen sie an vor­der­ster Front unser aller Menschenrecht. Das gilt eben­so für alle Menschen, die sich für ech­ten Datenschutz und die Wahrung von Grund- und Menschenrechten im digi­ta­len Raum und gegen die dro­hen­de digi­ta­le Diktatur ein­set­zen! Dafür sind wir dank­bar. Die Freie Linke steht an Ihrer Seite!

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29 Antworten auf „"Freie Linke" zur Diskussion und zur Impfkampagne“

  1. Mit den obi­gen Forderungen kann man sich im ggw. Parteiensystem eigent­lich nur bei "DieBasis" wiederfinden.
    Die ande­ren Parteien stel­len den "Block des Alten" dar

    1. Die Direkte gibt es auch noch.
      Nur was will die­ba­sis bewir­ken ? Ohne ein Bündnis mit den ande­ren klei­nen Parteien , mit glei­chen Zielen, wer­den die 5% nicht erreicht.
      D.h. die Wahlen wer­den kei­ne Veränderung brin­gen, son­dern die Gesellschaft muss sich ver­än­dern in Eigenverantwortung und Selbstbestimmung .
      Da soll­te man anfan­gen sich was zu über­le­gen in wel­cher neu­en Welt WIR leben wol­len. Nicht abwar­ten bis der Bruch kommt, so unge­wiss wann er kommt. Reformen sind nötig Stück für Stück.
      Das Böse hat noch nie gesiegt , man soll­te aber vor­be­rei­tet sein.

  2. Agamben sprich von einer 'desti­tu­ie­ren­den' Strategie. Dass 'die Macht vom Volk aus­geht' meint am Beispiel der fran­zö­si­schen Revolution, das zunächst die alte Staatsform abge­schafft (desti­tu­ie­rend) und dann eine neu kon­sti­tu­iert wurde. 

    Wenn also hier ohne­hin 'Auflösungserscheinungen' vor­lie­gen, gin­ge es wohl nach Agamben nicht um die Wiederherstellung der Staaten wie wir sie ken­nen, nicht um die Fortführung.

    Dabei deu­tet er wohl an, die offi­zi­el­le Staatsform sei wohl eine Fassade gewe­sen und die poli­ti­sche Macht wol­le auch ohne Fassade weitermachen.

    Nur wäre dann die fran­zö­si­sche Revolution schon fehl­ge­schla­gen und habe kei­ne ech­te Machtablösung sowie kei­ne ech­te Demokratie hervorgebracht.

    Für mich wäre die erste Frage die nach den Werten für die man steht und die man ver­tritt und die jet­zi­ge Situation sehe ich in erster Linie als eine Krise und einen Verlust der Werte über alle Klassen.

  3. Giorgio Agamben hat schon zu Beginn der Coronakrise (oder rich­ti­ger Coronatäuschung) einen her­vor­ra­gen­den Beitrag gemacht, der den Nagel auf den Kopf trifft:

    https://d‑dean.medium.com/biosecurity-and-politics-giorgio-agamben-396f9ab3b6f4

    Ihm war damals schon klar, dass es nicht um Infektionsschutz son­dern Vereinzelung der Bevölkerung und einen kom­plet­ten Wechsel im para­dig­ma der poli­ti­schen Beteiligung des Einzelnen ging. Ebenfalls, dass die­se "Kriese" nimals enden wird.

  4. @aa:

    "Es mag sein, dass „Rolle”, „Funktion” und selbst „Linke” noch im Vokabular der zu Ende gehen­den Politik gefan­gen und nicht mehr die rich­ti­gen Begriffe sind."

    Genau mein Reden. So lan­ge die Menschen im alten Rechts-Links-Paradigma den­ken, kann sich nichts ändern. Es ist nur dazu geeig­net die Bevölkerung zu spal­ten, damit sich kein Widerstand des Volkes gegen die Eliten for­mie­ren kann. Den glei­chen Zweck haben Parteien grundsätzlich.

    1. @Martin:

      Nur so eine Idee, aber kann der Streit über die­sen Begriff 'links' nicht auch Teil sein einer Anstrengung das gege­wär­ti­ge par­tei­po­li­ti­sche Paradigma zu durch­bre­chen? Also in so einer Form von Neubewertung oder Neuverhandlung? Ich mei­ne ich bin auch ent­setzt dar­über wie die Mainstream-Linke (wenn ich sie so nen­nen darf) Solidarität mit Moralismus ver­wech­selt und aus der, wie ich emp­fin­de, doch anti­au­to­ri­tär gepräg­ten Tradition der Linken genau das Gegenteil macht. aa hat doch auch vor nicht all­zu­lan­ger Zeit zu die­sem Thema einen Beitrag gebracht, mit der Frage und Vorschlägen, wel­che Prinzipien (und die sind wich­ti­ger als das Label) wir unter 'links' sub­sum­mie­ren wol­len. Ich fän­de es scha­de das so ein­fach aus der Hand zu geben.

  5. Die "freie Linke" muss ich wohl die gan­ze Zeit über­hört haben, so "laut" haben die das alles gefor­dert! Wer sind die, Frau Wagenknecht?
    Zu Agamben, der wie es ich ver­ste­he, die Thesen ver­tritt, dass die Veränderungen längst im Gange sind und höhe­re Mächte bzw. Kräfte dafür ver­ant­wort­lich sind, die wir nicht beherr­schen kön­nen, also qua­si Naturgesetze, (Weltwirtschafts)Zyklen, regel­mä­ßi­ge Umbrüche und Katastrophen wie die Weltkriege vor 80–100 Jahren und davor, wenn man so will.
    Ähnliches habe ich bereits von Max Otte gehört.
    Also, wir kön­nen nichts tun, alles Gegenstrampeln wird am Ende zu nichts füh­ren. Man kann sich nur selbst auf die neu­en Zeiten und die kom­men­den Veränderungen vor­be­rei­ten und sofern es mög­lich ist und man uns lässt, die neu­en Zeiten mit­ge­stal­ten in unse­rem Sinne. So ver­ste­he ich den Text von Agamben in eini­ger­ma­ßen ver­ständ­li­chem Deutsch inter­pre­tiert, hof­fe ich.
    "The Winds of Change"

  6. Danke für die Ehrlichkeit Herr A.A.
    Ich schlie­ße mich an und gebe auch zu bei Herrn Agamben, habe ich nur "Bahnhof" ver­stan­den. (also nix)
    Den wei­ter­ge­hen­den Forderungen der FL wür­de ich mich sofort anschlie­ßen. Auch wenn dies in der der­zei­ti­gen Pandemiepanik kein Gehör fin­den wird. Es wer­den die momen­tan (hof­fent­lich tem­po­rär) die gegen­tei­li­gen Forderungen lau­ter und lauter.
    Die der­zei­ti­gen "Impfungen" gegen Corona, so die­se den Namen über­haupt tra­gen dür­fen, dür­fen nie­mals direkt oder indi­rekt "ver­pflich­tend" wer­den. Die Vergleichbarkeit wäre eine Grippeimpfung. Wurde da auch schon laut über eine Pflicht nachgedacht? 

    btw. Wie pas­sen die Forderungen der FL zu den mitt­ler­wei­le staats­treu­en Parolen der ANTIFA, wel­che bei kei­ner "Gegen"-Demo den Hinweis aus­lässt, wie wich­tig das "Impfen" ist?
    Um nur ein paar auf­zu­zäh­len: "Impfen ist Liebe", "Wir imp­fen euch alle".

  7. Ich inter­pre­tie­re Agamben so: Wir müs­sen zur Kenntnis neh­men, dass die Globalisten und von ihnen durch­setz­te demo­kra­ti­sche Institutionen kei­ne Rückkehr zur frei­heit­lich-demo­kra­ti­schen Konstitution inner­halb der­sel­ben mög­lich machen wer­den. D.h. wir kön­nen nicht auf Wahlen, Gerichtsentscheidungen, Leit-Medien, Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, sozia­le Marktwirtschaft etc. hof­fen (auch wenn es stra­te­gisch Sinn macht dort zu agie­ren), son­dern im Kern die selbst­er­mäch­tig­ten Autoritäten durch Verweigerung der Gefolgschaft die Macht ent­zie­hen und das machen was wir für rich­tig hal­ten (in all unse­rer Vielfalt). Dabei müs­sen wir uns nichts bewei­sen und auch kein Machtspiel eingehen.

  8. Bzgl. "Grußwort": Das ist ein­fach das typisch speu­do­in­tel­lek­tu­el­le Geschwafel wie ich es auch aus mei­ne (ehe­ma­li­gen) Umfeld ken­ne. Ich wünsch­te die betref­fen­den Personen (erschreckend vie­le) wür­den end­lich mal ein­se­hen, daß die­se "Überlegenheitsduftmarke" abso­lut nie­man­den beein­druckt. Der halb­wegs bewan­der­te Zuhörer/Leser denkt sich nur "Was für ein pathe­ti­scher Käse…" und der Rest schal­tet bei der hoch­tra­ben­den Ansprache an den Pöbel sofort ab.

    Dementsprechend wenig Zeit soll­te man auf die Analyse ver­schwen­den. Wenn der Schreiber dar­an inter­es­siert wäre ver­stan­den zu wer­den wür­de er sich ver­ständ­lich aus­drücken. Aber ein­fach fest­zu­stel­len, daß aut­ho­ri­tä­re Scheiße nun­mal stinkt fehlt dann eben die Möglichkeit sich zu pro­fi­lie­ren. Wirklich sku­ril wird es wenn sich dann die sel­ben Leute hin­stel­len und vol­ler Unverständnis bekla­gen, daß die Massen ihren ach so fort­schritt­li­chen Ideen nicht fol­gen wollen…

    1. Danke, sehr inter­es­san­te und lesens­wer­te Wortmeldung. Es gibt wie es scheint, doch noch Personen, wel­che aus dem der­zei­ti­gem Einheitsbrei posi­tiv herausstechen.

  9. Die Übersetzung von pote­stas mit "Macht" erscheint mir gelin­de gesagt irre­füh­rend. Genau genom­men han­delt es sich dabei näm­lich um Herrschaft, genau­er noch um gewalt­sa­me Herrschaft oder Herrschaftsgewalt.

    Das sieht man schon dar­an, dass im auf Francis Bacon zurück­ge­hen­den Diktum "know­ledge is power" – das im Kontext des Novum Organum auf das Wissen um Kausalzusammenhänge ver­weist – im latei­ni­schen Original von poten­tia und nicht von pote­stas die Rede ist.

    Und seit Max Weber soll­te es doch eigent­lich selbst­ver­ständ­lich sein, zwi­schen Macht – dem Vermögen, sei­nen Willen durch­zu­set­zen – und Herrschaft – einem Verhältnis von Befehl und Gehorsam – zu unter­schei­den. Macht kann, muss aber nicht "anar­chisch" sein, wäh­rend Herrschaft zwin­gend "archisch" ist.

    1. Danke, Übersetzung ist revi­diert, der Übersetzer war zu sehr in Gedanken bei Spinoza.

      Herzlichen Dank auch an Herrn Aschmoneit für die Erwähnung auf die­sem äußert ver­dienst­vol­lem Blog.

      Red. Freier Funke

  10. Ich bin gespannt auf die Diskussion und gebe reich­lich hilf­los zu, kaum zu begrei­fen, wo Agamben hin will.….

    Ich gebe Ihnen Recht. Und wenn der Autor sagt, dass es nicht dar­um geht Begriffe zu klä­ren, fin­de ich, dass dies in die­sem Text ein beson­ders Manko dar­stellt. Freilich wie Hegel schon bemerk­te, ist die Arbeit am Begriff ein schwie­ri­ges Unterfangen aber uner­läss­lich, wenn der Gegenstand begrif­fen wer­den soll. Insofern wäre die Arbeit am Begriff genau das, was eigent­lich jetzt wich­tig wäre. Oder anders gesagt, es ist das was fehlt. Aber auch die Eule der Minerva beginnt erst in der Dunkelheit ihren Flug, was ja auch bedeu­tet, dass nur der voll aus­ge­bil­de­te Zustand einer Zeit die wah­re Begriffsbestimmung einer Epoche erlaubt. Von daher, wenn Agamben sagt es ist ein Ende einer Welt, soll­te er schon sagen von wel­cher Welt er spricht, d.h. wel­cher Zustand sich dem Ende neigt. Wobei ich ihm in der Sache zustimme.

  11. @Emil: Er sagt in einer nerv­tö­tend pom­pö­sen Art, daß "jetzt" der Zeitpunkt ist mit etwas völ­lig neu­em zu begin­nen weil eine Rückkehr zu den Vorabzuständen angeb­lich unmög­lich ist. Das ist zu einem gro­ßen Teil der exak­te Grund waren ein beträcht­li­cher Teil des lin­ken Lagers seit einen Jahr still hält: Die Hoffnung in der all­ge­mei­nen Zerstörung einen gene­rel­len Umbruch durch­drücken zu kön­nen. Ob die hier geäu­ßer­te Einschätzung akku­rat oder ein­fach nur selbst­nüt­zig und in sich fahr­läs­sig spaltend/demotivierend ist darf jeder für selbst beurteilen.

    1. @C
      So ganz ver­ste­he ich nun Ihren Kommentar nicht. Ich gebe Ihnen recht, dass Agambens sich schwer tut, die gegen­wär­ti­ge Situation in Worte zu fas­sen, geschwei­ge denn auf den Begriff zu brin­gen. Aber wer kann das schon?
      Sie sagen : „“ weil eine Rückkehr zu den Vorabzuständen angeb­lich unmög­lich ist. Das ist zu einem gro­ßen Teil der exak­te Grund waren ein beträcht­li­cher Teil des lin­ken Lagers seit einen Jahr still hält: Die Hoffnung in der all­ge­mei­nen Zerstörung einen gene­rel­len Umbruch durch­drücken zu können.“

      Meine Frage an Sie: Die Rückkehr zu dem davor ist nicht mög­lich. Aber war­um ist das der exak­te Grund war­um die Linke still­hält? Verstehe ich nicht.
      und weiter…
      Wer hat die Hoffnung auf­grund all­ge­mei­ner Zerstörung einen gene­rel­len Umbruch durchzuführen?

      Über die Richtigkeit der Aussage Agambens kann man viel­leicht geteil­ter Meinung sein, aber was bedeu­tet „“ selbst­nütz­lich­keit“ in die­sem Zusammenhang? Das erschließt sich mir nicht.

      Und war­um emp­fin­den Sie die Aussagen als „“ in sich fahr­läs­sig spaltend/demotivierend„? Verstehe ich auch nicht.

      Ich den­ke auch, dass Intellektuellenschelte nicht die rich­ti­ge Form der Kritik sein kann, ein­ge­denk der Tatsache, dass es tat­säch­lich auf fun­da­men­ta­ler Ebene zu einer gewal­ti­gen Verschiebung der Verhältnisse kommt— was in der Begriffslosigkeit Agambens gut zum Ausdruck kommt. Von daher bedarf es umso mehr die Analyse/ Kritik des Vergangenen und zwar des­halb um sicher­zu­stel­len, dass die Vergangenheit eben nicht in nur ver­än­der­ter Form zur neu­en Zukunft wird. 

      Vielleicht fin­den Sie das auch zu geschwur­belt, trotz­dem fin­de ich es wich­tig, dass man sich gesell­schafts­theo­re­tisch mit der Gegenwart aus­ein­an­der­setzt. Es gibt nie­mals eine Stunde Null, man muss das Vergangene begrei­fen, um dem Verein frei­er Menschen näher zu kommen.

  12. @joki
    Ich fin­de, wenn man etwas sagen will, dann soll­te das in ein­fa­cher ver­ständ­li­cher Sprache sein. Alles was so geschrie­ben ist wie der Text von Agamben ist intel­lek­tu­el­les Geschwurbel und das könn­te er auch las­sen. Ich habe auch so etwas ähn­li­ches ver­stan­den wie der/die Kommentator/In Joki, deren Ausdrucksweise mir viel mehr gefällt und des­sen Interpretation ich auch inhalt­lich teile.
    Danke Joki!

  13. Gut, die "Freie Linke" äußert sich expli­zit zur Corona-Impfkampagne – viel­leicht des­halb fehlt mir hier der wich­tig­ste Punkt:
    – Beendigung des Generalverdachts gegen Gesunde als "Ansteckungsverdächtige"

    Man könn­te ein­fa­cher fordern:
    Zurück zum Infektionsschutzgesetz!
    (wie bis Anfang März 2020 gültig)

  14. Ich ver­ste­he Angamben so:
    Macht ver­langt Institutionen um sie durch­zu­set­zen. Die glei­chen Institutionen schrän­ken jedoch die Durchsetzung von Macht durch Verfahrenswege so ein, dass letzt­end­lich nichts wirk­lich durch­ge­setzt wer­den kann.
    Wirkmacht ist jedoch dem Grunde nach anar­chi­stisch: wenn alle die Maske abset­zen, kann kei­ne Macht das verhindern.
    Insofern kann sich Veränderung nur mehr ausser­halb der Macht durch­set­zen, da die Macht selbst nur mehr den Status Quo (bis zum end­gül­ti­gen Zusammenbruch) erhal­ten kann.

  15. Ob Agamben unsauber/unscharf denkt oder ob es an der Übersetzung liegt weiß ich nicht. Aber „poten­tia“ ist kei­ne "Wirkkraft"sondern ist das Vermögen, etwas Bestimmtes tun zu kön­nen – wenn man es denn woll­te oder anfin­ge es zu tun. Bis zur genau­en Beschreibung die­ser poten­tia ist die­se nur eine Leerformel. Und pote­stas (Macht) kann auch bewir­ken nichts zu tun, die Dinge so lau­fen zu lassen.
    Was solch ein Text in die­sem kon­kre­ten Kontext soll weiß ich aber wirk­lich nicht.

  16. @Emil

    "Die Rückkehr zu dem davor ist nicht möglich."

    Das stimmt schon. Ich woll­te auch nicht unbe­dingt den Umkehrschluß nahe­le­gen. Grundsätzlich ist das auch rein tech­nisch gar nicht mög­lich. Die im Original ver­wen­de­te – wie ich fin­de doch recht abso­lu­te – Form wür­de ich es aller­dings zumin­dest als dis­ku­ta­bel bezeichnen.

    "Aber war­um ist das der exak­te Grund war­um die Linke stillhält?"

    Das ist eine gute Frage. So wirk­lich 100% den Finger dar­auf legen kann ich auch nicht. Es ist ein­fach der – zuge­ge­ben stark ver­kürz­te – Eindruck der sich letz­tes Jahr bei mir erge­ben hat. Eine dif­fu­se Mischung aus Zufriedenheit über das geglaub­te Straucheln des Kapitalismus, der selt­sa­men Annahme die Bedrängnis der "Notlage" wür­de bei der Masse eine Art Lernprozess in Gang set­zen der die Grundlage für eine lin­ke Umstrukturierung der Gesellschaft bil­den wür­de und einem völ­li­gen Tunnelblick in Bezug auf Nebeneffekte. In das Bild passt mei­ner Meinung nach auch recht gut die Pervertierung des Solidaritätsbegriffs und ähn­li­che Stilblüten die man letz­tes Jahr bewun­dern durfte.

    Wie es im grö­ße­ren Maßstab zu einer der­ar­ti­gen Fehlentwicklung kom­men konn­te ist dann aller­dings noch­mal eine ganz ande­re Frage… Eine Theorie mei­ner­seits wäre, daß über die letz­ten Jahre eine Art Wandel statt­ge­fun­den hat. Rückblickend betrach­tet gab es durch­aus Situationen bei denen ich mir heu­te wün­schen wür­de viel­leicht etwas kri­ti­scher gewe­sen zu sein.

    "Und war­um emp­fin­den Sie die Aussagen als „“ in sich fahr­läs­sig spaltend/demotivierend„? Verstehe ich auch nicht."

    Nun, wie bereits wei­ter oben möch­te ich das nicht per se unter­stel­len. Wenn die Aussage aller­dings in den genann­ten Kontext des "Lernprozesses" setzt stellt sich die Frage ob die behaup­te­te Aussichtslosigkeit nicht unter Umständen dar­auf abziehlt Versuche zur "Umkehr" zu demo­ra­li­sie­ren. Ob dies nun rea­li­stisch ist oder nicht völ­lig außen vor es wird defi­ni­tiv für eini­ge Menschen der Antrieb sein sich zu orga­ni­sie­ren und die Möglichkeit vor­ab aus­zu­schlie­ßen hal­te ich dem­nach für frag­wür­dig. Mag sein, daß ich dem Verfasser unrecht tue. Ich bin mistrau­isch und wahr­schein­lich auch ein bischen bit­ter geworden…

    "Ich den­ke auch, dass Intellektuellenschelte nicht die rich­ti­ge Form der Kritik sein kann, ein­ge­denk der Tatsache, dass es tat­säch­lich auf fun­da­men­ta­ler Ebene zu einer gewal­ti­gen Verschiebung der Verhältnisse kommt— was in der Begriffslosigkeit Agambens gut zum Ausdruck kommt."

    Ich muss zuge­ben aus die­ser Perspektive habe ich das noch nicht betrachtet.

    "Vielleicht fin­den Sie das auch zu geschwur­belt, trotz­dem fin­de ich es wich­tig, dass man sich gesell­schafts­theo­re­tisch mit der Gegenwart auseinandersetzt."

    Absolut nicht. Ich leh­ne es ja nicht grund­sätz­lich ab sich Gedanken zu machen und die dür­fen ger­ne auch mal etwas kom­ple­xer als "1 + 1 = 2" sein. Man muss nur ab und zu schau­en, daß man ein bischen auf dem Boden bleibt.

  17. Zu glau­ben, dass eine Partei etwas an unse­rer Situation ändern wür­de erscheint mir geschicht­lich gese­hen naiv. Agamben stellt aber dies inso­fern zur Diskussion als er uns auf­for­dert uns zu Fragen was wir kön­nen und was wir nicht kön­nen. Geschichtlich scheint es aus mei­ner Sicht offen­sicht­lich, dass wir nicht mit Parteien eine lin­ke Perspektive durch­set­zen kön­nen. Agamben spricht die Wirkkraft an und stellt sie der Macht gegen­über. Die Linke hat oft die Machtfrage als Orientierung ihres Handels gesetzt und ver­sucht die Macht zu ergrei­fen und dabei oft sich Korrumpieren las­sen oder ein­fach fest­ge­stellt, dass nicht in der Politik die Macht liegt und um nicht auf die gewon­nen Pfründe zu ver­zich­ten sich damit abge­fun­den. Die Wirkkraft ist aber uns allen bereits gege­ben in der Form wie wir unser Leben gestal­ten und es im Widerstand gegen­über das System ori­en­tie­ren. So ver­ste­he ich Agamben und so ver­ste­hen es immer mehr Menschen, wes­halb die Parteienpolitik ihre Glaubwürdigkeit ver­liert. Heute gilt es in der Parteienpolitik ledig­lich zu schau­en, dass nicht die radi­ka­le Rechte die Macht ergreift. Jedoch unter­schei­det sich die Parteipolitik der Linken, Bürgerlichen oder Rechten kaum mehr von­ein­an­der und die­nen nur noch den Konzernen. Wir müs­sen auf­hö­ren an reprä­sen­ta­ti­ve Demokratien zu glau­ben. Die Verantwortung ist nicht abzu­ge­ben. Sie muss von jeden ein­zel­nen über­nom­men wer­den. In Bezug auf die Politik soll­ten Konzepte erar­bei­ten, wel­che die Menschen bemäch­tigt und die Regierenden und durch die Wirtschaft herr­schen­den ent­mach­ten. Sowie in der Vergangenheit die Kirche vom Staat getrennt wur­de, gilt es heu­te die Wirtschaft vom Staat zu tren­nen. Nicht das Individuum soll total kon­trol­liert und Transparent sein son­dern die Wirtschaft und die Parlamentspolitik. Schon allein die­se Idee stellt die aktu­el­len Regelungen in Politik und Wirtschaft auf den Kopf.

  18. Also, der Kampf zur Wiedererlangung bür­ger­li­cher Freiheitsrechte ist ver­ständ­lich, aber sinn­los weil das gegen­wär­ti­ge Gesellschaftssystem am Ende ist?
    So in etwa, als wür­den die Sklaven im Sklavenhalterstaat für bes­se­re Mahlzeiten oder einen hal­ben frei­en Tag in der Woche kämp­fen? Soweit kom­me ich mit, der Rest ist mir auch zu hoch.
    Ich sehe kei­ne Alternative zu einer Art neu­er Aufklärung die von außer­halb der staat­li­chen bzw. kon­zern­ab­hän­gi­gen Strukturen kom­men muss und die die Menschen aus ihrer Massenmedienhypnose auf­wecken kann.

  19. Vor einem Jahr habe ich nach "Schwurbel"stimmen im Netz gesucht. Über die NZZ bin ich auf Agamben gesto­ßen. Ich habe eini­ge Texte aus dem Italienischen von der Seite quod​li​bet​.it über­setzt. Ich habe zu die­ser Zeit nie­mand sonst gefun­den der so kla­re Worte gefun­den hat.
    Es wird kei­ne Gruppe, keine/n Führer/in und kei­ne bis­he­ri­ge Ideologie sein, die uns aus der Krise führt.
    Eine Rückkehr zur "Normalität" wird es nicht geben. Entweder die Regierenden zie­hen die Agenda der Pharma/IT … durch oder aber das Volk stimmt mit den Füßen ab. Boykottiert Masken, Impfen, Testen wo und wie immer es geht. Das ist Selbsermächtigung mit ent­spre­chen­der Wirkmacht. So ver­ste­he ich ihn.
    Was dann kom­men wird, wis­sen wir nicht. Wir müs­sen daher uns selbst und auch mög­lichst vie­len im rea­len Umfeld vertrauen.

  20. Die Interpretation von @ak fin­de ich sehr treffend.

    In der NZZ hat Hans Ulrich Gumbrecht auch eine sehr posi­ti­ve Rezension über das Buch "An wel­chem Punkt ste­hen wir? Die Epidemie als Politik" von Giorgio Agamben veröffentlicht:

    ".……Der Mensch im Ausnahmezustand
    Dass die einst ersehn­te Rückkehr zur Normalität aus­ge­schlos­sen sei, begrün­de­te er mit der These von der ver­meint­li­chen Virusgefahr als einer glo­ba­len Bewegung, hin­ter der sich ein sozia­ler und exi­sten­zi­el­ler Strukturwandel vollziehe. .….….….….….….…..
    Als Folge des wie­der­hol­ten Rekurses auf den Ausnahmezustand ist dar­über hin­aus auch die Grenze zwi­schen Demokratie und Diktatur durch­läs­si­ger gewor­den. Selbst eine Regierung, die von Phasen unter Ausnahmebedingungen immer wie­der zur lega­len Normalität zurück­kehrt, wird sich an eine Machtausübung ohne Begrenzungen gewöh­nen. Da Agamben als Norm auf eine Gesellschaft setzt, deren Kohärenz sich nicht in Gruppenidentitäten, son­dern in der Freiheit zur Individualität erfül­len soll, beginnt das poli­tisch-ethi­sche Problem für ihn aller­dings schon bei der blo­ssen Unterscheidung ver­schie­de­ner Typen von Bürgern, nicht erst bei ihrer vom Staat im Ausnahmezustand ver­häng­ten Reduktion auf «nack­tes Leben»."

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