Mehrfach war hier die Rede vom Zynismus der Lockdown-Anbeter, wenn es darum geht, die millionenfachen Schäden zu ignorieren, die Menschen vor allem in armen Ländern durch dieses Rezept erleiden müssen.
Auch der erschütternde Beitrag der Tagesschau von heute über Müllsammler in Indien wird bestenfalls zur Kenntnis genommen und folgenlos bleiben. Da entlastet nicht, daß der folgsame indische Premierminister die Litanei nachbetet: "Er appellierte an die Bevölkerung, die Abstandsregeln, Hygiene- und Schutzmaßnahmen weiter ernst zu nehmen."
»Auf der Kippe
Mundschutz-Masken, Plastik-Kittel, Einweghandschuhe: Immer mehr Abfall aus den Corona-Kliniken landet in Indien auf den normalen Müllkippen. Die Müllsammler von Delhi riskieren dabei täglich ihr Leben.
Von Bernd Musch-Borowska, ARD-Studio Neu-Delhi
Auf einer der Müllkippen am Rande von Delhi wühlen Hunderte Müllsammler nach verwertbaren Abfallresten. Männer, Frauen und auch Kinder durchsuchen die aufgetürmten Berge aus Hausmüll, Küchenabfällen und Plastikverpackungen, wie auf Filmmaterial der Nachrichtenagentur Reuters zu sehen ist. Sie suchen nach verwertbaren Überresten des modernen Lebensstils von mehr als 20 Millionen Einwohnern der indischen Hauptstadt.
Seit Beginn der Corona-Pandemie landet auch gebrauchte Schutzkleidung aus den Covid-19-Kliniken auf den Hausmüllkippen. Tonnenweise Mundschutz-Masken, Einweghandschuhe und Plastik-Kittel des medizinischen Personals sind darunter. Und auch in den Privathaushalten in Delhi ist der Verbrauch und damit der Abfall von Corona-Schutzausrüstung drastisch angestiegen.
Gefährlicher Sondermüll
Es sei kaum noch etwas Verwertbares dabei, klagt Mansoor Khan, ein Familienvater, der mit seiner Frau und drei Kindern, auf der Müllkippe lebt und vom Verkauf noch brauchbarer Reste den Lebensunterhalt für seine Familie bestreitet. "Es kommt immer mehr Abfall aus den Krankenhäusern hier an", klagt er. "Früher war das meiste Hausmüll aus den Wohngebieten, aber jetzt sind es nur noch unbrauchbare medizinische Abfälle."
Das dürfe eigentlich nicht passieren, sagt Dinesh Raj Bandela, vom Zentrum für Wissenschaft und Umwelt (CSE) in Delhi. Die Nichtregierungsorganisation setzt sich für nachhaltige Entwicklung ein. "Das ist eigentlich alles Sondermüll, der dort abgeladen wird und der ordnungsgemäß entsorgt werden müsste", sagt sie. "Die Müllsammler sind stark gefährdet, sie können dadurch alle möglichen Hautkrankheiten bekommen, Hepatitis A, B und C und wenn sie in eine gebrauchte Spritze treten, können sie sich auch mit HIV anstecken."
Unter den Müllsammlern sind auch Kinder, die ihren Eltern bei der Arbeit helfen oder ihren eigenen Lebensunterhalt auf diese Weise verdienen. Mit ihren kleinen geschickten Händen ziehen sie noch Brauchbares aus den Abfallbergen, die die Müllaster am laufenden Band abkippen. Ein 15-jähriger Junge, der viel jünger aussieht, sagte, er mache das schon seit zehn Jahren. "Diese Corona-Schutzkleidung lege ich zur Seite und suche nur das raus, was man verkaufen kann.
"Angst vor dem Corona-Virus macht uns nicht satt"
Dafür bekomme er täglich 600 bis 700 Rupien, umgerechnet etwa acht Euro. Am Rande der über 50 Hektar großen Müllkippe, deren Abfallberge bis zu 60 Meter hoch angewachsen sind, haben die Müllsammler ihr Zuhause. Einfache Unterkünfte, teilweise aus gemauerten Häusern, teilweise aus Plastikplanen und anderen Gegenständen, die sie hier gefunden haben.
"Angst vor dem Corona-Virus macht uns nicht satt", sagt Khan. "Wenn wir was essen wollen, müssen wir diese Arbeit machen."
Seine Frau Latifa Bibi macht sich Sorgen um die Gesundheit und die Zukunft der Kinder. "Ich habe große Angst vor dieser Krankheit", sagt sie. "Wenn ich den ganzen Tag in dem Dreck gewühlt habe, möchte ich gar nicht nach Hause gehen, weil ich meine Kinder mit etwas infizieren könnte."…«
Siehe dazu u.a. Vom Zynismus der Lockdown-Befürworter und Südafrika: Verheerende Auswirkungen des Lockdowns.
(Hervorhebungen nicht in den Originalen.)