Die deutsche Medienwelt ist sich auch bei diesem Thema einig: Ohne die erforderliche dritte Test-Phase wird in Rußland ein Impfstoff zugelassen.
Insofern sich die Medien auf Präsident Putin beziehen, ist das schlicht falsch. Er sprach von einer Registrierung, die wie auch in Deutschland die erste Voraussetzung für das weitere Verfahren darstellt. (Ja, so viel Russisch verstehe ich.) Insofern sie sich auf das federführende Forschungsinstitut beziehen, trifft auch das nicht zu. Dort ist die Rede von einer am 12.8. gestarteten dritten Phase mit 2.000 Probanden.
Richtig ist, daß es auch russische Darstellungen gibt, die von Zulassung sprechen. Zu kritisieren ist die verkürzte Dauer der dritten Phase, die geringe Zahl der Testpersonen und daß mit der Produktion bereits begonnen wurde.
Nur: Ist das anders als bei uns?
»Vorab Impfdosen gesichert hat sich Deutschland trotzdem: Zusammen mit Frankreich, den Niederlanden und Italien insgesamt bis zu 400 Millionen beim britischen Pharmakonzern AstraZeneca.«
meldete am 14.8. zdf.de.
Brasilien als Testlabor
Wie auch die Russen läßt dieser Konzern und ebenso die deutsche Firma BionTech gemeinsam mit dem Pharmariesen Pfizer seine Tests zu guten Teilen in Brasilien durchführen. Hier werden sich gewiß genug arme Versuchskaninchen finden lassen.
wallstreet-online berichtete am 15.8. über die Firma, die in Deutschland die Nase vorn hat:
»Geht es nach dem BioNTech-Zeitplan soll die Studie innerhalb der kommenden acht Wochen abgeschlossen werden, sodass schon im Oktober die Zulassung beantragt werden kann. Aufgrund des hohen politischen Drucks dürfte eine solche Zulassung im positiven Fall sehr schnell über die Bühne gehen, sodass möglicherweise noch vor Weihnachten ein erster massentauglicher Impfstoff zur Verfügung steht.
Fazit: BioNTech ist derzeit eine der größten Hoffnungen im Kampf gegen das Virus. Sollte es gelingen, dürfte der Aktienkurs vollends explodieren.«
Wer genehmigt Phase 3?
Für die Firma BionTech wird erklärt:
»"Das Studienprotokoll der Phase 2/3 folgt allen Anforderungen der FDA zum klinischen Studiendesign für COVID-19-Impfstoffstudien", sagte Kathrin U. Jansen, Senior Vice President and Head of Vaccine Research & Development, Pfizer…
Nach sorgfältiger Prüfung der präklinischen und klinischen Daten aus den Phase‑1/2‑Studien, sowie in Abstimmung mit dem Zentrum für die Bewertung biologischer Produkte für den menschlichen Gebrauch (Center for Biologics Evaluation and Research; CBER) der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FDA (U.S. Food and Drug Administration) und anderen Behörden weltweit, haben sich Pfizer und BioNTech dazu entschieden, den Impfstoffkandidaten BNT162b2 mit einer Verabreichung von zwei 30 µg-Dosen in der Phase‑2/3‑Studie zu untersuchen.«
Hier ist keine Rede mehr von der deutschen Aufsichtsbehörde Paul-Ehrlicher-Institut, statt dessen von einer Phase 2/3 (russische Zählweise?), die Firmen "haben sich entschieden", und zwar "in Abstimmung" mit Behörden der USA "und weltweit". Doch auch der Chef des deutschen Instituts kritisiert vehement die verkürzte Testphase der Russen, meint aber gleichzeitig:
»"Wir haben es mit einem gefährlichen Erreger zu tun, der zu einer weltweiten Pandemie geführt hat. Impfstoffe werden Menschen verabreicht, die gesund sind und gesund bleiben wollen. Vor diesem Hintergrund erfolgt die notwendige Arbeit so schnell wie möglich, aber so intensiv wie nötig", sagt Cichutek. Deshalb werden klinische Prüfungen, die normalerweise nacheinander stattfinden, kombiniert—etwa Phase I mit II oder Phase II mit III. «
In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, daß am 14.7. der Rat der EU, also die Vertretung der Regierungen, beschlossen hatte, daß
»… bei klinischen Prüfungen mit solchen Impfstoffen nicht die vorherige Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muss, die nach den EU-Vorschriften über die absichtliche Freisetzung und die Anwendung genetisch veränderter Organismen (GVO) in geschlossenen Systemen ansonsten vorgeschrieben ist. «
Vergleiche hierzu Warum geimpft werden muß.
Gewinnerwartungen explodieren
Daß es sich beim Wettrennen um die Impfstoffe um ein gigantisches Marktgeschehen handelt, in das nicht nur Regierung und Konzerne in Rußland involviert sind, zeigt diese Nachricht von heute:
»Curevac Aktie: Börsengang mit +250% des mRNA Impfstoff Hoffnungsträgers made in Germany! Die Alternative zu Biontech?
Curevac an dem sich auch der deutsche Staat beteiligt hatte, konnte am Freitag einen sensationellen Börsengang verzeichnen, wo sich die Aktie um +250% steigerte und auch heute ist die Aktie vorbörslich im Plus. Angetrieben wird die Spekulation von dem vielleicht besten Impfstoff für Corona mit geringer Wirkmenge, der allerdings erst in Phase 1 ist. Natürlich ist die Aktie bewertungstechnisch schwer zu greifen aber immerhin spielt ein weiteres deutsches Unternehmen ganz vorne mit. «
deraktionaer.de spricht gar von einem Sprung über 400% und fügt hinzu:
»CureVac erlöste bei der Aktienplatzierung mehr als 200 Millionen Dollar. Der Hauptinvestor von CureVac, SAP-Mitgründer Dietmar Hopp, wird nach dem Börsengang mit einem Anteil knapp unter 50 Prozent die Kontrolle behalten…
Das Tübinger Biotech-Unternehmen CureVac will mit einem möglichen Covid-19-Impfstoff auch Gewinne für die Eigentümer erzielen. "Wir können das nicht zum Selbstkostenpreis machen. Wir haben Investoren, die seit zehn Jahren Geld in das Unternehmen stecken, also sollte es eine kleine Rendite für sie geben", sagte CureVac-Finanzchef Pierre Kemula im Interview der Financial Times. Die Pharmakonzerne AstraZeneca und Johnson & Johnson hatten im Rahmen von großen Vorbestellungen von EU- und US-Behörden angekündigt, zumindest während der Pandemie keinen Gewinn mit möglichen Impfstoffen anzustreben…
Neueinsteiger können versuchen, bei der durchaus hochinteressanten Aktie bei einer Kursberuhigung mit einem Abstauberlimit zum Zuge zu kommen.«