"junge Welt" kriegt die Kurve nicht

Eine gan­ze Seite wid­met die Tageszeitung am Samstag der "Corona-Lage" in Indien. "Plötzlich stieg die Kurve an" ist er über­schrie­ben. Die ent­schei­den­de Information wird in einer Randspalte ver­steckt: "Die Todesrate in Indien ist äußerst gering; 34 Covid-19-Todesfälle wer­den pro Million Einwohner gezählt." Indien liegt damit knapp über der der BRD und sehr deut­lich hin­ter Spanien.

Der rest­li­che Artikel ist geprägt von den übli­chen Mainstream-Alarmismen:

»In den ersten Septembertagen hat Indien inner­halb von 24 Stunden mehr als 90.000 neue Fälle von Covid-19 regi­striert und liegt damit vor Brasilien. Mehr als 75.000 Infektionen kamen zuletzt täg­lich hin­zu. In Delhi wur­den an einem Tag mehr als 3.200 Infektionen fest­ge­stellt. Bereits Anfang August hat­te Indien als drit­tes Land der Welt zwei Millionen Fälle gemeldet.«

Das Ranking wird auch für ein­zel­ne Bundesstaaten vor­ge­nom­men. Für Kerala wird als besorg­nis­er­re­gend berichtet:

»Die Freude über die Erfolge war ver­früht. Denn plötz­lich stieg die Kurve wie­der an. Vergingen noch 110 Tage, bis in Kerala der 1.000 Fall gemel­det wur­de, so wur­den Mitte Juli täg­lich rund 800 Infektionen regi­striert. Bis zum 20. Juli hat­te die Zahl der Coronafälle im Staat 12.000 über­schrit­ten, 43 Verstorbene wur­den gemel­det. Mehr als 170.000 Menschen befan­den sich in Quarantäne, zu Hause und in Krankenhäusern.«

43 Verstorbene in einem Bundesstaat mit über 30 Millionen EinwohnerInnen und das bei 12.000 posi­tiv Getesten schei­nen dem Blatt Anlaß zu Panikmache zu sein. Der sozi­al­po­li­ti­sche Skandal des Lock-Downs wird ledig­lich als Ursache für jetzt neu auf­tre­ten­de Fälle erwähnt:

»Für die Zunahme der Coronafälle in Kerala wer­den vor allem gelocker­te Restriktionen ver­ant­wort­lich gemacht. In der ersten Maiwoche waren die Reisebeschränkungen zum ersten Mal gelockert wor­den. Die mei­sten neu Erkrankten waren zu die­ser Zeit Rückkehrer aus ande­ren indi­schen Bundessaaten oder dem Ausland. Etwa 17 Prozent der Bevölkerung im erwerbs­fä­hi­gen Alter arbei­tet außer­halb des Staats – fast eine hal­be Million Arbeiter aus den Golfstaaten und ande­ren Teilen Indiens kehr­te nach Hause zurück, weil Unternehmen schlos­sen und Beschäftigte vor die Tür setzten.

"Als die Reisebeschränkungen des Lockdowns auf­ge­ho­ben wur­den, ström­ten die Menschen zurück in den Staat, und es wur­de unmög­lich, die Wiedereinreise infi­zier­ter Personen ein­zu­däm­men", sag­te Shashi Tharoor, Oppositionspolitiker der Kongresspartei.«

Die "jun­ge Welt" vom 12.9. erreicht nicht mehr das Niveau der Stupidität von n−tv Ende März, als gemel­det wur­de "Indien fürch­tet 300 Millionen Corona-Infizierte" – laut WHO sind es heu­te 4,8 Millionen. Doch auch in der jW wirkt das Prinzip der iso­lier­ten gro­ßen Zahl, die Angst aus­lö­sen soll:

»Das Land hat mit über vier Millionen die zweit­größ­te Anzahl bestä­tig­ter Coronafälle welt­weit. Die Zahl der an der Krankheit Verstorbenen ist mit weit über 70.000 die dritt­höch­ste. Der Höhepunkt der Pandemie ist noch nicht erreicht…«

»Der Anstieg ist dar­auf zurück­zu­füh­ren, dass die Regierung wei­ter­hin die Beschränkungen auf­hebt, um die Wirtschaft anzu­kur­beln. Das öffent­li­che Leben wur­de im März – zwar reich­lich spät, aber sehr kon­se­quent – still­ge­legt, um die Ausbreitung des Virus ein­zu­däm­men. Seit Juni wur­de der Lockdown dann pha­sen­wei­se wie­der gelockert – auch wenn die Zahl der Fälle wei­ter anstieg. Im zwei­ten Quartal die­ses Jahres ist die Wirtschaft um 23,9 Prozent geschrumpft, der stärk­ste Rückgang seit 1996. Prognosen gehen von der schwer­sten Rezession seit der Unabhängigkeit aus – zwi­schen drei und ver­mut­lich rea­li­sti­sche­ren zehn Prozent lie­gen die Vorhersagen.

Unterdessen geht die Zahl der in Indien gemel­de­ten Coronafälle wei­ter steil nach oben: In der letz­ten Woche wur­den mehr als 75.000 Neuinfektionen täg­lich gemel­det. Teilweise mag der rasan­te Anstieg auch auf mehr Tests zurück­zu­füh­ren sein – deren Anzahl stieg auf über eine Million täg­lich. Doch obwohl Indien eine sehr nied­ri­ge Sterblichkeitsrate bei Covid– 19-Infizierten hat, wur­den in den letz­ten sie­ben Tagen täg­lich immer noch fast 1.000 Todesfälle verzeichnet.

Innenminister Amit Shah ver­sucht, die gerin­ge Sterberate im Land als Erfolgsgeschichte zu ver­kau­fen.«

Man soll­te anneh­men, auch eine lin­ke Publikation wer­de eine gerin­ge Sterberate als Erfolg aner­ken­nen. Man müß­te von ihr eine Analyse ver­lan­gen, was die "schwer­ste Rezession seit der Unabhängigkeit" für je unter­schied­li­che Auswirkungen auf ver­schie­de­ne Bevölkerungs­gruppen hat. Die wirt­schaft­li­chen Eliten in ihren Gated Communities haben sie anders erlebt als Millionen WanderarbeiterInnen ohne Lohn und wegen der Reiseverbote auf den Straßen der Städte vegetierend.

Durchaus rich­tig wird vermerkt:

»In Wahrheit kol­la­biert das maro­de indi­sche Gesundheitssystem zuse­hends. In Neu-Delhi, Mumbai und Chennai, Metropolen, die über die besten Gesundheitseinrichtungen des Landes ver­fü­gen, herrscht Mangel an Ärzten und ande­rem Gesundheitspersonal. Krankenschwestern und ande­re Krankenhausmitarbeiter pro­te­stier­ten – vor allem gegen mehr als zwölf­stün­di­ge Arbeitsschichten und man­geln­de Schutzausrüstung.«

Das beschreibt eine Situation, wie sie eben­so in Spanien und Norditalien, aber sogar auch in der BRD anzu­tref­fen ist. Gefährdet durch das Virus wer­den Menschen, die alt oder mit Vorerkrankungen ver­se­hen und/oder arm sind, durch kaputt­ge­spar­te Gesundheitssysteme. Ein Lock-Down bie­tet ihnen kei­ner­lei Schutz, ver­schärft aber sozia­le Probleme in allen Bereichen der Gesellschaft. Helfen kann da nur – neben kurz­fri­sti­ger Mobilisierung aller Ressourcen zum Schutz der beson­ders Gefährdeten – ein Umbau des Gesundheitswesens, weg vom Profitprinzip hin zu einer Gemeinwohlorientierung. Das gilt für Indien wie für den Rest der Welt.

7 Antworten auf „"junge Welt" kriegt die Kurve nicht“

  1. Obwohl selbst recht wohl­ha­bend, bin ich im Herzen immer Linker geblie­ben. Meine Mitarbeiter behan­de­le ich wie Familie und bezah­le sie weit über Tarif. Genau des­halb widert mich die­se neue jun­ge "Linke" auch so an. Da wird vom hohen Ross her­un­ter mora­li­siert, wäh­rend in den armen Regionen die­ser Welt die Menschen ver­recken. Nicht an Covid-19! An den Folgen der Lockdowns! Und weil sie alle Fakten igno­rie­ren, die ihrer Meinung im Wege ste­hen, sehen sie auch nicht, dass gera­de in den Slums in Indien die Sterberate an/mit Covid-19 ver­stor­ber Menschen bei 0,05–0,1% liegt. Wie in allen ande­ren Ländern der Erde auch, ster­ben dort am wenig­sten Menschen an/mit Covid-19 , wo die medi­zi­ni­sche Versorgung am schlech­te­sten ist. In den rei­chen Metropolen dage­gen, star­ben sie wie die Fliegen. Jeder Mediziner weiß das mitt­ler­wei­le und des­halb wer­den die Menschen auch nur noch in Ausnahmefällen inva­siv beatmet. Remdesivir, Chloroquin etc. wird auch nicht mehr gege­ben und schwups sin­ken die Sterbezahlen um 99%. Die lusti­gen Covid Symptome wie Hautverfärbungen oder Nervenschäden tre­ten jetzt auch nicht mehr auf. Kawasakisyndrom? Schon lan­ge nicht mehr gehört. War natür­lich alles nur Zufall, dass all die­se Symptome auf den Beipackzetteln der div. Malariamedikamente stan­den. Ich könn­te kot­zen vor soviel Dummheit und Ignoranz.
    Macht wei­ter so! Kauft eure hip­pen Elektrokarren. Wen inter­es­siert hier schon die zer­stör­te Natur woan­ders durch den Lithiumabbau. Und wo kommt denn der Strom her, um 500 Karren in einem Parkhaus gleich­zei­tig zu laden? Zerstört unser Sozialsystem und den gesell­schaft­li­chen Zusammenhalt durch die unkon­trol­lier­te Aufnahme von Wirtschaftsflüchtlingen. Zerstört den Glauben der Menschen an die Medien durch das Verbreiten eurer mora­li­sier­ten "Wahrheit" und eure Cancel Culture. Zerstört alles was das Leben lebens­wert macht. Am Ende müsst ihr es sel­ber ausbaden.

    1. Danke für die­se ehr­li­chen, fun­dier­ten, sehr wich­ti­gen Worte! 

      Ich bin der Meinung, dass bei der Aufarbeitung und beim Herausfinden der tat­säch­li­chen Todesumstände unbe­dingt auch die gereich­ten Medikamente mit auf­ge­führt und berück­sich­tigt wer­den müs­sen; eben genau wegen die­ser super star­ken Nebenwirkungen und Unverträglichkeiten. Ich habe das Gefühl, dass dies auf­fal­lend gut zu den Ermittlungen passt, dass die mei­sten Menschen im Endeffekt an einer Sepsis verstarben…
      Weil die­ses Jahr unse­re demo­kra­ti­schen Grundrechte auf Basis einer längst nicht mehr bestehen­den Gefahr (falls sie denn über­haupt in ECHT und nicht nur in Computersimultionen gege­ben war) so schnell wie nur weni­ge Male zuvor auf bra­chia­le, denun­zie­ren­de Weise ein­kas­siert wor­den sind, und immer noch wer­den, ist die­se Aufarbeitung viel­leicht wich­ti­ger als jemals zuvor, wenn wir unse­re frei­heit­li­chen Grundrechte ver­tei­di­gen und zurück­er­obern wollen.

  2. "Am Ende müsst ihr es sel­ber ausbaden."

    Hmmm. Ich wür­de eher sagen: unse­re Kinder und Kindeskinder.

    Ich gehe soweit mit, dass vie­le "Kinder" selbst an die­sem Umbau mit­wir­ken – und in Unkenntnis ihrer Benutzheit mei­nen, sich gegen Vernunft und Aufklärung ver­här­ten zu müssen.

    Wenn es frü­her hieß, "Nur Volksschädlinge hören Feindsender" so heißt es heu­te: "Vertrauen Sie nur amt­li­chen Informationen". Der erziel­te Effekt ist der gleiche.

    Die Methoden sind tat­säch­lich raf­fi­nier­ter gewor­den. Darum wür­de ich denen, die dar­an unbe­darft mit­ma­chen, nur eine Teilschuld zusprechen.

      1. Oh, hat­te ich den nicht rich­tig eingehängt?

        Sollte zu

        14. September 2020 um 9:42 Uhr 

        und ins­be­son­de­re auf den Schlußssatz bezogen

        "Am Ende müsst ihr es sel­ber ausbaden."

  3. Man kann eine gewöhn­li­che Sterblichkeit von 1 % jedes Jahr annehmen.
    Indien hat 1,3 MILLIARDEN (1.300.000.000) Einwohner.
    Es wer­den also in Indien die­ses Jahr 13 Millionen Menschen ster­ben. Gut 1 Million jeden Monat auch ohne Sars-Cov‑2.
    70.000 Sterbefälle wer­den nach fast 7 Monaten dem Corona-Virus zugerechnet.
    Dafür muss man kein Querdenker sein. Dafür muss man kein Mathematiker sein. Dafür braucht man nur wach zu sein.

  4. Die jW ähmt auch nur das nach was die Staatsmedien labern. Und stellt sich damit in den Dienst des Finanzkapitals. Es mag schon sein daß in denen ihren Beiträgen die Wahrheit stekt nur wird sie eben im Sinne des Kapitals inter­pre­tiert. Man kann auch sagen gefälscht.

    PS: Artur, die jW von heu­te ist nicht die jW von DDR, deren Leser ich war.

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