Little-Joachim versucht sich an Big-John

Joachim Müller-Jung ist ein beson­ders her­vor­zu­he­ben­der Fälscher. Der Mann saß in der Jury, die Christian Drosten und sei­nem Podcast-Team den "Georg-von-Holtzbrinck-Preis für Wissenschaftssjournalismus" ver­lieh. Er ist der Meinung: »Die Aufgabe des Wissenschaftsvermittlers und ‑kri­ti­kers muss also gera­de­zu dar­in bestehen,… "ande­re Meinungen nicht zur Sprache kom­men zu las­sen"«. Mit sei­nem Angriff auf Prof. Ioannidis am 14.4. auf faz​.net dürf­te er sich wohl überheben:

»John Ioannidis galt als Ikone für Qualitätsforschung. In der Pandemie gibt er den Verharmloser und pro­vo­ziert mit Machtspielen. Für die quer­den­ken­den Populisten reicht das zur Galionsfigur.

… Als Ioannidis im Jahr 2005 der Welt erklärt hat­te, war­um die Forschung seriö­ser mit Statistiken umge­hen und ihre Studien sorg­fäl­ti­ger pla­nen muss, um repro­du­zier­ba­re und damit ver­trau­ens­wür­di­ge­re Ergebnisse zu pro­du­zie­ren, war der Held gebo­ren. Der Personenkult um den grie­chisch-ame­ri­ka­ni­schen Statistiker flau­te nicht ab – nicht weil die Forschung von nun an revo­lu­tio­när rich­ti­ge und halt­ba­re Resultate lie­fer­te, son­dern weil Ioannidis einen neu­en skep­ti­schen Geist entfachte…

Kurz vor Beginn der Covid-19-Pandemie wur­de er vom Berlin Institute of Health beru­fen, sei­nen out­spo­ken-skep­ti­schen Geist drei Jahre lang als BIH-Fellow im neu­en bio­me­di­zi­ni­schen Mekka der Hauptstadt zu instal­lie­ren. John Ioannidis und Christian Drosten, der Coronavirus-Experte, arbei­ten also gewis­ser­ma­ßen unter einem Dach. Denn das BIH und die Charité gehö­ren zusam­men…«

Aber anders als Drosten kann man Ioannidis nicht trauen:

»In Videos, wis­sen­schaft­li­chen Aufsätzen, egal wo, der Statistiker hält die Covid-19-Pandemie für nicht viel schlim­mer als eine Grippe. Seine Evidenzen aber sind dünn, und sie wer­den immer dün­ner, je mehr Menschen vor­zei­tig an Covid-19 ster­ben. Drei Millionen sind es inzwi­schen weltweit.

Auf 0,15 Prozent welt­weit taxier­te Ioannidis in sei­ner jüng­sten Veröffentlichung im „European Journal of Clinical Investigation“ die Infektionssterblichkeit (IFR). Mit ihr wird der Anteil der Covid-19-Toten an allen Infizierten (nicht nur den offi­zi­ell posi­tiv Getesteten) bezif­fert. Wie hoch sie ist, hängt von sehr vie­len Faktoren ab, etwa dem Anteil jun­ger und alter Menschen, der Gesundheitsversorgung, auch von der gewähl­ten Stichprobe.

Ioannidis hat nun sechs Übersichtsarbeiten zur pan­de­mie­be­ding­ten IFR aus­ge­wer­tet – eine davon war sei­ne eige­ne. Und obwohl Statistiker wie Walter Krämer in der jüng­sten „Unstatistik des Monats“ mit guten Argumenten immer wie­der deut­lich machen, dass mit­ten in der Pandemie eine glo­ba­le IFR-Berechnung nichts wei­ter als eine „inter­es­san­te Zahlenspielerei“ ist, hat Ioannidis den Rundumschlag ver­sucht. Angetrieben war Ioannidis von den zahl­rei­chen Kritiken, die ihn nach sei­nen ersten Verharmlosungsversuchen erreich­ten.«

Verharmlosung ist nur haar­scharf vor­bei an Leugnung.

Ioannidis hat­te in einer Studie einen austra­li­schen Doktoranden nament­lich kritisiert.

»Für Carl Bergstrom von der University of Washington in Seattle, einen aus­ge­wie­se­nen Kritiker min­der­wer­ti­ger Forschung, war die per­sön­li­che Attacke des Stanford-Kollegen gegen Meyerowitz-Katz und eine wei­te­re jun­ge Gesundheitsökonomin ein „unge­heu­er­li­cher“, unsach­li­cher, „noch nie erleb­ter Vorgang“.«

Er hat offen­bar noch nie die Namen Drosten oder Lauterbach gehört.

»Die Folge: Ioannidis tilg­te die Namen, blieb bei sei­ner Kritik und nahm die erste Fassung sei­ner Publikation aus dem Netz. Auch das ein uner­hör­ter Vorgang: Ein ein­mal publi­zier­ter Aufsatz wird gelöscht und die Neufassung nicht ein­mal gekennzeichnet.«

Womöglich hat Jung ande­re Quellen. Die online ver­füg­ba­re Version der Studie nennt 22 mal den Namen des Kritisierten. Wo das unsach­lich ist, ver­rät Jung nicht.

»Tatsächlich sind Ioannidis’ Sterblichkeitsziffern weit ent­fernt von den aller­mei­sten ande­ren Zwischenanalysen, die eine mitt­le­re glo­ba­le Infizierten-Sterberate von 0,6 bis 0,8 Prozent ermit­telt haben – die Weltgesundheitsorganisation ein­ge­nom­men. Die hat den ange­schla­ge­nen Stanforder Statistikhelden in ihrer jüng­sten Sterblichkeitsanalyse nicht ein­mal mehr zitiert. Stattdessen wird Ioannidis von der AfD als Kronzeuge ihrer Verharmlosungskampagne benutzt.«

Antisemitismus, ick hör dir trapsen.


Siehe zu Jung u.a. FAZ als Lügen-Spreader.

10 Antworten auf „Little-Joachim versucht sich an Big-John“

  1. Das war nach der Reaktion auf die Heinsberg Studie schon klar, dass alles was nicht ins Narrativ passt, in die Leugner und Rechte Ecke gescho­ben wird.
    Wo sind eigent­lich die Studien vom RKI und Drosten dazu?
    Von Lauterbach braucht man gar nicht spre­chen, der beweist jeden Tag auf's neue auf Twitter, dass er Studien noch nicht mal lesen kann, aber trotz­dem super gemacht sind.

  2. Es war, wenn ich mich recht erin­ne­re, auch die­ser Drostenianer, der mit dem Stichwort "Pseudoexperten" (vom Virologen spä­ter für des­sen mega­lo­ma­nen Ausfall gegen die Great Barrington Declaration benutzt) und unter dem Titel "Sie simu­lie­ren Wissenschaft" (hin­ter einer Bezahlschranke) glaub­te, Sucharit Bhakdi und Nobelpreisträger Michael Levitt mit weni­gen Sätzen abfer­ti­gen zu kön­nen. Lebte Bourdieu noch, hät­te er eine knap­pe Bezeichnung für die Drostens und Müller-Jungs: "Kollaborateure".

  3. Oh, ein Wissenschaftsjournalist. Dann muss das natür­lich alles rich­tig sein. Natürlich ist eine glo­ba­le Berechnung eine Spielerei, aber Ioannidis tut das, was jeder ver­nünf­ti­ge Wissenschaftler tut, näm­lich sel­ber auf die ent­spre­chen­den Probleme expli­zit hin­zu­wei­sen. Die mei­sten Probleme beru­hen dabei auf der sehr mau­en, von der WHO mit ver­schul­de­ten Datenlage, die er auf hohem Niveau zu eli­mi­nie­ren ver­sucht, was ihn von Drosten, Brinkmann, Meyer-Hermann etc. posi­tiv abhebt. Aber was soll's ein Schreibmaxe, der ernst­haft wort­wört­lich Wikipedias Eintrag über "Mr. Bullshit" Carl Bergstrom zitiert, ist kein Diskussionspartner.

    Um Müller-Jungs Niveau zu kopie­ren:: er hat sei­ne Diplomarbeit über die Echsenfauna Madagaskars geschrie­ben. Ein unwi­der­leg­ba­rer Beweis, dass er Teil der Echsenverschwörung ist 😀

  4. Leitfaden WEF

    Entwicklungsökonomen müs­sen geschick­ter dar­in wer­den, Erzählungen, Geschichten und Parabeln in und um ihre empi­ri­sche Arbeit her­um zu weben. Aber wie kön­nen wir die Kraft der Erzählung in unse­re Wirkungsforschungsarbeiten ein­be­zie­hen? Unsere Wirkungsstudien wer­den selbst eine grö­ße­re Wirkung haben, wenn wir ler­nen, Erzählungen in die Präsentation unse­rer Forschung ein­zu­be­zie­hen, so dass es nicht um Erzählungen vs. Daten geht, son­dern um die Unterscheidung zwi­schen “ver­zerr­ten Erzählungen”, die eine irre­füh­ren­de Sichtweise eines durch­schnitt­li­chen Behandlungseffekts auf die Behandelten (ATT) för­dern, und “unver­zerr­ten Erzählungen”, die einem Verbraucher unse­rer Forschung hel­fen, bes­ser zu ver­ste­hen, was wir (!) als unver­zerr­te Schätzung des ATT präsentieren.
    (Übersetzung)
    https://​www​.wefo​rum​.org/​a​g​e​n​d​a​/​2​0​1​5​/​0​1​/​h​o​w​-​n​a​r​r​a​t​i​v​e​s​-​i​n​f​l​u​e​n​c​e​-​h​u​m​a​n​-​b​e​h​a​v​i​our

    1. Das ist nicht das erste Mal, dass ich das lese, aber es schockt mich immer wie­der, es direkt aus deren Mund zu hören. Es ist wie einen Mega-Schurken im Film über sei­ne Welteroberungspläne mono­lo­gi­sie­ren zu hören.
      Trotz allem ist das für vie­le Schafe nicht klar genug. Ich habe mit eini­gen an sich intel­li­gen­ten Menschen ver­sucht, dar­über zu reden. Sie brau­chen es expli­zit, ver­dünnt auf die ein­fach­ste Formel, mehr­mach und von den Medien breit wie­der­holt, um es viel­leicht zu begrei­fen: "Wo schrei­ben sie denn, dass sie Redeverbote errich­ten wol­len, die Meinung kon­trol­lie­ren, etc.?" Diese Unfähigkeit bzw. Unwilligkeit, die­se ele­men­ta­ren Dinge zu ver­ste­hen, beschä­digt mein Hirn am meisten.

  5. Naja wer ließt schon die FAZ um etwas zu dazu zu ler­nen. Man sieht doch wie schlecht es schein­bar bei denen läuft, denn sol­che Artikel sind nur als ein pein­li­cher Schrei nach Aufmerksamkeit zu verstehen.

    Die Kommentare unter dem Artikel zeich­nen jedoch eher das Bild einer inzwi­schen wohl auch mehr­heit­lich kri­ti­schen Leserschaft.

  6. Oje, ein Wissenschaftsjournalist mit Zitationen gleich 0 ver­sucht sich an Ioannidis, 337298 Zitate (h‑Index 213) gegen­über Dröstchen, 72133 Zitate (h‑Index 115). Ein wei­te­rer auf der Liste der nutz­lo­sen Hetzer und Schwätzer.

  7. 16.04.2021 tages­schau

    Corona-Mutationen: EU-Abgeordnete für schnel­le­re Impfstoff-Zulassungsverfahren

    Die EU-Abgeordneten haben sich für ein beschleu­nig­tes Zulassungsverfahren für Impfstoffe aus­ge­spro­chen, die an neue Coronavirus-Varianten ange­passt sind. Der Gesundheitssausschuss des Europaparlaments stimm­te nahe­zu ein­stim­mig für einen ent­spre­chen­den Vorschlag der EU-Kommission. 

    Hersteller bereits zuge­las­se­ner Corona-Vakzine sol­len dem­nach künf­tig für die Zulassung ange­pass­ter Mittel weni­ger Daten bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA ein­rei­chen müs­sen. Das Parlamentsplenum muss eben­falls noch grü­nes Licht dafür geben. Die Abstimmung soll noch im April erfol­gen. Auch der Rat der Mitgliedstaaten muss noch zustimmen. 

    https://​www​.tages​schau​.de/​n​e​w​s​t​i​c​k​e​r​/​l​i​v​e​b​l​o​g​-​c​o​r​o​n​a​v​i​r​u​s​-​f​r​e​i​t​a​g​-​2​1​9​.​h​t​m​l​#​C​o​r​o​n​a​-​M​u​t​a​t​i​o​n​e​n​-​E​U​-​A​b​g​e​o​r​d​n​e​t​e​-​f​u​e​r​-​s​c​h​n​e​l​l​e​r​e​-​I​m​p​f​s​t​o​f​f​-​Z​u​l​a​s​s​u​n​g​s​v​e​r​f​a​h​ren

  8. https://​twit​ter​.com/​c​t​_​b​e​r​g​s​t​r​o​m​/​s​t​a​t​u​s​/​1​3​7​6​0​9​2​2​8​7​5​9​6​3​3​9​200

    aha: Ioannidis macht "egre­gious gate­kee­ping" (unge­heu­er­li­che Torwächterei)!

    Man darf es ja degou­tant fin­den, dass ad homi­nem "argu­men­tiert" wird und schreck­lich, dass Ioannidis das (mit der man­geln­den Qualifikation) dann gelöscht hat -
    aller­dings ist es auch höchst frag­wür­dig, dass sich ein ehrenwerter
    "theo­re­ti­cal and evo­lu­tio­na­ry biologist"-Professor
    https://​en​.wiki​pe​dia​.org/​w​i​k​i​/​C​a​r​l​_​B​e​r​g​s​t​rom
    mit dem "Argument", einen jun­gen, auf­stre­ben­den Sterblichen gegen eine Furie von Wissenschaftler aus dem Olymp ver­tei­di­gen zu müs­sen, zusätz­lich auch noch dazu hin­rei­ßen lässt, sei­nen Kollegen John nach Milchbübchenart zu "wider­le­gen":

    "… John claims the IFR for COVID is 0.15%.
    By offi­ci­al counts, 0.166% of the US popu­la­ti­on has alre­a­dy died of COVID. " 

    ach so?!
    Einmal pro Jahr (bzw. X), ein­mal pro 15 Monate [0.15% gegen 0.13% oder 0.18% gegen 0.166% fetzt wohl nicht so?]
    und "offi­ci­al counts" sind über jeden Zweifel erhaben?
    Ist "skep­ti­cism" also nicht ange­bracht? [war Carl nicht Co-Autor des Buchs "Calling Bullshit: The Art of Skepticism in a Data-Driven World"?]
    Wäre es an der Zeit Carl für sei­nen "Tweet-Bullshit" zu diffamieren?

    "ad homi­nem" zu argu­men­tie­ren ist ja (lei­der, auch) "Mainstream-Standard". Ebenso wie ""egre­gious gate­kee­ping" von Gatekeepern, die sich nicht ent­blö­den eben­die­se ver­ach­tens­wer­ten Methoden anzuwenden.

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