Lockerer Umgang mit Schwarz-Weiß-Rot

Sie waren nicht in so gro­ßer Zahl auf der Demonstration vom 1.8. ver­tre­ten wie die TrägerInnen von Schwarz-Rot-Gold und bei wei­tem nicht in dem von den mei­sten Medien behaup­te­ten Umfang. Dennoch ist die Frage berechtigt:

Ist der sorg­lo­se Umgang zehn­tau­sen­der Menschen, die sich für die Demokratie ein­set­zen wol­len, mit offen Rechtsradikalen, deren Ziel die Abschaffung des demo­kra­ti­schen "Systems" ist, angemessen?

Geht es dabei um Meinungsäußerungen, die im poli­ti­schen Spektrum zuläs­sig sein müs­sen und doch auch für eine gute Sache werben?

Was hat es auf sich mit die­sen Farben, und wer bekennt sich heu­te dazu?

Wikipedia schreibt:

»Bereits am 12. März 1933 erließ Reichspräsident Paul von Hindenburg einen "Erlaß über die vor­läu­fi­ge Regelung der Flaggenhissung". Darin hieß es:

"Am heu­ti­gen Tage, an dem in ganz Deutschland die alten schwarz-weiß-roten Fahnen zu Ehren unse­rer Gefallenen auf Halbmast wehen, bestim­me ich, daß vom mor­gi­gen Tage bis zur end­gül­ti­gen Regelung der Reichsfarben die schwarz-weiß-rote Fahne und die Hakenkreuzflagge gemein­sam zu his­sen sind."…

Das Reichsflaggengesetz vom 15. September 1935 besagte:

"Die Reichsfarben sind Schwarz-Weiß-Rot."
Reichsflaggengesetz, Artikel 1
"Reichs- und Nationalflagge ist die Hakenkreuzflagge. Sie ist zugleich Handelsflagge."
Reichsflaggengesetz, Artikel 2«

Das Zeigen der Flagge gilt heu­te als nicht ver­bo­ten. Es läßt aber Rückschlüsse auf die Tradition zu, auf die sich ihre TrägerInnen beru­fen. Dazu wird auch das Lied "Stolz weht die Flagge Schwarz-Weiß-Rot" gehö­ren, in dem es heißt:

»Stolz weht die Flagge Schwarz-Weiß-Rot
von uns´rer Schiffe Mast
Dem Feinde Tod, der sie bedroht
Der die­se Farben haßt
Sie flat­tert an der Heimat Strand
im Winde hin und her
und weit vom deut­schen Vaterland
auf sturm­be­weg­ten Meer

Ihr woll´n wir treu erge­ben sein
getreu bis in den Tod
Ihr woll´n wir unser Leben weih´n
der Flagge Schwarz-Weiß-Rot
Hurra!…

In Afrika, in Kamerun
der wil­de Feind sich zeigt
der deut­sche Seemann mutig ficht
Er wei­chet nicht so leicht
Der "Bismark" und die "Olga" auch
sie hiel­ten tap­fer Stand
wo deut­sches Blut ver­gos­sen ist
im fer­nen wil­den Land.

Starb auch so man­cher Kampfgenoss´
den ech­ten Heldentod
Hoch wehet doch in Afrika
die Flagge Schwarz-Weiß-Rot
Hurra!«

"Der Baum der Demokratie muß ab und zu mal mit dem Blut der auf­rech­ten Patrioten gewäs­sert werden"

Nun kann man rich­ti­ger­wei­se sagen: Eine Handvoll die­ser Wirrköpfe bestimmt nicht den Charakter einer Demonstration. Doch wie steht es mit dem Autoren des meist gese­he­nen Videos von der Demonstration? Es stammt von einem Rosenheimer AfD-Funktionär, der in offen­sicht­li­cher Kooperation mit der Kundgebungsleitung von der Bühne aus agier­te und sol­che Sprüche abließ:

»Wir müs­sen ein­fach da durch. Wir müs­sen durch die­ses Tal der Tränen durch. Wir schau­en auch ganz todes­mu­tig muß ich sagen in die­ses Tal der Tränen hin­ein, weil: Thomas Jefferson hat es gesagt: Der Baum der Demokratie muß ab und zu mal mit dem Blut der auf­rech­ten Patrioten gewäs­sert wer­den. Und das ist jetzt die Zeit. Auf geht's, Kameraden. Bringt uns um!«

Das sag­te er zu dem Zeitpunkt, als sich ein Greiftrupp der Polizei zu einem pro­vo­ka­to­ri­schen Einsatz bereit mach­te. Der Wortlaut ist hier zu fin­den. Die Problematisierung hier.

Nur ein paar Spinner?

Vielleicht sehen wir hier nur ein paar Spinner. Aber sie haben Rückendeckung in staat­li­chen Organen. Das macht sie gefähr­lich. Auf spie​gel​.de ist heu­te unter dem Titel "Die dunk­le Seite der Staatsmacht" zu lesen:

»Immer neue rechts­extre­me Vorfälle bei der Bundeswehr wer­den bekannt, vor allem in ihrer gehei­men Elitetruppe, dem Kommando Spezialkräfte, kurz KSK. Und in Frankfurt am Main rät­selt man seit zwei Jahren, wel­che Beamtin oder wel­cher Beamte sen­si­ble Adressen aus dem Polizeicomputer wei­ter­gab, an die dann übel­ste Drohschreiben gerich­tet wur­den, unter­schrie­ben mit "NSU 2.0", in Anlehnung an den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) und sei­ne ras­si­sti­schen Morde.

Mindestens 400 Verdachtsfälle von rechts­extre­men, ras­si­sti­schen oder anti­se­mi­ti­schen Umtrieben unter Polizisten und Polizeianwärtern zähl­ten die Bundesländer und der Bund in den ver­gan­ge­nen Jahren, wie eine Umfrage des SPIEGEL ergab…

Zu häu­fig tauch­ten in den ver­gan­ge­nen Monaten ver­stö­ren­de Meldungen aus dem bun­des­deut­schen Sicherheitsapparat auf, zu sehr wächst die Sorge, dass es sich bei den bekannt gewor­de­nen Fällen nur um die Spitze des Eisbergs han­deln könnte…

Zu deut­lich dringt die böse Ahnung ins Bewusstsein, es könn­ten Beamte unter jenen sein, die sich mit Gleichgesinnten im Netz so hoch­schau­keln, dass dar­aus Hass und schlimm­sten­falls blu­ti­ge Taten wer­den – von denen, die am besten wis­sen, wie man eine Waffe bedient…

In Brandenburg posier­ten neun Polizisten für ein Mannschaftsfoto vor einer Wand, die mit einem Schriftzug der loka­len rechts­ra­di­ka­len Szene besprüht war. Im nie­der­säch­si­schen Jever ent­deck­te der Dienststellenleiter im März an einer Pinnwand ein "Ehrenabzeichen der Hitlerjugend" mit einem Hakenkreuz dar­in, drei mal zwei Zentimeter groß. Die Staatsanwaltschaft stell­te das Verfahren ein, da das Hakenkreuz nicht öffent­lich gezeigt wur­de. Das Disziplinarverfahren läuft noch.«

Es fol­gen zahl­rei­che wei­te­re Beispiele.

Verlogene Bekenntnisse aus der Politik

SprecherInnen von Linkspartei bis CSU über­schlu­gen sich in den letz­ten Tagen mit Bekenntnissen zu ihrem Antifaschismus. Wie unglaub­wür­dig das ist, zeigt bei­spiels­wei­se die­ses Foto:

Wir sehen hier die Hardcore-Fraktion der Neonazis beim Rudolf-Heß-Gedenkmarsch 2018 in Berlin. Damals hat­te der rot-rot-grü­ne Senat hun­der­te PolizistInnen ein­ge­setzt, um sie vor DemonstrantInnen zu schüt­zen. 2017 hielt man aus glei­chem Anlaß Hundestaffeln und zahl­rei­che Festnahmen für erforderlich.

"Alles muß man sel­ber machen" gilt sowohl für Antifaschismus wie für den Schutz demo­kra­ti­scher Rechte allgemein

8 Antworten auf „Lockerer Umgang mit Schwarz-Weiß-Rot“

  1. Was erwar­test du denn? Soll man sich eine Demo "spren­gen" las­sen, sobald einer mit Reichsfahne auf­kreuzt? Jeder hat das Recht, sich an einer Demo zu betei­li­gen. Das ist nun mal das Gesetz und das ist nun mal Demokratie. Man trifft sich in die­sem einen Punkt. Wer schon mal auf einer grö­ße­ren Demo war, weiß, dass sich da hau­fen­wei­se selt­sa­me Leute und Gruppen tum­meln. Das ist so und das ist auch okay!

  2. Ich den­ke auch, dass es schwie­rig ist, Rechte aus der Demo zu schmei­ßen. Aber ich fin­de auch, dass es nicht geht, wenn die VeranstalterInnen auf der Bühne sol­che Töne dulden.

  3. @AA:
    Ich stim­me Ihnen dar­in zu, dass hier Wachsamkeit ange­sagt ist. Andererseits waren sol­che Rechtsextreme mit Sicherheit auch 1989 dabei. Man hat sie nur nicht erkannt, weil nie­mand Fahnen schwenk­te. Sie dür­fen auf kei­nen Fall zu stark wer­den. Das aber gilt für jede Minderheit: Bekommen Minderheiten zu viel Macht, nei­gen alle dazu, Kritikern den Mund zu ver­bie­ten, auch die Träger der Regenbogenfahnen . 

    Mich bewegt zur Zeit eine ganz ande­re Frage: Wer hat eigent­lich ange­ord­net, die Veranstaltung vom 1. August auf­zu­lö­sen? War es der Berliner OB, der Innenminister, der Polizeipräsident? Da Sie mit Ihren Recherchen recht erfolg­reich sind, wäre es zu begrü­ßen, wenn Sie der Frage ein­mal nach­ge­hen könnten.

  4. Wer behaup­tet, Demonstranten müss­ten eine Demo ver­las­sen wenn sich bestimm­te ande­re dort auf­hal­ten, ver­sucht damit das Demonstrationsrecht über die mora­li­sche Schiene auszuhebeln.

    Es ist aber genau anders her­um: jeder, der nicht auf eine Demo geht, über­lässt den ande­ren das Feld. Je mehr Vernünftige auf einer Demo, umso mehr wer­den Unvernünftige, Extreme, Provokateure und Demonstrations-Sprenger marginalisiert.

    Und noch eines: eine fried­li­che Demo lässt sich nicht pro­vo­zie­ren – weder von Rechten noch von V‑Leuten, "Verfassungsschützern", Agents provocatuers.

    Das hat die Demo 1.8.2020 prak­ti­ziert und bewie­sen. Dafür mei­ne Hochachtung.

    Jeder, der nicht dort war und jetzt dar­an rum­mäkelt, macht die Arbeit der an der Macht kle­ben­den Herrschafts-Elite.

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