Grüße aus der Zwangs-WG

Auf faz​.net ist heu­te unter die­ser Überschrift zu lesen:

»Plötzlich sind alle dran. Junge Berliner fei­ern Partys, etwas älte­re Berliner fei­ern Hochzeiten, und plötz­lich fal­len für alle Berliner die Herbstferien aus. Weil sich in Berlin inzwi­schen wöchent­lich mehr als 50 von 100.000 Menschen mit dem Coronavirus infi­zie­ren. In kei­nem Bundesland wer­den sie mehr in die Hotels auf­ge­nom­men – es sei denn, sie befrei­en sich von dem Verbot mit Hilfe eines nega­ti­ven Tests. In Berlin steht man dafür inzwi­schen Hunderte Meter lang an. Doch die Tests wer­den eigent­lich für ande­re Leute gebraucht. Da ärgert sich so man­cher, der schon immer besorgt beob­ach­tet hat, wie unbe­sorgt so man­cher ande­re mit dem Virus umgeht…

"Sippenhaft" ist ein böses Wort, im Nationalsozialismus war damit zumeist die Verfolgung von Familienangehörigen der Regimegegner und Widerstandskämpfer gemeint. Umgangssprachlich hat es aber einen wei­te­ren, harm­lo­se­ren Sinn. Es geht schlicht­weg dar­um, eine gan­ze Personengruppe in Mithaftung zu neh­men für das Verhalten ein­zel­ner Mitglieder.«

Hier schwingt mit, daß Party- oder Hochzeitfeiern doch recht ver­werf­lich sei. Ob man das teilt oder nicht, die fol­gen­de Beobachtung ist davon nicht betroffen:

»Wer Gäste nach Wohnort ablehnt, der sperrt vie­le Leute umsonst aus und kann sich das Virus trotz­dem von Gästen aus weni­ger ver­däch­ti­gen Regionen holen. Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach hat den Nutzen die­ser Regeln schon in Zweifel gezo­gen. Auch der Soziologin Anke Hassel wäre woh­ler, wenn der Staat bes­ser begrün­den könn­te, dass inlän­di­sche Reisebeschränkungen wirk­lich etwas brin­gen. Moralisch hält die Tübinger Philosophin Sabine Döring das Quarantäne-Kriterium auf jeden Fall für irrele­vant. Der Wohnort kön­ne kei­ne mora­li­sche Verantwortung begrün­den – auch wenn er viel­leicht prak­tisch der­zeit das wirk­sam­ste Kriterium sei.

Vielleicht hilft am Ende der Blick auf die jahr­zehn­te­lan­ge Erfahrung im Umgang mit HIV. Auch hier setz­te sich, nach anfäng­li­chen Irrwegen, die Erkenntnis durch: Es bringt nichts, gan­ze Personengruppen kol­lek­tiv zu dis­kri­mi­nie­ren, und es hilft auch nicht wei­ter, in der vagen Hoffnung auf einen Impfstoff jah­re­lang das Leben anzu­hal­ten. Umgekehrt gilt: Ignoranz ist lebens­ge­fähr­lich. Deshalb kommt es auf die ein­fa­chen, indi­vi­du­ell zu prak­ti­zie­ren­den Schutzmaßnahmen an. Kondome benut­zen, hieß das damals. Heute bedeu­tet es: Abstand, Händewaschen, Alltagsmaske – und lie­ber die Fenster zu öff­nen, statt die Türen zu schließen«

5 Antworten auf „Grüße aus der Zwangs-WG“

  1. Jaja, sol­che Probleme ent­ste­hen halt zwangs­läu­fig, wenn man eine Million Tests pro Woche zusam­men­be­kom­men will, aber kei­ne Kranken hat, die man testen könnte…

  2. Nun die 1€ Frage zu HIV: haben Kondome genützt? Geschützt? Gedingst? Theoretisch ist dar­über nun eini­ges Grass gewach­sen, so dass die­se Frage beant­wort­bar sein könn­te. Ist sie's?

  3. Und wenn die Ausweitung der Tests so bleibt, dann haben fast alle Landkreise die "kri­ti­sche " Marke erreicht. Somit kann der 2.Lockdown gerecht­fer­tigt wer­den. Die Bundeswehr ist ja schon fast allen Städten des " Elferrates "
    ( bit­te an A A : bit­te Link zu dem Artikel hinzufügen,danke).

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