Anders als der Aufruf des Parteivorstands der Linkspartei, der Linken zum Fremdschämen gereicht, versucht ein PV-Mitglied wenigstens eine Analyse der Pläne rechter Organisationen mit der "Anti-Corona-Maßnahmen-Bewegung". Auch wenn man den Schlußfolgerungen von Christine Buchholz nicht folgen mag, lohnt sich ein Blick auf diesen Teil.
»Die AfD, die sich durch die großen antifaschistischen Mobilisierungen und interne Machtkämpfe in der Krise befindet, nutzt die Bewegung, um sich als parlamentarischer Arm der Corona-Leugner*innen zu präsentieren. Insbesondere Akteur*innen aus dem neofaschistischen Flügel der AfD riefen zu "Querdenken" auf.«
Jenseits der diffamierenden Wortwahl "Corona-Leugner*innen" trifft diese Analyse zu. Man kann der Autorin jedoch die Frage nicht ersparen, warum nicht die Linke sich als parlamentarischer Arm anbietet, um Grundrechtseinschränkungen zu problematisieren.
Erwartungen der Identitären
»Die Taktik der faschistischen Rechten innerhalb und außerhalb der AfD ist, ihren Einfluss in der Bewegung auszubauen, ohne sie sichtbar zu dominieren. Der Chef der Identitären Bewegung, Martin Sellner, gibt die Taktik aus, aktiv aber unaufdringlich bei "Querdenken" teilzunehmen, "Leute zu rekrutieren, […] Widerstandsnester aufzubauen", "um das Wachstum der Bewegung durch sichtbare und damit kritisierbare rechte Positionen möglichst wenig zu stören, bis die Bewegung groß genug geworden ist. Erst wenn die wirtschaftlichen Konsequenzen der Pandemie spürbar werden, sei die Zeit gekommen, um ein „latent identitäres Potential dieser Proteste zu testen und zu aktivieren". Von einem Austausch mit Bodo Schiffmann (Widerstand 2020 und "Querdenken" Kopf) weiß Sellner zu berichten, "dass die Basis dieser Bewegung nicht wünscht, dass man vor diesem Tabu [Migrationskritik] langfristig halt macht."«
Auch wenn hier ein kleiner Zitierfehler vorliegt, ist auch diese Beobachtung richtig. Denn auch weitere Passagen aus Sellners Aufsatz gehen in diese Richtung. Seine Hoffnung ist:
»Ebenso wie die AfD vom Eurothema zur Grenzfrage wird diese Masse mittelfristig von der globalen Gesundheitspolitik bald zur globalen Migrationskritik kommen…
Daß sich eine große Zahl an Menschen in der Hauptstadt gesammelt hat, die jederzeit in einen migrationskritischen Sprechchor einfallen könnte ist ein Risiko für das Experiment der Eliten. Ihre Hoffnung liegt darin, daß das den Leuten nicht bewußt wird. Unser Aufgabe lautet, es ihnen bewußt zu machen!«
Schlechte Recherche oder Böswilligkeit?
Ist es schlechte Recherche oder Böswilligkeit, wenn die Autorin falsch versteht, was sie so darstellt:
»Thomas Bauer (Oberleutnant a.D.) sagte auf der Kundgebung am 8. August in Stuttgart: "Massenhafte Zuwanderung von schlecht bis gar nicht ausgebildeten Fachkräften werden zusätzlich die Sozialkassen und den Mittelstand, der die ganze Party finanziert, weiter belasten. […] Wahlen werden rückgängig gemacht. […] Ich unterbinde religiöse soziale Treffen und versuche den Menschen den Glauben zu nehmen. Die Medien forme ich so um, dass jeder, der mir nicht huldigt, gebrandmarkt wird. […] Durch geschickte Medienmanipulation kann ich jetzt endlich Reiche noch reicher machen."«
Sie gibt hier keine Quelle an. Eine (ihm nicht wohlwollende) Darstellung seiner Rede stellt das Zitat glaubwürdig dar als zu kritisierendes Vorgehen der Bundesregierung. Für diese Interpretation spricht auch die Formulierung daß "jeder, der Kritik übt und nicht mir huldigt, gebrandmarkt wird: Nazi, Verschwörungstheoretiker, Aluhut-Träger, Covidleugner!".
Nichtdestotrotz – und vielleicht will die Autorin das sagen – bleibt bedenklich, wie problemlos die absurde Einführung der rhetorischen Figur der Zuwanderung als eine Erklärung der Corona-Maßnahmen Beifall findet.
Das Problem für die Linkspartei bleibt: Rechtsradikale und Nazis haben eine Agenda in der Corona-Frage. Die Linke dagegen verliert sich nahezu ausnahmslos in der Rolle als Abnickerin der Regierungspolitik.