„Lasst das Grundgesetz in Ruh“

»Wer einmal mit dem Notstand spielen sollte, um die Freiheit einzuschränken, wird meine Freunde und mich auf den Barrikaden zur Verteidigung der Demokratie finden, und dies ist ganz wörtlich gemeint.«

Das sagte der damalige SPD-Vorsitzende Willy Brandt am 30. Mai 1968 in der Debatte um die Verabschiedung der Notstandsgesetze. Paradoxerweise stimmte er wie der überwiegende Teil seiner Partei den Gesetzen zu.

In einem Kalenderblatt auf deutschlandfunkkultur.de unter obiger Überschrift war 2008 zu lesen:

»...Am 30. Mai 1968 beschloss der Deutsche Bundestag das umstrittene Gesetzeswerk, von dem bis heute kein Gebrauch gemacht wurde. Es beinhaltete die Möglichkeit, die Bundeswehr gegen Aufständische im Inneren einzusetzen, Telefone abzuhören und ein Notparlament zu installieren...

Getragen wurde der Protest gegen die Notstandsgesetze bis zuletzt von der außerparlamentarischen studentischen Opposition und von Gewerkschaften, die befürchteten, dass auch große Streiks als Ausnahmezustand behandelt werden könnten. Wenige Tage bevor der Bundestag am 30. Mai 1968 die Notstandsgesetze verabschiedete, appellierte der IG-Metall Vorsitzende Otto Brenner auf einer Kundgebung:

„Wir sind der Überzeugung, dass mehr dahinter steckt, nämlich die politische Absicht, aus den Notstandsgesetzen trotz aller Widerstände und trotz aller Beteuerungen jenes Instrument staatlich-autoritärer Exekutivgewalt zu machen, das wir als Bürger und als Demokraten ablehnen müssen.“...

Lediglich die 46 Abgeordneten der oppositionellen FDP, sowie 53 Abgeordnete der SPD und ein CSU-Abgeordneter stimmten gegen das Notstandspaket, 384 Abgeordnete sprachen sich dafür aus...

Erfolglos war der langjährige Widerstand jedoch nicht. Das Gesetzespaket, über das der Bundestag am 30. Mai 1968 entschieden hat, hatte nicht mehr viel mit dem Entwurf zu tun, der die Kontroverse eröffnet hatte: Die Notstandsgesetze enthalten kein Notverordnungsrecht nach Weimarer Beispiel...«

Da sind wir heute weiter. Zwar sind die Ermächtigungen im Infektionsschutzgesetz nicht ganz so umfassend wie in der Weimarer Zeit, ein Durchregieren per Verordnung und damit die weitgehende Aushebelung des Parlaments ist jedoch wesentlicher Bestandteil des Gesetzes.

 

14 Antworten auf „„Lasst das Grundgesetz in Ruh““

  1. Wenn das Ermächtigungsgesetz 4.0 durch­geht, muss die GröKaZ doch nur noch eine Verordnung erlas­sen, die besagt dass das Parlament nicht mehr über das Vorliegen einer "pan­de­mi­schen Lage von natio­na­ler Tragweite" ent­schei­det – als spiel­te das eine Rolle, aber man weiß ja nie -, son­dern der Reichsminister Gesundheit, und fer­tig ist die Diktatur.

    Selbst das ist aber wahr­schein­lich nicht nötig. Wir sehen ja gera­de, was die sogar durch Ewigkeitsklausel beson­ders geschütz­ten Art. 1 und 20 GG wert sind.

    1. @FS

      Ich habe mich damit (noch) nicht ein­ge­hend beschäf­tigt, aber am geni­al­sten wäre, wenn der BT die Lage auf­he­ben wür­de, ABER den­noch die Gesetze und Verordnungen wei­ter­gel­ten wür­den. Also ein "defacto"-Notstandsrecht für das fall­wei­se Aufkommen pöhser Viren, um die Handlungsfähigkeit der Herrschaft jeder­zeit zu gewähr­lei­sten – auch ohne den Ausruf der Notlage durch den BT. Das wäre am ele­gan­te­sten DANN, sobald alle erfor­der­li­chen Seuchengesetze erlas­sen sind. Viele groß­ar­ti­ge Kanzleien arbei­ten dran … 🙁

      1. @some1 die­se Aenderungen im GG wer­den ja wohl kaum wie­der zurueck­ge­fah­ren. Ist wie mit den Steuern.

        Einmal der Regierung einen neu­en Hebel i.d. Hand gedrueckt, kral­len Sie sich auch schon fest.

        @FS Ewigkeitsklausel, tja … leider

        @aa das scheint bei der Regierung immer ein­fa­cher zu gehen.
        Demnachst wohl eine GG Aenderung i.d. 1. Lesung und alle schrei­en dann Hurra.

  2. Der Leitspruch der aktu­el­len SPD ist: "Lasst das Grundgesetz ruhen!"

    Und im Übrigen emp­feh­le ich dieBasis…

    1. Dieser Empfehlung schlie­ße ich mich an…

      Die Bürger die­ses Landes brau­chen bei der Wahl im Herbst die Einheitspartei CDUCSUSPDFDPAFDOLIVGRÜNE ledig­lich nicht wäh­len. Dann sind sie abgewählt…

  3. Das Pflaster für die Notstandsgesetze war im Übrigen 68 der Art. 20 Abs. 4 GG, das so genannte Widerstandsrecht, das heute so viele an der praktischen Anwendung verzweifeln lässt.

    Nun fällt auf, dass es schon immer eine zynische Schlaftablette war, denn: weder gibt es eine Instanz, die es rechtsfest machen könnte, noch ist geklärt, was genau denn nun mit "Widerstand" gemeint ist? Artig demonstrieren trotz Verbot und als Heiliger in die Annalen eingehen oder Tyrannenmord?

    Strittig ist, wann dieses Recht greift. Nach einer Meinung greift es bereits, noch bevor die Ordnung gefährdet worden ist; schon die Vorbereitungen zu einem solchen Umsturz dürfen bekämpft werden. Nach anderer Meinung greift dieses Recht aber nur, wenn die Verfassungsordnung bereits ausgehebelt wurde – somit bleiben selbst bei offensichtlichen Verstößen der Staatsorgane gegen die Verfassung nur der Weg über Wahlen und Abstimmungen sowie der Rechtsweg, solange letzterer noch gangbar ist.[12]

    Deutsche nach Art. 116 GG, also Ausländer eindeutig ausgenommen, dürfen dieses Recht aber nur als Ultima Ratio nutzen; vorher müssen alle anderen Mittel, insbesondere ein möglicher Rechtsweg ausgeschöpft sein. Nach Meinung einiger Staatsrechtler haben die Widerständler auch das Recht, Anschläge und Tötungen (z. B. „Tyrannenmord“) zu begehen, da das Widerstandsrecht sonst nutzlos sei.

    Im Hinblick auf das Ziel, die verfassungsmäßige Ordnung zu schützen, müssen die Aktionen aber verhältnismäßig, also neben dem Verfolgen eines legitimen Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen sein.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Artikel_20_des_Grundgesetzes_für_die_Bundesrepublik_Deutschland

    Fakt ist wohl, dass es immer schon vollkommen nutzlos war: ein Recht, das keiner gewähren kann, weil in einem berstenden System zwar jemand Notstände, niemand aber ein Widerstandsrecht "erklären" kann. Außer Harbarth womöglich, und der wird es spiegelverkehrt verwenden im Fall der Fälle..

    1. Sorry, aber das ist auch das Problem mit den Deutschen: Sie wür­den ja ger­ne Revolution machen. Sie war­ten nur dar­auf, dass es ihnen einer erlaubt.

      Artikel 20 (4) ist eine Transformationsnorm; sie erlaubt es dem Volk, eine das GG besei­ti­gen wol­len­de Exekutive, als auch Judikative zu besei­ti­gen. Notfalls eben auch mit "Gewalt", die auch im § 32 StGB legi­ti­miert wird; bspw., wenn kri­mi­nel­le Bullen rechts­wid­rig Freiheitsberaubung und Nötigung bege­hen. Die Nazis bspw. sind wir ja auch nicht mit Herzchenzeigen und Demos los­ge­wor­den. Ob Artikel 20 (4) vor­liegt, ent­schei­det allein das Volk – von dem alle Staatsgewalt aus­geht. Und nicht ein gekauf­ter, kor­rup­ter Verfassungsgerichtspräsident oder eine alle Hemmungen ver­lie­ren­de Kaste von Verwaltungsrichtern, die so lang­sam wirk­lich Freisler und Filbinger in den Schatten stellen.

      Den Ernst der Lage hat in die­sem Land aber wei­ter­hin kaum jemand ver­stan­den. Ich bin schon sehr auf die mor­gi­gen Bilder aus Weißrussland Berlin gespannt. Früher oder spä­ter wer­den sie scharf schießen.

    2. @some1 das wae­re dann eine Interpretation der Balance. Also dem was dem Staat gege­ben wur­de mit Bundeswehr um die Innere Sicherheit .. bla­bla .. wird dann mit Deiner Erklaerung ausgewogen.
      Also fuer den Fall, das die Regierung eben nicht mehr funk­tio­niert, Rechtsstaat und so. 

      Waere ja zu schoen .. doch haben wir kei­ne Buergerwehr 🙂
      Na, da kann ja jeder kommen …

      Eigentlich soll­te ja das VG hier .. aber nein.
      Man stel­le sich mal vor, VG ent­maech­tigt die Regierung.
      Somit sind wir dann wie­der bei: Nutzlos 😐

      Ich fra­ge mich, wann i.d. Bevoelkerung Weltweit der Punkt gekom­men ist, wo die Regierungen end­lich einlenken.
      Siehe US: So ca. 50% der Staaten hats ein­fach gemacht.

    1. @ Klaus Henzelmann

      Wenn ich mir das anse­he kann ich bei kei­nem der Clowns Freude empfinden:
      https://​www​.bun​des​tag​.de/​d​o​k​u​m​e​n​t​e​/​t​e​x​t​a​r​c​h​i​v​/​2​0​2​1​/​k​w​1​5​-​d​e​-​i​n​f​e​k​t​i​o​n​s​s​c​h​u​t​z​g​e​s​e​t​z​-​8​3​3​590

      Ist es nicht die AfD und deren Frau Weidel, die immer und immer wie­der die stocken­de "Impf"Stoffverteilung kri­ti­siert? Haben Sie JE eine Frage, ein Wort der AfD bezo­gen auf die Mixtur der mRNA-Stoffe gehört? Hat sich nicht Gauland jüngst damit behan­deln lassen?

      Ja, sie beto­nen fall­wei­se, die "Impfung" müs­se frei­wil­lig blei­ben. Und das soll "dem Spuk" ein Ende machen? Sicher nicht.

      Ein Merkmal des seit lan­gem trai­nier­ten binä­ren Denkens ist aus mei­ner Sicht, dass Menschen ver­ges­sen haben, wie man gedul­dig und hart­näckig an Lösungen arbei­tet: sie erwar­ten, dass sie alles ange­bo­ten bekom­men in einer Weise, in der sie nur noch "wäh­len", ja oder nein sagen müs­sen. Diese Bequemlichkeit ist ein Auslaufmodell, und dar­über bin ich froh!

      1. @some1 ja, das mit der AfD ist so ein Problem. Abgesehen von dem Hintergrundrauschen, die haben oft fuer BW Einsaetze gestimmt.
        Dann aber wie­der gegen 'Russlandhetze', wo ich erstaunt war, weil ich dach­te Sie wae­re auch mit der USA verheiratet.

        Dann die­se EU Abstimmung, eine 'bun­te Stimmung'.
        Was Corona angeht, weiss ich auch nicht.
        Leider die ein­zi­ge Partei, wel­che zumin­dest zu den Gesetzen noch nein sagt, aber Sie sind ja auch in der Opposition und fischen .. 🙂

        Somit bleibt da nicht mehr viel.
        Mitmachen i.d. Politik, gar aktiv in einer Partei? Nein danke.
        Wuesste auch nicht in wel­cher Partei.
        Obwohl die Piraten haben mich damals inter­es­siert, lang lang ists her.

        Belgien hat doch ueber ein Jahr ganz ohne gelebt oder?
        Nur Verwaltung 🙂

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