Da sind Stadt und Polizei wohl krachend gescheitert. Auflagen wurden von Gerichten kassiert, Angstmache wirkte nicht (vgl. München erlässt strenge Auflagen für Corona-Demo). Die Süddeutsche Zeitung berichtet:
»Tausende Menschen haben sich am Samstagnachmittag auf der Münchner Theresienwiese versammelt, um gegen die Corona-Maßnahmen zu demonstrieren. Die Polizei schätzt, dass bis zu 10 000 Teilnehmer vor Ort sind. An die Regeln – Maskenpflicht und Abstand halten – halten sich viele aber offenbar nicht. Schon kurz nach Beginn der Kundgebung fordert die Polizei die Menschen auf, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, weil die Demo sonst aufgelöst werden müsse. Vorübergehend müssen die Reden auf der Bühne pausieren, bis sich die Menge besser auf der Theresienwiese verteilt hat. Während die Kundgebung fortgesetzt wird, laufen Polizistinnen und Polizisten durch die Menge und fordern die Menschen auf, Masken zu tragen. "Wir werden diese Personen ansprechen und je nach Sachlage werden sie wegen einer Ordnungswidrigkeit angezeigt", teilt die Polizei per Twitter mit.
Eine Beschränkung der Teilnehmerzahl gibt es auf der Theresienwiese nicht – diese hatte ein Gericht zuvor aufgehoben. An die Infektionsschutzmaßnahmen müssen sich die Demonstranten aber dennoch halten.
Bereits am frühen Nachmittag wurde der Protestzug vom Odeonsplatz durch die Münchner Innenstadt aufgelöst. Es hatten deutlich mehr Menschen teilgenommen als zugelassen waren. "Es waren in der Spitze 3000 Teilnehmer", sagte ein Sprecher der Polizei – genehmigt waren 500. Weil die Zahl so deutlich überschritten worden sei und viele Teilnehmer keine Maske getragen hätten, hatte die Polizei den Zug gestoppt. Kurz darauf brachen die Veranstalter der Initiative "Querdenken 089" den Zug ab und baten die Teilnehmer, sich zur Hauptkundgebung auf der Theresienwiese zu versammeln. Alle verfügbaren Einsatzkräfte der Polizei wurden ebenfalls dorthin verlagert, wie ein Sprecher sagte. Zwischenfälle oder Festnahmen gab es zunächst nicht.
Worum es den Demonstranten geht
Wie schon bei früheren Kundgebungen, kommen sehr verschiedene Menschen zusammen. Einige sehen durch die Corona-Maßnahmen ihre Grundrechte eingeschränkt – auch wenn die meisten Vorschriften inzwischen stark zurückgefahren wurden. Andere sorgen sich vor dem Einfluss Chinas, der USA (in Person von Bill Gates) oder der Auswirkung des 5G-Netzes. Wieder andere fürchten sich vor möglichen "Zwangsimpfungen". Auf der Bühne der Theresienwiese fordern Redner unter anderem die Aufhebung der Immunität von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Außerdem müsse Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vom Verfassungsschutz beobachtet werden.
Die Befürchtung, dass sich bei der Demonstration in München – ähnlich wie vor etwa zwei Wochen in Berlin – viele Rechtsradikale und Reichsbürger sammeln könnten, scheint sich nicht zu bewahrheiten.
Hunderte Gegner demonstrieren friedlich
Angemeldet hat die Proteste die Initiative "Querdenken 089", die Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus ablehnt. Gegen diese Haltung hat sich ein Bündnis in München organisiert, das ebenfalls am Samstagnachmittag auf die Straße gegangen ist – gegensätzlicher könnte die Gegenkundgebung am Goetheplatz gar nicht sein. "Solidarität statt rechter Verschwörungswahn" lautet der Titel. Unterstützt wird sie von 48 vor allem linken Organisationen und Parteien.
1000 Leute waren angemeldet, sagt eine Sprecherin. Und ob es wirklich so viele sind an diesem Nachmittag, lässt sich schwer einschätzen. Mehrere Hundert sind es aber sicher. Und alle tragen ohne Murren eine Maske, auf dem Boden haben die Organisatoren mit Kreide Striche aufgemalt, die als Orientierung für den nötigen Abstand von anderthalb Metern dienen sollen. Und obwohl der kleine Platz am U‑Bahneingang voll ist, halten sich die Menschen daran. Man grenzt sich ab, was auch in den Reden deutlich wird. Diese richten sich gegen rechtes Gedankengut, Antisemitismus und Rassismus und erinnern an die Schicksale von Geflüchteten, inklusive einer Schweigeminute für die Verstorbenen.
Sehr deutliche Worte findet etwa Max Brym, Trainer beim jüdischen Sportverein TSV Maccabi. Er bezeichnet die Demonstranten der "Querdenker" als "bescheuertes, rücksichtloses Kleinbürgertum" . Dann erzählt er noch einmal die Geschichte, wie er Ende Mai im Englischen Garten von einem Radfahrer mit "Coronaleugner"-T-Shirt antisemitisch beleidigt wurde, die Juden "hätten das mit Corona gemacht". Brym redet sich regelrecht in Rage und fordert, man müsse "diese Typen in die Flucht schlagen".
Insgesamt läuft die Gegendemonstration entspannt ab, mit lautem Applaus reagiert die Menge auf die Nachricht, dass der Zug der anderen aufgelöst worden sei. Ganz ohne Humor geht es auch hier nicht zu: Eine Demonstrantin und ein Demonstrant haben Schilder mit "Wir gratulieren den Absolventen der Youtube-Universität", und "So viel Fantasie, so wenig Verstand".
1400 Polizisten im Einsatz
Die Polizei ist an diesem Samstag mit etwa 1400 Beamten in der Münchner Innenstadt unterwegs, um für die Einhaltung aller Auflagen zu sorgen. Dazu gehört unter anderem das Tragen einer Maske, das die Corona-Kritiker ablehnen. Darauf werde man "entsprechend reagieren", sagte ein Polizei-Sprecher. Er ließ aber offen, wie konsequent die Polizei Verstöße ahnden will.
Nach den Erfahrungen von Berlin, wo angesichts abwesender Polizei Hunderte rechte Demonstranten die Absperrungen zum Reichstag überwanden und dann auf den Treppen vor dem Parlament unter anderem Reichsflaggen schwenkten, werde die Münchner Polizei auf historisch relevante und symbolträchtige Orte und Gebäude besonders achten. "Objektschutz spielt eine wichtige Rolle", kündigte der Sprecher an und nannte als Beispiel den Landtag. Das gelte auch dann, wenn die Kundgebung, wie von der Stadt vorgegeben, weit entfernt auf der Theresienwiese stattfindet.
Keine fixe Teilnehmer-Obergrenze auf der Theresienwiese
Wie und wo die "Querdenker" in München demonstrieren dürfen, das hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) erst in der Nacht auf Samstag in einem Beschluss festgelegt. Erlaubt wurde ein Demonstrationszug mit bis zu 500 Teilnehmern vom Odeonsplatz zur Theresienwiese. Weiter legten die Richter fest, dass die anschließende Versammlung dort stattfinden muss. Die dafür von der Stadt verordnete Grenze von maximal 1000 Besuchern wurde aufgehoben. Laut einer VGH-Sprecherin gebe es damit keine fixe Obergrenze für die Teilnehmerzahl, auch nicht die ursprünglich angemeldeten 5000. Entscheidend sei aus Sicht des Gerichts, "dass die Hygienevorschriften eingehalten werden (können)."
Dem Start des Demozugs um 13 Uhr war ein juristisches Ringen um die beiden angemeldeten Demonstrationen von "Querdenken" vorausgegangen. Das Kreisverwaltungsreferat (KVR) hatte den Protestzug durch die Innenstadt verboten und die anschließende Kundgebung vom Odeonsplatz auf die Theresienwiese verlegt. Die Zahl der Teilnehmer wurde eingeschränkt. Die Veranstalter zogen vor das Verwaltungsgericht, um diese Auflagen zu kippen. Diese erklärte jedoch das Vorgehen der Stadt für rechtens. In zweiter Instanz hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof auf eine weitere Beschwerde der Organisatoren diese Vorgaben teilweise aufgehoben und deutlich gelockert.
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Einige sehen durch die Corona-Maßnahmen ihre Grundrechte eingeschränkt – auch wenn die meisten Vorschriften inzwischen stark zurückgefahren wurden.
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Bitte?! Zurückgefahren?
Es wird doch jeden Tag schlimmer!
Nach wie vor sind die EInschränkungen der Grundrechte in Kraft! Da ändern "Lockerungen" gar nichts. Auch die "Feststellung einer Pandemie von nationaler Tragweite" wurde noch nicht rückgängig gemacht. Wo sind die Erkrankten, wo sind die belegten Intensivbetten, wo sind die Toten?