Genesen, geimpft und trotzdem nicht frei

In die­ser Überschrift wären ziem­lich vie­le Anführungszeichen erfor­der­lich, aller­dings wäre sie dann kaum lesbar.

Auf aerz​te​zei​tung​.de berich­tet am 2.7. einer von 3,6 Millionen Betroffenen:

»Corona-Genesener will Impfnachweis – eine Odyssee!
 Für COVID-19-Genesene reicht laut STIKO eine Impfdosis. Aber ver­su­chen Sie mal, dies in die Tat umzu­set­zen und doku­men­tie­ren zu las­sen! Ein Erfahrungsbericht…

Gleich zu Beginn der Pandemie Anfang März 2020 war ich an COVID-19 erkrankt. Jetzt gibt es ja „Genesene“ und „Genesene“. Genesen im Sinne von so frei wie Vollgeimpfte und Negativ-Getestete, vor­aus­ge­setzt die Erkrankung ist min­de­stens 28 Tage und höch­stens sechs Monate her.

Und dann sind da die Genesenen wie ich: Erkrankung liegt län­ger als sechs Monate zurück. Die Empfehlungen von Robert Koch-Institut und STIKO für unser­eins sind klar: In die­sem Fall gilt eine Impfung als aus­rei­chend für den voll­stän­di­gen Schutz. Und mehr will ich auch nicht. Zum einen soll­te so eine über­schie­ßen­de Immunreaktion ver­mie­den wer­den, zum ande­ren woll­te ich Niemandem, der dar­auf war­tet, eine für mich nicht not­wen­di­ge Dosis weg­neh­men.«

Wir sehen also, es han­delt sich hier über einen poli­tisch über­aus kor­rek­ten und zudem soli­da­ri­schen Mitmenschen. Der aber par­tout aus Schaden nicht klug wer­den will. Vier Wochen nach der Anmeldung erhält er zwei Biontech-Termine. Dort kennt man die Regel nicht, der Mann nimmt den­noch die erste "Impfung" mit. Auch bei der Absage des zwei­ten Termins zeigt sich die Hotline kom­plett unin­for­miert, nimmt die Stornierung aber immer­hin entgegen.

»Auf den Versand des QR-Codes aus dem Impfzentrum setz­te ich jetzt kei­ne Hoffnung. Also gehe ich zu mei­ner nächst­ge­le­ge­nen Apotheke, nach­dem die­se auch in die Digitalisierung des Impfstatus ein­be­zo­gen wur­den. Die Apothekerin ist mit mei­ner Situation durch­aus ver­traut – hel­fen kann sie mir trotz­dem nicht. Sie kön­ne mir zwar mei­ne eine Impfung digi­tal doku­men­tie­ren, für den Genesenen-Status sei das aber tech­nisch noch nicht mög­lich. Das Elend setzt sich fort. Von der Krankheit erholt, von der Impfbürokratie gezeichnet.

Virtueller Freibrief in weiter Ferne

„Unvollständiger Impfschutz“ heißt es nun in mei­ner „CovPass“-App, vom vir­tu­el­len Freibrief kei­ne Spur. Also neh­me ich mei­nen Kollegen im Hauptstadtbüro zu Hilfe: Er wer­de die Frage, wie es mit Leuten wie mir nun digi­tal wei­ter­geht, in der näch­sten Corona-Pressekonferenz mit Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) plat­zie­ren. Dem geht‘s doch wie mir: Corona-erkrankteine Dosis erhal­ten.

Gesagt, getan. Ergebnis: Jens Spahn weiß zwar Bescheid, ist aber selbst nicht wei­ter als ich. Er ver­weist auf tech­ni­schen Nachholbedarf, nennt am ver­gan­ge­nen Freitag immer­hin einen Zeithorizont: „Bis Ende Juni, Anfang Juli, mög­lichst bald.“

Jetzt war­te ich auf den Juli. Und setz­te auf mei­ne Apothekerin. Vielleicht aber auch dies ver­ge­bens: Die „Pharmazeutische Zeitung“ ver­weist auf ein Rundschreiben des Deutschen Apothekerverbands vom Montag zu elek­tro­ni­schen Genesenen-Nachweisen: „Das DAV-Verbändeportal wird die­se Funktion vor­aus­sicht­lich nicht ermög­li­chen. Ob und wie Apotheken sol­che Zertifikate aus­stel­len kön­nen, ist noch nicht abseh­bar“…«

Er soll­te sich nicht so anstel­len. Einfach ohne den büro­kra­ti­schen Aufwand des "Impfzentrums" zu einem Arzt sei­nes Vertrauens gehen, sich Astra sprit­zen las­sen (soll ja eine tol­le Kombi sein, sagt die Stiko), und der Freibrief ist gesi­chert. Schließlich ist mehr als genug von dem Zeug vorhanden.

»Ein Freibrief, auch Freiheitsbrief, ist eine zumeist könig­li­che oder fürst­li­che Urkunde, durch die im Mittelalter bestimm­te Privilegien ver­lie­hen wur­den. So konn­te bei­spiels­wei­se die Entlassung aus der Leibeigenschaft durch einen Freibrief gewährt wer­den oder es wur­de das Recht auf Kaperei als Freibeuter verliehen.«
de​.wiki​pe​dia​.org

3 Antworten auf „Genesen, geimpft und trotzdem nicht frei“

  1. Zuerst war ich fas­sungs­los. Dann wur­de mir die Rolle der deut­schen Bürokratie bei der Umsetzung
    der Beschlüsse am grü­nen Tisch bewusst.
    Dagegen kämp­fen selbst die Götter vergebens.
    Das ein­zi­ge Mittel dage­gen ist zivi­ler Ungehorsam.

  2. Ich wün­sche mir, dass die Impfskeptiker und Gegner sich auf t Zellen testen las­sen und bei posi­ti­vem Befund sich einen Freibrief erkla­gen. Ich weiß, das das ver­hin­dert wer­den soll. Das ist für mich eher ein Ansporn. So könn­ten jede sel­ber etwas tun. Leider kostet der Test zwi­schen 120.00 und 150.00 Euro. Das ist es mir aber wert.
    https://​www​.mdr​.de/​w​i​s​s​e​n​/​c​o​r​o​n​a​-​i​m​m​u​n​i​t​a​e​t​-​l​a​b​o​r​-​t​e​s​t​-​t​-​z​e​l​l​e​n​-​1​0​0​.​h​tml

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