In der Pandemie sitzt die Moralkeule locker. Wer die Regierungspolitik ablehnt, bekommt sie schnell zu spüren

»Die Befürworter der «Bundesnotbremse» in Deutschland machen es sich ein­fach: Wer ihre Politik kri­ti­sie­re, gefähr­de Menschenleben. Die Welt wird ein­ge­teilt in Gut und Böse.«

Das stellt "NZZ-Chefredaktor Eric Gujer spe­zi­ell für Leserinnen und Leser in Deutschland" fest, nach­les­bar am 30.4. auf nzz​.ch.

»Es ist leicht, eine Meinung zu haben, aber müh­sam, sich mit Fakten aus­ein­an­der­zu­set­zen. Wer zu Beginn der Corona-Krise dafür plä­dier­te, nicht nur auf die Ansteckungszahlen zu star­ren, son­dern genau­so wirt­schaft­li­che oder psy­cho­so­zia­le Faktoren zu berück­sich­ti­gen, der sah sich rasch mit einem unge­heu­er­li­chen Vorwurf kon­fron­tiert. Er sei schuld am Tod von Menschen, weil er dem Leichtsinn das Wort rede.

Durch mora­li­sche Disqualifikation soll­ten die Kritiker der Regierungspolitik zum Schweigen gebracht werden…

Plötzlich geht es um Gut und Böse

Die Fakten aller­dings sind kom­plex, sie las­sen sich auf die eine wie die ande­re Weise inter­pre­tie­ren. Gewissheit, das Beste nicht nur zu wol­len, son­dern es auch zu tun, gibt es in der Pandemie nicht. Es ist wie in einer grie­chi­schen Tragödie: Gleichgültig, wel­che Entscheidung man trifft, sie hat unkal­ku­lier­ba­re und poten­zi­ell fata­le Nebenfolgen…

Es ist ein simp­ler Taschenspielertrick. Statt über die Ausbreitung von Aerosolen im Freien und in geschlos­se­nen Räumen strei­ten zu müs­sen, kann man alle Kritiker mora­lisch ins Abseits stel­len, die den Lauterbach-Test nicht bestehen, die also nicht allen alles und dies mög­lichst lan­ge ver­bie­ten möchten.

Ralph Brinkhaus, der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, beherrscht den Trick per­fekt. Er ver­tei­dig­te die «Bundesnotbremse» mit den Worten: «Dieses Gesetz ist ein Gesetz fürs Leben. Wenn es kei­ne Notstandsregeln geben wird, dann wer­den Menschen krank und ster­ben.» Wer die Ausgangssperre ablehnt, nimmt mensch­li­ches Leid bil­li­gend in Kauf.

Die Behauptung der Kanzlerin, ihre Politik zur Rettung des Euro sei «alter­na­tiv­los», wird so ins Zynische gestei­gert. Wer an der Weisheit von Angela Merkel und Ralph Brinkhaus zwei­felt, ist böse und lei­stet der Seuche Vorschub. Gegen eine sol­che Moralkeule lässt sich ratio­nal nicht argumentieren.

Corona ist weder rechts noch links

… Die plat­te­ste Form der Abkürzung ist der Versuch, jede Kritik an der offi­zi­el­len Corona-Politik als rechts, rechts­ra­di­kal oder min­de­stens schwer ver­wirrt abzu­tun. Gewiss, die AfD lehnt die Einschränkungen vehe­ment ab. Auch lau­fen bei den Demonstrationen gegen die Zwangsmassnahmen Reichsbürger und Rechtsradikale mit. Aber längst nicht alle Demonstranten sind rechts­ra­di­kal. Gegen die «Bundesnotbremse» macht nicht nur die AfD Front, son­dern eben­so die Linkspartei…

Die Kategorien sind herr­lich unprä­zis, so dass sie im Zweifelsfall auf alle pas­sen, die einem nicht pas­sen. Wie lau­te­te die Devise in Hollywoods Westernfilmen? «Kill them all and let God sort them out.» Es geht längst nicht mehr um die besten Lösungen in der Pandemie. Das Ziel ist die Vernichtung des Gegners – natür­lich nicht phy­sisch, wohl aber reputationsmässig.

An Päpsten und Päpstinnen herrscht kein Mangel

Wissenschaftliche Erkenntnisse sind ihrer Natur nach kei­ne ewi­gen Wahrheiten, son­dern nur bis zu ihrer Widerlegung gül­ti­ge vor­läu­fi­ge Aussagen. Sie las­sen sich auch nicht in Gut und Böse ein­tei­len. Moralisch qua­li­fi­ziert wer­den kön­nen nur die poli­ti­schen Schlussfolgerungen, die aus ihnen gezo­gen wer­den…«

Der Autor zieht eine Parallele zur Debatte um die Erderwärmung. Dieses Thema klang in ver­schie­de­nen Kommentaren bereits an. Die Frage wird strit­tig blei­ben und kann es auch sein. Differenzen hier­zu soll­ten nicht davon abhal­ten, sich gemein­sam der Bedrohung von Demokratie und Leben entgegenzustellen.

12 Antworten auf „In der Pandemie sitzt die Moralkeule locker. Wer die Regierungspolitik ablehnt, bekommt sie schnell zu spüren“

  1. Erst nur der Hopfen..jetzt auch das Malz. Ich wuen­sche mir einen Stromausfall fuer drei Wochen. Dann haben wir es hin­ter uns. Aber der kommt wahr­schein­lich erst dann wenn er "nicht" erwar­tet wird. Ich bin jetzt schon in 1 Jahr Ernsthaft und ueber­le­ge mit Kind&Kegel auszuwandern.

    1. @Tunefich:
      Tja, so sieht's aus. Ich schaf­fe es lei­der nicht, den Kegel zu über­re­den. Mir geht es ähn­lich wie Ihnen, ich möch­te gern weg. Ich wen­de mich inner­lich von die­sem Verräterland ab. Da wäre es kon­se­quent, dies auch äußer­lich zu tun. Mit Kind, aber ohne Kegel bis­her kei­ne Option.

  2. Liebe Mitleser, wir sind ja, wie schon öfter erwähnt , seit 6 Monaten in Tanzania. Heute Feier 1. Mai, 30.000 Teilnehmer, 2 mit Maske! Und es wur­de gesun­gen und gesungen .…
    Vielleicht nicht aus­wan­dern, aber zumin­dest eine Zeit sich hier auf­hal­ten, tut gut und man kann ein Leben mit mensch­li­chem Kontakt füh­ren. Ich nen­ne es, nach mei­ner Heimatstadt : AIXIL ( Aachen=Aix- La- Chapelle)
    Elke
    Herzliche Grüße, Elke

    1. @Wolfgang Mayer: Reitschuster soll­te schon den gan­zen Absatz zitieren:

      "a) Danach darf nicht einer Generation zuge­stan­den wer­den, unter ver­gleichs­wei­se mil­der Reduktionslast gro­ße Teile des CO2-Budgets zu ver­brau­chen, wenn damit zugleich den nach­fol­gen­den Generationen eine radi­ka­le Reduktionslast über­las­sen und deren Leben umfas­sen­den Freiheitseinbußen aus­ge­setzt wür­de. Künftig kön­nen selbst gra­vie­ren­de Freiheitseinbußen zum Schutz des Klimas ver­hält­nis­mä­ßig und ver­fas­sungs­recht­lich gerecht­fer­tigt sein; gera­de des­halb droht dann die Gefahr, erheb­li­che Freiheitseinbußen hin­neh­men zu müs­sen. Weil die Weichen für künf­ti­ge Freiheitsbelastungen bereits durch die aktu­el­le Regelung zuläs­si­ger Emissionsmengen gestellt wer­den, müs­sen die Auswirkungen auf künf­ti­ge Freiheit aber aus heu­ti­ger Sicht ver­hält­nis­mä­ßig sein. Auch der objek­tiv­recht­li­che Schutzauftrag des Art. 20a GG schließt die Notwendigkeit ein, mit den natür­li­chen Lebensgrundlagen so sorg­sam umzu­ge­hen und sie der Nachwelt in sol­chem Zustand zu hin­ter­las­sen, dass nach­fol­gen­de Generationen die­se nicht nur um den Preis radi­ka­ler eige­ner Enthaltsamkeit wei­ter bewah­ren könnten."

      "Es droht die Gefahr", des­halb muß jetzt gehan­delt wer­den. Worin besteht eigent­lich die Angst? Daß das exklu­si­ve deut­sche Recht auf Autobahnraserei ent­fällt? Daß Kerosin für die Billigflüge zur Ruhigstellung der Bevölkerung nicht mehr sub­ven­tio­niert wird? Daß wir für unse­ren Kasten Bier noch mehr Regenwald ret­ten müs­sen? Daß die Billigtextilien aus Vietnam nicht recht­zei­tig mit dem Flieger eintrudeln?

      1. „"Es droht die Gefahr", des­halb muß jetzt gehan­delt wer­den. Worin besteht eigent­lich die Angst? Daß das exklu­si­ve deut­sche Recht auf Autobahnraserei ent­fällt? Daß Kerosin für die Billigflüge zur Ruhigstellung der Bevölkerung nicht mehr sub­ven­tio­niert wird? Daß wir für unse­ren Kasten Bier noch mehr Regenwald ret­ten müs­sen? Daß die Billigtextilien aus Vietnam nicht recht­zei­tig mit dem Flieger eintrudeln?“

        Hier geht es um Umweltschutz. All das ist doch völ­lig klar. Aber hin­ter dem Ganzen steckt nicht der Wunsch die Natur zu schüt­zen, wenn von einem CO2-Budget gespro­chen wird, son­dern die mer­ke­li­sche Decarbonisierungskampagne. Vom WEF wur­de beschlos­sen, dass die Menscheit dran schuld ist, wenn sich das Klima wan­delt. Ab jetzt kön­nen Grundrechte mas­siv ein­ge­schränkt wer­den, wenn die poli­ti­schen Ziele zur Decarbonisierung nicht ein­ge­hal­ten wer­den. Wenn das kei­ne Parallele zu Covid-19 ist……

        1. @Wolfgang Mayer: Ich emp­feh­le, das Zitat wirk­lich zu lesen. Was ist die "kor­rek­te" Lösung? Doch wohl nicht "Weiter so". Angesichts auch nur des Weiterbetriebs des Braunkohleabbaus davon zu spre­chen, daß aus­ge­rech­net Merkel die Umwelt schüt­ze und die Menschen damit drang­sa­lie­re, ist recht rea­li­täts­fern. Wo bit­te fin­det Umweltschutz statt, der die Grundrechte von Menschen ein­schränkt?? Was ist da Finsteres geplant?

          1. Ich habe kei­nen Zweifel dar­an, dass der Kohleabbau, sowohl Tagebau als auch Untertage, immer und zu jeder Zeit eine gro­ße Umweltbelastung war und ist. Ich ver­ur­tei­le die Decarbonisierungskampagne der Frau Merkel den­noch aufs schärf­ste. Wenn ich den gegen­tei­li­gen Eindruck erweck­te, stel­le ich das hier rich­tig. „Klimaschutz“ ist nicht Umweltschutz. Der von den „Klimaschützern“ dar­ge­stell­te mono­kau­sa­le Zusammenhang des Klimawandels mit CO2 wird der Komplexität des Wettergeschehens auf unse­rem Planeten nicht gerecht.

            Und ja ein „wei­ter so“ ist in der Tat für die Umwelt und für den gan­zen Planeten nicht mehr lan­ge zu ver­kraf­ten. Aber das will ja irr­wit­zi­ger­wei­se auch das WEF erkannt haben. 

            Die Methoden „Klimamodellierer“ und „COVID-19-Modellierer“ glei­chen sich im Erzeugen von Angst und den schreck­li­chen Katastrophenszenarien.

  3. @ Wolfgang Mayer

    Das Meer erwärmt sich ste­tig seit Jahrzehnten, es spei­chert schon eine rie­si­ge Menge Wärme. Erst stirbt das Meer, dann der Mensch. Beim Erleben von Schneeflocken den Klimawandel in Frage zu stel­len, ist ein­fach Unwissenheit. Die Wissenschaft ist sich da so gut wie einig, und Evidenz für den neu­er­li­chen Wandel gibt es an allen Ecken im Ökosystem welt­weit. So die sehr stark zuneh­men­de Eisschmelze, kann man sehen.

    1. @Roseberry
      Und das alles zusam­men wird mono­kau­sal durch die Menge an CO2 ver­ur­sacht, die die gesam­te Menschheit emit­tiert? Wenn den Regierungen ernst damit wäre, müss­ten sie ihre Militärs umge­hend abschaf­fen, sind sie doch die größ­ten CO2 Emittenten im gesam­ten Wirtschaftskreislauf. Nein das tun die Staaten nicht. Neben dem schon eta­blier­ten Corona-Regime wird es zusätz­lich zu einem Ökodiktat kom­men. Das BVerfG hat schon die Weichen gestellt. Ich kann mir beim besten Willen nicht vor­stel­len, dass Elektroautos die Welt ret­ten. Gilt es doch weni­ger Strom zu ver­brau­chen und nicht mehr.

Schreibe einen Kommentar zu Jen Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert