Neben die Auseinandersetzungen um den Rosa-Luxemburg-Platz selbst, die natürlich die Polizei gewinnt, tobt ein "Krieg um die Köpfe", in dem alle Seiten zu Legenden greifen.
Die Veranstalter mit einem diffusen Wir-sind-nicht-rechts-und-nicht-links-sondern-liberal, das suggeriert, eine Positionierung zu demokratischen Rechten sei klassen- oder sonstwie neutral und sie seien die Guten gegen den Rest der Welt.
Sie dürfen sich nicht wundern: Wer über Wochen hinweg hinnimmt, daß prominente Nazis bei den Aktionen auflaufen, daß die spätestens seit Pegida verbrannte Parole "Wir sind das Volk!" massenhaft skandiert wird, wird dafür von AntifaschistInnen bekämpft werden. Sie haben ihrem Anliegen damit einen Bärendienst erwiesen.
Auf der anderen Seite die Gegner im Mainstream, die noch jede Polizeiaktion gegen Antifas in Berlin abfeiern, sich hier aber gerieren als Hüter der politischen Sauberkeit gegen Verschwörer und Rechte.
Ganz vorne dabei bei letzteren die Linkspartei, die aus ihrer Parteizentrale Banner flattern läßt, die den Eindruck von Bürgerprotest gegen die Demonstrierenden erzeugen soll. Wäre da eine Positionierung gegen Rechts, könnte das beeindrucken. Stumpfen Parolen von unten setzt man statt dessen stumpfe Sprüche von oben entgegen: "RosaLux says: Stay at home", "Andere Menschen denken", "Wir sind nicht eure Kulisse", "Unsere Freiheit, eure Angst, Geht nach Hause" Link
Selbstgerechtigkeit findet sich auf allen Seiten. Die Veranstalter sehen sich als Hüter eines liberalen Rechtsstaats, die allein den mutigen Kampf gegen Repression aufnehmen. Warum – wenn sie das ernst meinen, klinken sie sich nicht ein in die zahlreichen Protestaktionen am 1. Mai? Die waren in diesem Jahr einmal nicht sektiererisch, sondern boten mit dem zentralen Motto der Solidarität mit Geflüchteten allen Linken und sogar Liberalen Gelegenheit zu gemeinsamen Handeln.
Vergleichbares auf der anderen Seite, etwa wenn Simon Brost von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus die wirre These vertritt, die Demonstranten bildeten "die Kulisse für Rechtsextreme, die einen autoritären Umbau der Demokratie im Sinn haben, wenn sie nicht sogar mit diesen Corona-Eindämmungsverordnungen das Grundgesetz am liebsten gleich mit umstürzen würden…
Bei näherem Hinsehen wird aber deutlich, daß ihre Kritik [der Veranstalter] sich vor allen Dingen auf pauschale Mißtrauensbekundungen gegenüber den Institutionen der liberalen Demokratie beschränkt." Link
Bezeichnenderweise beziehen sich beide Seiten auf eine "liberale Demokratie". Dieser schwammige Begriff erlaubt allen Kontrahenten, sich als die Guten zu definieren. Die Veranstalter vergessen, daß zur Verteidigung demokratischer Rechte auch das wichtige "Es gibt kein Recht auf Nazi-Propaganda" gehört.
Die GegendemonstrantInnen blenden in Ihrer Freude, daß Ämter und Polizei ihre Veranstaltung freundlichst begleiten, aus, daß in Berlin 5.000 PolizistInnen aufgeboten wurden, um linke und antifaschistische Aktionen zu unterbinden.