Gehen denn die ganzen jungen Covid-Kranken nicht zum Arzt?

"Wir müs­sen han­deln, kei­ne Diskussion. Menschen ster­ben. Jetzt trifft es die Jungen" ist das aktu­el­le Mantra zu den geplan­ten Maßnahmen-Verschärfungen. Man soll­te anneh­men, wer sich krank fühlt, geht zum Arzt oder zur Ärztin. Das müß­te sich dann doch in der Zahl der Krankmeldungen nie­der­schla­gen. Der BKK-Dachverband ver­öf­fent­licht dazu regel­mä­ßig Zahlen. Offenbar sind die im Arbeitsleben ste­hen­den Covid-19-PatientInnen nicht dort versichert.

Es wer­den die durch­schnitt­li­chen monat­li­chen Krankenstände für ein­zel­ne Monate und Berufsgruppen aus­ge­wie­sen. Sie lagen im Januar und Februar 2021 bei 4,12 bzw. 4,62. Im Jahr 2020 lagen die­se Werte bei 4,91 bzw. 5,56. 2019 lau­te­ten sie 4,89 bzw. 5,83. Auch in der Gruppe der im Gesundheits- und Sozialwesen Beschäftigten gibt es kei­nen Anstieg in die­sem Jahr.

Man kann eigent­lich nur wenig spe­ku­lie­ren dar­über, war­um für Intensivbetten vom DIVI-Zentralregister den­noch ein Anstieg der Belegung dar­ge­stellt wird.

Interessante Gedanken zu die­ser Schieflage fin­den sich in einer Darstellung der BKK vom 24.3. unter dem Titel "Was für ein Jahr!":

»Zu Beginn der Pandemie fast noch ver­zeih­bar, aber lei­der auch ein Jahr spä­ter noch zu beob­ach­ten ist: In der Hektik der Pandemie-Aktivitäten wird nur zöger­lich hin­ter­fragt, ob nicht auch Strukturen finan­ziert wer­den, die ohne Pandemie eigent­lich schon dem Untergang geweiht waren, ob ohne Not man­che Akteure mit Geldern geflu­tet und ande­re durch gewief­tes Agieren zu Krisengewinnlern wer­den. So erhiel­ten bei­spiels­wei­se Krankenhäuser, die 2020 vom Netz gehen soll­ten, noch Gelder aus dem Corona-Topf. Andere nah­men die Corona-Leerstandsprämien und bean­trag­ten gleich­zei­tig für ihre Belegschaft Kurzarbeitergeld. Apotheken erhiel­ten zu Beginn der Pandemie 5 Euro für den Botendienst – eine Leistung, die sie zuvor als Serviceleistung erbracht haben und für die sie nun dau­er­haft 2,50 Euro erhal­ten. Sechs Euro Vergütung von FFP2-Masken für die Apotheken, denen ein deut­lich nied­ri­ge­rer Einkaufspreis zugrun­de liegt, die rd. 7.000 gemel­de­ten und mit 50.000 Euro pro Stück ver­gü­te­ten „Geister-Intensiv-Betten“, die wegen „Bürokratieentlastung“ redu­zier­ten Anforderungen bei den Prüfungen der Krankenhausabrechnungen mit dem Resultat hoher Falschabrechnungen – die Liste ist lang mit den Dingen, deren Fehlanreize allen bewusst waren und den­noch umge­setzt wur­den. Daher ist gera­de jetzt Vorsicht gebo­ten, wenn Standesorganisationen, die sonst ihre Selbständigkeit oder ihren Sicherstellungsauftrag wie eine Monstranz vor sich her­tra­gen, die schlich­te Fortsetzung von Corona-Sonderregelungen for­dern. All das Proklamieren des alter­na­tiv dro­hen­den Untergangs des Abendlandes darf nicht dar­über hin­weg­täu­schen, dass groß­zü­gi­ge Corona-Hilfen im Vergleich zum Vorjahr bei eini­gen sogar Einnahmesteigerungen gene­riert haben. Beispielhaft sei­en die Krankenhäuser genannt, die im 1.–3. Quartal des Jahres 2019 rund 59,5 Mrd. und im Jahr 2020 60,4 Mrd. Euro erhiel­ten – zuzüg­lich wei­te­rer 9,7 Mrd. Euro an Ausgleichzahlungen für Einnahmeausfälle und Mittel für zusätz­li­che Intensivbetten. Gleichzeitig gin­gen die Fallzahlen um 11,5 Prozent zurück. Also, mehr Geld bei weni­ger Fällen, wobei seit Sommer 2020 vie­le im Frühjahr ver­scho­be­ne Leistungen nach­ge­holt und in der zwei­ten Welle kaum noch ver­scho­ben werden…

Pflege

… Mit wei­te­ren Finanzmitteln der GKV soll­ten fer­ner 13.000 zusätz­li­che Pflegekräfte für sta­tio­nä­re Pflegeeinrichtungen gene­riert wer­den. Dies blieb eine Utopie, da Pflegekräfte schließ­lich nicht ein­fach „gebacken“ wer­den kön­nen. Was jedoch statt­des­sen mit den GKV-Geldern geschah, ist aktu­ell unklar… Unter Qualitätsgesichtspunkten wur­den schließ­lich noch im Jahr 2019 die – in Corona-Zeiten schänd­li­cher Weise als Bürokratie abge­ta­nen Pflegepersonaluntergrenzen für pfle­ge­sen­si­ti­ve Krankenhausbereiche defi­niert. Sie sol­len dafür sor­gen, dass Pflegepersonal in den defi­nier­ten Bereichen aus­rei­chend vor­han­den ist und nicht ander­wei­tig ein­ge­setzt wird… Seit Start der Pandemie sind die­se aus­ge­setzt und daher ohne Sanktionsmechanismus. Gegen ein Wiedereinsetzen weh­ren sich die Krankenhäuser mit Verweis auf sonst unter­be­setz­te Abteilungen. Ob eine Versorgung in per­so­nell unter­be­setz­ten Abteilungen aller­dings die not­wen­di­ge Qualität der Leistung garan­tiert oder eher für den Patienten eine Gefahr dar­stellt, wird nicht hinterfragt…

Hier soll­te also nach den Bundestagswahlen ein attrak­ti­ves und nach­hal­ti­ges Zukunftsbild erar­bei­tet und die Schritte zu des­sen Erreichung kon­kre­ti­siert wer­den. Dies wird ins­be­son­de­re auch der Dreh- und Angelpunkt dafür sein, den sich ver­schär­fen­den Fachkräftemangel anzu­ge­hen. Ansonsten wer­den auch in Zukunft Stilblüten gedei­hen, wie wir sie in Zeiten der Pandemie gera­de sehen: Vermittler von frei­be­ruf­li­chen Pflegekräften nut­zen die Notlage der Pflegeeinrichtungen vor Ort für wucher­ähn­li­che Angebote für die Vermittlung und den Einsatz von Pflegekräften ver­bun­den mit der Aussage, dass die über­höht ent­ste­hen­den Kosten in vol­ler Höhe über das Kostenerstattungsverfahren finan­ziert wür­den…«

(Hervorhebungen nicht im Original.)

6 Antworten auf „Gehen denn die ganzen jungen Covid-Kranken nicht zum Arzt?“

  1. Im ver­link­ten BKK Report ist vor allem der Anstieg der Schlaganfälle in der KW50 2020 auffällig!

    Zumindest theo­re­tisch, sind das ja Gerinnungsstörungen, aber der Impfbeginn war ja erst in KW50, also sehr zeitnah.

    Wäre also super wich­tig, die wei­te­re Entwicklung in 2021 hier mög­lichst zeit­nah zu erfahren.

    Kennt jemand eine Quelle?

  2. Habe den gan­zen Artikel noch nicht im Detail gele­sen, aber in der Schweiz war mir schon eine Merkwürdigkeit der Situation und Zahlen aufgefallen:

    Grundsätzlich sind die 'Neuinfektionen' seit eini­ger Zeit ange­stie­gen, sind aber wie­der am Abflachen, und stan­den selbst offi­zi­ell unter dem Vorbehalt, dass auf­grund einer geän­der­ten Teststrategie ver­mehrt Personen ohne Symptome gete­stet wür­den etc. und der Anteil der Testpositiven daher unbe­stimmt erhöht dar­ge­stellt sein könne.

    Die Hospitalisierungen 'mit oder auf­grund' Covid sind dann auch ange­stie­gen, gehen aber seit 6.4. wie­der deut­lich zurück.

    Die Intensivbehandlungen 'mit oder auf­grund' von Covid sind schon seit ca. Anfang Dezember immer wei­ter zurück­ge­gan­gen, aber seit ca. 1–2 Wochen ange­stie­gen und lt. icu­mo­ni­to­ring rech­ne man in den mei­sten Kantonen mit mehr Hospitalisierungen, obwohl der Trend ins­ge­samt bei den Covid-Hospitalisierungen deut­lich abnimmt lt. BAG Zahlen.

    Dabei frägt sich natür­lich immer, wie 'zwangs­läu­fig' die Hospitalisierungen indi­ziert wären und die Intensivbehandlungen. Dies sage nicht nur auf­grund Berichten, wie man sie immer wie­der lesen kann, son­dern weil ich mal im Krankenhaus gear­bei­tet habe und aus der Praxis ken­ne, dass es da einen Spielraum gibt in der medi­zi­ni­schen Einschätzung und für die Entscheidung dann auch nicht-medi­zi­ni­sche Gründe aus­schlag­ge­bend sein können.

    1. Problematisch ist ja, dass in den mei­sten Bundesländern Corona-Positive nicht ärzt­lich behan­delt wer­den. In mei­nem Ort muss man sich bei Symptomen, die der Abklärung bedür­fen, sta­tio­när ins Krankenhaus auf­neh­men lassen.

  3. Die Betriebskrankenkassen sind gesetz­li­che Krankenversicherungen.
    Vielleicht ver­geht sich das böse gefähr­li­che Killervirus ja nur an Privatversicherten.

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