Kündigung von Gorillas-Mitarbeitern war rechtens

Das Thema hat so gar nichts mit Corona zu tun. Es zeigt aber auf, daß eine unab­hän­gi­ge Justiz eine Fiktion ist. Schon immer haben die herr­schen­den Klassen dafür gesorgt, daß die Rechtsprechung wei­test­ge­hend in ihrem Sinne funk­tio­niert. Ein Mittel dazu ist es, daß wie in der Politik die Handelnden aus den eige­nen Reihen kom­men. Diese Logik zu durch­bre­chen, bedarf es der Einsicht in die­se Zusammenhänge sowie Entschlossenheit und eines lan­gen Atems, um das System in Einzelfällen zu durch­bre­chen. Auf faz​.net ist am 6.4. unter genann­tem Titel zu lesen:

»Mitarbeiter des Lieferdienstes hat­ten die Arbeit nie­der­ge­legt und wur­den ent­las­sen. Zentraler Streitpunkt in dem Verfahren war, ob ein Streik zuläs­sig sein kann, wenn er nicht gewerk­schaft­lich orga­ni­siert ist.

Ehemalige Radkuriere des Lebensmittel-Lieferdienstes Gorillas, die das Startup im ver­gan­ge­nen Jahr wegen „wil­der Streiks“ frist­los ent­las­sen hat­te, woll­ten vor Gericht eine Modernisierung des Streikrechts erzwin­gen. Vor dem Arbeitsgericht Berlin sind sie jedoch mit die­sem Vorhaben geschei­tert. Das Gericht wies die Kündigungsschutzklagen von drei Klägerinnen und Klägern am Mittwoch ab. Einer Änderung der Rechtsprechung zu „wil­den“ Streiks, wie von den Klägern gefor­dert, erteil­te das Arbeitsgericht damit eine Absage. Zentraler Streitpunkt in dem Verfahren war, ob ein Streik zuläs­sig sein kann, wenn er nicht gewerk­schaft­lich orga­ni­siert ist…

Gewerkschaften in der Zwickmühle

Die Streiks und Blockaden, die von der links­al­ter­na­ti­ven Szene Berlins unter­stützt wer­den, waren nicht gewerk­schaft­lich orga­ni­siert. Gorillas hat­te die Streikenden mehr­fach auf­ge­for­dert, die Arbeit wie­der­auf­zu­neh­men. Als das nicht geschah, reagier­te das Unternehmen mit außer­or­dent­li­chen und frist­lo­sen Kündigungen. Etwa 350 Fahrradkuriere sind nach Angaben der Gewerkschaft Verdi ent­las­sen wor­den. Über den „wich­ti­gen Grund“, den eine frist­lo­se Kündigung vor­aus­setzt, mach­te das Unternehmen in dem Kündigungsschreiben eines Kuriers, das der F.A.Z. vor­liegt, kei­ne Angaben. Später ver­wies ein Unternehmenssprecher auf Anfrage dar­auf, dass die nicht­ge­werk­schaft­li­chen Streiks unzu­läs­sig gewe­sen seien…

Die Gewerkschaften befin­den sich im Fall der soge­nann­ten wil­den oder ver­bands­frei­en Streiks, in einer Zwickmühle. Einerseits hat­te Verdi sich empört über die Entlassungen von Beschäftigten gezeigt, die für bes­se­re Arbeitsbedingungen kämpf­ten. Andererseits stärkt die Rechtslage, die nun vom Arbeitsgericht Berlin bestä­tigt wur­de, die Stellung der Gewerkschaften…

Rechtsanwalt Hopmann ver­weist dar­auf, dass die­se restrik­ti­ve Lesart des Streikrechts maß­geb­lich von dem dama­li­gen Präsidenten des Bundesarbeitsgericht Hans Carl Nipperdey geprägt wor­den sei, einem der füh­ren­den Arbeitsrechtler in der Zeit des Nationalsozialismus. Die Kläger argu­men­tie­ren außer­dem, dass die deut­sche Rechtsprechung zum Streikrecht der Europäischen Sozialcharta wider­spre­che. Dort wer­de aner­kannt, dass das Streikrecht ein Recht der Arbeitnehmer sei, also nicht das Recht der Gewerkschaften. Es sei des­halb gebo­ten, dass die Rechtsprechung auch ad-hoc-Koalitionen das Streikrecht zuerkenne…«

7 Antworten auf „Kündigung von Gorillas-Mitarbeitern war rechtens“

  1. Zitat aa: "Diese Logik zu durch­bre­chen, bedarf es der Einsicht in die­se Zusammenhänge sowie Entschlossenheit und lan­gen Atems, um das System in Einzelfällen zu durchbrechen."

    Damit, lie­ber Artur, mit lan­gem Atem, um "das System in Einzelfällen zu durch­bre­chen", sind wir dahin gelangt, wo wir nun ange­kom­men sind: im weit­ge­hend tota­li­tä­ren Unrechtsregime (ich mag das hier in der BRD jetzt nicht mehr "Staat" nennen"). 

    'Langer Atem' für 'Einzelfall-Systemdurchbrüche' wird uns in die­ser Situation ganz gewiss nicht mehr wei­ter­hel­fen (wir durf­ten rund 75 Jahre lang glau­ben, das wäre so, nein: Man ließ uns das glau­ben, und wir sind drauf reingefallen!). 

    Entweder jetzt erhe­ben sich die Jahrzehnte lang (wei­ter­hin) ent­rech­te­ten, unter­drück­ten, aus­ge­press­ten, miss­brauch­ten und über all das für dumm ver­kauf­ten Menschen gegen das (Finanz-)Kapital und sei­ne AgentInnen in den "Eliten"-Etagen der Exekutive, der Judikative, der Medien und nicht zu ver­ges­sen der Bildung (Bertelsmann – und Konsorten z.B. an den Unis).

    Oder das (Finanz-)Kapital und sei­ne büh­nen­gei­len Kasperles und Gretels und Krokodile schaf­fen es.
    Schaffen es, die Menschheit zu ihrem Ende zu brin­gen. Und eine neue, eine ent­setz­li­che Gattung her­vor­zu­brin­gen – die ihnen gleicht in ihrer Unmenschlichkeit, und die doch nach wie vor Lichtjahre von ihnen getrennt und dann noch wei­ter ent­fernt von ihnen vor sich hin­ve­ge­tie­ren wird, ohne es zu spüren.
    ~ ~ ~

    Manchmal den­ke ich, wenn ich all die­se jun­gen Menschen sehe, die das alles so geil fin­den, so mega oder sonst­wie jugend­sprach­lich, was da nun schon seit vie­len Jahren alles am Smartphone mög­lich ist – um den Preis des Verlusts jeg­li­cher Privatsphäre, um den Preis der tota­len pri­vat­wirt­schaft­li­chen und staat­li­chen Kontrolle,
    – manch­mal den­ke ich, wenn ich all die­se jun­gen Menschen sehe: 

    Après moi le délu­ge. Soll halt die­se ver­wor­fe­ne Gattung ein Ende fin­den! Wenn sie nicht um ihr Überleben, ihr Leben (samt Genuss, samt Schmerz, samt Erkenntnis) und um ihre Entwicklung zu leben, zu erzie­hen, zu bil­den bereit ist, son­dern ihre Kinder als
    Schlachtvieh
    bereit ist hinzugeben.
    Dann soll sie ein Ende finden!

    Und wenn die­se Kinder dann bereit sind, die Eltern zu schlach­ten (z.B. in "Covid-Isolation" kre­pie­ren zu las­sen) und sich selbst einem Dauerkontrollregime via Smartphone (dem­nächst dann via implan­tier­tem Chip und bald via Tattoo), nur weil man sich auf dem Weg zu einem Treffen in einem neu­en Stadtviertel oder gar in einer neu­en Stadt damit viel­leicht nicht kurz ver­läuft (und ohmeingott, wie oft habe ich mich frucht­brin­gend ver­lau­fen in Stadtbezirken und vor allem in Bibliotheken) 

    - wenn die­se "unse­re" Kinder (ja: ich, glück­li­cher­wei­se kin­der­los, wie­der­ho­le: WIR SIND VERANTWORTLICH für das jet­zi­ge Versagen der Generation unse­rer Kinder), wenn also "unse­re" Kinder, die zwi­schen 20 und 45, jetzt
    all das wollen,
    dann soll die­se Menschheit zugrun­de gehen.
    Und dann sol­len die­se ent­setz­li­chen Maschinenmenschen, Cyborgs, Transhumanen, Dehumanisierten – oder wie immer sie sich selbst irgend­wann nen­nen wer­den – die Geschicke der Erde bestimmen.

    Wenn nicht jetzt, bin­nen der näch­sten paar Monate (viel­leicht auch ein oder zwei Jahre), die Menschen die­ser Erde auf­ste­hen und begrei­fen, dass sie es sind, die alles am Laufen hal­ten – nicht die Billionäre, Milliardäre, Millionäre und ihre will­fah­ren­den Rampensauen -
    dann war's das mit all uns Menschen.

    Dann kom­men unse­re Kinder über uns und iso­lie­ren uns zu Tode. Und iso­lie­ren die Menschlichkeit aus dem Gattungsgenom heraus.
    Aber das ist dann glück­li­cher­wei­se nicht mehr unser Problem.

    Mit einem "lan­gem Atem", der ein­zel­ne Systemdurchbrüche ermög­li­chen könn­te, ist es jeden­falls m.E. in unse­ren Zeiten nicht mehr getan.
    Wir, die Menschen, leben – viel­leicht zum ersten Mal in ihrer Gattungsgeschichte – in exi­sten­ti­el­len Zeiten.

    Viva la revo­lu­ción! Oder eben (ver­mut­lich dann irgend­wann, wenn sich her­aus­ge­stellt haben wird, dass auch dies­mal die Menschen und die Menschlichkeit kei­ne Chance haben, dies­mal aber so radi­kal kei­ne Chance wie nie zuvor): Après moi le déluge!

    1. @witwesk

      Das hat mich beein­druckt, und ich fin­de, Sie haben völ­lig Recht.

      Revolutionen fin­den statt, wenn eine Schmerzgrenze erreicht wird, und die wird die­ses Mal gewiss erreicht wer­den. Was ansteht, wird sehr hart sein, aber damit ver­här­te­te Menschen sich wie­der spü­ren, ist das wohl nötig.

      Die Belohnung ist ech­te Freiheit anstel­le der Big Show, auf der jeder sich selbst zu spie­len gelernt hat.

  2. In den 70er Jahren habe ich von mei­nen Autoschrauber Freunden gelernt, dass ein Motor beson­ders gut läuft bevor er sei­nen Geist aufgibt.

    An die­sem Gedanken hal­te ich mich nun seit zwei Jahren fest.

    Ich, so ganz allei­ne für mich, den­ke, wir sehen die Agonie der bür­ger­li­chen Gesellschaft.

    Wer zum Bürgertum gehört, mag das bedroh­lich fin­den. Ich bin in mei­nen guten Momenten gespannt dar­auf, was sich danach ent­wickelt. Ein Transhumanismus wird es sicher­lich nicht.

    Das wirkt nur so. In die­sen dunk­len Zeiten der Seele.

  3. >>Entweder jetzt erhe­ben sich die Jahrzehnte lang (wei­ter­hin) ent­rech­te­ten, unter­drück­ten, aus­ge­press­ten, miss­brauch­ten und über all das für dumm ver­kauf­ten Menschen gegen das (Finanz-)Kapital und sei­ne AgentInnen in den "Eliten"-Etagen der Exekutive, der Judikative, der Medien und nicht zu ver­ges­sen der Bildung (Bertelsmann – und Konsorten z.B. an den Unis).

    Oder das (Finanz-)Kapital und sei­ne büh­nen­gei­len Kasperles und Gretels und Krokodile schaf­fen es.<<

    Artur hat recht. Denn einer­seits geht der Kampf ja schon län­ger. Ist ja nicht so, dass bis­her alles klag­los hin­ge­nom­men wur­de. Auch gewerk­schaft­li­cher Kampf ist Kampf. 

    Andererseits wird auch die "Revolution" etwas dau­ern, denn es stellt sich ja auch die Frage, wie die aus­se­hen soll und wer sie tra­gen soll. 

    Ohne "lan­gen Atem" wird das nix.

  4. Andererseits stärkt die Rechtslage, die nun vom Arbeitsgericht Berlin bestä­tigt wur­de, die Stellung der Gewerkschaften…

    Hier zeigt sich nun der Vergleich zwi­schen jener, die ande­ren wirk­lich hel­fen will – nen­nen wir sie altru­istisch – und jenem, des­sen Hilfe vor­ran­gig den eige­nen Interessen dient.
    Und genau das macht im ent­schei­den­den Moment den klei­nen aber gewal­ti­gen Unterschied.

  5. Als wis­sen­schaft­li­che Hilfskraft an der Uni woll­te ich über eine Gewerkschaft ein wenig zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei­tra­gen. Ich war noch jung und vol­ler Hoffnung. Was fehl­te waren die Gewerkschaften an den Unis. Telefonische Auskunft vom DGB: Kein Interesse.

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