Für Geld gehen sie über Leichen

»Eine Forschergruppe des Zentrums für Molekularbiologie der Entzündung (ZMBE) der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) hat die Möglichkeit unter­sucht, das Antidepressivum Fluoxetin gegen Covid-19 ein­zu­set­zen. Dabei kam das Team um Ursula Rescher in einer Vorab-Studie zu der Erkenntnis, dass das bes­ser als Prozac bekann­te Medikament eine ent­schei­den­de Rolle in der Behandlung von Corona-Patienten spie­len könnte.«

Das mel­det n‑tv am 23.10. Bei Fluoxetin han­delt es sich um ein Medikament, bei dem die Liste der Warnhinweise rie­sig ist. Nebenwirkungen, Wechselwirkungen, Gegenanzeigen fin­den sich in Hülle und Fülle (s. Stiftung Warentest, Wikipedia, net​dok​tor​.de usw.) 2007 berich­te­te in der taz ein ehe­ma­li­ger Geschäftsführer des Pharmakonzerns, der über das Fluoexetin-Patent ver­fügt, über kri­mi­nel­le Machenschaften:

»Ich war in Schweden acht Jahre lang Geschäftsführer von Eli Lilly und soll­te dafür sor­gen, dass Fluoxetin dort auf den Markt kommt. Das war wich­tig für die Firma, denn damals war das Mittel nur in Belgien zuge­las­sen. Schweden ist schon wegen des Nobelpreises ein renom­mier­tes Land und die Psychiatrie genoss hohes Ansehen. In Deutschland hat­te die zustän­di­ge Behörde, damals das Bundesgesundheitsamt, Einwände gegen die Zulassung von Fluoxetin. Gar nicht gut für die Firma.
Was war Ihr Job?
Ich küm­mer­te mich dar­um, dass es posi­tiv aus­ge­hen­de Studien gab. In Schweden reich­te es nicht, dass irgend­wo auf der Welt sol­che Studien gemacht wor­den waren, das natio­na­le Zulassungsprozedere ver­lang­te auch loka­le Studien. Welche aus Schweden.
Und was lässt Sie heu­te schlecht schlafen?
Die Methoden, die ich anwand­te. Sie waren damals jeden­falls in Schweden neu. Es war schlicht Bestechung. Ich schloss so etwas wie Freundschaft mit soge­nann­ten Meinungsbildnern oder sol­chen, die es wer­den woll­ten. Und ich brach­te sie dazu, Nebenwirkungen in ihren Beiträgen zu unter­drücken und ein posi­ti­ves Votum abzugeben.
Ein leich­ter Job?
Nicht unbe­dingt. Aber ich habe Pharmakologie und Medizin stu­diert. War in jun­gen Jahren Popsänger und mei­ne Lehrjahre bei Lilly hat­ten mich zum Genießer gemacht. Ich habe die Fachleute, die wir brauch­ten, gepro­fi­led: Hobbys, Kinder, Vorlieben der Frau. Das ließ sich alles bedie­nen. Ich arran­gier­te Gourmetessen in Nobelrestaurants, am Nebentisch die schwe­di­sche Königin, exqui­si­te Weinproben, Symposien in den Tropen. Schweden mögen das. Der Winter ist lang und dun­kel. Ich fand die rich­ti­gen Jazzkeller, sang auch mal selbst und bezahl­te die Prostituierten.
Floss auch Geld?
Ja, auch. Aber in Schweden war die Vermögenssteuer extrem hoch. Da muss man sich auch ande­re Sachen ein­fal­len las­sen. Eine Studie mit guten Resultaten, die hat uns damals etwa 10.000 Dollar geko­stet. Das war vor mehr als zwan­zig Jahren eine Menge Geld. Und eigent­lich nur das Taschengeld, denn der Herr Professor bekam von Lilly auch noch die Zusage für eine Langzeitstudie. Das bringt Geld in die Klinik und nützt dem Renommee.
Kennen Sie das Ergebnis der Studie?
Nein, ich gehe davon aus, dass es kei­ne gibt.
Wurde Fluoxetin in Schweden zugelassen?
Nie.
Dann waren Sie also erfolglos?
Nein, denn ich habe für einen guten Preis gesorgt. Der war dann maß­geb­lich für ande­re Länder. Das läuft in Schweden näm­lich so: Bereits vor der end­gül­ti­gen Zulassung ver­han­delt die Pharmafirma mit der Wirtschaftsbehörde über den zukünf­ti­gen Preis des Präparats. Mit 1,20 US-Dollar pro Tagesdosis von 20 Milligramm in der Achtzigerjahren, fiel der ansehn­lich aus. Eine gute Verhandlungsbasis für den Konzern auf dem Weltmarkt.
Es hat aber lan­ge gedau­ert, bis sich Ihr schlech­tes Gewissen gemel­det hat.
Leider, sage ich heu­te. Allerdings habe ich schon frü­her eini­ges versucht…

Kürzlich stieß ich auf die­se Werbung von Lilly in Eltern. Lilly ver­mark­tet auch ein soge­nann­tes ADHS-Medikament. Gedacht für Kinder, die über­ak­tiv sind und extrem unauf­merk­sam. Aber so wie Lilly die Anzeigen macht, da wer­den Eltern erst auf die Idee gebracht, dass ihr Kind – zap­pe­lig in der Schule, nicht so erfolg­reich wie erwar­tet, mit den Gedanken oft woan­ders – ADHS hat. Eli Lilly rückt mit einer Art Fragebogen Verhaltensauffälligkeiten in die Nähe einer Krankheit, für die die Firma eine Pille hat – eine Krankheit, die ich übri­gens für eine Erfindung hal­te. Direkt wer­ben darf sie in Deutschland nicht für ihr Präparat. Das ist hier zum Glück ver­bo­ten, da das Mittel ver­schrei­bungs­pflich­tig ist.
Worauf wol­len Sie hinaus?
Da ich weiß, wie Studien zu Psychopharmaka zustan­de kom­men, kann ich nur sagen Vorsicht. Geht mit euren Kindern Fußball spie­len oder Schlittschuh lau­fen, lasst den Fernseher aus und macht bit­te nicht den Taxifahrer für sie. Etwa mor­gens direkt vor der Schule absetzen.
Gibt es Studien, die zei­gen, dass soge­nann­te ADHS-Kinder dann bes­ser klar kommen?
Schön wär’s. Aber wer soll die bezah­len? Pharmafirmen?«

Eine Antwort auf „Für Geld gehen sie über Leichen“

  1. Das Interview ist mit John Virapen, der auch in der ZDF Dokumentation Frontal21 "Das Pharmakartell" im Jahr 2008 auf­ge­tre­ten ist und mit dem ich auch schon tele­fo­niert hat­te. Er lebt lei­der nicht mehr. In der ZDF-Doku wur­de auch der Fall mei­ner ver­stor­be­nen Frau behan­delt, die sich 2005 nach der Einnahme eines ande­ren SSRI Antidepressivums Zoloft das Leben genom­men hat­te. Ich hat­te dar­auf­hin Pfizer wegen fahr­läs­si­ger Tötung ver­klagt, da schon Ende 2004 in den USA die Pharmaunternehmen in einer Black-Box auf das Suizidrisiko die­ser SSRI Antidepressiva hin­wei­sen muss­ten. Warum ist dies damals nicht auch in Deutschland gesche­hen? In der Packungsinformation fan­den sich damals kei­ne Warnhinweise zum Suizidrisiko von Zoloft. Doch die Staatsanwaltschaften und Aufsichtsbehörden hier in Deutschland woll­ten nichts unter­neh­men. Es ist alles unfassbar! 

    Auch nach­dem ich dem BfArM und dem Ministerium Anfang 2015 Beweise vor­ge­legt hat­te, dass bei der Zulassung ca. 90% der schwer­wie­gen­den Nebenwirkungen zum Suizidrisiko bei der Bewertung der Risiken im Zulassungsgutachten nicht berück­sich­tigt wur­den, wol­len die Behörden nichts unternehmen.
    Ich hat­te die­se Daten bei einer Akteneinsichtnahme beim BfArM erlangt. Der Gutachter war HJ Möller, der auch in dem Fall um einen Teppich- Und Antiquitätenhändler in München trau­ri­ge Berühmtheit erlangt hatte.
    Dem Gesetz nach aber wären die Behörden bei Kenntnis, dass das Medikament nicht aus­rei­chend gete­stet wur­de, dazu ver­pflich­tet, die Zulassung sofort zu ent­zie­hen oder Ruhen zulas­sen. Das ist bis heu­te nicht geschehen.

    Auch nach zwei klei­nen Anfragen der LINKEN an die Bundesregierung sind noch vie­le Fragen offen.

    Die Geschichte ist noch nicht zu Ende …

    Habe heu­te Ihr Interview im Corona-Untersuchungsausschuss gese­hen. Da bleibt nicht mehr viel übrig von dem Bild des Super-Stars Drosten, dass sonst über­all in den Medien gezeich­net wird. Ist er auch ein zwei­ter Fall Gutenberg?

Schreibe einen Kommentar zu Dr. Lothar Schröder Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert